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Lilie des Schicksals

Die Geschichte eines Prinzen
von

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Lilie des Schicksals

„Prinz Stefan, Euer Vater verlangt nach Euch!“

Überrascht sah Stefan von seiner Arbeit auf, an der er bis eben gesessen hatte. Die Dienerin, die soeben herein gekommen war verbeugte sich tief, vermutlich verlegen, dass sie ihn gestört hatte. „Verzeiht, aber er meinte es sei dringend.“

Der blonde, junge Prinz nickte und erhob sich um sich auf den Weg zu machen. Er ließ seine Arbeit zwar nur ungerne liegen - je länger er ihr fern blieb desto weniger Lust hatte er danach, sie doch noch zu beenden - aber immerhin rief sein Vater, König Hamminger, nach ihm. Und auch, wenn er dessen einziger Sohn war hieß das nicht, dass er seinen Aufforderungen nicht nachzukommen hatte.
 

Im Thronsaal angekommen - wie jeden Nachmittag befand sich der König dort, bereit, Audienzen abzuhalten - schritt Stefan eilig auf den Thron an der Spitze zu. „Was ist los, Vater?“, fragte er, nachdem er vor diesem kurz respektvoll den Kopf gesenkt hatte.

„Nun ja... ich habe dir doch vor ein paar Tagen davon erzählt, dass der Prinz von Garmone uns bald besuchen wird, nicht wahr?“ Stefan nickte - Garmone war ein Land, welches an ihr Königreich, Harmonica, angrenzte - und Hamminger fuhr fort: „Heute ist es nun so weit. Unsere Grenzsoldaten haben die Kutsche bereits gestern gesehen, vorhin kam der Bote an. Das wichtigste ist natürlich längst vorbereitet, aber ich dachte mir ich sollte dich davon in Kenntnis setzen. Immerhin wäre es äußerst unhöflich, wenn der Empfang nicht komplett wäre.“

„Natürlich. Ich werde da sein.“ Der Prinz wäre ohnehin wohl einer der letzten gewesen, die Etiquette zu brechen, da er Wert auf seinen Ruf legte, aber nichtsdestotrotz bestätigte er es noch einmal, bevor er sich entschuldigte um in sein Gemach zurückkehren zu können. Er wies einen seiner Diener an, ihm rechtzeitig Bescheid zu geben, sodass er sich noch fertig machen konnte, und widmete sich dann wieder dem Stapel an Papier, den er für seinen Unterricht durchzuarbeiten hatte.
 

Am Abend schließlich, als die Sonne bereits unterzugehen begann, klopfte es an seine Tür und ein Diener trat ein. Mit gesenktem Blick berichtete er, dass die Herrschaften aus Garmone bald eintreffen würden, woraufhin Stefan nur nickte und den jungen Mann heraus scheuchte um sich fertig zu machen, ein passendes Gewand war ihm bereits vor einer Weile von einer weiteren Bediensteten gebracht worden. Er legte es an und betrachtete sich noch einmal kurz im Spiegel. Die in weiß und blau gehaltene Kleidung passte gut zu seinen ebenfalls blauen Augen und seine kurzen Haare lagen immer noch ordentlich an. Nur kurz verweilte sein Blick auf dem blauen Liliensymbol über seinem linken Auge, welches fast vollständig von seinen Haaren bedeckt war. Er hatte zwar keine Ahnung, seit wann er es hatte oder woher es gekommen war, aber hierzulande war es fast schon zu einem Symbol für ihn aufgestiegen, da es jeder kannte. So konnte er zwar kaum unerkannt raus gehen, aber er blieb sowieso lieber im Schloss, von daher machte ihm das nichts aus.
 

Wenige Minuten später saß er dann bereits neben seinem Vater, auf dem Thron, der extra für ihn gebaut worden war - natürlich etwas weniger prunkvoll als der des Königs - und sah zu wie ihre Diener die großen Flügeltüren des Saales öffneten. Und kaum, dass sie komplett geöffnet waren trat König Christian von Garmone mitsamt seinen Leibwachen und einigen Dienern ein. Er ging bis vor den Thron, wo er sich kurz vor Hamminger verneigte, bevor er diesen direkt ansprach. „König Hamminger, es ist mir eine Ehre, dass Ihr Zeit für mich gefunden habt. Ich hoffe doch, Ihr habt meine Nachricht erhalten und Euch etwas Gedanken darüber gemacht?“

Die Frage überraschte Stefan. Es war ihm nicht bekannt, dass sein Vater mit dem König von Garmone einen Briefwechsel führte, da er und König Christian doch sehr unterschiedliche Ansichten hatten was gutes Regieren betraf. Während Hammingers Regentschaft auf Güte und Gerechtigkeit basierte, herrschte in Garmone ein totalitäres Regime. Außerdem erzählte ihm sein Vater so etwas für gewöhnlich, schon allein damit er mehr von anderen Königreichen lernte.

Doch Hamminger nickte nur ernst. „Sicherlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht, aber ich finde, dass mein Sohn das selbst entscheiden sollte.“

Schulterzuckend blickte der andere König also zu Stefan, sah ihn erwartungsvoll an. Allerdings konnte Stefan nur verwirrt dreinblicken.

„Verzeiht, aber worum geht es?“, fragte er höflich, was den Anderen dazu bewegte eine Augenbraue zu heben und erneut Hamminger anzusprechen.

„Was, Ihr erzählt Eurem Sohn nicht einmal wenn jemand um seine Hand anhält? Auch wenn er mit neunzehn Jahren damit rechnen sollte...“

„Moment... wie bitte?“ Stefan drehte sich verwirrt ebenfalls zu seinem Vater. „Ist das wahr?“

Der König zögerte einen Moment, bevor er nickte. „Ich weiß, ich hätte dich früher davon in Kenntnis setzen sollen, da es dich betrifft, aber es ging nicht anders. König Christian hat um deine Hand angehalten, um unsere Königreiche friedlich zu vereinen.“

Auch, wenn er es sich nicht anmerken ließ, Stefan ahnte bereits, dass sein Vater das ganz und gar nicht toll fand. Gleichzeitig wussten sie aber beide, dass Harmonica momentan finanziell gesehen leider nicht in der vorteilhaftesten Situation schwebte, was eine Hochzeit in ein reiches Land wie Garmone durchaus attraktiv machte. Es war auch kein Problem, dass Christian ein Mann war, da Hochzeiten zwischen Männern nicht unbedingt unüblich waren - insbesondere wenn noch Geschwister existierten, die spätere Thronfolger zeugen konnten - aber in diesem Fall wäre Harmonica nach einer Hochzeit Garmone beinahe komplett ausgeliefert. Insbesondere wenn Hamminger, der ja nun auch nicht mehr der Jüngste war, sterben würde. Der Frieden des Königreichs stände auf dem Spiel...

