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Die Chroniken von Khad-Arza - Das Imperium der schwarzen Sonne

Zweites Buch
von

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Im Schatten der Erdgeister

Es war eiskalt. Das war alles, was Neisa Lyra mit Sicherheit wusste, als sie sich plötzlich mitten auf der düsteren Tundra des nördlichen Landes befand und am ganzen Leibe zitterte... es war nicht nur die Welt, die kalt war, ihr Geist war es jetzt auch. Sie zwang sich, keine Gedanken mehr an Zoras Derran zu verschwenden, obwohl ihr Gesicht vor Zorn glühte, wenn sie es dennoch tat. Dieser feige Mistkerl, der sie verkauft und verraten hatte... sie würde Karana finden und dafür sorgen, dass er ihm die Haut abzog! Das hieß, sobald sie wusste, wo sie war. Und ob sie überhaupt noch lange leben würde in der Gesellschaft dieses zwielichtigen Typen, der jetzt vor ihr anhielt und sich zu ihr herab beugte, um sie stirnrunzelnd zu mustern. Neisa hatte den Stolz einer Königin – ihr Vater war der Herr der Geister und neuerdings Herrscher eines Reiches – das es nicht mehr gab, aber immerhin – sie würde vor diesem Kerl niemals in die Knie gehen! Sie würde mit dem Trotz einer gefangenen Löwin stehenbleiben und niemals nachgeben, um die Ehre ihrer Ahnen nicht in den Dreck zu ziehen... sie bat die Geister ihrer Vorfahren innerlich, ihr zu helfen und sie zu beschützen.

Der Kerl sah gruselig aus. Seine violetten, recht kurzen Haare wirkten überaus gepflegt und gestriegelt, seine Haut hatte die typisch aristokratische Blässe, was Neisa vermuten ließ, dass er von hohem Rang sein musste... auch, wenn seine Kleider nicht wirklich danach aussahen. Tatsächlich gruselig waren aber seine verschiedenen Augen. Sie hatte selbst verschiedene Augen, aber der hatte eins, das wie tot aussah... kurz fragte sie sich, was er damit wohl angestellt hatte. Er grinste sie zufrieden an und entblößte eine Reihe von geraden, verblüffend sauberen Zähnen.

„Du bist wirklich eine Prinzessin, nicht wahr? Dein Blick würde ja jeden Wurm in die Knie zwingen.“, sagte er amüsiert. „Also, mich kriegst du so nicht, ich bin Zuyyaner, wir sind gegen Blicke immun... es sei denn, sie stammen von unseresgleichen.“

„Wusste ich es doch.“, zischte die Blonde kalt, „Ihr seid widerliche Maschinen ohne Gefühle, ihr Spinner. Du tust besser daran, mich zu meinen Eltern zu bringen, wie du Zoras weisgemacht hast. Ich glaube dir kein Wort, du lügst doch.“

„Wer lügt denn nicht?“, entgegnete ihr Gegenüber und das Lächeln verschwand – Neisa schauderte, als sein Blick jetzt kalt und bohrend wurde. „Lügst du nicht? Oder ist das bei euch Tharranern etwas anderes, wenn eine Frau ihrem Gefährten den Rücken kehrt, um sich wolllüstern einem anderen zu öffnen?“ Neisas Gesicht errötete so heftig, dass sie die Hitze bis zu ihren Ohren kriechen spürte.

„Was bist denn du für ein Spanner?!“, fragte sie dann wütend, „Das geht dich ja wohl einen Dreck an!“

„Ich rechtfertige mich nur, und meine Motive zu lügen mögen edler sein als deine. Was wirst du deinem Gefährten sagen, wenn du ihn jemals wiedersiehst? Sicher nicht, was du da oben so getrieben hast...“

„Genau genommen habe ich gar nichts getrieben!“, zischte sie, „Ich darf es noch nicht, weil ich noch keine Frau bin!“ Er erhob sich wieder, um sie von oben herab anzugrinsen. Er war ein gutes Stück größer als sie und die Blonde erschauderte bei dem prüfenden Blick, den er ihr schenkte.

„Noch nicht...“, murmelte er dann dumpf, „Es wird aber nicht mehr lange dauern.“ Dann kehrte er ihr den Rücken und sie fragte sich wütend, was das heißen sollte – dann holte sie tief Luft und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Sie durfte auf keinen Fall den Kopf verlieren...

„Antworte mir, Bastard.“, sagte sie dann kaltblütig, „Wo sind wir und was hast du mit mir vor? Bist du wirklich ein Cousin von Thira? Du siehst ihr nicht ähnlich.“

„Mein Vater war Bruder ihrer Mutter.“, sagte der Fremde nüchtern, „Natürlich kann das jeder behaupten, ob du mir glaubst, bleibt dir überlassen, Mädchen. Nun, wir sind etwa zwei Tagesmärsche von Ahrgul entfernt. Ich habe dafür gesorgt, dass wir schnell vom Inferno wegkommen. Und wenn du gestattest, bringe ich dich jetzt in die Hauptstadt. Je weniger Zicken du machst, desto schmerzloser wird es werden... vertrau mir.“ Neisa spannte sich an, als er ihr seine Hand entgegen streckte.

„Ich vertraue niemandem, der lila Haare hat!“
 

Er musste sie mit Gewalt vorwärts schleifen, was es nicht einfacher machte. Er fragte sich verdrossen, ob er so unbegabt war oder woran es lag, dass seine Seelenkontrolle bei ihr so gut wie nicht funktionierte. Wenn er versuchte, ihr seinen Willen aufzuzwingen mit Hilfe seiner Reikyu im linken Auge, wehrte sie sich vehement dagegen und hatte dabei sogar Erfolg... das war anormal. Schließlich war es mehr eine kleine Eingebung, die ihm verriet, wo das Problem lag.

Sie ist eine Nachfahrin der Ekalas... natürlich ist sie das, ihre Urgroßmutter war Salihah, die sie Seherin genannt haben. Eine der mächtigsten Seherinnen, die es je gegeben hat, so fürchterlich wie sie schön war. Die Nachfahren der Ekalas haben alle mehr oder minder diesen Widerstand in sich... das hätte man mir aber auch mal früher erzählen können, da hätte ich mir Mühe gespart.

Er grummelte, während er das Mädchen missmutig vor sich her jagte und ihr mit seiner Waffe drohte. Dieser Spinner, für den er arbeitete, hatte das unter Garantie gewusst... natürlich hatte er das, bei seinem Wesen wäre es verblüffend gewesen wenn nicht.

Du solltest stolz auf mich sein, Schwester... ich tue das alles um deinetwillen. Chenoa sitzt mir zu viel herum, ich werde dafür sorgen, dass das Imperium fällt, wenn sie es schon nicht tut, wie sie es immer behauptet hat zu wollen. Verräterin... da hockt sie tagein, tagaus bei diesem alten Taugenichts von Kaiser im Palast und spielt seine Hofdame, statt ihm einfach den Garaus zu machen... sie könnte es so einfach haben.

Er wunderte sich einen Moment... was er ursprünglich vorgehabt hatte, würde dank Neisas Widerstand gegen seine Seelenkontrolle schwer werden. Dafür, dass Salihah nur ihre Urgroßmutter gewesen war und die Kleine hier dadurch recht weit entfernt verwandt war mit ihr, beherrschte sie den Widerstand erschreckend gut... viel besser, als es für so jemanden wie sie, dazu noch eine Heilerin, möglich sein sollte. So ganz begriffen hatte Yamuru die Sache mit den Geistern nie... alles, was er wusste, war, dass die Schamanen ihren Kindern oft Namen von toten Vorfahren gaben, erstens um diese zu ehren und zweitens, um dadurch ihre Seelen zurück in die Welt der Lebenden zu holen. Er fragte sich, ob jemand früher schon einmal Neisa geheißen und vielleicht auch diesen Widerstand besessen hatte...

