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Unsee

von

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I'll make you...

Naruto konnte regelrecht spüren, wie deprimiert und niedergeschlagen Sasuke war, als sie am frühen Abend zurück zu seinem Haus liefen. Er konnte es verstehen, es war nicht gerade sehr erbaulich gewesen und hätte er sich tatsächlich noch eingeredet, dass sie irgendeine Art von Hoffnung hätten, wäre er wohl nun auch am Boden zerstört.

Naruto hatte diesen Fehler nicht gemacht, aber einfach nur, weil er Sakura regelrecht gelöchert hatte und längst wusste, dass es eigentlich unmöglich war. Sasuke aber schien nicht zugehört zu haben – was kein Wunder war, so abgekapselt und in sich gekehrt, wie er seit Wochen einfach nur dasaß und nichts tat.

Die Untersuchung hatte schon mit einer herben Enttäuschung angefangen, denn Sasukes Sharingan war nach wie vor da und, wie Tsunade ihm ein wenig gequält erklärt hatte, es war noch vollkommen intakt. Allerdings brachte das absolut nichts, da auch das Bluterbe keine magischen Fähigkeiten besaß, die Sasuke hätten sehen lassen können und so war es zwar da, aber vollkommen nutzlos.

Naruto hatte bei der Vorstellung blutrot leuchtender Sharinganaugen, die ins Leere starrten, schwer schlucken müssen, es war so… falsch. Aber das musste generell so sein und es gab wenige, kurze Momente, wenn er versuchte sich vorzustellen, wie Sasukes Augen nun aussahen, in denen er fast froh war, dass er selbst das nicht sehen musste.

Zu diesem Zeitpunkt der Untersuchung aber war Sasukes Laune schon unterhalb des Gefrierpunkts gewesen und mit jeder weiteren, ergebnislosen Kontrolle konnte Naruto spüren, wie sie tiefer und tiefer sank.

Tsunade hatte absolut nichts tun können. Sie hatte ihnen erzählt, dass man die Bakterien vollständig untersucht und als unter anderen Umständen absolut harmlos und ungefährlich eingestuft hatte. Irgendjemand musste sie wohl mit Hilfe von Chakra oder einem anderen Hilfsmittel dazu gebracht haben ihre Netzhäute zu attackieren, obwohl das für sie absolut unnormal war. Leider war der einzige Hinweis – der Ninja, der sie attackiert hatte – nicht ansprechbar und es war fraglich, ob er das jemals wieder sein würde.

Und selbst wenn, ihre Augen waren längst verheilt, es waren keine Wunden oder Narben geblieben, keine sichtbaren Veränderungen, nur die Netzhäute fehlten nach wie vor vollständig, fast, als hätten sie nie existiert.

Tsunade unternahm einen letzten Versuch sie zu heilen, aber wo nichts war, konnte man auch nichts heilen und so war er von vornherein zum Fehlschlag verurteilt gewesen.

Naruto hörte den Schmerz in ihrer Stimme, als sie leise flüsternd und bemüht gefasst erklärte, dass ihre Mittel erschöpft waren und es einfach nichts mehr gab, was sie tun konnten.

Sie sprach es nicht laut aus, aber die Botschaft war mehr als klar – sie sollten lernen damit klar zu kommen und sich irgendetwas anderes suchen, das sie machen konnten.

Das Ninja-Dasein war damit vorbei…

Sie waren nach wie vor krankgeschrieben, aber ewig würde auch die Hokage den Schein nicht aufrechterhalten können und früher oder später mussten sie das einsehen.
 

Auf dem Heimweg schwiegen sie alle. Sakura und Kakashi, weil ihnen wohl nichts einfiel, um sie aufzumuntern, Sasuke, weil er tief betrübt war und Naruto, weil auch ihm die Worte fehlten, um darauf etwas sagen zu können.

Es war nichts, das man leicht abtat und auch wenn er es längst gewusst hatte und begann sich damit abzufinden, hieß das noch lange nicht, dass es einfach war, die brutale Wahrheit direkt gesagt zu bekommen.

Er machte sich Sorgen, weniger um die Zukunft, denn die schien noch unendlich fern, sondern viel mehr um die Frage, was nun aus ihrem Team werden würde. Dass Sasuke am Rand von Depressionen stand – wenn er ihn nicht längst überschritten hatte – war mehr als offensichtlich. Und selbst wenn er drüber hinwegkommen sollte, sie würden nie wieder Team Kakashi sein können.