Nur wie sollte man einem Mann wie Christian - mächtig und reich - diese Bitte abschlagen...?

Da er wohl kaum ewig überlegen konnte, räusperte sich Stefan schließlich und richtete sein Wort an den jüngeren König.

„Nun gut. Wenn Ihr mich unbedingt heiraten wollt, dann lasst mich Euch eine Aufgabe stellen. Wenn Ihr diese erfüllt, so heirate ich Euch, andernfalls nicht. Einverstanden?“

Sichtlich erfreut über diese Antwort nickte Christian arrogant, als sei er sich sicher, bereits gewonnen zu haben. „Einverstanden.“

„Dann lasst fünf Musikstücke komponieren. Das Erste soll die Wärme des Feuers symbolisieren, wie es zum Kochen und Schmieden verwendet wird. Das Zweite die Erde, die für das Leben steht und die Pflanzen wachsen lässt. Das Dritte soll für das Wasser stehen, wie es unaufhaltsam durch die Lande fließt und uns Kraft gibt. Das Vierte wiederum muss den Wind zum Inhalt haben, der frei über die Felder weht und unmöglich zu zähmen ist. Und das Letzte Lied, das soll die Herzen der Menschen zur Freude anregen, es muss berühren und gleichzeitig dafür sorgen, dass man seine Ängste und sein Leid vergessen kann. Meint Ihr, Ihr seid dieser Aufgabe gewachsen?“

Als er geendet hatte fand er die Aufgabe gar nicht so übel, Christian schien da allerdings anderer Meinung zu sein. Der Blick, mit dem er den Prinzen bedachte war nicht gerade der freundlichste, dennoch nickte er grimmig. „So sei es.“

„Sehr schön. Dann lasst Euch doch nun von den Dienern in Eure Gemächer führen, ja?“, sagte Hamminger schließlich um weitere Spannungen zu vermeiden und sogleich eilten ein paar Männer herbei und zeigten dem anderen König den Weg aus dem Thronsaal.
 

„Und du bist dir sicher, dass das eine gute Idee war...?“, fragte Hamminger seinen Sohn wenige Tage später beim Essen. Christian war zwei Tage nach seiner Ankunft bereits wieder abgereist, fest entschlossen die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen. Vermutlich arbeiteten sämtliche Hofkomponisten gerade auf Hochtouren.

„Ich weiß es nicht. Aber das war das Beste, was mir in dem Moment eingefallen ist. Außerdem denke ich, dass er damit eine Weile beschäftigt sein wird. Ich will ihn jedenfalls nicht wirklich heiraten... es sei denn Ihr seid der Meinung, eine Hochzeit wäre besser für das Königreich.“

Denn auch, wenn er persönlich König Christian nicht leiden konnte, wenn sein Vater es wünschte würde er auch dieses Übel auf sich nehmen.

Dieser schüttelte allerdings nur den Kopf. „Natürlich nicht. Unsere Bevölkerung zu Grunde zu richten um unsere Geldsorgen verschwinden zu lassen kann nicht das Wahre sein. Es muss einen anderen Weg geben.“

Stefan nickte. Allerdings hatten die meisten angrenzenden Königreiche bereits verheiratete Thronerben und anderweitige finanzielle Unterstützung war auch nicht zu erwarten. Sie brauchten definitiv mehr Farmer im Land um die Exporte zu verbessern...

„Wie auch immer, wir werden schon noch einen Weg finden, diese Hochzeit abzuwenden, da bin ich mir sicher.“, meinte der König schließlich und erhob sich, womit das Essen beendet war.
 

Dieser Weg schien allerdings doch schwieriger zu finden als ursprünglich gedacht. Zumindest verstrichen mehrere Wochen ohne weiteren Erfolg und schließlich kehrte Christian zurück. Und zwar mit einem ganzen Orchester.

Es war klar, dass er die Aufgabe als erfüllt betrachtete als er schließlich erneut vor Hamminger und Stefan stand.

„Ich habe die Musikstücke wie gewünscht komponiert.“, erklärte er selbstsicher und sah auf die Königsfamilie.

„Dann seit doch bitte so freundlich und gebt uns eine Kostprobe der einzelnen Lieder.“, erwiderte Hamminger und der andere König nickte.

„Natürlich.“

Auf ein Zeichen begann das Orchester, welches vorher im Hintergrund die einzelnen Instrumente gestimmt hatte, das erste Lied zu spielen. Und jeweils nach einem kurzen Kommentar Christians den Titel des Liedes betreffend, das nächste.

So lauschte der gesamte Saal den einzelnen Musikstücken und auch, wenn es Stefan nicht passte, sie waren wirklich gut.

„Nun? Was sagt Ihr? Das sollte doch mehr als genug sein, nicht wahr?“

Arrogant sah Christian dem Prinzen direkt in die Augen, welcher kurz überlegte, bevor er eine Antwort formulierte.

„Fürwahr, diese Lieder strahlen eine ungewöhnliche Anmut aus.“ Ein siegessicheres Grinsen breitete sich bereits auf dem Gesicht des anderen Königs aus, als Stefan weitersprach. „Aber es ist nicht genug.“

Das Grinsen verschwand und Christian runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

„Ich sagte, es ist nicht genug. Verzeiht, aber diese Lieder mögen anmutig sein, aber ihnen fehlt das gewisse Etwas, was sie einzigartig macht. Jeder unserer Komponisten könnte mit genug Zeit so etwas erschaffen.“

Inzwischen überschattete vor allem schlecht verborgene Wut das Gesicht des jungen Königs.