Nein. Das ist es nicht., sagte ihm sein Instinkt dazu, und er zog irritiert eine Braue hoch, während er das Mädchen vor sich eingehend betrachtete. Aber ihre Seele ist mächtig... diese Geister, die die Schamanen beherrschen und nach denen sie ihr ganzes Leben ausrichten, sind unglaublich stark in ihr. Vielleicht hat sie so etwas wie einen Schutzgeist...

So etwas konnte er sich schon eher denken, als sie den Weg rasch fortsetzten und mit Einbruch der totalen Dunkelheit schließlich rasteten. Yamuru konnte in der Finsternis sehen dank der Seelenkugel, die er sich ins Auge transplantiert hatte, aber Neisa Lyra konnte es vermutlich nicht... und wenn sie unterwegs stolperte und sich etwas brach, musste er den Mistkerlen in Ahrgul erklären, warum sie verkrüppelt war. Man wollte sie lebend, das hatten sie deutlich gemacht. Yamuru betrachtete das junge Mädchen, das jetzt ihm gegenüber saß und ihn anstarrte mit einem kalten, unnahbaren Blick, der ihn tief in seinem Inneren schaudern ließ. Und es waren doch die Geister... die bockige Kleine von vorhin hätte ihn nie so angesehen. Er hatte das Gefühl, dass jetzt jemand anderes vor ihm saß, und verblüfft unterdrückte er ein Husten.

„Du... hast dein Verhängnis bereits unterschrieben, Yamuru Mirrhtyi.“, sagte sie mit einem Mal, und er wunderte sich nur wenig darüber, dass sie seinen Nachnamen plötzlich zu kennen schien. „Nimm dich in acht... vor dem Dämon. Die Macht, die von ihm ausgeht, ist... verheerend.“

„Ich weiß.“, sagte der junge Mann langsam und ließ das Mädchen nicht aus den Augen, das seine verschiedenfarbigen Augen auf ihn richtete. „Du hast das grüne Auge von deinem Vater...“, stellte er dann nüchtern fest, „Aber deine Mutter hat braune. Von wem kommt das blaue Auge?“ Neisa straffte unmerklich die Schultern und er sah, wie ihr Körper zitterte, während ihre Seele, die gerade mit ihm sprach, völlig frei von körperlichen Leiden zu sein schien.

„Von ihren Vorfahren väterlicherseits hatten einige blaue Augen.“ Die Tatsache, dass sie von sich selbst in der dritten Person sprach, machte Yamuru die Sache verständlicher... aber auch beunruhigender.

„Sieh an...“, murmelte er, „Dann ist es so, dass ihr Geister die Seelen von Lebenden ergreifen könnt, wenn es euch passt? Ihr seid echt Schlitzohren... oder bringt es Euch etwas anderes als Zeitvertreib, Eure kleine Urenkelin zu besitzen... Seherin?“ Das Mädchen lächelte ihn an. Es war ein diabolisches Lächeln, in dem keinerlei Freundlichkeit steckte.

„Irrtum. Ich besitze sie nicht, ich passe lediglich auf sie auf... und es ist von Belang, dass ich das tue.“
 

Neisa fühlte sich elend. Ihr Kopf schmerzte heftig, als sie zitternd am Tundraboden kauerte und versuchte, Schlaf zu finden. Sie hörte das Wispern in ihrem Kopf... und obwohl sie spürte, dass die Geister versuchten, sie zu beruhigen und zu trösten, machte es sie nur nervöser. Sie wollte weinen... sie hatte Schmerzen und fühlte sich miserabel, aber weder Yamuru noch irgendwelche Geister schien es zu kümmern. Sie verkrampfte sich vor Kälte und zitterte immer stärker... die Geister konnten ihr keine Wärme geben. Sie sah Bilder... Bilder von Tod, Bilder von schwarzen Federn... Bilder von Zoras Derran, den sie für seine Inkonsequenz verachtete. Und dennoch machten die Erinnerungen an ihn sie nervös... die Erinnerungen an den Blitz, den sie ihr Leben lang gefürchtet und gleichzeitig begehrt hatte. Sie dachte daran, wie Zoras sie geküsst hatte... wieder und wieder. Und sie hatte sich so nach ihm verzehrt... auf verbotene Weise. Sie erwischte sich dabei, sich vorzustellen, wie sie es richtig mit ihm tat. Es war eine berauschende Vorstellung, aber sie verdrängte sie mit einem wütenden Keuchen sofort wieder aus ihrem Geist, als sie rot wurde. Wie konnte sie so schamlos denken?

Ich will dich nicht mehr!, empörte sie sich innerlich und ballte verkrampft die Fäuste, Nie mehr! Nicht, nachdem du mich im Stich gelassen hast... du bist anders als der Zoras, den ich gekannt habe...

Nein. Sie stellte fest, dass sie ihn nie wirklich gekannt hatte... sie wusste doch gar nichts über ihn. Wieder verdrängte sie energisch die schmutzigen Gedanken aus ihrem Kopf, und in ihr zog sich etwas schmerzhaft zusammen, als sie sich vornahm, nie wieder einen Gedanken an diesen Mann zu verschwenden. Und als sie merkte, dass ihr Unterleib dennoch brannte, dachte sie, es wäre wegen der unsittlichen Tagträume, obwohl der Schmerz anderer Natur war, den sie plötzlich spürte.
 

Die Geister halfen ihr auf die Sprünge... im wahrsten Sinne des Wortes, einen Sprung hatte es wirklich gegeben. Am Morgen, als der Himmel wieder rot war und sie keinen Schlaf gefunden hatte in der Eiseskälte, schmerzte ihr Unterleib auf eine eindeutige Weise – eine Weise, die sie und ihre ganze Familie schon seit Jahren erwartete. Sie wurde eine Frau... aber jetzt, in diesem Moment, konnte es sie nicht freuen, obwohl sie sich schon lange danach gesehnt hatte, endlich erwachsen zu werden... das hier war der falscheste Zeitpunkt überhaupt. Sie war mitten in der Tundra mit einem fremden Mann, der ihr sicher nichts Gutes wollte, während alle Geister warnend flüsterten. War es etwa ein schlechtes Zeichen, dass sie unter diesem blutigen Himmel zur Frau wurde? Das machte ihr Angst und sie hatte das Bedürfnis, wie ein Kind zu weinen, obwohl die Schmerzen in ihrem Unterleib, die mit jedem Schritt schlimmer wurden, bewiesen, dass sie kein Kind mehr war. Zu ihrem Leidwesen war sie unfähig, vor ihrem alles sehenden Begleiter zu verbergen, dass sie Schmerzen hatte.

„Bist du schon müde? Wir erreichen Ahrgul heute, du solltest also noch etwas aushalten.“, sagte er zu ihr, und sie zischte verzweifelt, während sie sich den Unterbauch rieb.

„Müde? Machst du Witze?!“, schimpfte sie, „Mir geht es zum kotzen, ich habe Schmerzen! Du wirst bezahlen für alles, was du mir antust... du Unhold!“ Sie wimmerte und unterdrückte ihr Verlangen, zu weinen, und ihr Begleiter sagte kein Wort mehr dazu. Er trieb sie schweigend weiter, als wäre sie ein Schwein, das zur Schlachtbank sollte, und sie verfluchte ihn für seine Bosheit und Erbarmungslosigkeit. Die Geisterstimmen versuchten, ihr gut zuzusprechen.

„Alle jungen Frauen machen das durch. Es ist nicht das letzte Mal für dich. Alle verfluchen es... du bist nicht alleine damit.“

„Aber warum jetzt?!“, heulte das junge Mädchen und blieb stehen, als die Übelkeit und die Schmerzen so heftig wurden, dass sie schreien musste. „Warum ausgerechnet jetzt?! Das ist nicht gerecht... habe ich etwas Böses getan, dass ihr mich so strafen wollt...?!“ Es war ihr egal, dass der Kerl sie hörte – er verstand offenbar das Problem sowieso nicht, er starrte sie nur an, als sie hemmungslos zu weinen begann und sich hin hockte in der absurden Hoffnung, dadurch die Schmerzen und Krämpfe vertreiben zu können. „Ich will das jetzt nicht! Macht es weg, Geister der Erde, Geister der Weiblichkeit! Ich... ich hab Angst...“

„Niemand kann sich die erste Zeit aussuchen, Neisa... selbst du nicht.“ Sie wimmerte und spürte, wie Yamuru sie unsanft am Arm hochzuziehen versuchte.

