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Want to leave this world

No. 1 Romantic Warriors
von

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Schwere Worte

Als Raphael Lawrence am nächsten Morgen sehr früh weckte, damit sie nicht zu spät kamen, begrüßte er ihn sofort mit einem süßen Kuss.

„Isst du am frühen Morgen etwa schon Schokolade?“, fragte Lawrence.

„Nein, ich hab nur eben einen Kakao getrunken. Vorne am Park gibt's einen Stand, da ist der verdammt lecker.“, erklärte Raphael und warf einen leeren braunen Plastikbecher in den Müll.

Lawrence musste lachen. Als Raphael aus der Küche zurückkam, küsste er ihn zärtlich. „Du bist so süß, wenn du lachst.“, sagte er leise.

„Hör auf. Wag dir das bloß nicht in der Uni oder ich dreh dir den Hals um.“, drohte Lawrence lächelnd.

„Ich weiß, es könnte mir dann in etwa so ergehen wie Joey, oder? ... Nein, nein, schon gut. Weißt du was, sei einfach so, wie du warst, als wir uns kennen gelernt haben.“

Lawrence sah ihn verständnislos an.

„Deine kalte Seite.“, fügte Raphael hinzu.

„Achso... Depressiv und schlecht gelaunt, leicht reizbar und schnell ausklinkend. Sag das doch gleich.“

Raphael sah ihn erstaunt an. „War das die Diagnose deiner Psychologen?“, fragte er lachend.

„Nicht ganz... Aber zurück zum Thema. Willst du das wirklich? Hältst du das denn durch? Ich meine einmal war ja bestimmt schon schwer genug.“

„Ja, sicher. Aber nur, wenn ich dich danach ganz für mich allein habe.“, sagte Raphael und küsste Lawrence sanft auf die Wange.

„Gut, wie du willst.“, gab Lawrence nach.

Gemeinsam verließen sie die Wohnung. Während sie zu Raphaels Uni gingen, fiel Raphael auf, dass Lawrence seit seinem Geständnis um einiges fröhlicher war. Nicht mehr so depressiv und schlecht gelaunt, wie er war, als sie sich kennen gelernt hatten. Und doch fand er, dass das alles viel zu schnell kam...
 

In der Uni schickte Raphael Vany und Samantha in der Pause einkaufen. Er sagte ihnen, dass er das nicht selbst machen würde, aber er bräuchte es für einen Freund. Er schrieb den beiden den Artikel auf einen Zettel den er zusammenfaltete und Vany in die Hand drückte. Er verdonnerte sie dazu, den Zettel erst wieder zu entfalten, wenn sie im Laden waren. Dass sie sich nicht daran halten würde, wusste er, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Danach holte er sofort Lawrence von der Caféteria ab, wo sie sich verabredet hatten.

Auf dem Weg zum Lesesaal erzählte Raphael Lawrence davon, dass er die beiden Mädchen einkaufen geschickt hatte

„Sie bringen für uns beide was mit. Das heißt, wenn's dir recht ist. Ist nämlich was Bestimmtes...“, sagte er.

„Und was?“, fragte Lawrence.

„Kann ich dir jetzt nicht sagen. Du, Law, kannst du so tun, als ob dir das hier total missfällt? Ich geh mal davon aus, dass du das garantiert gemacht hättest, wenn wir beide nicht... na du weißt ja.“, sagte Raphael.

„Ja, weiß ich, aber wenn ich ehrlich sein soll, dann wäre ich wohl nicht mal hier, wenn wir beide nicht... Aber egal, du wirst ja sehen, was ich mache. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich doch ausfallend werden sollte.“, meinte Lawrence und lächelte.

Raphael lachte erst, dann- „Solange du keine negativen Andeutungen wegen deines Problems machst. Du weißt, wie ich darauf reagiere.“

„Ja, mach dir keine Sorgen.“, war Laws Antwort.

Raphael fand diesen Satz beinahe sarkastisch. Gerade, als sie den Lesesaal betreten wollten, kamen Vany und Samantha zurück.

„Hey, Raph! Wozu braucht dein Freund denn das Zeug?“, fragte Vany schmunzelnd, aber ohne genauer zu werden.

„Äh,keine Ahnung. Hat er mir nicht gesagt. Und ich schätze mal, Schätzchen, dass uns das auch nichts angeht.“, sagte Raphael.