Sobald jemand frei sein würde, würden Sakura und Kakashi wohl Ersatz für sie zugeteilt bekommen und dauerhaft in ein anderes Team wechseln. Bisher hatte Tsunade sie immer nur vorübergehend anderen Ninja zugeteilt, da sie auch nach wie vor noch viel Zeit bei ihnen verbrachten – Kakashi hatte sich offenbar selbst zugeteilt, dass er einen Teil ihres Trainings übernehmen würde und Sakura hatte sogar einmal erzählt, dass er tatsächlich sein geliebtes Buch für ein paar Tage gegen mehrere Ratgeber zum Umgang und Training von Blinden ausgetauscht hatte.

Naruto hatte ihr erst nicht glauben wollen, doch je mehr er darüber nachgedacht hatte, desto mehr Sinn hatte es gemacht, immerhin war es doch reichlich unwahrscheinlich, dass Kakashi all das Wissen einfach so parat hatte. Auch wenn er Kakashi war, alles konnte er nicht wissen und ein solches Thema war für einen Ninja generell auch eher unwichtig, denn wenn es soweit war… nun, ja, dann endete die Laufbahn.

Und doch war es Kakashi, der sie nach wie vor mit dem Stock üben ließ und zumindest Naruto, da Sasuke sich sträubte, ab und an ins Dorf mitnahm, um ihm wieder ein Gefühl für seine Umgebung zu verschaffen.

Sakura hingegen hatte mit ihnen alltägliche Dinge geübt. Brote schneiden und schmieren, Betten beziehen, organisieren der Küche und Alltagsgegenstände. Sie hatte sogar mit Naruto zusammen seinen Schrank umsortiert und mit Bezeichnungen in Blindenschrift versehen. Die konnte Naruto zwar nach wie vor nicht einwandfrei lesen, aber er hatte es innerhalb einer Woche geschafft die Positionen seiner Kleidungsstücke auch so auswendig zu lernen und (im Gegensatz zu Sasuke, der davon nicht mal etwas mitgekriegt zu haben schien) suchte sich seine Kleidung morgens selbst aus.

Das würde enden, sobald sie dauerhaft wieder auf Missionen gehen würden. Zwar bezweifelte Naruto, dass Tsunade die beiden abziehen würde, ehe Sasuke und er damit klar kamen, aber… es würde nicht mehr dasselbe sein. Und auch wenn es das ohnehin nicht länger war, er hatte sich an den neuen Tagesablauf langsam gewöhnt und wollte nicht auch den wieder verlieren…

Er seufzte leise, worauf aber auch niemand etwas sagte und Sakura ihn sacht weiter vorwärts zog. Er hätte alleine laufen können, aber sie hatte ausnahmsweise darauf bestanden. Ob sie fürchtete, dass er zu sehr neben sich war und es nicht schaffen würde?

Naruto wusste es nicht, aber für den Moment war es ihm egal und er ließ den Gedanken einfach mal im Raum stehen. Er achtete nicht darauf, wo sie waren oder wohin sie liefen, er achtete auf gar nichts und vertraute Sakura vollkommen den Weg an. Ganz im Gegensatz zu allem, was er in den letzten Wochen gelernt hatte, verließ er sich vollkommen auf sie und gab sich überhaupt keine Mühe. Nicht heute…
 

Sakura und Kakashi waren nach dem Abendessen schnell wieder gegangen und heute war Naruto nicht sonderlich böse deswegen. Er hatte sich kaum dass die Teller in der Spülmaschine waren und die beiden gegangen waren, wortlos neben Sasuke auf die Couch fallen lassen und seitdem geschwiegen.

Er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Ob er überhaupt anfangen sollte. Wäre es nach ihm gegangen, hätten sie längst mal gesprochen, aber bisher schreckte er davor zurück, weil er wusste, wie Sasuke auf irgendeine Anspielung, ja, teilweise nur auf die Erwähnung der Worte „Augen“ oder „sehen“ reagierte. So kalt und abweisend und gereizt, wie schon lange nicht mehr…

„Was willst du?“, fragte Sasuke nach einer halben Ewigkeit. Es klang unendlich bitter und Naruto überlegte kurz, ob er darauf antworten sollte, entschied sich aber doch dagegen.

„Wieso sollte ich etwas wollen?“, fragte er verdutzt zurück. Er hatte auf keinen Fall damit gerechnet, dass der andere auch nur freiwillig den Mund aufmachen würde, geschweige denn von sich aus irgendetwas fragen.

