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Ich bin eben so

von

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"Nilly?"

"Nein."

"Nillyyy?"

"Verdammt, halt doch mal die Fresse!", schreie ich noch während mein Daumen das Mikrofon meines Headsets auf Mute stellt. Im nächsten Moment höre ich nur Schüsse aus den Kopfhöhrern, ein monotones 'Huargh' und mein Spielecharakter ist tot. Wunderbar.

"Was machst du da?"

Mit hochgezogener Augenbraue drehe ich mich zu Katharina um. Sie liegt langgestreckt auf meinem Bett und starrt mich neugierig an. War sie nicht zuletzt auf der Couch?

"Sterben, wie's aussieht.", murmle ich deshalb nur und drehe mich wieder zurück zu meinem Computerbildschirm. Das Headset vibriert bereits vor lauter Flüchen und Gelächter, natürlich aus dem TeamSpeak Channel, in dem meine Mitspieler sich gerade ein neues Opfer für ihren Spott auserkoren haben - mich. Und genau deshalb stelle ich kurzerhand den Computer aus. Wunderbar. Meine Statistik ist im Eimer und das Fräullein räkelt sich scheinheilig auf meinem Bett.

"Warum bist du überhaupt hier?"

Große, dick umrandete Augen starren mich an. Noch besser, jetzt fühlt sie sich in ihrer Aufmerksamkeitssucht bestätigt und damit in ihrer Anwesenheit.

"Wieso nicht? Ich meine, ich bin immerhin deine beste Freundin!"

Selbsternannte, füge ich im Geiste hinzu, wage es aber nicht, das laut auszusprechen. Die erste Regel bei Fräullein Katharina von Hohenstieg ist nämlich, sich nie über sie zu beschweren.

"Müsstest du jetzt nicht Sex mit irgendwem haben?", frage ich sie stattdessen und schmeiße das Headset auf meinen mit Bier und Wasserflaschen überquellenden Tisch, irgendwo zwischen angeknabberte Stullen und leere Tüten.

"Wenn du drauf bestehst, komm halt her."

Ich sehe sie entsetzt an. Sie lacht. Und wieder hat sie mich dran bekommen. Dieses hinterhältige Miststück weiß ganz genau, dass ich schwul bin. Nicht, dass ich sie nehmen würde, wenn ich hetero wäre. Aber sie weiß ja nicht einmal selbst, was sie ist. Letzten Monat war sie jedenfalls mal bi.

Schweigen. Draußen geht mittlerweile langsam die Sonne auf und mir wird erst jetzt klar, dass ich mal eben von Dienstag auf Mittwoch durchgespielt habe und Katharina seit gestern Abend in meinem Zimmer hockt und hier wahrscheinlich auch geschlafen hat. Wahrscheinlich war sie auch schon im Bad, was den penetranten Vanilledeodorant Geruch in der Luft erklärt.

"Hast du eigentlich Geschichte gemacht?"

Na klar. Natürlich war Katharina nicht aus lauter Langeweile zu mir gekommen. Sie wollte Hausaufgaben.

"Hast du Zigaretten?", geht meine Frage daraufhin direkt zurück. Offiziell rauche ich ja nicht, aber wenn ich schon eine lebende Nikotinschleuder im Zimmer hatte, dann konnte ich die Gelegenheit ja auch nutzen. Die schief verzogenen Mundwinkel sagen mir allerdings gemeinsam mit dem Blick auf den Kalender, dass es Ende des Monats ist und sie sich die letzten paar Tage mal wieder durchgeschnorrt hat. Noch ein Grund, keinerlei körperlichen Verkehr mit ihr zu pflegen. Leute, die ihre Mundhöhlen hemmungslos für ein paar gedrehte Nikotinstängel prostituierten, kamen für mich ja nicht gerade als Sexualpartner in Frage. Aber man beschwert sich ja auch nicht vor einem Lästermaul über ein Lästermaul. Das Lästermaul, das gerade einen traurigen Schmollmund zieht.