„Katari, reiß dich zusammen.“, stöhnte er, „Wir sind doch fast da!“

„Fass mich nicht an!“, fauchte sie giftig und er fuhr hustend zurück – als sie ihn wütend und panisch anstarrte, hob er wortlos seine leere Hand und ließ darin eine grüne, schimmernde Kugel erscheinen; die für Zuyyaner so typische Seelenkugel.

„Gut, dann ziehe ich andere Saiten auf. Ich werde dich nach Ahrgul bringen, und zwar... noch heute. Und du wirst mir gehorchen, ob es dir passt oder nicht.“ Und als sie sah, wie der grünliche Schimmer der grausamen Kugel heller und mächtiger wurde, spürte sie den Schwindel in ihrem Kopf, der ihr erst das Gleichgewicht und dann das Bewusstsein raubte. Die Geisterstimmen verstummten in weiter Ferne.
 

Der Mann runzelte die Stirn beim Anblick des Zuyyaners, der auf seinen Armen Puran Lyras offenbar bewusstlose Tochter trug. Sie sah ungesund blass und verkrampft aus. Irritiert sah er abwechselnd der violetthaarigen Klugscheißer und das Mädchen an.

„Was soll ich mit ihr?“, fragte er dann, „Wieso bringst du sie zu mir und nicht gleich zu ihm?“

„Weil die Hypnose jeden Moment nachlassen wird und ich sie nicht beeinflussen kann mit meiner Magie. Ihr Geist ist mächtig, sie wehrt sich dagegen. Da dachte ich, besser hierher als gar nicht; bis zum Herrn schaffe ich es nicht mit ihr... und es wäre ungünstig, wäre sie bei Bewusstsein, wenn sie den Weg dorthin geht.“ Das war wahr. Aber hier in seinem schäbigen Verschlag konnte er sie auch nicht gebrauchen... er hatte sich sowieso gefragt, ob das eine gute Idee gewesen war, den König von Kisara mit seinen Kindern zu erpressen und in die Knie zu zwingen... es musste doch noch etwas anderes geben, was dieser Sack mit den beiden vorhatte. Wenn es nicht das einfache Töten war...

„Warum hypnotisierst du sie nicht fix noch mal, wenn sie aufwacht?“, fragte er sein jüngeres Gegenüber skeptisch, „Du bist für einen Zuyyaner reichlich unfähig, oder?“

„Ihr werdet mich noch lobpreisen, das, was ich für euch zu tun gedenke, ist anderer Natur als ein widerspenstiges Schamanenmädchen vom Ende der Welt herzuschleppen.“

„Zu tun gedenkst? Langsam, Junge. Was ist es denn so Geheimnisvolles, das du vorhast?“ Yamuru zeigte sein typisches, nichtssagendes Grinsen. Oh, er verabscheute Zuyyaner so... sie waren alle so überheblich und besserwisserisch. Der da war keine Ausnahme. Der Mann spähte unwirsch an ihm vorbei zur morschen Treppe, die in den Keller führte, in dem er seinen unansehnlichen Verschlag hatte. In diesem Keller war niemand außer ihm, dennoch war es besser, auf Nummer sicher zu gehen.

„Dann komm mit, Himmel. Drüben gibt es noch einen Raum, da kannst du sie hinlegen. Ich rufe dann den Meister und er soll sie abholen. Jetzt rasch, du Arschsack, bevor einer dieser überall alles sehenden Sagals das bemerkt! Wie die Schmeißfliegen, diese Ärsche, eines Tages reiße ich dem Alten doch noch den Arsch auf, das sage ich. Der Meister glaubt mir ja nicht, aber ich sage, Dasan Sagal oder deine Nemesis Chenoa Jchrrah sind viel gefährlicher als König Puran. Aber an Puran hat er irgendwie einen Narren gefressen... besser gesagt an seinem Untergang.“ Er drängte sich unwirsch an Yamuru vorbei, den feuchten Gang hinab zu einem weiteren Kellerraum, dessen Tür er aufstieß. Darin waren nur eine gammlige Matratze und ein Hocker, mehr nicht, aber es würde reichen, um das Mädchen vorerst hinzulegen, bis der Meister kam. Er sah grimmig zu, wie der Zuyyaner das Mädchen behutsam auf die Matratze legte.

„Gib ihr eine Decke.“, verlangte er dabei, „Sie erfriert sonst, es geht ihr ziemlich schlecht. Das ist nicht meine Schuld, klar?“

„Versager.“, knurrte der Schamane und verdrehte die Augen, „Ich hab keine Decke außer meiner eigenen, und dann lasse ich lieber die verwöhnte Prinzessin frieren als mich selbst...“ Er seufzte, betrat den Raum, zertrat den Hocker mit Wucht in kleine Holzstücke und raffte sie zu einem Haufen zusammen, ehe er diesen mit Vaira in Brand steckte. Der Schein des Feuers erhellte den dunklen Raum. „So, das wird sie schon wärmen. Raus jetzt, Verlierer.“

„Vorsicht mit Eurem Ton, Herr...“, warnte Yamuru ihn ernst und wandte den Kopf zu ihm, während sie beide den Raum verließen und der Ältere die Tür schloss. „Ihr mögt Geisterjäger sein... aber ich bin immer noch der Sohn des Westclans. Eure Arroganz tut Euch nicht gut.“ Der Schwarzhaarige lachte gehässig.

„Ach, sieh an. Du drohst mir? Ich soll Angst haben vor einem, der nicht mal einem dummen Mädchen seinen Willen aufzwingen kann...?“

„Wäre es ein anderes Mädchen gewesen, wäre es leicht gewesen.“, sagte Yamuru mit seinem bizarren, falschen Lächeln, „Gehabt Euch wohl, mein Herr. Ich werde nach dem Meister schicken. Verlasst diesen Keller nicht... wäre ja ein Jammer, wenn Neisa wegliefe.“ Damit verschwand der Jüngere, und der Schwarzhaarige schnaubte angewidert. Wo war er da nur rein geraten? Wie er diese ganze Bagage verabscheute... manchmal wünschte er sich, er wäre jemand anderes.

Als er Schritte oben an der Treppe hörte, hob er lauernd seine Hand, bereit, jedem, der herab käme, mit einem Schattenzauber den Garaus zu machen – was denn, so schnell konnte der Kerl doch nicht gekommen sein? Er ließ die Hand zischend sinken und senkte die Brauen, als er die Frau erkannte, die die Treppe herab kam und sich jetzt in voller Größe vor ihm aufbäumte. Sie war kaum kleiner als er... für eine Frau war sie sehr groß.

„Verflucht, Saidah, du erschreckst mich zu Tode!“, grummelte er, und Saidah Chimalis hob desinteressiert eine Augenbraue, als sie ihn argwöhnisch musterte.

„Das wäre doch mal etwas Gutes, oder nicht? Ich würde den Tag begrüßen.“ Oh ja... das konnte er sich denken. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach... das Dumme war nur, dass er lieber gewusst hätte, wenn sie log.
 