„Hn.“, schnaubte Sasuke jetzt trocken, „Du willst was, sonst wärst du nicht gekommen, also spuck es aus und lass mich dann in Ruhe.“

Naruto runzelte die Stirn, verkniff sich aber auch jetzt einen Kommentar und zuckte sinnloserweise mit den Schultern. „Willst du jetzt so weitermachen?“, fragte er dann in die aufkommende Stille hinein. Einfach mal direkt drauf los, vielleicht antwortete er ja ehrlich, wenn er überrascht wurde.

„Was?“, zischte Sasuke und klang mehr als nur angesäuert, wovon sich Naruto aber noch nie hatte einschüchtern lassen und auch jetzt nicht daran dachte.

„Willst du so weitermachen?“, wiederholte er ruhig und mit Nachdruck, „Willst du den Rest deines Lebens hier sitzen und alles um dich herum einfach geschehen lassen? Bist du damit echt glücklich??“

Sasuke knurrte wütend, Naruto hörte irgendeine Bewegung, konnte sie aber nicht zuordnen und im nächsten Augenblick klatschte eine Hand mit Schwung gegen seine Wange. Sasuke hatte ihm eine gescheuert. Er hatte es zwar geahnt, aber keine Chance gehabt schnell genug zu reagieren, weil er nicht genau wusste, von wo die Hand kommen würde, war dementsprechend nicht ausgewichen und hatte in Sekunden einen roten Abdruck auf der Wange. Langsam hob er eine Hand und tastete die Stelle ab.

Die darauf folgende Stille war fast noch unheimlicher. Sasuke zog scharf die Luft ein. Naruto vermutete, dass er leicht entsetzt über sich selbst sein musste, denn normalerweise hätte er nicht so schnell zugeschlagen. Vielleicht wunderte er sich auch darüber, dass er überhaupt getroffen hatte, bis ihm klar werden würde, dass Naruto den Schlag natürlich nicht hatte kommen sehen.

Was auch immer Sasukes Gedanken waren, es dauerte offenbar einen Moment, bis er sie halbwegs ordnen konnte.

„Wie kannst du das so einfach hinnehmen?“, fauchte er schließlich und sprach wohl einfach aus, was er dachte, „Wie kannst du so tun, als würde alles eines Tages wieder in Ordnung kommen und als wäre es nichts Schlimmes?! Verdammt noch mal, du Vollidiot, es wird so bleiben!!“

Naruto schwieg erstmal, ehe er ungesehen traurig schmunzelte und unendlich leise seufzte. „Ich nehme es nicht einfach hin, Sasuke…“

Und mit einem Mal war sein Tonfall anders, er wusste es, konnte es aber dennoch nicht verhindern. Und Sasuke stockte. Naruto hörte es, spürte es, wusste es. Aber er konnte es trotzdem nicht verhindern, seine eigene Stimme war zu ruhig, zu traurig und viel, viel zu ernst. Das war nicht er, doch ehe Sasuke noch etwas sagen oder tun konnte, sprach er bereits weiter: „Ich nehme es ganz und gar nicht einfach hin. Ganz ehrlich, als ich verstanden habe, was los ist, war mein erster Gedanke auch, dass es diesmal echt vorbei ist.“

Wieder ein leises Seufzen, dann, kaum noch hörbar: „Ich hab es nur nicht ausgesprochen, weil Sakura dabei war und ich gemerkt habe, wie mitgenommen sie war. Ich wollte sie nie so sehen… oder hören, spüren, was auch immer. Und dann hast du vom Sterben geredet und… das hat mich sehr nachdenklich gemacht…“

Sasuke schnaubte nur, doch entgegen dem, was er zeigte, hörte er tatsächlich zu und lauschte insbesondere auf das, was Naruto nicht aussprach und nur durch seinen Tonfall verriet. Naruto deutete das Schweigen nicht als Widerspruch und fuhr ebenso leise wie bisher fort: „Ich hab die erste Nacht fast nur wach gelegen und darüber nachgedacht und ich bin zum Ergebnis gekommen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, damit umzugehen.“ Er machte eine kurze Kunstpause, aber nicht lange genug, als dass er wirklich eine Reaktion erwartet hätte. „Die eine ist die, die du gewählt hast. Niemanden mehr ranlassen und einfach aufgeben in der Hoffnung, dass es ein bisschen leichter wird, wenn niemand da ist. Die zweite wäre es einzusehen, zu akzeptieren, drüber hinwegzukommen und versuchen das Beste draus zu machen, weil man es eh nicht ändern kann.“

„Hn.“, war die ganze Antwort, aber Naruto war nicht dumm, er wusste nur zu gut, was Sasuke damit sagen wollte.

