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Fullmetal Alchemist - Was danach geschah

Was hätte passieren können...
von

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DIE ALTE TIGERIN DES WESTENS UND DER ALTE LÖWE DES OSTENS

DIE ALTE TIGERIN DES WESTENS UND DER ALTE LÖWE DES OSTENS
 

„Schachmatt“, sagte Generalleutnant Lewellyn zufrieden und stieß den schwarzen König mit dem kleinen Finger ihrer rechten Hand um, bevor sie ihren Spielpartner ansah. „Also, dir liegt etwas auf der Seele, wenn du mich schon gewinnen lässt. Würde es dir etwas ausmachen, mich in deine Gedankengänge einzuweihen, altes Haus?“

„Charlotte…“ Grumman massierte seine Schläfen. „Du bist noch immer zu scharfsinnig für dein eigenes Wohl. Das wird dich eines Tages noch in echte Schwierigkeiten bringen.“

Sie zuckte nur die Schultern. „Wir kennen uns seit mehr als fünfzig Jahren, Grumman“, sagte sie sanft. „Robert und ich, wir sind deine ältesten Freunde. Du solltest inzwischen bemerkt haben, dass du den Rat der Generäle geschlossen hinter dir hast. Du hast Olivier, Mustang und die kleine Hamilton. Du hast eine Reihe Unterstützer, die dir treu folgen.“

Er seufzte schwer. „Ich mache mir keine Sorgen um mein Land oder meine politische Position“, sagte er. „Ich mache mir Sorgen um Jean und Riza. Ich meine, ich war so ziemlich der schlechteste Großvater aller Zeiten.“ Er nahm die Brille ab und bedeckte seine Augen mit seiner Hand. „Lotte, erzähl mir etwas darüber, wie Kinder und Jugendliche fühlen.“

Seine alte Freundin sah ihn so an, als hätte er ihr gerade vorgeschlagen, doch einfach mal aus dem Fenster zu springen. „Es tut mir leid, aber ich glaube, Robert wäre dafür der bessere Ansprechpartner“, sagte sie. „Ich meine, er hat eine wunderbare Enkelin, die sogar noch mit ihm spricht. Ich hingegen habe keine Ahnung, wie meine Enkelkinder aussehen.“

„Du warst die beste in unserem Jahrgang“, sagte er. „Du hast immer die richtige Antwort.“

Lewellyn sah auf ihre Hände, die offen auf dem Tisch lagen. „Ich habe mich tatsächlich ein bisschen mit der Psyche von Kindern auseinandergesetzt“, sagte sie langsam. „In den letzten Jahren unter Bradley hatte ich immer wieder mit verletzten Kindern zu tun. Du erinnerst dich vielleicht noch daran, was der alte Hund immer wieder gesagt hat.“

„Oh ja.“ Grumman zog eine Grimasse. „‚Lewellyn, das Western Hauptquartier ist keine Ersatzfamilie! Sie sind die Befehlshaberin! Sie sind nicht dafür zuständig, sich um alles zu kümmern, was Ihre Leute nicht gebacken kriegen!’“

Sie nickte. „Genau das hat er gesagt“, sagte sie. „Aber ich habe ich immer an das geklammert, was ich auf der Akademie gelernt habe: Soldaten sind fürs Volk da. Nun, wie du weißt, habe ich nicht eingelenkt. Ich habe mich weiterhin um alles gekümmert, was anfiel.“ Sie sah aus dem Fenster. „Ganz oft hatte ich mit verwaisten Kindern zu tun. Mit Kindern, die niemanden mehr auf dieser Welt hatten. Und mit Kindern, die von ihren Eltern verlassen worden sind. Das waren immer die schlimmsten Fälle. Sie hatten jedes Vertrauen in die Erwachsenen verloren.“ Sie schüttelte langsam den Kopf. „Du weißt selbst, wie ich sein kann, wenn es um Kinder geht und Bradley hätte schön dumm sein müssen, wenn er gedacht hätte, dass ich es normalen Soldaten überlassen würde, sich um vollkommen verwirrte Kinder zu kümmern.

Und ich habe dabei einiges festgestellt. Die verlassenen Kinder haben zu einem großen Teil gedacht, dass es ihre Schuld gewesen wäre. Dass sie nicht brav genug waren oder so. Dass sie es verdient hätten, von allen verlassen zu werden. Sie taten mir immer leid, weißt du?“

Grumman nickte. Er kannte Charlotte Lewellyn für den größten Teil seines Lebens. Er wusste, dass sie drei Jahre ihres Lebens in einem Waisenhaus verbracht hatte, weil ihr Vater im Krieg gestorben war und ihre Mutter im selben Jahr von einer Krankheit dahingerafft worden war. Im Waisenhaus hatte die spätere Vorzeigefrau des Militärs gelernt, dass das Leben manchmal hart war und dass es nicht immer nur Sonnenschein gab. Als sie schließlich zehn geworden war, war sie zu ihrer alleinstehenden Tante gekommen und um diese Tante unterstützen zu können, war sie überhaupt erst zusammen mit Grumman und dem alten Catalina ins Militär eingetreten.