Als Neisa zu sich kam, fand sie sich in einem verrauchten, stinkenden Loch. Alles schmerzte ihr und sie zitterte sich warm. Sie lag auf einer schimmligen Matratze... wo war sie hier? Das letzte, an das sie sich erinnerte, war die Tundra gewesen... und die Unterleibsschmerzen. Im Raum war es warm... zumindest verhältnismäßig. Sie erkannte die Glut eines kleinen Feuers neben der Matratze; irgendetwas war hier verbrannt worden, es stank bestialisch und ob der Feuchtigkeit war alles voller Rauch. Keuchend drehte sie sich auf die Seite und konnte sich nicht dazu aufraffen, sich aufzusetzen. Ihr schwindelte und ihr war übel... wo war Yamuru geblieben? Als sie einen Moment still war, ahnte sie, wo er war... zumindest, was er gerade tat, denn durch die Wand drangen Geräusche, wie sie Menschen machten, die sich vereinten. Sie errötete nervös, als sie dem Keuchen des Mannes und dem Stöhnen einer Frau lauschte – irgendwie kam ihr die Stimme aber bekannt vor. Wer sie wohl war? Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen... verdammt, dieser Bastard! Schmiss sie in irgendein ekliges Loch und trieb es erst mal fröhlich mit irgendeiner Hure! Sie fluchte ungehalten und igelte sich ein, als müsste sie sich vor irgendetwas schützen. Musste sie das? Sie hatte keine Ahnung, wo sie war und was mit ihr geschehen würde... oh nein! Vielleicht war sie die nächste, die in sein Bett geholt würde... bei dem Gedanken sträubten sich ihr alle Haare und sie wimmerte panisch – passend dazu schmerzte auch ihr Unterleib wieder in einem neuen Krampf, obwohl er gleichzeitig ungewöhnlich warm wurde. Das war aber eine merkwürdige Wärme... sie schluchzte irritiert, ehe sie es wagte, an sich herab zu ihrer Kleidung zu sehen und zwischen ihre Beine zu tasten...
 

Eines musste man Saidah lassen... sie war dafür, dass sie normalerweise nie mit Männern verkehrte, ziemlich geschickt. Abgesehen von der Einlage mit Karana Lyra, verstand sich, ansonsten war sie, soweit er wusste, immer allein gewesen; höchstens irgendwelche Rituale für kleine Jungen hatte sie mitunter erledigt. Wobei er ihr nicht abkaufte, dass sie nie mit ihrem Liebling Puran das Bett geteilt hatte... sie behauptete zwar immer wieder, dass sie nie etwas mit ihm gehabt hätte, aber er war einfach überzeugt davon. Sie sah ihn einfach zu verräterisch an... und König Puran mochte seiner kindlichen Frau noch so treu sein, er war doch auch nur ein Mann. Und welcher Mann würde zu Saidah Nein sagen, fragte er sich... er hatte sie selbst immer begehrt. Die Erkenntnis, sie jetzt allen Ernstes unter sich zu haben und zu sehen, wie sie in ihrer Ekstase stöhnte und den Kopf in den Nacken warf, berauschte ihn, während er sich in ihr bewegte und die Hitze in ihm hochkochte wie flüssiges Feuer. Der Anblick ihres unnatürlich heftigen Verlangens steigerte nur seine Erregung und ließ ihn sich mit dem Knurren eines wilden Tieres über sie werfen und sie in den Hals beißen. Sie zog heftig die Luft ein und stöhnte dann in dem Moment, in dem er spürte, wie sie unter ihm zusammenfuhr, um sich dann im Rausch des Höhepunktes zu entspannen. Oh ja, sie verschaffte ihm Befriedigung... und sie war ungeahnt heftig, merkte er jedes Mal wieder – auch dieses Mal, als er noch einmal zustieß und sich mit einem Zischen in sie ergoss. Sie zitterte immer noch, als er noch eine Weile in ihr verharrte, bis er sich komplett erleichtert hatte und sich langsam aus ihr zurückzog. Verdammt, sie machte ihn fertig... er stand immer noch, als er sich jetzt aufgesetzt hatte, und Saidah stützte sich grummelnd auf die Ellenbogen, an ihm herab sehend.

„Unersättlich.“, sagte sie, „Tja, ist mal was anderes, selbst jemanden zu nehmen, statt immer nur Manhas Spielzeug zu sein, hm?“ Er brummte. Darauf fiel er nicht herein.

„Keine Ahnung, wovon du redest. Dass ich mit Ulan Manha Kontakt hatte war im Sinne des Rates. Ich habe ihn kontrolliert, damit er nicht hinter unserem Rücken wieder Pläne schmiedet, die alle töten... so wie Königin Nalani, um die es jammerschade ist.“ Die Frau fuhr sich arrogant durch die Haare, als sie sich auf den Bauch rollte und er sich keuchend neben sie auf das simple Schlaflager fallen ließ. Seine Hand angelte nach seiner Hose und förderte aus der Tasche eine Zigarette zu Tage, die er sich wortlos ansteckte, ohne ihr auch eine anzubieten. Sie würde sowieso ablehnen, sie rauchte fast nie.

„Ja, Nalani hätte dir gefallen, was?“, sagte Meorans Tochter hohl, „Die wäre niemals freiwillig in dein Bett gekrochen. Wir reden hier über Purans Mutter, vergiss das nicht. Außerdem war sie älter als du.“

„Sieben Jahre bloß. Und was weißt du schon, du bist ja auch in meinem Bett gelandet. Das hätte ich auch nicht ernsthaft für möglich gehalten. Berechnende Schlampe. Ich habe zwar keine Ahnung, was du dir dadurch erhoffst – aus Zuneigung oder Verlangen nach mir tust du das ja wohl sicher nicht – aber es soll mir auch egal sein. Ich war ewig nicht so befriedigt wie im Moment.“ Sie feixte, ihm auf dem Bauch liegend den Kopf zuwendend.

„Wie wäre es denn mit... ich kontrolliere dich, damit du nicht hinter unserem Rücken Pläne schmiedest...?“ Er erkannte seine eigene Wortwahl wieder und sah ihr argwöhnisch ins Gesicht, als sie falsch lächelte und er ganz genau das Boshafte, Wissende darin erkannte. Sie spielte immer die Brave, in Wahrheit war sie eindeutig eine elende Sadistin... das hatte sie zweifelsohne von ihrem Vater, dem Wolf im Schafspelz. Grummelnd pustete er den Rauch seiner Zigarette in die Luft und ihr Blick wurde kalt.

„Punkt für dich, du Nutte.“ Zur Antwort griff sie unsanft nach seinem sich gerade wieder beruhigenden Glied und er fuhr bereits zusammen bei der heftigen Geste – in dem Moment ertönte aus dem Nebenraum ein hysterischer, weinerlicher Schrei. Henac Emo fuhr keuchend vom Lager hoch und hustete erschrocken, ehe Saidah sich auch aufsetzte.

„Was zum Geier war denn das?!“, fragte sie, und er erbleichte – verdammt, Neisa war aufgewacht. Als er sich noch fieberhaft überlegte, was er machen könnte, um Saidah von ihr abzulenken, schnappte sie schon ihre Unterwäsche und den Rock. „Versteckst du hier Gefangene, oder was?!“, fragte sie dabei, und er hustete – verdammter Mist. Wenn sie Neisa hier fand, wäre das ganz schlecht... nein, schlechter als schlecht. Er durchdachte blitzschnell seine Chancen und kam zu dem Ergebnis, dass er keine hatte... das hieß, die Aktion mit Neisa war umsonst gewesen. Er würde gelyncht werden, wenn der Meister kam... er verfluchte errötend seinen Leichtsinn, Yamuru nicht weggeschickt zu haben.

„Nein... das ist Neisa, sie ist aufgewacht.“

Saidah starrte ihn blöd an und er wusste, was sie jetzt dachte.

„Nicht, wie du denkst, ich habe einen Grund dafür, dass sie hier ist. Ich habe ihr nichts getan, wie könnte ich? Jemand hat sie mir heute gebracht, sie war bewusstlos auf der Tundra draußen, ich habe keine Ahnung, was mit ihr passiert ist. Ich kannte den Kerl auch nicht, der sie gebracht hat, aber ich dachte, ich warte, bis sie aufwacht, und bringe sie dann zurück zu ihrem Vater... der muss doch krank vor Sorge sein.“ Saidah runzelte belämmert die Stirn und er fragte sich, ob sie ihm glaubte... das war jetzt schwierig. Was hätte er anderes tun sollen?

„Warum bringt... irgendein Kerl Neisa gerade zu dir? Wäre nicht meine erste Anlaufstelle, ein wildfremdes Mädchen abzugeben...“, sagte sie scharfsinnig und er brummte, als er seine Hosen auch anzog.