„Ich weiß, wie schwer das ist. Was meinst du, wie oft ich es dir gleich tun wollte und mich einfach nur hinsetzen und niemanden mehr an mich ranlassen wollte? Wie oft ich alles verflucht habe und mich gefragt habe, ob ich nicht schon genug in meinem Leben leiden musste, womit ich das verdient habe? Jedes Mal, jedes verdammte einzelne Mal, wenn ich irgendwo dagegen gerannt bin, wollte ich am liebsten schreien…“

Fast meinte er zu spüren, wie Sasuke verwundert aufblickte, ehe er sich selbst fing und seiner Stimme nach wieder zu Boden starrte. „Warum…?“

„Warum ich es nicht getan habe? Weil ich wusste, dass es vorbei ist, wenn ich mich einmal, nur ein einziges Mal gehen lasse… ich kenne mich und ich kenne meine Grenzen. Ich war echt kurz davor, sehr oft, aber ich wusste, dass ich nur einen Versuch hatte…“ Damit stand er nun doch auf und ließ Sasuke allein zurück, als er, diesmal ohne irgendwo anzustoßen das Zimmer verließ.

Er wusste, dass es nichts brachte, weiterzureden, dass Sasuke Zeit brauchte um Nachzudenken. Ironischerweise hatte er zwar die letzten beiden Monate auch nichts anderes getan, aber wäre Naruto jetzt nicht gegangen, wäre es Sasuke. Und so war es diesmal wenigstens nicht er, der dem anderen nachlaufen musste, wenn er etwas wollte.

Kaum in „seinem“ Zimmer angekommen, zog Naruto die Tür hinter sich zu, ließ sich aufs Bett fallen und seufzte leise. Warum musste das nur alles passieren?
 

Etwa zwei Stunden später stand Sasuke vor der Tür zu eben diesem Raum und fragte sich selbst, was er eigentlich tat, als er dagegen klopfte. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass Naruto wiederkommen und weiter auf ihn einreden würde. Er hatte sich Antworten auf Fragen zurechtgelegt, von denen er nicht einmal wusste, ob sie kommen würden. Er wollte nicht mit Naruto reden und schon gar nicht über dieses Thema, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er diese Aussage nicht einfach so im Raum stehen lassen konnte. Dass er sich rechtfertigen musste, warum er einen Grund hatte sich so verdammt mies zu fühlen. Auch wenn ihm eine kleine Stimme immer wieder zuflüsterte, dass Naruto den auch hatte und es trotzdem nicht tat.

Sasuke verstand selbst noch nicht, was überhaupt in ihn gefahren war, dass er nach Naruto geschlagen hatte, er verstand nicht, warum Naruto nichts dazu sagte und erst recht nicht, warum er plötzlich aufgab und er hatte so eine leise Ahnung, dass er es in Wahrheit gar nicht wollte. Wenn Naruto ihn aufgab, dann war es wirklich… vorbei. Zumindest sagte ihm das sein Unterbewusstsein und Sasuke gelang es nicht es zum Schweigen zu bringen und so hatte er sich schließlich aufgerafft und war die Treppe hoch zu diesem einen Raum gegangen, den er nicht mehr betreten hatte, seit er Naruto dorthin geführt hatte.

Keine Antwort kam von innen, aber er hörte Schritte und Augenblicke später wurde die Tür geöffnet. Er brauchte nicht zu sehen, um zu wissen, dass Naruto direkt vor ihm stand und ihn reichlich verwundert ansah.

Nein, die Augen reichlich verwundert in seine Richtung gedreht hatte… wenn überhaupt. In Gedanken sah er den leisen Vorwurf, der in dem „Blick“ liegen würde, die unausgesprochene Frage…

„Was ist?“, unterbrach Narutos Stimme das Schweigen, nachdem sie sich fast vier Minuten nur stumm gegenüber gestanden hatten. Er klang nicht wirklich so genervt, wie Sasuke erwartet hätte, eher verwirrt oder überrascht. Kein Wunder, wahrscheinlich hatte er erwartet, dass, wenn Sasuke sich schon herabließ zu klopfen, er auch was zu sagen hatte. Das stimmte ja auch irgendwie, aber Sasuke suchte noch nach Worten, um es zu formulieren, als auf einmal Narutos Hand gegen seine Brust stieß. Er konnte sich gerade noch beherrschen nicht zurück zu zucken. Wie er es hasste, wenn er Berührungen nicht kommen sehen konnte! Er fragte sich ohnehin oft, wie Naruto das eigentlich machte, irgendwie schien er immer viel zu genau zu wissen, wo er grade war. So genau sollte das eigentlich ohne Augen gar nicht gehen…

Doch er zwang sich selbst dann noch zur Ruhe, als die Hand seinen Oberkörper und Hals hinauf zu seinem Gesicht wanderte und sacht über die Mundwinkel und die Stirn fuhr. Er wusste, was das sollte, fragte sich aber unwillkürlich, was Naruto sich davon erhoffte. Er hatte nie seine Gefühle in seiner Mimik gezeigt, warum sollte er es jetzt tun?