"Links von dir, der karierte Block. Ich geh pissen und duschen.", stöhne ich entnervt und rolle noch einmal theatralisch mit meinen Augen. Innerlich mache ich förmlich Luftsprünge vor Freude. Schließlich entkomme ich gerade einem Monster auf zwei Beinen. Einem 185cm Monster mit Brüsten, zwei Beinen und einer vermutlich endlosen Liste an Geschlechtskrankheiten. Das die Dusche im ersten Stock in ein Schlachtfeld verwandelt hat, wie meine Socken mir direkt nach dem Betreten mitteilen. Einen Blick auf den Fußboden brauche ich gar nicht werfen, ich weiß schon mit dem ersten Schritt, dass die Flut gekommen ist. Das Make-Up meiner Schwester ist in klitzekleine Einzelteile zerlegt und formidabel über Waschbecken und Ablage verteilt. Der Abfluss ist garantiert voller Haare und ich weiß ganz genau, dass ich heute unrasiert zur Schule gehen werde.

Na gut, wenigstens ist es nur mein Rasierer und nicht auch noch meine Unterwäsche. Obwohl. Das Mädel hatte mein Wacken T-Shirt an! Mein. Wacken. Shirt! Wieso war mir das nicht früher aufgefallen? Und wieso hatte ich es nicht verhindert? Ach ja, weil ich schwul war wie ein Pirat auf Hochsee und es keiner wissen durfte. Wie konnte ich das nur vergessen. Schnaufend entledige ich mich meiner Klamotten und stopfe das dreckige Zeug in einen Bambuskorb, damit meine Mutter das später in die Wäsche stopfen kann. Katharina hat natürlich ihre Dreckwäsche mit in den Korb getan und ich schüttle mich lang und ausgiebig durch. Dann trug sie also auch noch eine Komplettausstattung aus meinem Kleiderschrank für den ich in Zukunft wohl ein Vorhängeschloss brauchte. Aber darüber konnte ich auch noch bei einer guten Dusche nachdenken, bevor meine Schwester ihren Weg ins Badezimmer fand und mich tropfend und nackt aus dem Bad warf, weil ihre dreistündige Haarpflege von äußerster Wichtigkeit war. Ich wusste schon genau, warum Frauen mich nicht interessierten.

Summend stelle ich das Wasser an und lasse mich von dem zunächst kalten Strahl berieseln, ehe es langsam wärmer wurde. Wären da nicht die dämlichen Haare - garantiert von Katharina - im Abfluss, müsste ich mir nicht einmal Sorgen um eine mögliche Begegnung mit Abwasser machen, aber diese Sorgen ließen sich ja mit Haarwäsche von der Kopfhaut massieren. So wie alles andere. Und tatsächlich. Erleichtert seufze ich auf, als das wohlriechende Shampoo auf meiner Kopfhaut verteilt und in meine braunen, kurzen Haare eingerieben ist. Ich weiß nicht warum, aber es gab doch nichts über eine Kopfmassage, um den Stress des Alltags hinter sich zu lassen. Oder nach einer durchzechten Nacht. Oder vor der Schule. Meine Mundwinkel zucken einige Sekunden lang abwechselnd nach oben und unten. Heute ist, wie mir bereits klar war, Mittwoch und das hieß Sport. Leichtathletik mit Katharina - hurra - Herrn Wedel und Julius. Ein Kurs, mit dem ich eine nur allzu innige Hassliebe pflege. Eine Hassliebe bestehend aus Erfolgen und Katharina, Erfolgen und Herrn Wedel und... Julius Sperling. Schon driften meine Gedanken ab, in die Untiefen meines Großhirns und ich verliere absolut mein Zeitgefühl. Kein Wunder, immerhin konnte man es einem Julian Sperling nicht verübeln, mit seiner magischen Aura die Gefüge des Zeit-Raum-Kontinuums meiner Existenz zu gefährden. So groß, breit, mit der leicht gebräunte Haut und dieser verdammt erotischen...

Ein Klopfen an der Tür schreckt mich aus den Fantasien, in die ich mich gerade vertieft habe und ich bemerke erst jetzt, dass meine Hand irgendwo zwischen meinen Lenden weilt und trotz massiver nächtlicher Nutzung quicklebendig und aktiv zu sein scheint. Die Person die da an der Tür klopft wie ein geistesgestörter Pilgerfahrer allerdings auch.