„Ich habe ihn auf der Straße abgefangen, er schien nicht zu wissen, wo er hin sollte. Und ich dachte, bevor er sie zum Kaiser bringt... wer weiß, was der angestellt hätte. Sie ist im Nebenraum.“ Als Saidah ihn skeptisch ansah und ihm dann den Rücken kehrte, um aus dem Verschlag zu eilen, atmete er auf – wenigstens schien sie sich nicht sicher zu sein... verdammte Scheiße. Aber es war vermutlich weniger schlimm für den Meister, wenn Neisa weg war, als wenn sein Verrat aufgeflogen wäre... er war doch der einzige Draht zum Rat der Geisterjäger. Der einzige, der ungehindert an sie heran käme. Bei dem Gedanken schlich ein dämonisches Lächeln auf sein Gesicht und er schnappte in aller Ruhe sein Hemd, um es lässig wieder zuzuschnüren.

Warte nur, Saidah. Noch magst du glauben, mich in der Hand zu halten... ich werde dir bald zeigen, dass es andersrum ist. Einer nach dem anderen werdet ihr fallen... Geisterjäger. Und es wird gut sein.
 

Neisa weinte; es war nicht so, dass es sie überraschte, aber sie fühlte sich so schmutzig und widerwärtig... alles war voller Blut, ihre ganze Unterwäsche war feucht und klebrig davon, selbst die gammlige Matratze hatte sie besudelt mit dem Blut der Frau, und sie schämte sich so abgrundtief, dass sie nur weinen konnte. So merkte sie erst, dass jemand zu ihr kam, als sie eine bekannte Stimme hörte.

„Um Himmels Willen, Neisa... was ist mit dir geschehen?“ Die Blonde fuhr hysterisch auf – und erstarrte, als sie in der Tür eine Frau erkannte. Nicht irgendeine Frau... das war Saidah Chimalis, Karanas große Liebe. Sie war so verblüfft über ihre Anwesenheit, dass sie das Weinen vergaß – solange, bis die Geisterjägerin zu ihr gekommen war und sie tröstend in die Arme nahm. Dann weinte sie wieder, klammerte sich an die junge Kollegin ihres Vaters und wusste nicht mehr, ob sie noch vor Scham weinte oder vor Erleichterung... wenn Saidah hier war, war sie sicher! Dann hatte Yamuru doch nicht gelogen...?

„Armes Lämmchen, sieh mich an.“, seufzte die Geisterjägerin vor ihr, „Du hast dich sicher zu Tode erschrocken, hier aufzuwachen... shh, alles ist gut. Was ist passiert...? Ist gut, weine nicht. Ich bringe dich heim zu deinen Eltern...“

„Wo ist Yamuru?“, heulte Neisa, „D-der Typ, der mich mitgenommen hat, er hat gesagt, er wäre ein Cousin von Thira und... dann w-war ich ohnmächtig und... bin hier aufgewacht und... m-mir tut alles so weh, ich...“ Sie wimmerte und zog beschämt die Beine an, womit sie Saidah unabsichtlich auf den Blutfleck auf der Matratze aufmerksam machte.

„Liebe Zeit, bist du verletzt?!“, fragte sie entsetzt und sah Neisa an, und die Blonde errötete heftig und wimmerte beschämt.

„N-nein, es... es... ist das... das Blut... d-das Mondblut... mir ist das so peinlich! Ich bin so dreckig und widerlich... ich will baden, ich will zu meiner Mutter, ich... ich will hier weg!“ Und sie brach abermals in Tränen aus, während Saidah sie seufzend wieder umarmte und dann nach einer Weile leise sprach.

„Beruhige dich... das ist doch nicht schlimm! Das... das ist doch schön, dass du jetzt eine Frau bist! Deine Eltern werden stolz sein... komm, kannst du aufstehen? Ich gebe dir meinen Umhang, wickel dich darin ein. Dann sieht niemand das Blut auf deinen Kleidern. Es ist nicht schlimm, du musst dich nicht schämen dafür.“ Sie erhob sich vorsichtig und zog Neisa auch auf die Beine, die ihr beinahe den Dienst versagt hätten. Verstört sah die kleine Heilerin sich um und schluchzte.

„W-wo sind wir hier?“

In dem Moment fiel ein Schatten in den Türrahmen und Neisa erkannte mit blankem Entsetzen Henac Emo – den Typen, den ihr Vater so verabscheute, den sie alle Verräter nannten. Was machte der hier? Und warum war Saidah hier... warum waren die beiden zusammen hier? Neisa war zu verwirrt, um sich das ernsthaft zu fragen, und Emo seufzte nur, offenbar die Ruhe selbst.

„Geht es ihr gut, Saidah?“

„Sie steht unter Schock. Ich werde sie zurück zu ihrer Familie bringen. Ich werde Puran das berichten, er wird sich bestimmt in den nächsten Tagen bei dir erkenntlich zeigen für deine Unterstützung.“

„Oh, nicht nötig.“, machte der Schwarzhaarige nervös, „Er sagt ja doch nur gemeine Sachen zu mir, darauf kann ich verzichten. Ich weiß auch so, dass er mich hasst, bestelle deinem Liebhaber einen schönen Gruß.“ Er feixte und Neisa sah, wie Saidah errötete, als sie ihren Umhang abband und ihn ihr umlegte.

„Ich habe nichts mit Puran! Und das vor seiner Tochter, dass du dich nicht schämst, du Schwerenöter. - Komm, Neisa... wir haben hier nichts mehr verloren.“ Neisa war verwirrt und verabschiedete sich von Henac Emo, von dem sie immer noch nicht wusste, was er hier machte... oder was Saidah hier machte... oder sie selbst. Und wer hatte da überhaupt vorhin diese eindeutigen Geräusche gemacht...?
 

Karana und Tayson waren nicht zurückgekehrt. Neisa erkannte es an der überschwänglichen Begrüßung ihrer zierlichen Mutter, als sie mit Saidah beim Stall auftauchte... und auch instinktiv daran, dass ihre Begleiterin sie tatsächlich bis hierher gebracht hatte. Saidah war Karana bisher immer aus dem Weg gegangen... vermutlich wusste auch sie, dass er nicht da war, und hielt es daher für ungefährlich, im Stall aufzutauchen.

„Um Himmels Willen, Neisa!“, heulte Leyya Lyra und umarmte ihre ermattete, beschämte Tochter mit aller mütterlichen Liebe, die sie besaß, „Wir haben uns ja solche Sorgen gemacht, d-dein Vater ist seit Tagen ununterbrochen dabei, mit den Geistern zu sprechen und für euer Wohlergehen und eure Rückkehr zu beten, ich habe ihn ewig nicht gesehen... es hat so lange gedauert, ich bin so froh, dass du hier bist!“

„Um Himmels Willen, du erdrückst sie, Leyya.“, sagte Tante Alona perplex und zog ihre sozusagene Schwägerin (immerhin war ihr Cousin ihr mehr ein Bruder) sanft von der zitternden Neisa weg, „Sieh sie dir an, sie ist ja mit den Nerven am Ende. Kommt rein, ihr zwei, setzt euch ans Feuer. Wie kommt sie denn zu dir, Saidah?“ Saidah seufzte und drehte den Kopf zur Seite.

„Das war wohl mehr ein dummer Zufall... vielleicht war es auch ein Zufall, der Leben gerettet hat, so ganz überzeugt davon bin ich ja nicht, was Emo so gesagt hat.“

„Was, Emo?“, fragte Leyya erbleichend und Neisa schauderte. Sie hatte von Saidah erzählt bekommen, dass es sein Unterschlupf gewesen war, in dem sie aufgewacht war... was zum Himmel hatte sie bloß bei Emo verloren gehabt? Und was war jetzt mit dem komischen Yamuru? Das alles wollte sie gar nicht wissen, sie wollte sich nur dringend waschen und fühlte sich widerlich. Zwischen ihren Schenkeln klebte immer noch das warme Blut der Frau...