Fast glaubte er nun das Stirnrunzeln in der Stimme zu hören, dass Naruto vermutlich gerade trug. „Keine Zornfalten? Du willst mir nicht noch mal eine reinhauen, oder?“

Sasuke biss sich auf die Lippe und atmete tief durch, um sicher zu gehen, dass er nicht gleich wieder losschnauzte. „Verlockende Vorstellung…“, grummelte er trotz allem und ehe er etwas anderes sagen konnte, war Narutos Hand auch schon zu seinem Handgelenk heruntergewandert und zog ihn in den Raum hinein, Sasuke stolperte verdutzt hinterher, bis er mit dem Fuß gegen etwas stieß und nach vorne kippte. Erschrocken wollte er sich abfangen, landete aber weich rücklings auf dem Bett mitten im Zimmer und ehe er sich versah waren da zwei Hände, die seine Handgelenke auf der Matratze festnagelten.

Er hatte damals nicht gelogen, er kannte sich in diesem Zimmer quasi nicht aus und war umso fassungsloser, dass Naruto es offenbar gut genug kannte, um ihn so zielsicher aufs Bett zu befördern… oder war das reines Glück gewesen?!

„Versuch es.“, war alles, was Naruto dazu einfiel. Sasukes Augenbrauen wanderten ärgerlich ein Stück hinunter. Eigentlich sollte selbst dem Volltrottel klar sein, dass sie so kaum ernsthaft würden raufen können, doch auch als er widerwillig gegen die Hände drückte, ließ sein Gegenüber nicht etwa los, sondern packte ihn im Gegenteil noch ein Stück fester, bis es Sasuke zu bunt wurde, er die Beine anzog und mit Schwung gegen Narutos Brust stieß sodass dieser eine halbe Rolle über ihn machte und hinter ihm auf dem Bett landete.

Sasuke stockte. Die Bewegung war reiner Reflex gewesen, er hatte nicht darüber nachgedacht – und war entsprechend überrascht, dass es ernsthaft funktioniert hatte.

„Aua.“, grummelte Naruto hinter ihm, aber es klang keineswegs vorwurfsvoll, sondern fast schon freudig und bevor Sasuke dazu kam ihn zu fragen, ob er doch gegen die Wand geflogen war, spürte er Hände auf seinen Schultern, die ihn erneut aufs Bett pressten und offenbar da halten wollten.
 

Naruto hatte fast schon zu viel Spaß dabei Sasuke wieder und wieder auf der Matratze festzunageln. Es war leicht, zumindest leichter, als er es sich vorgestellt hatte, aber durch das hin und her Gewälze hatten sie quasi ständig Körperkontakt und es fiel ihm kein bisschen schwer ziemlich genau zu sagen, wo und in welcher Position sich Sasuke gerade befand.

Es war fast, als würde er in seinen Gedanken genau sehen, was sie taten und konnte problemlos darauf reagieren.

Sie sprachen nicht, aber Sasuke musste es ähnlich ergehen, denn seine Bewegungen waren nicht zögerlich, sondern sicher und schnell, wie immer.

Okay, wenn Naruto so darüber nachdachte, sie brauchten bei den kleinen Rauferein auch so fast nie die Augen, da sie ohnehin nicht viel hätten sehen können, spätestens, wenn der andere einen auf dem Boden (oder in dem Fall dem Bett) festnagelte, war da eh nicht viel mehr als sein Gesicht im Blickfeld. Aber dennoch hatte er nicht erwartet, dass es doch derart gut funktionieren würde und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.

Insgeheim bedauerte er, dass er Sasukes Gesichtsausdruck jetzt nicht sehen konnte, aber er hatte keine Zeit die Hände nach seinem Gesicht auszustrecken, ganz abgesehen davon, dass Sasuke das merken und vermutlich verhindern oder den Ausdruck ändern würde.

Und so blieb Naruto nur seine Fantasie, die ihm aber sagte, dass auch Sasuke mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr verdutzt dreinblicken musste.