Lawrence sah ihn aus den Augenwinkeln heraus funkelnd an. Schätzchen...? Er kann's wohl nicht lassen...

„Hey! Unser Süßer! Wie geht's denn so? Was machst du hier?“, fragte Vany mit hoher Stimme an Lawrence gewandt.

„Er ist wegen der Aufgabe hier. Genau wie Samantha.“, sagte Raphael.

Lawrence hatte rasch seinen eiskalten Blick aufgesetzt. Samantha beobachtete ihn und Lawrence war klar, dass sie ihm immer noch dankbar war, weil er sie vor Joey beschützt hatte.

„Ach echt? Was hat er denn für ein Problemchen?“, fragte sie.

„Ein großes. Reicht das?“, zischte Lawrence.

Dass sie sein Problem zu einem Problemchen herunterspielte reizte ihn.

Raphael sah ihn erstaunt an. Wow! Da gefriert einem ja das Blut in den Adern. Also mit der Laune möcht ich ihm nicht unbedingt begegnen.

„Oh, okay! Ich frag ja schon nicht mehr!“, sagte sie und klang dabei abweisend.

„Schätzchen, sei doch nicht so gemein. Du verletzt seine Gefühle!“, sagte Raphael.

„Hat der denn überhaupt welche?“, fragte sie in einem ähnlichen Ton, wie Lawrence ihr geantwortet hatte.

„Hat er und ich wage zu behaupten, dass ich weiß, wie er reagiert, wenn du so weitermachst! Also rate ich dir, das zu lassen.“, erklärte Raphael ernst.

Vany nahm es stillschweigend hin.

„Was ist eigentlich Samanthas Problem?“, fragte Raphael kurz darauf.

Vany legte einen Arm um Samantha. „Sie hat Angst vor dem Vertrauen. Sie will es nicht akzeptieren, dass man noch einmal ihr Vertrauen missbrauchen könnte.“, erklärte sie.

Lawrence sah nun doch zu Samantha. Es braucht also nur einen Auslöser und schon hat sie das gleiche Problem wie ich. Na okay, vielleicht nicht ganz und bestimmt auch nicht so schnell, aber es kann passieren. „Bist du dir da auch sicher? Ich meine, dass es nur das ist?“, fragte Lawrence kühl.

Andererseits legte er aber auch eine Spur Besorgnis in seine Stimme, die Raphael wiederum nicht entging.

„Wie meinst du das?“, fragte Vany zurück.

„Was ist, wenn es nochmal passiert, dass jemand ihr Vertrauen missbraucht? Was ist, wenn sich dadurch ihr Problem verschlimmert?“, erklärte Lawrence.

Raphael verstand nun, was Lawrence meinte. Was würde sein, wenn Samantha ebenfalls zum Selbstmord neigte?

„Ich versteh' immer noch nicht, worauf du eigentlich hinaus willst.“, entgegnete Vany.

Raphael seufzte. „Das ist doch ganz einfach. Was ist, wenn Sam zum Suizid neigt? Du weißt es jetzt noch nicht, aber was wäre wenn? Was machst du dann?“

„Warum sollte sie?“, fragte Vany und sah Raphael und Lawrence skeptisch an.

„Das kann so leicht passieren!“, meinte Lawrence und sah zur Seite, noch bevor Raphael dazu etwas sagen konnte.

„Wie?“, fragte Vany irritiert.

Lawrence sah wieder auf und kühl in Vanys Augen. „Sie braucht nur einen Anlass, der sie dazu bringt. Dann ist ihr nämlich wirklich alles egal. Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich hab selbst ein Psychologiebuch zu Hause. Ich weiß sehr wohl, was da drin steht, aber helfen tut's mir auch nicht.“, sagte Lawrence.

Seine persönlichen Erfahrungen ließ er weg. Das musste sie nun wirklich nicht vorher erfahren.

„Achso? Na wenn du meinst. Ich hoffe doch sehr, dass Raphael mir sagt, was dein Problem ist.“, meinte Vany und sah Raphael fragend an.

„Nein, das sag ich dir nicht. Das erfährst du noch früh genug.“, entgegnete Raphael lächelnd.

Vany schnippte missgelaunt mit dem Finger.