„Ich würde gern bleiben, ich verabschiede mich aber hier.“, murmelte Saidah dann distanziert, „Solange Karana noch fort ist, ihr wisst ja, wie er auf mich reagiert.“ Neisa schenkte der Geisterjägerin einen apathischen Blick, die noch immer starr zur Seite sah. Als Neisa ihrem Blick folgte, erblickte sie in der Ecke einer der Boxen Iana auf dem Schlaflager sitzen, das sie sonst mit Karana teilte, und jetzt hob die schwarzhaarige Halblianerin den Kopf und fixierte Saidah mit einer Mischung aus Verblüffung, Unruhe und Zorn. Saidah verneigte sich und wendete sich mit einem gemurmelten Abschiedsgruß zum Gehen, ehe noch jemand etwas hätte einwenden können. Neisa dachte, dass so einiges Seltsames geschehen war heute... sie trug immer noch Saidahs Umhang.

„Sie ist ziemlich distanziert, ich hoffe ja, es geht ihr gut.“, seufzte ihre Mutter vor ihr dumpf, „Ich sollte Puran sagen, dass er mal mit ihr sprechen sollte... irgendwas lastet ihr doch auf der Seele.“ Sie sah auf Neisa und das zitternde Mädchen klammerte sich verstört an den geliehenen Umhang.

„D-dann sind Karana und Tayson noch fort...?“, flüsterte sie, „E-es ist alles so schief gelaufen! Es war so eine Zeitverschwendung, es ist... so furchtbar! Ich fühle mich scheußlich!“ Dann brach sie in Tränen aus und erntete entsetzte Gesichter von den anderen, die jetzt auch dazu gekommen waren, während ihre Mutter sie erschrocken umarmte und festhielt. „Die Geister sind wütend, Mutti...“, jammerte Neisa, „I-ich weiß nicht, warum, aber sie sind es immerzu... es sind so schlechte Zeichen, sie sind überall!“

„Jetzt beruhige dich erst mal, w-was ist nur geschehen?“, fragte Leyya bestürzt, und die Tochter spürte, wie Tante Alona ihre Mutter sachte am Ärmel zupfte. Tante Alona war Telepathin... vermutlich wusste sie bereits, was geschehen war.

„Sprich mit Neisa unter vier Augen, Leyya. Das ist eine Sache, die allein zwischen Mutter und Tochter gesprochen werden sollte... euch andere Rüpel geht das nichts an, kuscht euch!“

„Von wegen Rüpel, ich bin ein Mädchen!“, empörte sich die Seherin irgendwo, „Ich will aber auch wissen, was los ist!“

„Finde dein vermaledeites Gedächtnis wieder und dann weißt du es.“, stöhnte Yarek Liaron, und Simu addierte:

„Das wäre wirklich ein Moment großer Glorie, wenn wir dein hirnloses Gequatsche nicht mehr länger ertragen müssten, Ryanne...“ Dann entfernten sich die Stimmen und Neisa hatte das Gefühl, in einer bodenlosen Finsternis zu versinken, als es um sie herum so still wurde. Und in der Finsternis klammerte sie sich hysterisch an die Kondorfedern, die an Saidahs Umhang steckten, und dachte dabei nicht an die Frau, sondern an einen anderen Herrscher der Schattenvögel, weit weg irgendwo in der dunklen Tundra des Nordens, den sie nie wieder sehen wollte, obwohl etwas in ihr danach schrie, es dennoch zu tun...
 

Puran musste gemerkt haben, dass sich etwas verändert hatte, denn er kehrte von seiner ewigen Konferenz mit den Geistern zurück zu seiner Familie, nachdem Leyya von ihrer Tochter eine große Neuigkeit erfahren hatte. Sie hatte das arme, verstörte Mädchen gewaschen und ihr neue Kleider gegeben, dazu eines der kleinen, weichen Fellstücke, die dazu dienten, das Blut einer Frau aufzunehmen. Jetzt schlief das erschöpfte Mädchen, das kein Mädchen mehr war, auf seinem Schlaflager, während die meisten anderen wieder um das Feuer in der sogenannten Stube am Ende der Stallgasse hockten, als der Herr der Geister zurückkam. Seine Frau erhob sich und schenkte ihm zur Begrüßung ein erleichtertes, liebevolles Lächeln, einen Blick von innigster Liebe, den nur er jemals von ihr zu sehen bekäme.

„Du bist zurück...“, sagte sie leise, und die anderen sahen ebenfalls auf, als Senator Lyra, der jetzt König war, die Tür hinter sich geschlossen hatte und etwas irritiert gen Feuer starrte.

„Was ist passiert?“, fragte er nur matt, „Die Geister haben gesagt, Neisa ist zurück... und wo sind die anderen?“

„Himmel, setze dich erst einmal hin, du brichst ja gleich zusammen...“, stellte Leyya besorgt fest und eilte in die Stallgasse zu ihrem Mann, der etwas schwankte, während er ging.

„Keine Sorge, äh, mir geht es blendend... nicht. Was ist mit Neisa, Liebes?“ Er hielt sich an Leyyas Schulter fest und sie umklammerte seinen Arm, damit er nicht umkippte. Das tagelange ununterbrochene Rufen der Geister machte ihn krank... sie kannte das ja, es war nicht das erste Mal, dass sie das erlebte. Mit einem bekümmerten Seufzen fuhr sie ihm durch die zerzausten Haare und über die vom Fieber glühende Stirn.

„Du überanstrengst dich, Idiot.“, tadelte sie ihn, „Neisa ist gesund. Sie weiß nicht, wo Karana und Tayson sind, sie hat sie bei einem Angriff durch Raubkatzen verloren... a-aber wenn ihnen etwas passiert wäre, hätten die Geister doch mit dir gesprochen! Sie sind sicher irgendwo unterwegs... o-oder?“

„Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht besorgt...“, stöhnte Puran Lyra und löste sich sanft aus ihrer Umklammerung, ehe er sich keuchend gegen die Wand lehnte und sich zitternd über das Gesicht fuhr. „Ich habe drei Tage und Nächte lang gearbeitet und weder geschlafen noch gegessen, ich fühle mich beschissen und will nichts lieber als verdammt noch mal ins Bett. Aber ich weiß nicht, ob ich Ruhe finden kann, solange ich nicht um den Verbleib meines Sohnes weiß... oh, und Tayson, selbstverständlich.“

„Dann schick Sagal sie suchen.“, bat Leyya ihn nervös, „Du bist müde, du musst dich ausruhen, Liebling... Vorsicht, fall nicht!“ Sie stützte ihn, als er nach vorne schwankte, und er stöhnte ermüdet und lehnte sich wieder zurück. „Es gibt auch eine schöne Nachricht, weißt du? Neisa geht es gut... sie schläft, sie ist etwas verstört, aber sie ist jetzt endlich eine Frau geworden... das ist doch wunderbar, oder?“ Sie lächelte ihn liebevoll an und sah, wie es in seinem vor Erschöpfung vermutlich halb toten Hirn arbeitete, ehe er die grünen Augen weitete und sie groß anstarrte.

„Sie hat das Mondblut vergossen?“

„Ja, jetzt gerade, ich bin so stolz auf mein großes Mädchen... in all der Finsternis ist das doch ein gutes Zeichen, oder?“ Sie sah ihn die Stirn runzeln und dann ein mattes Lächeln zeigen.