„Ach, ist das so?“ Er wandte sich an Hamminger. „Dann will ich Euch nun ebenfalls etwas sagen. Ich gebe Euch noch einen Tag Bedenkzeit. Sollte sich Prinz Stefan bis dahin immer noch nicht dazu bereit sehen mich zu heiraten, dann wird Geld bald das geringste Problem Harmonicas sein. Es wäre nicht das erste Reich, was Garmone erobert hat.“

Damit drehte er sich um und verließ wutentbrannt den Saal mit seiner Gefolgschaft im Schlepptau.

Als er verschwunden war drehte sich Hamminger zu seinem Sohn, Hilflosigkeit in seinem Blick.

„Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl... Harmonica übersteht einen Krieg mit Garmone nicht und es würde noch schlimmer enden als im Falle einer friedlichen Übernahme. Du wirst König Christian heiraten müssen.“
 

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In der Nacht des gleichen Tages saß Stefan auf seinem Bett und seufzte. Das, was er nun vorhatte war an sich ein sehr egoistischer Plan von ihm, aber er würde es sich nie verzeihen können, wenn Harmonica durch seine Einwilligung zur Hochzeit von Garmone unterworfen werden würde.

Stattdessen hatte er also beschlossen, zu fliehen. Er würde untertauchen, irgendwohin, wo niemand ihn kannte und er hatte bereits den perfekten Ort gefunden. Toucanis. Toucanis war ein Inselkönigreich, welches nur durch einen Streifen des Großen Meeres von Harmonica getrennt war, aber dennoch komplett... anders war.

Es hieß, dass man sich dort eher wenig um Politik scherte, weshalb auch kaum Kontakt zu anderen Ländern bestand. Gut, ein großer Teil des dortigen Einkommens kam durch Tourismus, aber nur, weil andere Leute sie besuchten hieß es nicht, dass man dort viel Ahnung von anderen Königreichen hatte.

Vermutlich würden sie selbst nach Monaten noch nicht mitbekommen haben, dass hier ein Prinz verschwunden war. Zumindest hoffte er das.

Also packte er sich einige wenige Habseligkeiten, etwas Geld und Proviant ein, zusammen mit ein paar Kräutern - nur gut, dass er auch etwas Unterricht zur Unterscheidung diverser Heil- und Nutzpflanzen gehabt hatte - um möglichst ohne Zwischenstopps nach Toucanis zu gelangen. Und als er gerade überlegte, was für Sachen er wohl anziehen könnte um unauffällig reisen zu können, hörte er hinter sich eine Stimme.

„Prinz Stefan, versucht es doch hiermit.“

Überrascht wirbelte er herum, befürchtend, dass sein Plan scheitern könnte noch bevor er eigentlich begonnen hatte, aber als er sah wer da gesprochen hatte atmete er erleichtert aus. Es war Linda, eine seiner treuesten Bediensteten und fast wie eine Freundin für ihn. Und sie hielt ein graues Stück Stoff in der Hand.

„Was ist das?“, fragte der Prinz verwirrt und sie warf es ihm zu. Er fing es und stellte schließlich fest, dass es eine Art Kapuzenmantel war. „Wofür...?“

Das Mädchen rollte mit den Augen. „Wofür wohl? Damit werdet Ihr eher unerkannt bleiben als mit den Sachen, die sonst so in Eurem Kleiderschrank hängen. Außerdem verdeckt es die Lilie besser als Eure Haare... denn damit würdet Ihr überall auffallen fürchte ich.“

Womit sie leider recht hatte. Das merkwürdige Symbol war weithin bekannt, auch außerhalb der Grenzen Harmonicas, und die Gewänder in seinem Schrank waren allesamt nicht gerade schlicht. Also würde solch ein Mantel wohl wirklich am besten sein.

„Danke.“, murmelte er während er sich den Mantel über die schlichtesten Kleidungsstücke zog, die er hatte finden können. Die Tasche mit dem Rest warf er sich über die Schulter.

Linda lächelte kurz, bevor sie sich umdrehte. „Gut, dann werde ich mal wieder zurück ins Bett gehen... ist ja nicht so, als hätte ich hier gerade irgendetwas ungewöhnliches bemerkt oder so...“, meinte sie zu sich selbst, bevor sie noch ein leises „Möge Sephia Euch beschützen...“ äußerte und schließlich verschwand. Lächelnd sah Stefan ihr noch kurz nach, bevor er sich seinerseits auf den Weg machte, um so unauffällig wie möglich aus dem Schloss zu verschwinden.
 

Es dauerte mehrere Tage, aber endlich war Stefan in Toucanis angekommen. Allerdings fühlte er sich nicht gerade sonderlich gut, er war es immerhin nicht gewohnt, irgendwo anders als in einem weichen, großen Bett zu schlafen und etwas schlechteres als die besten Gerichte Yolandas, der königlichen Köchin, zu essen. Aber ihm war ja bereits vorher klar gewesen, dass sein Leben nun wohl nicht mehr so einfach sein würde wie zuvor, er würde sich schon noch daran gewöhnen.

Und einen kleinen Erfolg hatte er ja auch schon, schließlich war er zum ersten Mal in seinem Leben allein irgendwo angekommen. Sicher, er hatte auch als Prinz gewusst, wie er es anzustellen hatte, aber das war das erste Mal gewesen, dass er dieses Wissen auch hatte anwenden müssen. Allerdings sollte er sich nun wohl erst einmal nach einer Anstellung umsehen, denn das Geld was er mitgenommen hatte war bereits fast aufgebraucht.

Als er also gerade darüber in Gedanken versunken eine der Seitenstraßen der Hauptstadt Toucanis‘ entlang ging prallte er plötzlich mit einer Person zusammen, die ganz plötzlich aus einer Abzweigung vor ihm aufgetaucht war. Zu geschockt um groß reagieren zu können fiel er nach hinten auf den Boden, genau wie die andere Person. Dabei fielen ihm zusätzlich noch ein paar Kräuter aus seiner Tasche und er unterdrückte einen nicht sehr prinzenhaften Fluch, bevor er aufsah, mit wem er eigentlich zusammen gestoßen war.