"Hör auf da drin rumzugrunzen und beweg deinen fetten Arsch aus der Dusche!"

Klassisch. Das war ja wie in einer schlechten Soap Opera, nur, dass sie mich hier nicht mit ihrem momentanen Freund erwischen würde sondern mit einer durch jedermanns Schwarm aufgestellten Latte. Oh ja, Julius... Schon der Name reicht und meine Gedanken driften wieder gen Südsee, um Sekunden später in einen Flammentopf geworfen zu werden. Meine Schwester ist nämlich währenddessen einfach rein gekommen und hat die Klospülung betätigt, was mit einem Schwall heißen Wassers auf meinem Rücken endet. Schreiend und nicht mehr ganz so erregt springe ich - zum Glück habe ich mich vorher gewaschen - aus der Dusche und pampe meine pubertierende Schwester an.

"Sag mal bist du bekloppt?!"

"Bist du bekloppt? Du weißt genau, dass ich jetzt das Bad brauche."

"Bei dir ist eh nichts mehr zu retten!", nämlich, wer sich wahlweise als Assibraut oder Clown verkleidet in die Schule wagte, hatte kein Recht auf ein Badezimmer.

"Sagte der Typ der mit 18 immernoch in der Dusche an sich selbst spielt anstatt sich endlich eine Freundin zu suchen!"

"Wissen deine festen Freunde eigentlich, was du für ein Schandmaul bist?"

Nein, wirklich, ich mag meine kleine Schwester ja ganz gerne. Weggesperrt in einer Kiste, irgendwo am Grund des Marianengrabens.

"Pack lieber dein Würmchen ein und verzieh dich!", schrie es und schubste mich nackt aus dem Bad. Als hätte ich das nicht vorausgesehen. Ich trete auf die Aktion hin nur gegen die Tür und beleidige noch schnell selbige, ehe ich mit der Hand vorm Schritt und klatschnass zurück zu meinem Zimmer stapfe, in dem Katharina mittlerweile fertig mit abschreiben ist und stattdessen lieber in meinen Magazinen rumblättert. Magazine, die ich ganz weit unter meinen Schulsachen und alten Heften versteckt habe, die jetzt natürlich in alle Himmelsrichtungen verstreut auf dem Boden liegen. Hoffentlich bekam meine Mutter sie nie zu Gesicht, die würde mich postwendend enterben und dann einen Herzinfarkt erleiden. Also muss gleich einer das Zeug wegräumen. Ich weiß sogar schon, wer der Auserwählte für diese äußerst komplizierte Mission war. Aber erstmal anziehen. Mein Kleiderschrank ist bei näherer Betrachtung jedoch ebenfalls fast komplett ausgeräumt und der Inhalt auf dem Boden davor verteilt.

Zuerst will ich Katharina eine Standpauke darüber halten, wie man mit den Sachen anderer Leute umgeht, aber ich tue es nicht. Nein, ich habe gerade keine Lust auf ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Oder Streit. Oder darauf, meine Homosexualität als vermutlich einziger Schwuler im Dorf mit den anderen zu teilen. Lieber einfach bücken und ein paar Boxershorts nehmen, bevor sie auf die Idee kommt, sich nach mir...

"Ihr Männer seht von hinten echt dämlich aus."

Mein Augenlied zuckt bedenklich und ich steige einfach schnell in ein Paar Shorts und eine lockere, beigefarbene Dreiviertelhose. Im Sommer wollte man sich ja nicht totschwitzen, nur, um Teil irgendeiner Szene zu sein.

"Wenigstens nicht aus jedem Winkel, wie gewisse andere Leute in diesem Raum."

Sie schnauft und lacht belustigt auf. Die Hirngröße hätte ich auch gerne. Musste echt schön sein wenn man dachte, dass die Welt einem zu Füßen liegt. Ein T-Shirt später stand ich gestrigelt und poliert im Zimmer, bereit, mich dem Schultag zu widmen. Bevorzugt schlafend. Katharina hingegen... schien meine Magazine interessanter zu finden und besah sich eifrig den gebräunten Oberkörper eines Models in Bauarbeiterkleidung, obwohl der gute sich auf einer echten Baustelle wohl den Tod holen würde.