„Ja... wenn ein Mädchen zur Frau wird, ist das immer gut. Wir haben lange auf diesen Tag gewartet... sie ist spät dran mit ihren vierzehn Jahren. Ich frage mich nur, was die Geister für... komische Spielchen spielen, ausgerechnet in so einer abscheulichen Zeit voller Tod und Verdammnis... so etwas geschehen zu lassen... oh, verdammt, und dann muss ich ja noch einen Mann für sie suchen, der sie zur Frau macht...“

„Jetzt gehst du erst mal schlafen.“, ordnete die kleine Heilerin entrüstet an, „Und wenn Sagal zurückkommt, bitte ich ihn, irgendeinen seiner zehntausend Späher nach Karana suchen zu lassen. Sagal respektiert dich, Liebster, er wird dir sicher gerne den Gefallen tun.“

„Sagal ist ein Goldstück...“, stöhnte Puran und löste sich von der Wand, „Ohne diesen Mann wäre ich hier geliefert, ich würde ihm direkt die Füße küssen, wenn er es verlangte... die Zeichen... sind merkwürdig im Moment.“
 

Im unschönen Antlitz des blutigen Himmels kreiste eine Krähe. Sie flog ein paar Mal herum, ehe sie nach Süden in Richtung der Flüchtlingslager steuerte, bis sie in der heraufziehenden Finsternis verschwand. Dasan Sagal kehrte dem Aasfresser den Rücken und wandte sich wieder nach Norden; im Norden gab es mehr zu sehen, das ihn beschäftigte. In weiter Ferne sah er vereinzelte Gestalten über die Tundra gehen und in Richtung Ahrgul kommen. Von der Stadtmauer aus hatte man einen guten Ausblick... durch all das herrschende Chaos hatte es sich als verschwendete Zeit erwiesen, die Mauer großartig mit Wachmännern auszurüsten, so schien es, jedenfalls war hier oben kein Zuyyaner anzutreffen. Vielleicht waren die ehemaligen Wachmänner aber auch alle damit beschäftigt, das klammheimliche Verschwinden der Soldatentruppen zu ergründen, die auszogen und niemals zurückkehrten...

Der Mann sah im Augenwinkel die Person, die bei ihm auf der Mauer auftauchte, und er war nicht über ihr Auftauchen überrascht; früher oder später hatte sie ja kommen müssen, es war nicht mehr als eine Frage der Zeit gewesen. Und Chenoa Jchrrah machte keinen freundlichen Eindruck. Als er sich auf seinen Gehstock gestützt in ihre Richtung drehte, erhobenen Hauptes und sie um ein gutes Stück überragend, blitzten ihre gelben Raubtieraugen ihn aus der Dunkelheit eines Kapuzenumhangs an, den sie sich übergeworfen hatte, als wäre sie ein Verbrecher, der nicht gesehen werden durfte.

„Zu sagen, dass ich Euch erwartet hätte, wäre gelogen.“, sagte Sagal zu der Beraterin des Imperators, „Aber überraschen tut Ihr mich wahrlich nicht, werte Dame. Höchstens Euer... Tarnanzug hier, vor wem versteckt Ihr Euch denn so emsig?“

„Des Kaisers Ohren und Augen sind überall dort, wo man sie nicht erwarten würde.“, sagte sie kalt und der Mann hatte zu viele Jahre gelebt, um unter ihrem Tonfall noch ängstlich schaudern zu können. Er hatte keine Angst vor ihr... er war vielleicht der einzige hier, der das von sich behaupten konnte, weil er vermutlich der einzige war, den sie ernst nahm. „Er wäre nicht erfreut darüber, dass ich mich dazu herablasse, mit Euch zu sprechen.“

„Herablassen also.“, machte Sagal gedehnt und umklammerte seine Stütze fester, „Noch, Chenoa Jchrrah, Tochter von Alrik, trage ich mein Haupt höher als Eures hinauf ragt, maßt Euch also lieber nicht zu viel an.“ Sie fuhr unbeirrt und mit derselben Schärfe fort.

„Ebenso wenig erfreut ist der Imperator übrigens darüber, dass... seine Späher im Nordland spurlos verschwinden... unter seltsamen Umständen. Wie es wohl kommt, dass die Söldner des Kaisers persönlich, bestens ausgebildete Männer und Krieger, fortgehen und nie wiederkommen?“ Dasan Sagal zog eine Braue hoch.

„Als ob mich Eure Soldaten interessierten, gnädige Frau.“ Sie hob zischend eine Hand und zeigte in unverhohlener Drohung mit dem nackten Finger auf ihn.

„Ihr, gnädiger Herr, könnt von großem Glück sprechen, dass der Kaiser nicht ein so begabter Seher ist wie ich es bin! Führt mich nicht an der Nase herum, Sagal, ich weiß, was Ihr tut, und ich bin gekommen, um Euch davor zu warnen.“

„Sind wir nicht alle... Imperialisten jetzt?“, feixte er und verengte die blauen Augen zu Schlitzen, „Mit welchem Recht nimmt sich der Kaiser heraus, die, die er jetzt zu seinen Landsmännern erklärt hat, hinter unserem Rücken zu richten, wie es ihm passt? Ich sorge für die, die mit mir hierher kamen, und daran werdet weder Ihr noch Euer Kaiser mich hindern. Wenn er uns sabotiert, sabotieren wir ihn auch. Wenn er will, dass wir kriechen, sollte er es mit einer anderen Strategie versuchen als mit Korruption und Hinterhalt.“

„Ich weiß, wovon Ihr sprecht!“, zischte die Zuyyanerin mit unverhohlener Bosheit in der kalten Stimme, „Dies ist mein Territorium, Sagal. Dies ist mein Kontrollbereich, nicht mehr der Eure. Der Kaiser verachtet mich und misstraut mir, weil er weiß, dass ich es war, die die Tharraner hierher gebracht hat. Er hält es für mein Werk, was im Norden passiert, versteht Ihr? Und wenn der Imperator gänzlich das Vertrauen in mich verliert, wird es keine Gnade mehr geben, für keinen einzigen Tharraner... dass ihr hier leben dürft, verdankt Ihr mir, und das wisst Ihr ganz genau. Ihr solltet also dafür sorgen, dass der Kaiser mich nicht aus seinem Personal entfernt, Sagal... Ihr seid doch kein dummer Mann, oder?“

„Vorsicht, junge Dame.“, sagte er mit nicht weniger Kälte, als er seinen Gehstock hob und ihn ihr wie ein Schwert gegen die Kehle drückte, „Ihr solltet auf Eure ungestüme Zunge aufpassen... Ihr solltet mich auch nicht an der Nase herumführen. Ich habe gesehen, wie es um Zuyya bestellt ist. Diese Welt geht dem Abgrund entgegen, es ist nur eine Frage der Zeit. Das Imperium... steht auf Messers Schneide. Und ich bin nicht Diener der Zuyyaner oder Kataris, ebenso wenig sind es die anderen, die mit mir kamen. Bald... wird es hier nichts mehr geben, das man beherrschen oder tyrannisieren kann. Warum also... sollten wir uns Eurem Imperator auf dem Silbertablett servieren? Ahrgul wird fallen... die wandernden Berge kommen schon näher.“

„Sagt mir etwas, das ich noch nicht weiß.“, erwiderte sie forsch, „Wenn Ihr so viel seht, wisst Ihr ja auch, dass der Kaiser... nicht mein Kaiser ist. Und dass ich das Imperium niemals unterstützt habe. Aber ich... bin die Einzige, die den Imperator ruhig halten kann. Solange ich die Kontrolle habe, Sagal, und sie mir nicht irgendjemand anderes vor der Nase weg schnappt.“

„Dann sorgt dafür, dass das Gemetzel aufhört.“, entgegnete er schroff, „Wie wäre es damit, wenn sich der bockige Imperator mal diplomatisch mit den Vertretern unserer Länder zusammensetzte und sie vielleicht gemeinsam eine Lösung fänden für das Problem hier? Die Menschen, die kein offizielles Lager haben, haben keine andere Möglichkeit als draußen herum zu wandern. Sorgt dafür, dass der alte Mann aufhört, uns zu sabotieren, dann kann ich ebenfalls damit aufhören, seine Schakale zu meucheln. Meine Späher mögen reduziert worden sein bei Tharrs Tod... aber es sind noch immer genug, um damit das ganze Reich in meine Kontrolle zu bringen. Ihr wisst das... werte Dame.“ Chenoa schenkte ihm einen langen, eisigen Blick, ehe sie das Haupt erhob und ihn voller Herablassung anstierte, obwohl sie kleiner war als er.

