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First order moment

von

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Personalversammlung

„Hab ich schon mal erwähnt, dass ich Personalversammlungen hasse?“, seufzte Aiden und trottete neben Sirius her, der sie zu einem der Konferenzräume führte, die für jedes Stockwerk angelegt waren.

Leider gab es nur viel zu wenige davon und meistens entbrannte ein regelrechter Wettkampf um die Belegung der kleinen Säle.

Vor einigen Wochen hatte die Ministerin, Millicent Bagnold, eigentlich eine in sich ruhende, ältere und resolute Frau, mit wutgerötetem Gesicht eine Belegungstafel an den Türen angeschlagen, in denen sich nun jeder Nutzer drei Wochen im Voraus einzutragen hatte.
 

„Und hab ich schon mal erwähnt, dass es Aurorenversammlung heißt“, presste ein aufs äußerste gereizter Sirius hervor.

Aiden grinste jedoch nur leicht dümmlich. Er schien für heute Morgen seine neue Passion im Sirius-auf-die-Palme-bringen gefunden zu haben.
 

Bartemius Chrouch Sr., derzeitiger Leiter der Magischen Strafverfolgung, stand, geschniegelt, gestriegelt und geleckt wie eh und je hinter einem ein wenig zu groß wirkendem Pult auf einer Anhöhe und blickte in süßlicher Herablassung über seine Auroren hinweg.

Da Aiden und Sirius mal wieder zu den letzten gehörten standen sie eingekesselt zwischen den Mitgliedern der magischen Strafverfolgungspatrouille, die grimmig nach vorne blickten.

Seltsame Leute waren das, auf den ersten Blick sozial absolut unfähig, auf den zweiten … immer noch.

Aidens Nachbar war zwei ein ein-halb Köpfe größer als er selbst, seine dunklen Haare genauso kurz geschoren, wie sein Bart, sein Kreuz mindestens doppelt so breit wie sein eigenes und von den Oberarmen wollte er gar nicht erst anfangen.

Da kam er sich gleich ganz minderwertig und schwächlich vor, neben so einer Ausgeburt von Schlägertypen (wahrscheinlich hatte er Riesen in der näheren Verwandtschaft).
 

„… Schwere Zeiten fordern schwere Maßnahmen“, Aiden wurde von Chrouchs feuriger Stimme aus seiner Musterung gerissen. Anscheinend hatte er den Strafverfolger reichlich lange angestarrt, Chrouch war bereits am Höhepunkt seiner Rede angelangt und verkündete nun mit stolz geschwellter Brust das Finale.

„Deshalb ist nun endlich der Beschluss offiziell vom Gamott ratifiziert wurden: Ab dem heutigen Tag ist es keine Straftat mehr einen Mörder, Folterer, Vergewaltiger Unschuldiger, einen Todesser im Kampf vor seiner Festnahme zu töten!“

Aidens Unterkiefer klappte ein Stück herab. Hatte er da gerade richtig gehört?

„Außerdem ist der Einsatz der Unverzeihlichen im äußersten Verteidigungsnotfall gegen Straftäter und im Angesicht des möglichen Todes nicht mehr zu ahnden. Wir haben die Pflicht die Bevölkerung zu schützen.“

Eine kurze, dramatisierende Pause.

„Wir sind das letzte Bollwerk, die Hoffnung der Zauberergesellschaft. Wir sind die „Jäger der Schwarzmagier!““

Vereinzelte Jubelrufe wurden laut und schwollen an.
 

Was erlaubten sich diese Menschen? Das jemand während eines Kampfes zu Tode kam, so grausam es auch klang, war keine große Neuheit, nichts Besonderes. Aber ein Freibrief zu töten, sogar ein Freibrief zu foltern?

Und schmerzlich begriff er erneut, dass Recht und Gerechtigkeit nur Fragen der Auslegung waren.

Die Menschen hatten sich nicht geändert.

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Abschätzig starrte Aiden seinen Vorgesetzten an.

Wieso musste er sich ständig so in den Menschen täuschen, obwohl seine Gabe eigentlich anderes voraussetzte?

Selbstzufrieden wanderte Chrouchs Blick durch die Menge und blieb tatsächlich ganz hinten an ihm hängen.