„Eh ich's vergesse! Gib mir bitte das, worum ich dich gebeten hab.“, sagte Raphael und hielt ihr seine Hand hin, fordernd nach dem Etwas, weshalb er sie einkaufen geschickt hatte.

Vany drückte ihm mit einem verschmitzten Lächeln eine Tube in die Hand, die Raphael in seinem Rucksack verschwinden ließ.

„Ich möchte nur zu gern wissen, was dein Freund damit macht.“, sagte sie lachend.

„Frag ihn doch.“

Lawrence hatte ihn beobachtet und rätselte nun, was Raphael mit dieser Tube, wenn es denn eine war, wollte. Und vor allem, was da drin war. Was ist das? Sollte das etwa das Bestimmte Etwas sein? Das, was mir recht sein sollte? Kapier ich nicht...

„Gehen wir rein.“, sagte Raphael und zog Lawrence mit sich in die Mitte des eher kleinen Lesesaals. Die Mädchen um sie beide herum fragten ihn sofort, wer sein süßer Begleiter sei.

Raphael erklärte ihnen, dass Lawrence sein Partner für die Aufgabe war und das er schon vergeben war. Die Mädchen waren enttäuscht, aber dafür musste Lawrence einfach in sich hinein lächeln. Dieser Gedanke war einfach zu schön. Vergeben. Er. Andererseits war er auch überrascht von seiner Wirkung auf die Mädchen. Das hätte er nicht erwartet.
 

Kaum, dass Raphaels Professor den Lesesaal betrat, begann er auch schon zu dozieren und bat die einzelnen Gruppen vorzutreten und zu berichten.

Raphael gehörte zu den letzten. Was Lawrence sofort auffiel, war das Interesse des Professors an ihm.

„Nun... Sie haben zwar jemanden benannt, aber nicht sein Problem. Ich bin wirklich gespannt, was Sie uns zu sagen haben. Fangen Sie an.“, sagte er und sah interessiert zwischen Raphael und Lawrence hin und her.

Raphael stellte Lawrence vor, der absichtlich genervt tat, erzählte aber nichts weiter von ihm. Er sagte einfach, er wüsste das nicht. Schon da unterbrach ihn der Professor.

„Was soll das heißen, aufgrund seiner natürlichen abweisenden Haltung, oder seiner Kälte wie Sie es nennen, konnten Sie nichts über ihn in Erfahrung bringen? Er wird doch wohl mit Ihnen gesprochen haben!“

„Ja doch. Hat er ja, aber es war trotzdem nicht erkennbar, was das Problem ist.“, erklärte Raphael.

„Nun, dann fragen wir doch einfach Ihr Lernexemplar.“

Lawrence versetzte dem Professor einen vernichtenden Blick, den der aber nicht für voll nahm. Lernexemplar?? Was bin ich? Ein Reagenzglas mit Säure, die nicht danach aussieht?

„Lawrence?“ Der Professor sah ihn fragend an, während Lawrence ihn noch immer mit seinem Blick taxierte.

„Das wollen Sie sicher nicht hören...“, meinte Lawrence abweisend.

„Sicher doch. Erzählen Sie schon.“ Die Stimme des Professors klang freundlich, aber irgendwie auch hinterlistig, fand Lawrence.

„Hmm... Wenn Sie unbedingt wollen. Ich hab inzwischen fünf verschiedene Therapeuten besucht, von denen kein einziger auch nur den geringsten Erfolg verzeichnen konnte, bis auf den letzten. Wegen ihm, hab ich ihn erst kennengelernt.“, begann er und deutete auf Raphael.

„Und er hatte wesentlich mehr Erfolg als die! Und was mein Problem angeht...“ Lawrence unterbrach sich selbst und sah einen Moment zu Raphael.

„Ja?“, hakte der Professor nach.

Lawrence wandte sich wieder ihm und der Klasse zu. „Ich denke, das liegt an mir selber. Das hat nichts mit Ego oder Vertrauensproblemen zu tun. Es liegt allein an mir und vielleicht auch an meiner Vergangenheit. Ich mach mich dann meistens selber noch runter, weil mich manchmal echt alles ankotzt... Und, naja... Raphael hat mir zwar gesagt, dass es bei der Aufgabe eine Bedingung gibt, aber da hatte er schon alles eingereicht, wie er sagte. Er konnte das nicht mehr rückgängig machen, weswegen ich jetzt doch hier bin. Was ich eigentlich gar nicht wollte!“, erzählte Lawrence und wandte sich mit seinem letzten Satz an Raphael.