Wenn er ihn richtig einschätzte, war es nämlich genau das, was der andere sich die ganze Zeit eingeredet hatte – dass er gar nichts mehr konnte.

Leider gab es doch einen Aspekt, den Naruto nicht berücksichtigt hatte und der sich irgendwann mitten in der Rangelei plötzlich bemerkbar machte…

„Ahhh!“

Einmal ein bisschen zu viel Schwung genommen und Naruto klatschte nach Sasukes Befreiung aus seinem Haltegriff seitlich vom Bett herunter und schlug etwas unsanft auf den Boden auf.

Nicht allzu schlimm, aber es reichte, um ihren kleinen Kampf erstmal zu unterbrechen. Das war nun doch ein Punkt, den sie nicht berücksichtigen konnten, denn ohne zu sehen, hatte Sasuke den Schwung nur raten können und Naruto hatte zu spät das Ende der Matratze gespürt, um reagieren zu können.

„Naruto?“

Sasukes Stimme klang ein wenig unsicher, als wüsste er selbst nicht, ob er sich darüber lustig machen, erschrocken sein oder sich entschuldigen sollte.

„Schon okay…“, murmelte der und kletterte erstmal wieder aufs Bett, wo er sich rücklings ausstreckte und liegen blieb.

Sie hatten keine Chance festzustellen, wie lange sie tatsächlich mehr oder weniger schweigend gerauft hatten, da keiner wusste, wann genau sie damit begonnen hatten aber am Ende lagen sie beide grinsend nebeneinander auf der Matratze und atmeten ein wenig schneller als normal.

„Wie…?“, brachte Sasuke irgendwann stockend hervor, woraufhin Naruto neben ihm nur lachte. Es war so offensichtlich und Sasuke klang so herrlich ungläubig, dass er sich wieder wünschte, sein Gesicht zu sehen. Nur sein Gesicht, alles andere war im Moment uninteressant.

„Wir sind Ninja, Blödmann, glaubst du wir verlernen sofort wieder alles?“

Sasuke zog es scheinbar vor darauf nicht zu antworten, er war noch zu überrascht über das, was gerade passiert war.

Eine ganze Weile lagen sie einfach nur schweigend da, ihr Atem hatte sich längst wieder normalisiert, aber niemand sprach. Im Gegensatz zu vorher allerdings war es kein unangenehmes Schweigen, sondern eher ein stummes Übereinkommen, das keine Spannung und keinen Druck enthielt.

Irgendwann fragte Sasuke dann: „Hast du es gewusst?“

Naruto stutzte: „Gewusst? Was denn?“

Er hörte ein unendlich leises Schnauben, das fast schon amüsiert klang. „Dass es funktionieren würde…“, murmelte Sasuke leise, woraufhin Naruto ein Kichern nun nicht mehr unterdrücken konnte.

„Nein, hab’ ich nicht.“, antwortete er ehrlich und, ehe Sasuke noch was darauf sagen konnte, fügte er schnell hinzu, „Aber was sollte schon passieren, mehr als schief gehen konnte es ja nicht, oder? Im schlimmsten Fall wären wir beide auf den Boden gekracht.“, meinte er Schulter zuckend und fragte sich, ob Sasuke die Bewegung spüren konnte. Sie lagen nicht weit weg voneinander, das hätte das Bett auch gar nicht hergegeben. Naruto konnte Sasukes Atemzüge nahe bei seinem Kopf hören und er spürte, wenn Sasuke sich rührte und… seine Anwesenheit. Er konnte nicht wirklich erklären, wie, aber er wusste eigentlich immer, wenn jemand in seiner Nähe war.

Er fragte sich nur, ob Sasuke all das auch wahrnahm oder ob er es ausblendete… aber das zu fragen hätte nun wirklich alles wieder zerstört und so behielt Naruto die Gedanken lieber für sich.

„Du bist echt verrückt.“, kommentierte Sasuke irgendwann, dann, viel leiser und kaum noch hörbar wiederholte er fragend: „Was sollte schon passieren…“

Darauf folgte eine Bewegung und die plötzliche Gewichtsveränderung und das Verlagern der Geräusche verrieten Naruto, dass Sasuke sich aufgesetzt hatte.