„Aber es war nie ihre Schuld“, sagte Lewellyn leise, aber mit einer gewissen Schärfe in der sonst teilweise emotionslosen Stimme. Sie konnte über hunderte Tote nach einem schweren Anschlag sprechen, ohne sich auch nur irgendetwas anmerken zu lassen, aber sobald sie hörte, dass auch Kinder betroffen waren, verrutschte ihre Maske und man konnte sehen, wie weichherzig sie noch immer sein konnte. Sie hatte ihr einziges Kind, eine Tochter, mit ihrer Liebe förmlich ertränkt und auch wenn sie inzwischen darüber sprechen konnte, ohne sich ihren Kummer über das Zerwürfnis anmerken zu lassen, litt sie darunter.

„Natürlich war es das nicht“, sagte Grumman freundlich. „Und? Wie gehen die Kinder damit um, von allen verlassen zu werden? Ich meine, du hast das Misstrauen erwähnt…“

„Viele von ihnen entwickeln starke Aggressionen und haben grundsätzliche Probleme mit Autoritätspersonen“, sagte sie. „Andere bleiben immer sehr schüchtern und entwickeln später Bindungsängste, weil sie Angst davor haben, noch einmal verlassen zu werden. Du musst wissen, es ist für ein Kind die ultimative Demütigung, wenn sie von ihren Eltern verlassen werden. Davon erholen sie sich nie wieder. Es ist einfach nur … grausam.“

Grumman hob eine Augenbraue, war aber dankbar, dass sie verstanden hatte, was er mit seiner ursprünglichen Frage gemeint hatte. „Was hast du eigentlich in den Jahren, in denen du berentet warst, gemacht?“, wollte er dann wissen. „Du hast es nie erwähnt…“

Sie senkte den Kopf. „Ich habe einmal mehr bewiesen, dass Bradley Recht hatte, als er mich für einen Führungsposten für unfähig befunden hat“, sagte sie. „Sobald ich wusste, dass ich zumindest bis zu seinem Tod nicht mehr im Militär sein würde, habe ich mich wie eine verzweifelte alte Frau aufgeführt und habe mir das alte Waisenhaus, in dem ich lange gelebt habe, gekauft. Ich habe es von unten bis oben renovieren lassen und habe mich darum gekümmert, dass die ganzen Kinder, die niemanden mehr haben, einen sicheren Ort haben. Ich meine, ich hatte seinerzeit wirkliches Glück und bin in einem anständigen Waisenhaus gelandet. Andere hatten dieses Glück nicht und ich habe sie bedauert. Deswegen … ich habe eine letzte Bitte an dich, Grumman.“

„Ich lausche dir so ergriffen wie immer“, sagte er, während er zu ahnen begann, was sie zu neunzig Prozent von ihm erbitten würde.

„Du gehst innerhalb des nächsten Jahres in Rente, nicht wahr?“, sagte sie, während sie auf ihre Hände schaute. „Das heißt, du musst deinen Schwur einlösen, nicht wahr? Wenn du versuchst, es zu leugnen, dann kann ich Robert anrufen. Soweit ich weiß, hat er noch immer den alten Vertrag zwischen uns. Ich habe meinen Teil immer eingehalten. Ich habe dir all die Jahre über zugearbeitet. Wenn ich es nicht getan hätte, wären die Rollen jetzt anders verteilt und ich würde vermutlich auf einem Stuhl sitzen.“

„Ich erinnere mich noch gut daran“, sagte er, „und ich will es nicht leugnen. Ja, ich werde dich mit mir in den Ruhestand nehmen, Charlotte. Dich und Robert. Ich meine, ihr zwei habt wirklich für mein Wohl auf eine Menge Dinge verzichten müssen. Dich hat es deine Ehe und Robert seinen Sohn gekostet.“

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich habe meinen Mann und meine Tochter verloren, ja, das gebe ich zu, aber ich hatte eine gute Zeit“, sagte sie, „und Robert würde sich auch niemals darüber beschweren. Er und sein dämlicher Sohn hatten nie ein besonders gutes Verhältnis, weißt du? Und ich habe all diese Opfer gerne gebracht. Sie haben einem größeren Wohl gedient, Grumman. Und jetzt habe ich meinen Schwur erfüllt. Ich habe dir so lange geholfen, wie ich es vermochte und nun, nun habe ich mein Ziel erreicht. Ich kann in den Westen zurückkehren und dort ein friedliches Leben führen.“

„Du gehst zurück in den Westen?“, fragte Grumman. „Ich dachte, nachdem ich dein Leben schon so eindrucksvoll zerstört habe, könnte ich es jetzt auch vollständig zertrümmern, indem ich dir den Ratschlag gebe, in den Osten zu kommen. Ich meine, Robert wird mit Sicherheit auch kommen, wenn das deine Entscheidung beeinflusst.“

Lewellyn schnaubte und stand auf. „Du solltest besser als irgendein anderer wissen, dass zwischen mir und ihm nie etwas war und nie etwas sein wird“, sagte sie. „Und es war ein Teil unseres glorreichen Schwures, dass wir nie irgendwelche Gefühle außer Freundschaft und Treue zwischen uns kommen lassen würden.“

Er grinste schief. „Eine Schande, dass du mich damals hast abblitzen lassen“, sagte er.