Als ich auch nach einer Weile den Blick nicht abwende, starrt die blondierte Pest mich plötzlich erwartungsschwanger an und ich sehe mich schnell nach meinem Wecker um. Bloß keine Konversation riskieren. Die Uhr, die neben dem Bett auf dem Boden leise um Beachtung bettelt verrät mir, dass wir eigentlich los müssten. Wenigstens etwas gutes. Das hieß, dass Madame sich endlich verziehen würde und ich zumindest etwas Ruhe vor ihr bekam. Zumindest bis in Geschichte und Sport. Und bis sie mir meine Klamotten irgendwann wiedergab.

Apropos. Wenn sie in meinem Fummel in der Schule aufkreuzte, dann sah das doch so aus, als hätte ich mit ihr... Wenn das so weiterging bekam ich noch ein Magengeschwür. Am besten ja gar nicht erst drüber nachdenken.

"Rasierst du dir nicht die Beine?"

Was auch immer ich gerade runter schlucken wollte blieb in meinem Hals stecken und ich hustete nonchalant los. Wie kam das Miststück denn jetzt dara.. ach, ja, die Dreiviertelhose. Wie auch immer sie auf die schlechte Idee kam, einen Kerl nach rasierten Beinen zu fragen.

"Erst wenn du dir die Haare von den Zähnen rasierst."

Ein pikierter laut und das Fräullein räumt - ganz von alleine - meine Hefte zusammen und verstaut sie unter uralten Schulsachen im Nachtschrank. Ich bin für einen Moment schockiert und bekommen als Dank meine Schultasche ins Gesicht geworfen, während Katharina mich hinter sich her winkt. Zu spät um zur Schule um pünktlich zu sein, aber wen störte das schon. Die Frage war nur, ob ich den Zickenbogen ausgereizt hatte, oder sie einfach nur schmollte. Meine Schwester hat längst das Bad geräumt und ich bin in dem Moment dankbar, eine überfürsorgliche Mutter zu haben, als ich durch die halboffene Tür das Chaos sehe. Viel Zeit bleibt mir dafür aber nicht, weil Katharina mich schon Sekunden später an der Hand weiterzieht. Da hat es aber jemand eilig.

Eigentlich will ich gar nicht zur Schule, erst recht nicht mit dem Fahrrad. Ich habe zwar einen Führerschein, aber kein Auto. Das heißt, ich darf den gesamten Weg durch zwei Dörfer wahlweise zu Fuß oder mit dem Fahrrad absolvieren. Mit dem Ranzen und meinem Unwillen bin ich da im Schnitt eine halbe Stunde unterwegs, über Stock und Stein, kreuz und quer durch Bayerns Unterholz. Und Katharina auf meinem Gepäckträger. Leider ist das Schiller Gymnasium das einzige Gymnasium im Umfeld und ich musste ja unbedingt auf meine Eltern hören und mir ein Studium als Lebensziel setzen, anstatt einfach irgendeinen Beruf zu lernen und mich in die Großstadt zu verziehen. Ich habe keine besonders hohen Ansprüche, was mein Leben angeht. Hauptsache ein Dach, was zu essen und nicht ständig die Angst vor einer zufälligen Entdeckung meiner 'Andersartigkeit'. Obwohl... Natürlich will ich schon einen Beruf, von dem ich gut leben kann und da meine Eltern mir das Studium finanzieren wollen. Danach werde ich auf jeden Fall mit einem großen Knall hier verschwinden, so viel ist sicher.

Katharina sitzt derweil bereits auf meinem Drahtesel und klingelt unablässig, damit wir endlich losfahren können, was mit zwei Personen und zwei Taschen nicht sonderlich einfach ist. Geschweige denn sicher. Aber Man(n) beschwert sich ja nicht, Man(n) lässt sich lieber von eingebildeten Zimtzicken herum kommandieren und ausnutzen. Sonst wäre Man(n) ja ein Arschloch. Danke, du herrliche Gesellschaft der Gleichberechtigung. Wenn es nach mir ginge würde mich die Dame durch die Gegend kutschieren und nicht anders herum.