Sein Mundwinkel zuckte ärgerlich, der säuberlich gestutzte Oberlippenbart kräuselte sich kurz, als wollte er aus dem Gesicht seines Trägers springen und davonlaufen.

Eine kleine Ader an Chrouchs Stirn pochte gefährlich.

Einige wenige drehten ganz kurz zu ihm um, nur um sicher zu stellen, wen ihr Vorgesetzter da gerade in Grund und Boden starrte.

Enttäuscht blickte Aiden in die ihm zugedrehten Gesichter, machte auf den Hacken kehrt und verschwand ohne eine Reaktion abzuwarten.

Keiner hatte Chrouch widersprochen, vielmehr hatte die Masse ihm zugestimmt.

Sonst hatte es Aiden nie sonderlich berührt, wie die Menschen untereinander verfuhren. Er hatte seine Aufgaben erledigt, die geschützt, die er schützen musste, vielleicht noch ein paar außerplanlich hier und da unter die Arme gegriffen, aber es war ihm noch niemals so an die Nieren gegangen zu sehen, wie die Menschen ihre Seelen selbst in Grund und Boden richten konnten.

Aiden konnte weiß Gott nicht behaupten eine reine Weste zu haben. Auch er hatte schon gemordet, doch gerade aus diesem Grund wusste er, wovon er sprach.
 


 

Schwer seufzend betrat Aiden die weiße Halle.

Eigentlich vermied er es hier her zu kommen. In diese pseudo-sterile Umgebung, die ihre Beherbergten von jeder Schuld reinzuwaschen versuchte, wie eine dieser schmierigen Kernseifen, die lediglich furchtbar stanken und die Hände, samt Dreckschicht mit einem glänzenden Ölfilm überzogen.
 

Imea sah ihm irritiert entgegen, Sie hatte gespürt, dass es ihrem Zwilling nicht besonders gut ging.

„Was ist los?“, bestürmte sie ihn, sobald er an ihrem Arbeitsplatz angelangt war.

Ein unwilliges Schnaufen ertönte.

„Ihr könnt nicht erwarten, dass ich weiterhin als Auror arbeite.“, sagte er.

Plötzlich wirkte er um Jahrzehnte gealtert, wie ein Greis, der bereits zu viel vom Leben gesehen hatte um es noch ertragen zu könnten.

„Hast du ihre neusten Beschlüsse gehört? Ich werde nicht noch einmal Menschen töten, einfach so. Ich werde nicht noch einmal bei einem Krieg zusehen, wie sich die Grenzen verzerren und im Namen des Rechts dieselben Verbrechen begangen werden!“

Erschöpft sackte er auf einen herangezogenen Stuhl zusammen. Er fühlte sich so alt.

1942 Jahre. Er war so müde.

Wären da nicht Rose und Lily und ihr Kind.
 

„Meinst du nicht, dass du da ein bisschen übertreibst?“, fragte Ea vorsichtig.

„Sie haben die Unverzeihlichen für die Auroren als legitim erklärt.“

„Oh“

„Jaahhh, OH“, hauchte er zurück und lies den Kopf in seine Arme auf dem Schreibtisch sinken.
 

Traurig bedachte sie ihren Zwillingsbruder mit zärtlichen Blicken.
 

„Willst du sie etwa im Stich lassen?“, fragte sie dann.

Erschreckt zuckte Aiden auf und bohrte sich Splitter des weiß lackierten alten Holztisches in die Unterarme.

An Eas Augen konnte er deutlich ablesen, dass es ihr leid tat, dass ihr alles leid tat, die Auroren, Lily, ihr Kind, Rose und James, die Menschen, die zukünftig einen Krieg zu ertragen hatten und Aiden, auch ihr Bruder tat ihr leid, wie er so seltsam hilflos, wie ein kleines Häufchen Elend auf ihrem Schreibtisch hing.
 

„Nein.“, hauchte er, „Natürlich nicht.“

„Ich verstehe dich“, räumte sie schnell ein, „Deshalb habe ich mich ja auch für die Verwaltung entschieden, den Innendienst. Ich könnte niemals da Draußen arbeiten. Im Krieg, in all dem Leid, denn mal ganz ehrlich, nur dort werden wir doch gebraucht, oder? Du hast natürlich die freie Wahl, aber denke daran, dass du auf einem anderen Wege Lily und ihre Familie nicht so gut schützen kannst.“
 

Sie fuhr ihm sanft durchs Haar, wie er es bei ihr immer getan hatte, als sie noch Kinder waren.