Es war ein recht jung aussehendes Mädchen - vielleicht etwas jünger als er selbst - mit schulterlangen, blonden Haaren. Gerade jammerte sie etwas über ihr schmerzendes Hinterteil, bevor ihr Blick auf die Kräuter fiel. Schnell steckte Stefan sie sich wieder ein - er war sich nicht sicher wie hoch die Kriminalitätsrate in Toucanis war, wollte es aber auch nicht austesten - bevor er aufstand. Allerdings hatte er als Prinz durchaus auch einiges an Manieren gelernt, weshalb er dem immer noch am Boden sitzenden Mädchen - war sie verletzt oder nur gedanklich abwesend...? - eine Hand reichte.

Blinzelnd betrachtete sie eben diese, bevor sie sie ergriff und dann doch aufstand.

Aber statt wie jeder normale Mensch loszulassen und sich danach vielleicht zu bedanken schien sie anderes im Sinn zu haben, denn plötzlich drehte sie sich um und lief los. Ohne ihn loszulassen. Und ihr Griff war überraschend fest, also blieb dem Prinzen nichts anderes übrig als ihr zu folgen in der Hoffnung, dass er da gerade nicht in sein Verderben lief...
 

Zielsicher lief das Mädchen durch die Straßen und schließlich stellte er fest, dass das Schloss des Königs von Toucanis ihr Ziel zu sein schien. Er bekam bereits leichte Panik - waren die Leute hier doch besser informiert als er dachte und er war bereits aufgeflogen? - aber als sie das Gebäude schließlich durch den Boteneingang betrat atmete er erleichtert aus. Hätte das Mädchen gewusst wer er war, wäre sie durch den Haupteingang marschiert, mit Sicherheit.

Stattdessen lief sie immer weiter durch einige weitere Gänge bis sie endlich zum stehen kam.

...in der Schlossküche?

„Hey Marco! Ich hab die Kräuter mitgebracht die du haben wolltest!“, rief sie voller Elan und aus dem Nebenraum erschien ein junger Mann in Stefans Alter mit lachsfarbenem Haar, welches er sich mit zwei Haarspangen zurück gesteckt hatte, wie Frauen es taten. Ja, die Leute waren tatsächlich merkwürdig...

„Maya... wer ist das?“, fragte der Mann - Marco? - stirnrunzelnd als er statt der Kräuter Stefan sah.

Sie drehte sich um und blinzelte, als hätte sie ihn eben zum ersten Mal gesehen. „Oh... das ist der, bei dem ich die Kräuter gesehen habe!“

„Maya, das sind seine Kräuter, du solltest selbst welche holen! Wie soll ich denn so den Lachs ordentlich würzen?!“

Der Mann wandte sich an Stefan und seufzte. „Tut mir leid für die Umstände! Maya hier ist leider völlig untalentiert was das Kochen angeht-“ „Hey!“ „-aber ich hätte sie wohl auch nicht zum Kräutersammeln schicken sollen...“ Er schüttelte den Kopf. „Aber... stimmt es, das du Kräuter besitzt?“

Stefan nickte langsam und öffnete seinen Beutel. Die Leute hier schienen die Kräuter zu brauchen und der Wald konnte nicht sonderlich nah sein, wenn er so weit draußen in das Mädchen hinein gelaufen war. Also holte er einige Kräuter heraus bei denen er sich recht sicher war, dass sie zu Lachs passten - nur gut, dass seine Bildung ziemlich weit gefächert war, auch wenn Yolanda eine strenge Lehrerin war - und reichte sie dem Anderen.

„Sind die hier genug?“

Marcos Augen wanderten überrascht von den Kräutern zu Stefan und zurück. „Sag bloß du weißt, wie man würzt?“

„Naja... mehr oder weniger, ja.“ Der Prinz zuckte mit den Schultern.

„Als was arbeitest du?“

„Ich... suche momentan nach Arbeit. Wieso?“

„Willst du hier anfangen? Eine helfende Hand mehr können wir immer gebrauchen, gerade da manche Leute-“ Er warf einen Seitenblick auf Maya. „-das Vorankommen ja eher behindern als fördern...“ „Marco! Du bist gemein!“ „Ich bin nur ehrlich.“ Er drehte sie zurück zu Stefan. „Wie auch immer, willst du?“

Der Prinz dachte kurz darüber nach. Einerseits war es riskant so nah an einem Schloss zu bleiben, falls ihn doch jemand erkennen sollte, andernfalls hatte er ja genau deswegen seinen Mantel und außerdem erfuhr man hier sicherlich mehr an Informationen - wenn überhaupt etwas ankommen würde - als irgendwo in der Stadt... also nickte er schließlich.

„Gern. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich sonderlich gut bin.“

„Keine Sorge.“, kommentierte der Andere mit einem seltsamen Blick. „Du wirst es lernen.“ Dann lächelte er wieder normal. „Wie auch immer, wie du sicherlich bereits mitbekommen hast ist das hier Maya, eine der Küchenhilfen und ich bin Marco, der königliche Koch persönlich. Willkommen am Hof von Toucanis!“
 

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Die nächsten Tage und Wochen waren für Stefan fast schon eine Art Tortur. Sicher, durch seinen neuen Beruf hatte er nun immerhin Essen und ein Dach über den Kopf, aber die Arbeit in der Küche war doch um einiges anstrengender als er bisher gedacht hatte. Außerdem war Marco ein überaus strenger Lehrer, der nur das Beste akzeptierte.

Nur gut, dass der Prinz ein recht schneller Lerner war und zumindest die Grundtechniken eines Küchenjungen bald erlernt hatte. Da half ihm sogar so manches Wissen, dass er einmal von Yolanda vermittelt bekommen hatte und er war überraschend froh, sich das gemerkt zu haben.

Außerdem stellte er fest, dass Marco ein großer Fan Yolandas war und nur deshalb ebenfalls Koch an einem königlichen Hof geworden war und er beschloss, sie ihm vorzustellen wenn er jemals eine Möglichkeit finden sollte, nach Harmonica zurückkehren zu können.

Außerdem lernte er noch ein paar weitere leicht seltsame Leute kennen, wie den königlichen Schneider Julius - ein Mann mit recht weiblich anmutenden Gewändern und langen, mit bunten Strähnen versehenen Haaren - oder Celina - eine Tänzerin die eigentlich nie mehr Kleidung trug als unbedingt nötig.

Wobei er selbst vermutlich ebenfalls bereits als seltsam abgestempelt werden musste, immerhin legte er Lindas Mantel nie ab um nicht versehentlich doch jemandem das Zeichen zu entblößen, welches ihn verraten konnte.