Trotzdem stieg ich still schweigend in meinen Sitz und trat schnaufend in die Pedale, während Katharina mir irgendetwas von ihrer neuesten Eroberung erzählt. Wahrscheinlich zum dritten Mal, ich höre ihr dabei eh nicht zu. Es ist kurz vor Acht und über 25°C und ich transportiere ein Rindvieh auf einem Fahrrad durch Bergland. Da blieben nicht viele Kapazitäten für Zuhören und Verarbeiten übrig. Obwohl mich ihre Beschreibungen dann doch stutzig machten. Zumindest das, was ich davon auffasse. Scheint ja ein ziemlich hottes Kerlchen zu sein, das sie sich da diesmal geangelt hat. Eigentlich ja Verschwendung. Bei ihrem Männerverschleiß könnte sie glatt den Maneater neu vertonen, obwohl sie ja eher verschlissen war. Ein Wunder, dass da überhaupt noch jemand ran wollte. Naja, vielleicht legte der Großteil der männlichen Bevölkerung nicht viel Wert auf den Erhalt ihrer Kronjuwelen. Ergo, ein Paradebeispiel der natürlichen Selektion.

Wir sind gerade über die erste Erhöhung gekommen und ich schwitze schon wie ein Leistungssportler nach einem Triathlon, das Fahrrad ächzt unter Katharina, die auf dem Gepäcksattel herumhüpft und ich pfeife aus dem letzten Loch. Ziemlich schlecht, wenn man bedenkt, dass wir noch nicht einmal im Nachbardorf sind und die Schule noch einen Ort weiter sind. Na dann kommen wir eben erst zur Zweiten oder Dritten Stunde, ich konnte es mir ja auch leisten. Katharinas Eltern wohl ebenfalls. Das Gequassel raubt mir noch zusätzlich den Verstand und wenn mein Fahrrad gleich in seine Einzelteile zerfällt, gibt es ein Donnerwetter.

"Fahr schon, Nils! Schatzi wartet bestimmt schon auf mich!"

Immer ruhig, Herr Schlüter, einfach geradeaus fahren und das Fahrrad hatte dabei gefälligst durchzuhalten. Hier gab es keine Gnade, hier wurde knallhart in die Pedale getreten. Denk einfach an Julius Hintern, er ist direkt vor deiner Nase und du musst ihn einholen.

Mein T-Shirt klebt mittlerweile auf meiner Haut und ich weiß durch den Wind nicht mehr so ganz, ob mir warm oder kalt sein soll. Nicht aufgeben, nurnoch zwei Straßen und du kommst zu spät zu deinem staatlich elterlich gesponserten Unterricht. Mit freundlichen Grüßen Ihrer Berufsuntätigen Elitemamis, die nichts anderes zu tun haben als den ganzen Tag Kekse für Schulbasare zu backen und ein Hausmädchen namens Petruschka anzublaffen. Das überflüssige Geld wurde natürlich an die Schule gespendet, damit die unterbelichtete Brut genug Unterrichtsbeihilfe bekam, um doch noch mit Ach und Krach das Abitur hinzulegen. Ich glaube, als ich endlich in den Fahrradparkplatz einbiege, ist mein Kopf rot wie eine Alarmleuchte und Katharina - von der ich schon ganz vergessen hatte, dass sie da war - springt einfach so von meinem Gepäckträger, was mich dazu bringt mich mitsamt dem Fahrrad nach vorne zu überschlagen und mit einem undefinierbaren Laut auf dem Boden zu landen. Ich wiederhole mich ja nur ungern, aber ich hasse diese Frau. Da tut es auch nichts Gutes, dass sie meine Kopfschmerzen mit ihrem stechenden Gequäke übertönt und mir sogar ganz Gentleman das Fahrrad anschließt, damit ich genug Zeit habe mich aufzusetzen und erstmal meine Wunden zu lecken. Beziehungsweise nicht-Wunden. Außer ein paar kleinen Kratzern fehlt mir nämlich zugegebenermaßen überhaupt nichts.