„Ist das deine Methode damit umzugehen?“, fragte er plötzlich und seine Stimme war wieder ein ganzes Eck kühler und ausdrucksloser geworden. Innerlich seufzte Naruto, gab sich aber alle Mühe das nicht durchblicken zu lassen, als er erwiderte: „Was haben wir für eine Wahl?“

Einen Moment lang war es wieder still. Irgendetwas sagte ihm, dass das keine Antwort gewesen war, die Sasuke hören wollte oder die ihm weiterhalf und so versuchte er zu erklären: „Mir macht das auch keinen Spaß und ich würde lieber heute als morgen wieder sehen, glaub mir, aber… ich weiß nicht. Was sollen wir denn machen? Ich will nicht den Rest meines Lebens damit verbringen irgendwo herumzusitzen und mir von anderen bei Dingen helfen zu lassen, die ich selbst tun könnte…“

Und das war eigentlich etwas, das er sich bei Sasuke auch nicht vorstellen konnte, doch der schwieg noch immer eisern.

„Anfangs wollte ich es auch aufgeben, aber… ich kann es nicht genau sagen, ich glaube, als ich angefangen habe, zu lernen, dass es anders geht, da wollte ich… mehr? Ich konnte irgendwann in deinem Haus alleine laufen… mehr oder weniger, da wollte ich es auch woanders können. Ich konnte mir Saft holen, warum dann nicht Kakao? Verstehst du, was ich meine?“

Er hielt kurz inne und überlegte, ehe er weitererklärte: „Es ging nicht mehr darum, warum ich etwas nicht konnte, ich wollte mir einfach keine… Grenzen auferlegen lassen.“

Sasuke sagte noch immer nichts, aber zu Narutos ungemeiner Überraschung stießen auf einmal warme Finger an seinen Oberarm und folgten ihm hinauf zu seinem Gesicht. Und dann tat Sasuke etwas, dass Naruto wirklich nie im Leben erwartet hätte.

Sasuke, der Körperkontakt hasste, der sich niemals eine Schwäche eingestehen wollte, der es nicht ausstehen konnte, wenn er gezwungen war etwas zu erfühlen, dieser Sasuke tastete sacht sein Gesicht ab. Er war überraschend sanft, berührte ihn kaum, aber… er tat es. Seine Finger strichen in sicheren, gleichmäßigen Bewegungen, als hätte er das schon oft getan, vom Kinn hinauf zur Stirn, über die Nase wieder hinab und blieben schließlich an den Mundwinkeln hängen. Und Naruto verstand nichts mehr, bis ein leicht amüsiertes „Jetzt guck doch nicht so fassungslos.“ kam.

„Sasuke, was…?“

Ehe er die Frage noch fertig brachte, unterbrach Sasuke ihn ruhiger als zuvor. „Du lügst nicht.“ Und beinah augenblicklich verschwanden die Finger wieder von seinem Gesicht, Naruto fragte sich unwillkürlich, ob Sasuke das leichte Lächeln, das um seine Lippen spielte, noch gespürt hatte. „Du meinst das wirklich ernst, oder?“

„Wann habe ich etwas nicht ernst gemeint?“, fragte Naruto leise zurück, woraufhin Sasuke schwieg. Fast glaubte Naruto zu spüren, wie er mit den Schultern zuckte, bis er sich offenbar daran erinnerte, dass solche Gesten ebenso wie Mimik in die Welt der Sehenden und damit nicht länger in ihre gehörte. Und Sasukes leicht verbissener Tonfall, als er wieder sprach, gab ihm Recht und untermauerte die Vermutung.

„Du siehst es wirklich nur als Hindernis?“

Die Frage war seltsam formuliert, fand Naruto, aber was sollte er von Sasuke erwarten. Es war mehr als er vermutet hatte, dass der andere überhaupt dazu bereit war mit ihm über ihre Blindheit zu sprechen, die für ihn mehr oder weniger ein Tabu-Thema zu sein schien.

„Als was soll ich es denn sonst sehen?“, noch ehe er die Frage vollkommen ausgesprochen hatte, wusste er, dass es ein Fehler war, denn Sasuke stieß ein kurzes, leises, aber sehr gefährlich klingendes Zischen aus und Naruto war sich fast sicher, dass seine Miene sich gerade verkrampfte. Ups.

„Ja, als was sonst?“, knurrte Sasuke sarkastisch, „Vielleicht als etwas, das unser Leben ruiniert? Dass uns jede Selbstständigkeit nimmt?“

Naruto wollte antworten, doch ein lautes, schweres Seufzen unterbrach ihn. Er stellte sich verwirrt vor, wie Sasuke sich langsam mit der Hand übers Gesicht fuhr und fragte sich, woher dieses Bild gekommen war.