Der Ton war unfreundlich doch seine Augen ließen ein heimliches Lächeln hinter der Fassade erkennen. Ist das okay so? Du wolltest das doch...

„Ja und das heißt?“, fragte der Professor.

„Das heißt, dass ich nach Ihren Bedingungen überhaupt nicht hier sein dürfte und Sie mich wohl jeden Moment achtkantig rausschmeißen werden.“, versetzte Lawrence.

„Geht das auch konkreter?“

„Ich bin suizidgefährdet. Stark suizidgefährdet, um genau zu sein. Und genau das hat Raphael zu spät bemerkt.“

Raphael drehte sich weg. Zu spät kann man das nicht nennen... Ich hab's früh genug bemerkt, nur hab ich nicht an diese blöde Bedingung gedacht, als ich dich eingetragen hab...

Kaum, dass der Professor diese Nachricht registriert hatte, lief sein Gesicht auch schon rot an. „Wie bitte? Ich glaub, ich hör wohl schlecht!! Raphael! Hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt, als ich sagte, ich möchte so etwas hier nicht wiederfinden?!“, fluchte er und starrte Raphael ungläubig an, der gerade zwei Schritte rückwärts gegangen war. Doch ehe er etwas sagen konnte, sprang Lawrence ein.

„Ich denke, es ist eindeutig, dass er dafür nichts kann! Weder wusste ich von dieser Aufgabe noch wusste er von meinen Selbstmordversuchen! Wie sollte er auch? Haben Sie je einen suizidgefährdeten Menschen kennengelernt, der freiwillig darüber redet?? Also ich nicht!“

Der Professor sah ihn erbost an. „Natürlich nicht! Aber er hätte Sie ja zumindest fragen können!“

„Da hätte er warten können, bis er schwarz geworden wäre! Von mir hätte er auf so eine Frage keine Antwort bekommen! Kein einziger suizidgefährdeter Mensch redet über solche Dinge! Was sind Sie für ein Professor, der das nicht mal weiß?“, fauchte Lawrence.

Raphael sah ihn erstaunt an. Oh... Darf ich das als einen Wutausbruch verzeichnen, oder bist du nur etwas aufgebracht? Wie auch immer... Ihn bringst du damit allemal auf die Palme. Sein Ego darf immerhin niemand ankratzen und das tust du gerade, mein Lieber!

„Na hören Sie mal! Was erlauben Sie sich eigentlich? Ich bin eine Autoritätsperson!“, entrüstete sich der Professor.

„Ich sage nur, was ich denke! Ist das verboten?“, entgegnete Lawrence.

„Nein, natürlich nicht! Ab-“

Die Klasse unterbrach ihn und stellte nun Fragen.

„Lawrence! Was hast du denn gemacht?“

Lawrence sah zu Raphael, der aber auch nur mit den Schultern zucken konnte. Antworten oder nicht, das war hier die Frage. „Naja... Eigentlich rede ich nicht darüber...“, er wandte sich wieder der Klasse zu. „Aber... Wollt ihr das wirklich wissen?“, fragte er. Die Klasse antwortete einstimmig und Lawrence ergab sich.

„Also gut... Ich hab dreimal versucht mir dir Pulsadern aufzuritzen, dann vor kurzem mich zu ertränken und kurz danach, überhaupt noch nicht lange her, mich mit Tabletten und Alkohol umzubringen.“, sagte er mit so viel Mut, wie er aufbringen konnte.

Lawrence und Raphael bemerkten, dass die Klasse das erstaunte. Einige hatten an den Händen abgezählt, wie viele Male das waren und Lawrence wusste ganz genau, dass es fünf Versuche waren. Eigentlich war es sogar noch mehr, aber ich will sie nicht zu sehr schocken.

„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte einer aus den oberen Reihen.

„Ich bin nicht älter als ihr. Ich bin neunzehn.“, antwortete Lawrence.

Ein Raunen ging durch den Saal. Es stimmte, die wenigsten waren älter.

„Warum hast du das gemacht? Was war der Anlass?“, fragte ein Mädchen.