"Hey, sorry. Alles klar bei dir?"

Ja, natürlich. Vorher sein Gehirn einzuschalten wäre ja auch zu viel verlangt gewesen. Ich grunze nur etwas, das irgendwie wie ein "ja" klingt und hebe meinen Rucksack auf, der glücklichereise schon halb zerfallen ist, weswegen die Landung keine sonderlichen Auswirkungen darauf hatte. Irgendas musste ja auch gut gehen. Gleichgültig klopfe ich mir den Staub von der Landung von der Hose und sattle meine unversehrten Lehrgüter, das Ziel des Tages klar vor Augen. Schlaf nachholen.

"Also dann, bis in Geschichte."

Bloß schnell weg, denke ich noch und drehe mich fast schon fluchtartig um, nur, um von Katharina weg zu kommen und erlebe den etwa zweitausendsten Unfall des Tages. Da ist nämlich kein freier Weg, sondern irgendeine gut gebaute Wegblockade, an der ich mir wahrscheinlich fast die Nase gebrochen hätte. Und weil ich so ein unglaublich gegen alles gewappneter Lebensheld bin, falle ich direkt wieder auf meine vier Buchstaben und bin ganz kurz davor, eine wahre Schimpfworttirade loszulassen, als ich bemerke gegen WEN ich denn da überhaupt gerannt bin. Meine Augen flattern nach oben und ich meine schon fast, dass kleine, dicke Putten mit Pauken und Trompeten aus dem Heiligenschein über diesem göttlichen Kopf spawnen. Diese göttlichen, dunkelblonden Haare und diese herrlich grünen Augen und dann diese schmalen, wundervollen Lippen, wie sie irgendetwas sagen, das sich in meinen Ohren wie Gold anhört.

Ich weiß ich übertreibe und vielleicht ist es auch nur eine Hirnerschütterung, aber da hält mir doch dieser Halbgott in Spe glatt seine Hand hin. Ganz verdattert nehme ich diese an, wie ein hypnotisiertes Teenagerfilm Mädchen und lasse mich auf die Beine zurück bringen, um direkt auf den Boden der Tatsachen zu fallen.

"Shit."

Nein, falsch Nils. Das war das falsche Wort, danke sagt man anders. Aber er klopft mir lachend auf die Schulter, also muss es doch richtig gewesen sein. Hat dieses zauberhafte Wesen etwa gerade mit mir gesprochen? Nein, irgendwie nicht. Er geht an mir vorbei. Eindeutig die falsche Richtung merke ich, denn da kommt eine Gewitterwolke mit Zentaurenhintern auf diesen Adonis zugeflattert und mit einem Schlag bin ich nüchtern. Wenn das eben wirklich eine Hirnerschütterung war, dann war ich vielleicht schon in der Hölle. Das Pochern in meinem Kopf sagte jedoch unmissverständlich, dass das vor mir die Wahrheit war.

"Hey, Nils, ich hab dir doch von meinem neuen Süßen erzählt, nicht? Ihr kennt euch ja schon, nicht Julius?"

"Ähm... ja. Klar, schön für... euch zwei.", stammle ich irgendwie hervor und ich bin froh, dass ich nicht so nah am Wasser gebaut bin wie andere, denn sonst würde ich jetzt sicher vor Ekel und Verzweiflung in Tränen ausbrechen. Das war also ihr neuer Freund. Ich hasse dieses Miststück. Ich hasse Julius. Ich hasse mein Leben.

Das konnte ja nur ein hervorragender Tag werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Khaosprinzessin
2011-02-24T22:02:02+00:00 24.02.2011 23:02
mehr!!! ich will mehr!

du hast nen super schreibstil^^ ich liebe diese selbstironie...hihi
bin gespannt wie das mit nils und katharina und julius und dem täglichen wahnsinn weitergeht.
gefällt mir echt supergut das kapitel

see ya in hell, beast


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