„Alter Mann, sagt Ihr.“, feixte sie dann mit einem hohlen, falschen Lächeln, „Ihr seid selbst ein alter Mann, Sagal. Ich frage mich, was Eure Späher tun, wenn ich Euch töte.“

„Dann macht Azan für mich weiter.“, grinste der Mann, „Und ich bin immer noch jünger als der Imperator. Seid Ihr gekommen, um mich zu töten? Dann nur zu, ich bin gespannt.“ Als nichts geschah, wie er erwartet hatte, und die Frau ohne jede Gefühlsregung zurück trat, senkte er wohlerzogen das Haupt in einer angedeuteten Verneigung.

„Seid auf der Hut bei dem, was Ihr tut.“, murmelte die Zuyyanerin, „Wagt nicht zu viel. Euer König braucht Euch noch... und zu Eurem Glück brauche ich wiederum Puran Lyra noch. Dieses Mal lasse ich Euch das Leben... aber ich beobachte Euch, Sagal.“ Mit diesen Worten wandte sie sich um und verschwand in der Finsternis, während der Mann die Augen abermals verengte und sich dann wieder gen Norden wandte. Da hinten war Purans Sohn... wurde ja auch Zeit, dass der mal zurückkam. Und aus der anderen Richtung auch Zoras Derran... dann war ja fürs Erste nichts mehr zu klären.
 

„Sie war hier und ist wieder weg?! Und das sagst du mir schamlos ins Gesicht, du Heuchler?!“ Henac Emo verdrehte die Augen, im nächsten Moment bereute er die Geste unverhohlenen Desinteresses, als der Mann ihn unsanft am Kragen packte und mit solcher Wucht gegen die Wand rammte, dass es in seinem Rücken schmerzte. Der Ältere zischte.

„Ich hatte keine Wahl, hätte ich Saidah lieber einen Grund geben sollen, mir zu misstrauen? Wo bliebe dann dein toller Draht zu den Geisterjägern?“ Er sah in das wutverzerrte Gesicht seines Gegenübers und zog die Brauen hoch, als der Mann seine spitzen Eckzähne entblößte und ihn anknurrte wie ein Raubtier.

„Versager...“, zischte er dann und stieß Emo zurück, ihn darauf loslassend, „Du bist eben doch nicht mehr als ein Mehlwurm, Emo. Ich habe es mir anders überlegt, du verdienst das Leben nicht. Du bist geboren worden um mir zu dienen... mir, dem wahren Erben des Dämons! Und nichts kannst du als kriechen und dich im Staub wälzen... wie ein Wurm. Das ist wahrlich jämmerlich!“

„Scheiß auf Neisa, die Idee mit dem Druckmittel war doch sowieso bloß eine Lappalie. Denkst du echt, dass wir Puran irgendwie gekriegt hätten mit seiner Tochter als Druckmittel? Ich habe in Vialla erlebt, wie er selbst Karana im Stich gelassen hat, als der Bote von Ela-Ri ihn gefangen und als Druckmittel benutzt hat. Häuptling Zitterhand ist erwachsen geworden, er heult nicht mehr so viel wie früher.“

„Ach, Druckmittel, darum ging es doch nur zweitrangig!“, schimpfte der Jüngere und tigerte wie ein geiferndes Raubtier vor ihm auf und ab, „Die Kinder machen mir mehr Sorgen als der kleine Puran! Karana hat die Macht von Geistern in sich, die mich um alles bringen können, was ich aufgebaut habe... und für seine Schwester gilt dasselbe... fast noch schlimmer. Ich habe ihre Augen gesehen in der Finsternis. Sie sind verschieden.“

„Ja, das weiß ich. Und, Meister?“

„Zwei verschiedene Augen ist wie zwei verschiedene Seelen in ihrem Körper! Und sie hat... das blaue Auge der Seherin, die Schuld an allem Übel war! Die Seherin Salihah, die... Schuld war an Lyriens Fall. Das ist Grund genug zur Sorge!“

„Dann töten wir Purans Kinder eben.“

„Das sagst du so einfach.“ Sein Gegenüber grinste gehässig, „Darin hast du schon vor Jahren auf Tharr versagt, vielleicht tötest du zuerst den alten Sagal, der dir dabei jedes Mal in die Quere kommt. – Ach nein, der ist ein Kaliber zu groß für dich, ich vergaß, du bist ja bloß ein Wurm, Emo. Und das schimpft sich Geisterjäger. Ich glaube, dein Großvater... den du immer so bewundert hast, schämt sich für deine Inkonsequenz... was würde der große Minar wohl sagen, würde er dich jetzt sehen, wie ein räudiger Köter vor mir stehend und um den Knochen bettelnd...?“

„Ich habe nie nach einem Knochen verlangt.“ Emo wusste noch im selben Moment, dass er seine Klappe zu weit aufgerissen hatte, denn der andere sprang ihn an und stieß ihn brutal wieder gegen die Wand, ehe er ihn gewaltsam umdrehte, sodass Emo ihm den Rücken kehrte.

„Dann bekommst du ihn jetzt erst recht, du Sodomit! Na los, Hose runter, du Arsch, oder soll ich deutlicher werden?“

„Wer ist hier der Sodomit...?“, brummte Emo, „Vorsicht mit deinem Eifer, Manha. Und noch ein Wort über meinen Großvater, und ich werde dir beweisen, dass ich zurecht Geisterjäger bin... im Gegensatz zu dir, denn du bist nur Sklaventreiber.“ Er tat aber brav, wie ihm geheißen worden war, und öffnete murrend seine Hose, ehe er bereits spürte, wie der andere sich unruhig gegen ihn presste und seinen Kopf gewaltsam an den schwarzen Haaren zurück zerrte.

„Irrtum, Henac... ich bin der König aller Sklaventreiber. Und eines Tages werde ich... der König der verdammten Welt sein, und alle... werden knien und mich anflehen... barmherzig zu sein.“
 


 


 


 

__________________________

äh.... ja oô' Emo! XD



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Izumi-
2011-11-04T14:20:39+00:00 04.11.2011 15:20
Yai, Neisa rennt mit Yamuru herum... und findet das nicht so toll... haha XD Kein Wunder... ^^'
Und dann kommt Grusel-Neisa, alias Salihah, wie ich doch annehme, hehe, ich mag das, das ist irgendwie... witzig seltsam XD
Natürlich müssen ihre Tage ausgerechnet da kommen, sicher, die kommen nämlich immer dann, wenn man sie gerade mal nicht gebrauchen kann... die Arme, ich fühle sehr mit ihr ^^'
Und Yamuru bringt sie dann zu Emo... klar, der wäre auch meine erste Adresse... XDD *herzt ihn* ♥
Und... er bekommt Besuch von Saidah... das war beim ersten Lesen etwas witzig, weil es so aussah, als ginge Yamuru die Treppe rauf und sie an ihm vorbei herunter und keiner würde sich was dabei denken XDD
Dann kommt ein unschönes Erwachen für Neisa... eww, ich hasse das ja XD Und das Zimmer stelle ich mir zudem sehr eklig vor... óO
Und Emo und Saidah hatten Spaß... XDD Ich mag das Pairing ♥
Und Emo failt. Ich dachte nur so, LOL, ist klar, verdämmt XDD
Arme Neisa, aber süß, dass Saidah sich dann so um sie kümmert und sie dann wieder heim bringt und alle herzen mehr oder weniger... ^^
Und die anderen gibt es auch noch, yai ^o^ Ich hab mich gefreut, mit ihnen lesen zu können...
... ahahaha, ja, dann kam ja noch ein anderes "Pairing", das ich sehr mag, obwohl sie noch nichts gemacht haben XDD *lacht Sagal und Chenoa mal nebenbei aus* Ich hatte btw. irgendwie so ein bisschen Mitleid mit Chenoa, Sagal baut Scheiße und sie bekommt den Ärger ab, die Arme XD
Und zum krönenden Abschluss herzen Ülan und da Emo. Na ja, herzen, aber... lol XD Emo muss doch Maso sein, der mag es doch, gedisst zu werden... XDD
Schön abwechslungsreiches Kapi ^__^


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