Lawrence sah, dass sie eines der Mädchen war, die hinter ihnen saß. Er war überrascht gerade diese Frage zu hören. Warum? Ja warum war eine der härtesten Fragen, die man nie stellen sollte... „Wie soll ich sagen... Ich hatte genug. Es gab Momente, da konnte ich nicht mehr, oder war so von Stress geplagt, dass ich das als einzigen Ausweg gesehen hab. Und dann gibt es noch solche Momente, wo einem direkt gesagt wird, dass man unwichtig ist oder wenn man das selbst merkt. Manchmal auch, wenn man sich einfach nur allein fühlt und weiß, dass das so bleiben wird. Aber der wichtigste Grund war wohl eher meine Kündigung.“, erzählte Lawrence. Über meine Eltern will ich gar nicht erst reden...

Raphael war wirklich erstaunt, dass Lawrence so offen darüber sprach, dass er ihm schweigend zuhörte. Manches von dem, was er erzählte, wusste selbst Raphael nicht.

„Was denn für eine Kündigung?“, fragte ein anderer.

„Ich hab hier im Museum gearbeitet. Im Museum für frühe Kunst und Architektur. Jedenfalls bis vor zwei Tagen.“, antwortete Lawrence.

„Aber das heißt ja dann, dass dein letzter Versuch erst vorgestern oder gestern war! Was ist passiert? Wer hat dich gerettet?“, fragte ein anderes Mädchen.

Die Stimme allerdings kam Lawrence sehr bekannt vor. Ein Blick zu ihr genügte und er wusste, dass Vany die Frage gestellt hatte.

„Ja, das war vorgestern. Ich hatte Tabletten und Alkohol geschluckt. Ich hatte eine Verabredung mit Raphael, aber die hab ich völlig ignoriert. Das war mir vollkommen egal, ich war völlig fertig. Ich wollte nichts anderes mehr, als sterben. Nur hatte er die Verabredung natürlich nicht vergessen! Er war rechtzeitig da und hat mich wieder zurückgeholt.“, erzählte Lawrence und wandte sich dann an Raphael. „Das war zwar so überhaupt nicht geplant, aber trotzdem danke.“

Raphael lächelte ihn an. „Was hätte ich sonst tun sollen?“, meinte er.

Lawrence lächelte und wandte sich rasch wieder der Menge zu. Du hättest mich einfach da liegen und sterben lassen sollen... Mehr will ich doch gar nicht.

„Bist du jetzt drüber weg oder würdest du es wieder tun?“

Wieder eine Frage aus den oberen Reihen. Doch jetzt war Lawrence überfragt. Darauf konnte er nicht antworten. „Ich weiß nicht. Das kann ich nicht sagen.“, meinte er nur.

Raphael war wirklich erleichtert, das zu hören. Er hätte sich zwar etwas anderes gewünscht, aber er wusste selbst, dass das nun wahrlich zu viel verlangt war.

„Ah... Leute, ich glaub, dass wird zu lang und Lawrence hat sicher seinen ganzen Mut zusammen genommen um eure Fragen zu beantworten, aber ich denke, das reicht jetzt. Außerdem möchte ich auch noch was dazu sagen. Und das geht jetzt echt an alle, auch wenn mir das verdammt peinlich ist, das zu sagen, aber macht das bitte niemals! Ich finde, das bringt nichts, auch wenn man selbst seinen eigenen Problemen entflieht. Ich sehe das so, dass das für die, die damit weiter leben müssen, die Angehörigen und Freunde, nur noch mehr Probleme aufwirft. Man verletzt sie. Sie geben sich sogar selbst die Schuld daran und manche folgen ihren Freunden oder Verwandten, weil sie's einfach nicht ertragen können. Ich will das nicht erleben. Sogar der Versuch macht einen völlig fertig. Ich weiß, wovon ich rede, denn Law hat es auch versucht, als wir uns schon kannten und ich ... Es hat mich verletzt.“

Lawrence sah ihn betreten an.