Dennoch begann er es im Großen und Ganzen hier zu mögen und auch, wenn es ein einfaches Leben war gab es überraschend viel zu lachen für den eigentlich eher unsozialen Prinzen.
 

Und dann eines Tages hörte er das Gerede über den Ball.

Es hieß König Oskar - im Übrigen vermutlich der Grund für die Gerüchte, die Bewohner von Toucanis wären seltsam, da er seine Krone auf einem großen Strohhut trug - würde einen Ball geben um seinem Sohn bei dem Finden eines geeigneten Ehepartners zu helfen. Und auch, wenn Stefan sich für den Grund herzlich wenig interessierte vermisste er die königlichen Tanzveranstaltungen doch ein bisschen. Er hatte immer gern getanzt auch wenn er nicht so wirkte.

Also ging er eines Abends zu Marco und fragte ihn ganz einfach, ob er an dem Abend des Balls wohl frei haben dürfte.

„Du willst frei? Wieso das, bisher warst du doch mit deinen freien Tagen immer auch so zufrieden?“, fragte der Koch verwirrt.

„Naja... ich will sehen, ob ich auf den Ball gehen kann...“, murmelte Stefan und - er hatte es fast erwartet - sein Gegenüber brach in schallendes Gelächter aus.

Du? Ich bitte dich, nichts gegen dich aber du bist wohl kaum gut genug gekleidet um auch nur an die Tür des Ballsaales gelassen zu werden. Das ist für die gehobene Gesellschaft, ich bin schon froh, dass ich als Koch die Speisen mit nach oben bringen darf.“

Stefan wartete, bis der Andere sich wieder beruhigt hatte, bevor er antwortete.

„Ja, ich. Wie wäre es damit: Ich versuche auf den Ball zu gehen und wenn du - oder irgendjemand anderes - erkennt, dass ich dort nicht hingehöre, dann verlasse ich den Saal und frage dich nie wieder nach etwas in der Art. In Ordnung?“

Das schien sich Marco kurz durch den Kopf gehen zu lassen.

„Du meinst es tatsächlich ernst, oder? Aber bitte, wie du meinst. Wir sehen ja dann wie du dich machst.“ Er zuckte mit den Schultern und Stefan lächelte.

„Vielen Dank.“
 

Als dann endlich der Tag des Balls gekommen war legte Stefan Lindas Mantel ab und zog sich die einzigen edler aussehenden Sachen an, die er mitgenommen hatte. Sie waren zwar recht schlicht, passten aber gut zu ihm - immerhin hatte Siggi, die königliche Schneiderin in Harmonica, ihm nur edle Gewänder genäht - weshalb er damit wohl durchkommen musste. Was ihn nicht daran hinderte sich noch einmal die Haare vor die Stirn zu streichen, das Liliensymbol musste nun wirklich nicht jeder sehen.

Aber tatsächlich, er wurde problemlos als Adel akzeptiert und in den Ballsaal vorgelassen. Nun ja, er wusste eben trotz der Küchenarbeit noch allzu gut, wie man sich als Prinz zu benehmen hatte.

So sah er sich etwas im Saal um und als, nach einer kurzen Ansprache des Königs - die Stefan ausblendete um sich zu vergewissern, dass niemand ihn kannte - die Musik endlich begann, tanzte er mit einigen der adligen jungen Damen. Es war auch durchaus amüsant, weshalb er sich mit der Zeit entspannte und sich auf der Tanzfläche mit der Musik treiben ließ.

Nachdem er dann eine Weile getanzt hatte und seine letzte Tanzpartnerin zurück zu ihrer Begleitung geführt hatte ging er ans Buffet, wo diverse Speisen zubereitet waren. Er musste bei dem Gedanken daran, wie viel Mühe das Essen Marco und die Küchenhilfen wohl gekostet haben musste lächeln, aber es schmeckte vorzüglich und er war durchaus froh, mal wieder der Empfänger solcher Speisen zu sein, nicht immer nur der, der dabei half sie zuzubereiten.

Während er noch etwas über die Leute in der Küche nachdachte und auf die Tanzfläche starrte bemerkte er nicht, dass sich ihm eine Person näherte bis diese direkt vor ihm stand. Überrascht blinzelte er und fokussierte seinen Blick auf den Mann. Wie viele der Menschen hier war auch er ungefähr in Stefans Alter, mit kurzem, eisblauem Haar und einem Lächeln auf den Lippen. Seine Augen waren geschlossen, aber dennoch schien er zu wissen, dass er da vor jemandem stand, zumindest hatte er sein Gesicht direkt in Richtung des Blonden gedreht.

Welcher gerade damit beschäftigt war, besagte Person anzustarren. Er wusste, dass es unhöflich war, aber irgendwie faszinierte ihn der Mann, auch wenn er ihn nicht einmal kannte... waren eisblaue Haare hier normal...? Es stand ihm, aber solch eine Haarfarbe hatte Stefan noch nie gesehen.

Erst ein Räuspern seines Gegenübers holte ihn aus seiner Starre und er errötete leicht als er bemerkte, dass er den Mann gerade schweigend angestarrt hatte.

Allerdings schien das diesen gar nicht zu stören. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte er freundlich und hielt dem Prinzen den Arm hin.

Überrascht, von einem Mann aufgefordert zu werden blinzelte Stefan kurz, nickte dann aber und ließ sich zurück zur Tanzfläche führen. Allerdings fiel ihm schnell auf - beziehungsweise, als der Andere dessen Hand an seine Hüfte legte - das er nun wohl den weiblichen Part übernehmen musste, woraufhin er am liebsten protestiert hätte, aber da begannen sie bereits zu tanzen.

Und dafür, dass der Mann scheinbar die Augen geschlossen hatte, tanzte er überraschend gut. Nämlich ausgezeichnet, Stefan konnte es selbst nicht besser machen. Aber natürlich, hier waren höchstwahrscheinlich nur Adlige, die dementsprechenden Unterricht gehabt hatten.
 

Nach zwei weiteren Tänzen legte das Orchester schließlich eine kurze Pause ein, woraufhin die beiden Männer die Tanzfläche verließen und sich an den Rand stellten, wo inzwischen überall Leute standen, die sich unterhielten.