Mit geschlossenen Augen schmiegte er sich haltsuchend in ihre Hand.
 

„Du hast natürlich recht. Es geht hier nicht um mich. Bin eine ganz schöne Memme geworden in all den Jahren, was? Hier so rum zu heulen.“, ein bitteres Lachen entfloh seiner Kehle, warm lachte auch Ea mit und minderte seinen bitteren Unterton ein wenig ab.
 

„Wenn ich dich nicht hätte!“, seufzte Aiden.

„Dann hättest du dich ewig im Selbstmitleid gesuhlt.“, grinste seine Schwester keck.
 

Herzlich lächelte Aiden zurück.

„Du hast Recht. Ich werd jetzt mal wieder ins Büro gehen, bevor Sirius sich noch wundert, wo ich bleibe“

Nachdem er sich erhoben hatte hauchte er Imea noch schnell einen zarten Kuss auf die Stirn.
 


 

„Alles klar?“, fragte Sirius, als Aiden die dünne Bürotür hinter sich zuschlug.

„Nein!“, antwortete sein Kollege und pflaumte sich auf seinen Stuhl.
 

„Jaa, das habe ich mir gedacht. Du hast dir übrigens mit deiner Aktion vorhin nicht unbedingt Freunde gemacht.“, nickte er.

„Mal ganz ehrlich, Sirius. Was wird denn hier erwartet? Das man für einen Folterfreibrief gleich Luftsprünge macht? Ich mein: Was unterscheidet uns denn bitteschön noch großartig von diesen sogenannten ‚Todessern‘, wenn wir genauso morden und quälen dürfen? Und du kannst mir nicht erzählen, dass einige das nicht ausnutzen werden.“
 

„Wir kämpfen für die richtige Seite.“, seufzte Sirius. Es klang auswendig gelernt, nicht ehrlich gemeint, nur ein Satz aus dem Lehrbuch für Auroren, einen den man im Ernstfall vor der Bevölkerung zitieren konnte.
 

„Daran zweifle ich nicht.“, sagte Aiden, wieder klang er müde, „Aber ihr solltet daran denken, dass die andere Seite dieselben Argumente verwendet. Wir haben sie für ihre Einstellung gehasst, wir haben sie für ihre Methoden gehasst, wir haben sie für ihre Taten verurteilen können, weil wir bessere Menschen waren. Was wird nun daraus? Wir benutzen dieselben Argumente, dieselben Methoden, stehen vor denselben Taten. Ich will sehen, wie ihr in den Spiegel seht, wenn ihr den Avada gesprochen habt und saht, wie das Leben aus den Augen eures Opfers losch, denn in dem Moment ist auch der Todesser nichts anderes, nur ein Opfer. Und wollt ihr sie wirklich zu dem machen? In Amerika wurde einmal dieser Fehler begangen. Wir haben daraus gelernt und ich kann leider nichts anderes tun, als euch davor zu warnen. Habt ihr einmal die Schwelle überschritten, gibt es kein Zurück mehr. Unser Ziel beim FBW war es immer Leben zu schützen, ich dachte das wäre bei euch nicht anders. Versteh mich nicht falsch, Sirius. Ich sage das nicht so dahin. Ich habe das selbst erlebt, ich habe meine Familie gerächt, aber es ging mir nicht besser danach. Der Verlust war nicht getilgt, ganz im Gegenteil ich habe noch ein Stück meiner Seele dazu verloren.“
 

Nachdenklich bedachte Sirius seinen neuen Partner. Er hatte schon rech, mit dem was er sagte, irgendwie.

Und er hatte keine Zweifel an der Ehrlichkeit der Worte, wie so einige Male davor. Er sah Aiden an, dass dieser neue Beschluss ihm nicht behagte. Seine Stirn stand in steilen Falten, lies sein Gesicht runzelig und alt wirken, verbraucht, erschöpft.

Aber was sollte er nun antworten?
 

Aiden nahm ihm diese Entscheidung ab, indem er einige alte Akten heraus kramte, die dringend überarbeitet werden mussten und Sirius seinen Grübeleien überlies.



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