„Schau mich nicht so an, das hat es wirklich. Das weißt du, das hab ich dir oft genug gesagt.“ Raphael wandte sich wieder seinen Kommilitonen zu. „Ich hab mir wirklich höllische Sorgen gemacht und ich bin wirklich froh, dass ich die letzten beiden Male in seiner Nähe war, sonst würde er jetzt nicht mehr hier stehen.“

Raphael hielt einen kurzen Moment inne, dann sprach er weiter. „Ich hab mal irgendwo einen Satz gelesen, der mir jetzt erst so richtig klar wird. 'Wenn ein Mensch diese unsere Welt verlässt, dann hinterlässt er immer jemanden, der um ihn weint'. Ich weiß nicht mehr, wo ich das gelesen hab, oder wer das gesagt hat, aber ich weiß, dass es stimmt.“

Für einen Moment war die Klasse vollkommen verstummt, auch der Professor stand sprachlos da und Lawrence sah Raphael mit schmerzlichem Blick an. Vielleicht hast du Recht, aber in dem Moment, in dem man es tut, ist einem wirklich alles und jeder egal. Man will nur noch eins... Für immer verschwinden.

Als Raphael sich dem Professor zuwandte um sich seine Standpauke abzuholen, die der ihm auch liebend gerne gegeben hätte, begann einer zu klatschen und im selben Moment fingen auch die anderen an.

Lawrence sah perplex zu ihnen und dann wieder zu Raphael. Offensichtlich war gerade Raphaels Aufgabe am besten angekommen. Der Professor war tatsächlich überrascht. Er versicherte Raphael etwas griesgrämig, dass er in diesem Fall eine Ausnahme machen würde und bat ihn, sich wieder zu setzen.
 

Auf ihren Plätzen legte Lawrence den Kopf auf seine Arme und vergrub sein Gesicht.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Raphael und berührte seine Schulter.

„Ja, es ist nichts. Mach dir keine Sorgen.“, antwortete Lawrence.

„Bist du sicher?“

„Ja.“

Doch kurz darauf erhob sich Lawrence. „Entschuldige mich kurz...“, flüsterte er, stand auf und ging durch die Reihen hinunter.

„Was hat er denn?“, fragte eine Studentin hinter Raphael.

„Keine Ahnung.“ Als die Tür des Hörsaals zuging, verstand Raphael, fluchte leise und rannte ihm hinterher.

Der Professor sah es zwar, aber ihn aufhalten konnte er nicht mehr. Raphael hatte den Lesesaal schon verlassen, als er ihm befahl dazubleiben. Außerhalb des Saals stand Raphael da und sah sich um. Law, tu das nicht! Dazu gibt es jetzt keinen Grund!
 

Lawrence ging zielstrebig auf die Toiletten zu. Ihm war da oben neben Raphael, hinterher, bewusst geworden, wie sehr es wehtat, wie schwer es war, darüber zu reden. Und ihm war klar geworden, dass er schon wieder abgedriftet war. Hastig öffnete er den Wasserhahn und hielt seinen glühenden Kopf unter das klare kalte Wasser.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Lawrence schreckte hoch und stieß mit dem Kopf hart gegen den Wasserhahn, wodurch das schwache Pochen in seinem Kopf noch stärker wurde.

„AU!“

„Law, was machst du denn?“, fragte Raphael besorgt.

„Aua... Musst du denn so hier reinstürmen?“, maulte Lawrence.

„Tut mir Leid, ich dachte schon, du tust dir was an.“, sagte Raphael erleichtert.

„Sorry... Aber es ist nicht gerade leicht darüber zu reden. Da unten ging's ja noch, aber hinterher... Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so darüber reden werde.“, meinte Lawrence und sah in den Spiegel, während er sich die Stelle rieb, wo er gegen den Wasserhahn gestoßen war.

Es war das erste Mal seit langem, dass er wieder in einen Spiegel sah, der nicht zersplittert war. Raphael legte eine Hand auf Laws Schulter.

„Ich kann mir vorstellen, dass das wehtut. Ich würde auch nicht gern über solche Dinge reden wollen. Aber ich denke mal, bei dir war das so, dass du das alles mal rauslassen musstest.“

Lawrence seufzte. „Kann schon sein, dass das so ist... Vielleicht musste ich wirklich mit jemandem darüber reden. Das solltest eigentlich du sein, aber...-“

Raphael drehte Lawrence zu sich um, sodass er ihn ansehen musste. „Das war gut so... Das war genau richtig. Und ehrlich gesagt, einiges davon wusste ich auch nicht.“, sagte er und nahm Lawrence fest in den Arm.

Er spürte, dass Lawrence die Umarmung nötig hatte. „Ich darf doch heute bei dir bleiben?“, fragte Raphael vorsichtig.

„Ja, bitte.“, antwortete Lawrence leise.

„Danke.“, flüsterte Raphael und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange.