„Sagt, wie ist Euer Name?“, fragte Stefan schließlich - er war mehr oder minder neugierig, wer denn da so gut tanzen konnte - was seinen Gegenüber allerdings aus irgendeinem Grund ziemlich zu amüsieren schien, wenn er das breiter werdende Grinsen richtig interpretierte.

„Ihr scheint nicht viel auf Ansprachen zu geben, oder? Immerhin ist das hier ein Ball, der mir helfen soll eine Verlobte zu finden, wie mein Vater mehrfach erwähnte. Ich bin Toby. Prinz Toby von Toucanis um genau zu sein.“

Daraufhin stieg Stefan die Schamesröte ins Gesicht. Wie konnte er die Vorstellung des Prinzen verpassen?! Und dann ausgerechnet vor ihm stehen und seinen Namen zu vergessen... „Also, ich...“, begann er einen Versuch, sich herauszureden aber Toby schüttelte nur den Kopf.

„Schon in Ordnung. Was auch immer Ihr unter den Gästen gesucht habt, es schien wichtig zu sein.“

In diesem Moment wäre er wohl am liebsten im Boden versunken. Dass der andere Prinz nun auch noch direkt mitbekommen hatte, dass er geistig nicht anwesend gewesen war...!

„Darf ich Euch auch nach Eurem Namen fragen?“, fragte dieser schließlich und Stefan biss sich leicht auf die Lippe. Diese Frage hatte ohnehin irgendwann kommen müssen, aber er wusste nicht, wie er sie beantworten sollte...

Schließlich entschied er sich allerdings für die Wahrheit.

„Stefan.“

„Stefan also... und weiter?“

Er seufzte. „Prinz Stefan von Harmonica.“ Nun konnte er nur hoffen, dass Informationen tatsächlich so langsam hier im Schloss ankamen wie er gehört hatte. Unten in der Küche war ihm jedenfalls noch nichts zu Ohren gekommen, dass der Prinz von Harmonica vermisst wurde...

Und tatsächlich, der Andere schien zwar mit seinem Namen etwas anfangen zu können, aber reagierte anderweitig nicht darauf. Zumindest nicht anders als es jeder andere getan hätte, als er noch in Harmonica gehaust hatte.

„Tatsächlich? Stimmt es denn, dass Ihr ein Liliensymbol auf der Haut tragt?“, fragte Toby überraschend neugierig und Stefan nickte nur, bevor er sich die Haare hinters Ohr strich, was das Symbol gut sichtbar machte.

Das schien den anderen Prinzen wiederum ziemlich aus der Bahn zu werfen, da er in dem Moment die Augen öffnete.

Was Stefan zumindest verstehen ließ, weshalb er die Augen meist geschlossen hielt, da er sich beinahe in ihnen zu verlieren schien. Sie hatten einen seltsamen Farbton, grün, aber irgendwie auch wieder nicht, und Stefan hätte vermutlich ewig in sie starren können, wenn Toby nicht wenig später hätte blinzeln müssen und seine Augen danach wieder geschlossen hielt, woraufhin Stefan seinerseits blinzelte. Was war das denn gewesen...? Aber er musste schon zugeben, dass sein Gegenüber nicht gerade unattraktiv war... er schüttelte den Kopf. Nein, sich in den Prinzen eines Nachbarlandes zu verlieben wenn man den König eines anderen heiraten sollte war für gewöhnlich keine gute Idee...

„Ich denke ich sollte gehen...“, murmelte er also und drehte sich bereits um, um zu verschwinden, als Toby ihn am Handgelenk griff.

„Warte!“

Der andere Prinz zog ihn zurück zu sich und drehte ihn so, dass sie sich erneut gegenüber standen, bevor er sich nach vorne lehnte und ihm einen leichten Kuss aufdrückte.

Viel zu perplex um groß zu reagieren tat Stefan nichts und Toby lächelte nur, die Augen leicht geöffnet. „So vergisst du mich zumindest nicht mehr, nicht wahr?“

Damit verneigte er sich noch einmal kurz und verschwand in die tanzende Menge, während Stefan immer noch überrascht geradeaus starrte. Da war er das erste Mal seit Monaten wieder auf einem Ball und dann wurde er ausgerechnet von der Person, für die ein Ehepartner gesucht wurde geküsst...

Nicht, dass er so direkt etwas dagegen gehabt hatte, aber...

Kopfschüttelnd verdrängte er die störenden Gedanken, drehte sich um und setzte sich endlich in Bewegung, den Ausgang des Ballsaales ansteuernd. Das Getuschel einiger weniger Leute, deren Blick auf sein immer noch gut sichtbares Liliensymbol gefallen war nahm er nur noch am Rande wahr, eigentlich wollte er einfach nur ins Bett.
 

Am nächsten Morgen dann war das erste was er tat sich wieder umzuziehen und seinen Mantel überzuwerfen, da er am Vorabend einfach nur ins Bett gegangen war ohne sich die Mühe zu machen seine Kleidung zu wechseln.

Und dabei fiel ihm zum ersten Mal etwas ungewöhnliches auf. Seit wann trug er Schmuck? Beziehungsweise, seit wann, nachdem er aus Harmonica verschwunden war, trug er Schmuck? Er hatte doch gar keinen mitgenommen, aber nichtsdestotrotz war da ein Ring an seinem Finger. Er nahm ihn ab und besah ihn sich etwas genauer. Ein simpler Silberring mit kleinen Einkerbungen in die scheinbar Saphire gelassen worden waren... er war wirklich hübsch, aber Stefan war sich sicher, so etwas noch nie besessen zu haben.

Bis ihm endlich klar wurde, dass es nur eine Situation gab, in der er auch einen Kanonenschuss nicht bemerkt hätte. Tobys... ‚Abschied‘ am Vorabend. Den Ring musste der Prinz persönlich ihm angesteckt haben... Aber er würde ihn nicht tragen können, immerhin war er für die Leute in der Küche nur ein einfacher Küchenjunge und woher sollte so jemand einen derartigen Ring besitzen...?

Also steckte er ihn sich in eine seiner Hosentaschen. So würde ihm das Schmuckstück zumindest nicht entwendet werden, denn solch ein Geschenk musste er einfach vor Dieben schützen. Überraschend gut gelaunt ging er nun also in die Küche, wo er gleich noch Marco erzählen konnte, dass er ihre kleine Wette ja scheinbar gewonnen hatte...
 