Sie lachte leise in sich hinein. „Du hast dich später grausam an mir gerächt und meine Assistentin geheiratet, als ich sie gerade am meisten brauchte“, sagte sie. Sie musste nicht sagen, dass ihre Assistentin auch noch ihre beste Freundin gewesen war und dass sie es insgeheim amüsant gefunden hatte, dass ihre Untergebene ihr von einem attraktiven Mann mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein vorgeschwärmt hatte. Noch bevor sie sie Frage gestellt hatte, bei wem es sich dabei handelte, hatte sie auch schon gewusst, wer es war.

„He, ich hatte dir von Anfang an gesagt, dass du es bereuen würdest“, lachte er.

„Wenn wir schon einmal von Assistentinnen sprechen…“ Lewellyn seufzte. „Weiß Roberts Enkelin, dass du den Job nicht mehr lange machen willst?“

Grumman nickte. „Sobald ich wusste, dass Roy endlich bereit für den Job ist, habe ich mit ihr gesprochen und sie gefragt, was sie machen will. Ich habe sie gefragt, ob sie mit mir aus der Armee austreten will, aber sie will ihren Vater erst noch in der Befehlskette überholen. Sie hat ihn inzwischen fast eingeholt, sicher, aber sie will noch mehr.“

Lewellyn grinste schief. „Das Mädchen hat Biss“, sagte sie. „Sie kommt ganz auf ihren Opa. Hast du eigentlich mitbekommen, wie gerührt unser alter Robert jedes Mal ist, wenn er in der Zeitung ein Bild sieht, wo sie drauf ist? Ich meine, sie ist inzwischen quasi dein Schatten geworden. Und seitdem du neben Riza auch Jean für das Auge der Öffentlichkeit enthüllt hast, steht auch Rebecca im Mittelpunkt.“ Sie lehnte sich gegen die Tür und hob eine Augenbraue. „Den meisten anderen wird es nicht auffallen, aber mir ist es aufgefallen: Du hast es tatsächlich geschafft, deine beiden Lieblingsuntergebenen zu Mitgliedern deiner kleinen, vollkommen bizarren Familie zu machen. Ich weiß, dass du Rebecca immer erzählt hast, wie gut Jean zu ihr passen würde…“

Grumman setzte eine echte Unschuldsmiene auf. „Behalt es für dich, okay?“, bat er, bevor er innehielt. „Wohin gehst du eigentlich?“

„Ich gehe rauchen“, sagte sie. „Der Arzt sagt, ich sollte aufhören, aber bei meinem Stress brauche ich etwas, was meine Nerven hübsch ruhig hält. Ich meine, die kleine Hamilton hat zwar alles hübsch aufgeräumt, bevor sie gegangen ist, aber der Westen ist groß.“

„Du lässt das so klingen, als ob Oberst Hamilton ein Kind wäre, dass brav all seine Spielsachen aufgeräumt hätte, bevor es nach draußen gegangen ist.“

„He, ich hatte immer eine Schwäche für die scheinbar Chancenlosen“, sagte Lewellyn.

Ihr ältester Freund stand auf und ging zum Fenster, bevor er die Stirn in sorgsame Falten legte. „Wusstest du, dass die kleine Hexe auch raucht?“, fragte er leise.

Lewellyn erstarrte. „Ja“, gab sie zu, „aber soweit ich weiß, hat sie es hundertprozentig im Griff. Sie raucht nur eine am Tag und das auch nur, wenn sie gerade Stress hat. Sie raucht auch keine normalen Zigaretten, sondern irgendwelche besonderen, die gut für ihre Schulterbeschwerden sind. Ich meine, die Kleine hat echte Probleme damit und ihre Schwester ist ständig dahinter her, dass sie sich endlich eine Automail anlegen lässt.“

Der Generalfeldmarschall nickte langsam. „Danke“, sagte er. „Du bist entlassen.“

Sie salutierte spaßhaft, bevor sie hinausging. Sie war nicht mehr die Jüngste, sicher, aber die alte Tigerin des Westens hatte ihre Zähne noch immer nicht verloren – und für den alten Löwen des Ostens galt dasselbe.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Rhyo
2011-10-01T14:47:37+00:00 01.10.2011 16:47
Hmm... ich erwarte mit Freude die Zeit, in der die Ära der Alten vorbei ist und die jungen Leute die hohen Ämter übernehmen...

Wer würde nicht in einem Staat leben wollen, in dem Mustang der Chef ist?
Von:  DarkDragon
2011-06-25T10:13:56+00:00 25.06.2011 12:13
Die beiden alten^^, sehe ich das richtig das Roy bald Generalfeldmarschal wird? Oder doch noch Olivier?
bin gespannt.
lg


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