Doch diese ruhige Zweisamkeit wurde jäh von einem penetranten Ton unterbrochen, der sich als Laws Klingelton von seinem Handy erwies. Skeptisch betrachtete Lawrence sein Handy.

„Das Ding hat ja Ewigkeiten nicht mehr geklingelt. Ich kann froh sein, wenn ich noch weiß, wie man's benutzt.“, meinte er und schaute die Nummer an, die er aber auf die Schnelle nicht zuordnen konnte.

Als er ranging meldete sich eine genervte Frauenstimme. „Ach! Geruht der gnädige Herr mal an sein Handy zu gehen?! Wird ja mal Zeit, ich hätt fast aufgelegt!“, fauchte sie.

Lawrence sah fast flehend zur Decke. Oh bitte... Alles, nur das nicht! Das ist das Letzte, was ich noch ertragen kann...

Raphael beobachtete ihn fragend.

„Hey! Hast du aufgelegt, oder was?!“

„Nein, ich...-“

„Na also! Du bist doch nicht stumm, dann kannst du auch mit mir reden!“, fauchte sie.

„Ja...“

„Sag mal, was sind das denn für Töne? Kannst du mich nicht mal begrüßen, wenn ich dich schon anrufe? Das könntest du übrigens auch mal machen!!“

Lawrence hätte am liebsten wieder aufgelegt, was er aber nicht tat. „Hallo Mom. Was willst du?“, fragte er resigniert.

„Na geht doch. Ist ja wohl nicht so schwer! Und sei nicht immer so unfreundlich! 'Was willst du?' Was ist das denn für 'ne Art seine Mutter zu fragen, warum sie anruft?!“, zickte sie.

Lawrence seufzte. „Mom, sag mir doch einfach, warum du anrufst.“

„Ich und dein Vater wollen am Wochenende mal bei dir vorbei schauen. Ist dir das recht?“

Lawrence stutzte. „Am Wochenende? Das jetzt? Ihr beide?“, fragte er.

Sie bestätigte es mit einem genervten Unterton.

„Hat... Hat er wenigstens aufgehört?“, fragte Lawrence vorsichtig.

„Das ist jetzt nicht das Thema!“, wich sie aus. „Ich will wissen was du jetzt machst und er kommt mit, sonst stellt er noch sonst was an.“

Lawrence sah flehend an die Decke. Um Himmels Willen... Wenn sie schon so anfängt, dann ist der doch wieder sternhagelvoll wenn sie hier aufkreuzen...

„Und nebenbei regt ihr euch über mich auf und streitet euch.“, meinte er sarkastisch.

„Wie kommst du darauf? Wir wollen dich nur mal wieder sehen, du kommst ja nie zu uns!“, fauchte seine Mutter.

„Also gut! Am Wochenende. Wo ich wohne dürftet ihr ja noch wissen.“, gab Lawrence nach.

„Ja natürlich. Also bis Samstag.“, meinte sie und legte auf.

Lawrence steckte das Handy wieder weg.

Raphael schaute ihn fragend an. „Deine Eltern?“, fragte er.

„Ja. Sie wollen dieses Wochenende vorbeikommen.“, antwortete Lawrence mit deutlich hörbarem Desinteresse.

„Ist wohl kein so gutes Verhältnis was?“, hakte Raphael nach.

„Jedenfalls nicht so gut, wie zu dir.“, gab Lawrence zu.

„Oh ich danke dir, komm her!“, sagte Raphael, nahm den anderen in den Arm und gab ihm einen zärtlichen Kuss.

Nachdem sich Lawrence wieder beruhigt hatte, kehrten sie zusammen in den Hörsaal zurück. Der Professor beäugte sie schief, was eindeutig bedeutete, dass ihm dieser längere Ausflug seines Studenten deutlich missfiel. Stillschweigend ließen sie sich nieder.

„Was war denn los?“, fragte die Studentin hinter Raphael.

„Nichts.“, war dessen Antwort.

Bis zum Ende des Unterrichts schwiegen sich Lawrence und Raphael mehr oder weniger an. Lawrence war innerlich nur damit beschäftigt, sich vorzustellen, was für ein Desaster das Wochenende wohl werden würde, während Raphael sich auf den Professor konzentrierte...
 


 

und mal wieder ein etwas längeres Kappi ;) hoffe es hat gefallen



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