Die nächsten Tage dann war alles ruhig. Stefan ging weiterhin seiner Beschäftigung als Küchenjunge nach und Marco erklärte ihm Schritt für Schritt weitere Dinge die man bei der Zubereitung von Essen beachten musste, aber dafür fand er seine Gedanken während der freien Zeit die er hatte immer häufiger beim Prinzen von Toucanis.

Und je mehr Tage vergingen desto öfter bemerkte der Blonde, wie sich auch während seiner restlichen Zeit Toby in seinen Gedanken wiederfand.

Genau das war auch der Auslöser, warum er einige weitere Tage später versehentlich etwas der Fischsuppe, die er eigentlich hatte salzen sollen verschüttete. Er wusste, dass Marco keinen dreckigen Arbeitsplatz duldete und jeden Moment herein kommen konnte, um das gewürzte Essen zu holen, weshalb er schnell ein Tuch aus seiner Tasche zog um die Suppe aufzuwischen. Aber er hatte wirklich kein Glück an diesem Tag. Denn das Tuch lag dummerweise unter dem Ring, den er gerade in den letzten Tagen immer wieder heraus genommen hatte wenn er an Toby dachte. Und nun, da er das Tuch so ruckartig herausgezogen hatte um in Hektik alles zu säubern war der Ring in hohem Bogen gleich mit heraus gekommen. Und direkt in den Suppentopf gefallen...

Er konnte nur fluchen und den verschütteten Teil wegwischen, doch bevor er dazu kam, den Ring wieder herauszufischen erschien Marco bereits in der Tür.

„Wo bleibst du mit dem Essen? Du kannst die königliche Familie nicht warten lassen!“

Schnell schnappte er sich zwei Teller, schöpfte ordentlich Suppe auf eben diese und verschwand wieder nach oben.

Kaum, dass er weg war versuchte Stefan, mit der Kelle nach dem Ring zu Angeln - hinein fassen war jedenfalls keine Option - aber er hatte kein Glück, egal wie oft er es versuchte.

Schließlich gab er auf, verfluchte sich noch einmal für seine Ungeschicklichkeit und begann stattdessen, einige andere Aufgaben zu erledigen, die Marco ihm aufgetragen hatte. Nicht, dass er immer noch untätig am Suppenkessel stand wenn der Koch wiederkehrte um beispielsweise Nachschlag zu holen.

Und tatsächlich, nur wenig später kam Marco zurück, allerdings nicht wegen dem Nachschlag.

„Hey, komm mal mit. Der Prinz verlangt nach dir.“

Verwirrt folgte Stefan dem Anderen nach oben in den Essenssaal, der inzwischen komplett leer war, einzig Toby saß noch auf seinem Platz, den leeren Teller Suppe vor sich.

„Danke Marco. Du kannst jetzt gehen.“

Schulterzuckend verschwand der Koch wieder nach unten und Stefan stand allein mit Toby in dem Raum, welcher sich nun ebenfalls erhob.

„Du bist es, nicht wahr?“, fragte der Blauhaarige lächelnd und ging auf den ‚Küchenjungen‘ zu.

„Ich bin... was?“, fragte eben dieser unsicher und machte im gleichen Rhythmus einige Schritte zurück.

„Du bist Stefan von Harmonica.“

„W-Wie kommt Ihr darauf?“

„Ich habe das hier gerade in meiner Suppe gefunden.“ Toby griff in seine Tasche und holte einen Ring hervor. Genau den Ring, den Stefan vorher in die Suppe hatte fallen lassen... war das jetzt Schicksal...? Aber er konnte nichts erwidern, da der Andere sogleich weitersprach.

„Natürlich habe ich Marco gefragt, wer am Zubereiten der Suppe beteiligt war, aber außer ihm und einem Küchenmädchen warst du der Einzige.“

Inzwischen war Stefan mit dem Rücken an einer Wand angekommen, er hatte also keine Möglichkeit mehr, weiter zurück zu laufen. Was Toby nicht weiter zu stören schien, da er seelenruhig weiter auf ihn zukam.

„Ich habe doch Recht, nicht wahr?“

Stumm drehte der Blonde den Kopf weg. Als ob er es öffentlich zugegeben würde!

Aber das schien er gar nicht zu müssen, denn der Andere zog ihm einfach, kaum, dass er vor ihm zum Stehen gekommen war, die Kapuze vom Kopf und strich sanft das Haar über seinem linken Auge zur Seite.

Natürlich war das Liliensymbol zu sehen, was Toby nur noch breiter lächeln ließ. „Was hab ich gesagt?“

Stefan seufzte. „Schon gut. Aber bitte erzählt es nicht herum!“

Erhobene Augenbrauen. „Wieso nicht? Was machst du eigentlich überhaupt hier? Solltest du als Prinz von Harmonica nicht... nun ja, in Harmonica sein, statt hier Küchenjunge zu spielen?“

Also erzählte besagter Prinz dem Anderen die ganze Geschichte, etwas anderes blieb ihm ja wohl kaum übrig.
 

Als er fertig war, sah ihn Toby nachdenklich an. „Nun ja, ich hätte da eine Idee, aber-“

Doch noch bevor er seinen Satz beenden konnte hörte man plötzlich einen merkwürdigen Klang.

Der Blauhaarige runzelte die Stirn. „Gäste? Um diese Uhrzeit?“

Und was für Gäste. Denn noch bevor sich der Prinz überhaupt zum Thronsaal begeben konnte flog die Tür des Speisesaals - durch die ein kürzerer Weg zum Thronsaal führte als der offizielle - bereits auf. Stefan hatte gerade noch Zeit, sich seine Kapuze wieder über zu werfen, da trat bereits jemand ein, dessen Bekanntschaft er nun schon zur Genüge gemacht hatte: Christian.

Ohne Umschweife wandte er sich direkt an Toby.

„Wo ist dein Vater?“, fragte er barsch.

„Nicht hier. Wenn Ihr etwas wollt, könnt Ihr das aber genauso gut mit mir besprechen.“

„Und ob ich etwas will. Ihr habt hier vor Kurzem einen Ball gegeben, korrekt? Und auf diesem Ball, war Stefan von Harmonica anwesend. Und nun wäre es überaus freundlich, wenn ihr ihn mir aushändigen würdet! Er ist verlobt.“

Der Prinz hörte aufmerksam zu, bevor er den Kopf schüttelte.