„Ich habe immer gewusst, dass du ein optimistischer, idealistischer Vollidiot bist… aber ich dachte, selbst deine Dummheit müsste einmal Grenzen haben…“, murmelte Sasuke undeutlich. Narutos Augen weiteten sich ein Stück, denn er verstand instinktiv, was Sasuke mit den Worten eigentlich sagen, aber auf keinen Fall aussprechen wollte.

Du schaffst es selbst nach so einem schweren Sturz noch aufzustehen?

„Sasuke…“, setzte Naruto leicht sprachlos an, doch der stieß ihn unsanft in die Seite und ließ sich wieder neben ihn senken. Vermutlich mit einem Arm über den Augen und einem weiteren, unterdrückten Seufzen auf den Lippen.

„Was? Ich bin nicht, wie du. Ich kann… das nicht…“

Und Naruto tat das einzige, was ihm daraufhin einfiel, rollte sich seitlich über Sasuke und hielt seine Arme ein weiteres Mal fest. „Dann zwing ich dich dazu…“
 

Es war nie eine ernst gemeinte Drohung gewesen und offenbar hatte Sasuke das verstanden, denn eine weitere, kleine Rangelei später lagen sie wieder in genau derselben Ausgangsposition und Naruto kicherte leise über ihrer beider Starsinn.

Er war sich nicht sicher, ob bei Sasuke endlich das Eis gebrochen war, aber eins wusste er – wenn es eine Chance dazu gab, dann jetzt. Und ganz entgegen seiner Art schien Sasuke heute Abend endlich einmal zuzuhören, wenn er ihm etwas sagte.

„Ich glaub, ich geh mal langsam ins Bett.“, murmelte Sasuke irgendwann und klang… ja, wie eigentlich? Losgelöst, gedankenversunken, aber auch irgendwie fast erleichtert? Naruto hatte Schwierigkeiten seine Stimmlage wirklich einzuordnen und auch als er versuchte sich einen passenden Gesichtsausdruck dazu vorzustellen, scheiterte er.

Er hatte Sasuke etwas zum Nachdenken gegeben, soviel stand fest, jetzt konnte er nur abwarten, zu welchem Ergebnis der andere kommen würde…

„Vom Fuß des Bettes aus vier Schritte direkt geradeaus.“, erklärte er ungefragt in dem Wissen, dass Sasuke nicht in diesem Zimmer gewesen war, sich ganz sicher weigern würde zu fragen, aber bestimmt genauso wenig zur Tür geführt werden wollte.

Sasuke stutzte kurz und Naruto schmunzelte. Es war offensichtlich, dass Sasuke nicht damit gerechnet hatte, dass er alleine würde gehen müssen, aber nach kurzem Zögern stand er trotzdem auf und seine Schritte klangen sogar relativ sicher in Narutos Ohren.

Als er außerdem hörte, wie Sasukes Hand leicht gegen den hölzernen Türrahmen stieß und sein Schrittmuster sich mit dem Bodenbelag änderte, beschloss er noch einen draufzusetzen und rief: „Sasuke? Du kommst morgen mit auf’s Fest.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, fast schon ein Befehl.

Naruto lauschte neugierig, wie die Schritte verstummten und sich erneut Stille breit machte. Er fragte sich insgeheim, ob Sasuke überhaupt wusste, was morgen für ein Tag und damit für ein Fest war, oder ob er das auch längst aus den Augen verloren hatte.

Ein ruckartig gezischtes „Vergiss es!“ und schnelle Schritte ließen Naruto innerlich lachen. Und wie er morgen mitkommen würde, er hatte lange genug hier drinnen herum gesessen und auf nichts gewartet…

In einer längst zur Gewohnheit gewordenen Bewegung huschten Narutos Finger zu seinem Handgelenk, öffneten den Mechanismus seiner Armbanduhr, die er seit Sakura sie mitgebracht hatte, beinahe ununterbrochen trug (weil sie seine einzige Möglichkeit darstellte ohne nachzufragen die Tageszeit zu erfahren), und tasteten schnell das Ziffernblatt ab. Es war weit nach ein Uhr morgens, das ganze hatte länger gedauert, als er für möglich gehalten hatte, aber seltsamerweise war ihm das vollkommen gleichgültig.

Es hatte sich gut und richtig angefühlt endlich mal wieder zu rangeln und sei es nur auf dem Bett. Und so konnte er ein zufriedenes Lächeln nicht verhindern, als er unter die Decke schlüpfte und es sich im Bett gemütlich machte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Aktrice
2011-07-07T16:00:40+00:00 07.07.2011 18:00
fantastic!
einfach nur... gut!
Aber was is das fürn Fest? oO


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