„Nein.“

Das schien Christian zu überraschen. „Wie, Nein?“

„Nein, weder ich noch mein Vater werden Euch Stefan aushändigen. Ich glaube nämlich nicht, dass es in seinem Interesse läge, Euch zu heiraten.“

„Was geht dich das an, das ist eine Angelegenheit zwischen mir und ihm und-!“, setzte der König an, vermutlich um eine Drohung auszusprechen, aber Stefan konnte bei der Diskussion nicht länger zusehen und trat schließlich zwischen die Beiden.

„Hier bin ich doch. Ich bin Prinz Stefan von Harmonica.“

König Christian betrachtete nur kurz den dreckigen Mantel in den er gekleidet war, bevor er lachte. „Du? Du bist doch nichts weiter als irgendein dreckiger Diener. Prinz Stefan ist doch um einiges hübscher.“

„Also wollt Ihr mich nicht heiraten?“

„Natürlich nicht!“

„Gut, dann wäre das ja erledigt.“

Lächelnd nahm Stefan den Mantel ab und offenbarte sein Gesicht und die Lilienblüte über seinem Auge, gut sichtbar durch die Haare, die Toby vorher zurückgestrichen hatte.

Christian hingegen schien das Ganze gar nicht so lustig zu finden.

„Du hast mich betrogen!“, rief er wutentbrannt und zog das Schwert, was vorher nur an einer Scheide an dessen Hüfte gehangen hatte. „Dafür wirst du bezahlen!“

Er holte zu einem Schlag aus und wollte Stefan gerade angreifen - was für Stefan wohl ziemlich fatal geendet hätte, da er im Schwertkampf nie sonderlich gut gewesen war und ohnehin nicht einmal ein Schwert hatte gerade - da wurde eben dieser zur Seite gezogen und der Schlag von Tobys eigenem Schwert blockiert.

„Wenn Ihr unbedingt kämpfen wollt, dann bitte mit mir.“

In dem Moment schien es Christian ohnehin egal zu sein mit wem er sich da duellierte, weshalb er kurz danach eben stattdessen auf Toby losging.

Schockiert beobachtete Stefan den Schlagabtausch und konnte nur hoffen, dass Toby wusste was er tat.

Aber so schien es, zumindest war der blauhaarige Prinz schnell und eindeutig talentiert. Außerdem schien er kräftiger zu sein als seine Statur es vermuten ließ, denn der Kampf dauerte lang und während Christians Schläge nach und nach an Kraft verloren blieb Tobys Kampfstil sicher. Nur wenig später landete dann schließlich das Schwert des Königs klirrend einige Meter entfernt auf dem Boden.

„Versucht nie wieder Stefan anzurühren, ist das klar?“, murmelte Toby, sein Schwert an Christians Kehle. Er hatte auch jetzt die Augen geöffnet, allerdings fand sich darin momentan nichts als Abscheu.

Erst nach einem Nicken Christians senkte der Blauhaarige sein Schwert, behielt den anderen aber weiterhin im Auge während er das zweite Schwert aufhob.

„Und nun schert Euch fort! Und überlegt es Euch besser zweimal wem Ihr droht!“

Damit verschwand Christian aus dem Saal, hoffentlich für immer und Toby wandte sich wieder an Stefan.

„Damit sollte sich euer Problem gelöst haben.“

Stefan nickte langsam. „Schon, aber...“

„Aber was?“

„Leider war das nicht Harmonicas einziges Problem...“

„Ah, du meinst die Geldsorgen?“

Der Blonde nickte erneut, woraufhin der Andere zu lächeln begann und in zu sich zog.

„Weißt du, auch wenn es nicht so aussieht, Toucanis ist ein überraschend reiches Land... ich denke, dass es da durchaus eine Möglichkeit gäbe, Harmonica zu helfen.“

Er öffnete die Augen und sah Stefan an, bis dieser verstand, worauf er hinaus wollte.

Lächelnd nickte er und brachte gerade noch ein „Gern.“ Heraus, bevor Toby den Abstand zwischen ihren Lippen einmal mehr verschwinden ließ.

Als er den Kuss dann löste lächelte er nur noch breiter als er es sonst schon tat. „Sehr schön. Dann, denke ich, ist es an der Zeit, deinem Vater Bescheid zu geben, meinst du nicht?“

Und so machten sich die Zwei auf den Weg, einen Boten loszuschicken, der König Hamminger darauf vorbereiten sollte, dass sein Sohn endlich zu ihm zurückkehren würde. Und dieses Mal mit einem Verlobten, mit dem er auch einverstanden war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Tinker_1
2011-09-18T11:27:24+00:00 18.09.2011 13:27
Ich finds auch echt süß;)Du hast die Idee mit dem Märchen sehr gut rübergebracht:) Das ursprüngliche Märchen war Allerleirauh, oder? Zumindest gibt es gewisse Parallelen:)

Von:  jastra93
2011-08-01T23:49:03+00:00 02.08.2011 01:49
Hach da kann ich mir nur wieder anschließen, Luvi-chan ^^
Das war einfach nur unglaublich süß - und hatte deinen typischen Schreibstil und wieder so viele schöne Momente, an denen man einfach nur schmunzeln und die Geschichte genießen konnte ^-^
Hast du wieder sehr gut hinbekommen ;D
Ich denke die Umsetzung mit dem Märchen ist dir auch ziemlich gut gelungen ^^
Fazit 10/5 Sternen - wenn ich welche verteilen könnte ^^'

Gruß Jastra ^^
Von:  Roy
2011-07-23T16:12:08+00:00 23.07.2011 18:12
Oh Gott das ist zu niedlich. ♥ Die beiden passen so gut zusammen und die Idee mit dem Märchen hast du so fabelhaft umgesetzt!! Dein Schreibstil ist so klasse, ich konnte alles genau sehen, als wäre ich selbst dabei. Das ist so süß, da bekommt man Karies wenn man das liest! Aber das ist sooooooooooooooooooooooooooo Liebe!!! ♥3♥ Ich muss die gleich nochmal lesen! Du musst mehr sowas schreiben! *poke*


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