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Tian

der Drachenjunge
von

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Der kühle Wind ließ das Feld wie ein goldenes lebendiges Meer erscheinen, zumindest den Teilt, der nicht zu Asche verbrannt war. Die beiden Jungen standen auf einer kleinen Anhöhe, die Hände voller Erde.

Nachdem Tisn den ersten Schock überwunden hatte, als er das zerstörte Dorf vorfand, konnte er sich nicht überwinden Hir halb verbrannt im Schutt seiner Hütte liegen zu lassen. Sie wickelten den alten Mann in eine Zerlumpte Decke und mit der Kraft des Ochsen schleppten sie den Toten soweit aus dem Dorf, bis Tian eine geeignete Stelle fand für ein Grab. Mit ausdruckslosem Gesicht schaufelte er sich unermüdlich in den Boden. Immer und immer weiter, wobei ein starker Muskelkater Tian plagte, erzeugt vom stürmischem Ritt auf dem Ochsen. Luka, der erst unsicher daneben stand, Kniete nun ebenfalls und grub mit seinen krallenlosen Pfoten die feuchte Erde auf. Die Anstrengung ließ beide nach einiger Zeit keuchen und Schweiß perlte ihnen von der Stirn, während Tian nicht aufhörte zu graben. Er wollte es auch nicht, denn die monotone Arbeit tat ihm gut und half ihm dabei seine Gedanken zu ordnen.

Wer nur konnte so etwas tun? Und warum sollte jemand etwas so Schreckliches tun?

Teirr hatte keine besonderen Schätze, die es sich zu stehlen lohnte und stellte auch keine Gefahr für irgendjemanden dar. Zumindest wusste er nicht warum Teirr für irgendjemanden oder irgendetwas Gefährlich sein sollte.

Warum also...

„Wer war er?“, unterbrach Luka seine Gedanken und er schaute in das von blonden Haaren umrahmte Gesicht des Katzenjungen.

Auf seinen Wangen waren Spuren von Ruß und Erde, und seine Gelben Augen strahlten eine vorsichtige Neugier aus, während er kurzzeitig mit den Graben aufhörte. Das zermalmende Geräusch von großen Zähnen auf Gras erklang in der Nähe, wo der schwarze Ochse friedlich graste und mit seinem Schweif einige lästige Insekten verjagte.

„Hir hat uns damals geholfen und beschützt, als ich noch klein war.“, antwortete er mit einiger Verspätung.

„Er war ein Freund meiner Mutter, damals lagen unsere Häuser nebeneinander und er nahm mich immer zum Fischen mit, wenn meine Mutter zur Arbeit musste, sie war Kellnerin im Schankhaus.“

Luka hob eine Augenbraue. „Arbeit? Ich dachte immer Menschenfrauen arbeiten nicht, sondern kochen, waschen und hüten die Kinder und so ein Zeugs, während der Mann schuftet wie ein Ochse.“

„Ich habe keinen Vater, oder zumindest kenne ich meinen Vater nicht. Ich habe meine Mutter einmal, als ich klein war danach gefragt, aber sie lächelte nur und meinte das erkläre sie mir wenn ich älter bin.

Ich will es eigentlich auch gar nicht wissen. Stell dir vor, wenn du erfahren müsstest das dein Vater ein Mörder ist oder schlimmeres?“

Viel zu oft schon hatte Tian an diese Möglichkeit gedacht und sie behagte ihm ganz und garnicht.

Luka nickte beklommen. „Manchmal ist es wohl besser es nicht zu wissen. Mach dir nichts daraus, ich weiß auch nicht wer mein Vater war und es macht mir nichts, ich Fang meine Beute auch ohne seine Hilfe“, gab er grimmig zu verstehen und Tian hatte das Gefühl das Luka es seinen Eltern doch übel nahm, ihn als Waisenkind (oder besser Kätzchen) zurück gelassen zu haben.

Stumm gruben sie weiter, Seite an Seite, während die Sonne schleichend langsam den Himmel entlang kroch und ihnen die Arbeit nicht gerade vereinfachte. Einige Fingernägel waren ihm eingerissen, aber Tian störte sich nicht daran.

„Wie sah sie aus?, murmelte Luka ohne von seiner Arbeit aufzuschauen.

Überrascht starrte Tian ihn an und runzelte die Stirn um ein Bild seiner Mutter vor seinem Geist heraufzubeschwören und er sog die Erinnerung vergangener Tage durch die Luft um ihn herum ein.

„Sie hatte das Licht der Sonne und das Gold der Felder in ihrem Haar und wenn sie sang verstummten selbst die Vögel.“ Er lächelte in sich hinein, aber die schöne Erinnerung verschwamm schnell und er legte seine Stirn in falten.

„Ich....kann mich schon lange nicht mehr richtig an ihr Gesicht erinnern. Seit sie starb habe ich dauernd das Gefühl immer mehr von ihr zu vergessen. Seltsam oder?

So, ich denke das dürfte reichen.“, sprach Tian etwas lauter um von seinen trüben Gedanken abzulenken. Er klopfte sich den Staub von den Kleidern und stieg aus dem provisorisch ausgehobenem Grab. Es kostete sie Beide einiges an Kraft und Überwindung den toten Körper des alten Mannes hinein in das ausgehobene Loch zu wuchten und es wieder mit Erde zu füllen, doch schließlich war bald nichts mehr zu sehen, als ein großer Hügel mit frisch umgegrabener Erde, auf den Tian ein paar Steine legte.

Seufzend starrte er gen Himmel und kam nicht umhin zu bemerken, wie schnell die Zeit vergangen war, denn nun verfärbte langsam die unter gehende Sonne den Horizont und hinterließ orange leuchtende Wolken. Die Farbe brachte ihm ein Déjá-vu Erlebnis ein und er schüttelt verwirrt den Kopf.

Er hatte jetzt keine Zeit über Träume nach zu grübeln, so ging er zum Baaran-Ochsen und lehnte sich mit geschlossenen Augen erschöpft an den warmen, massigen Körper Morn's, während sich Luka in einer großen Pfütze die dunkle Erde von den Pfoten wusch.

„Was wirst du nun tun?“, fragte Tian Luka, der unbeholfen seine strubbeligen Haare ordnete.

„Schließlich bist du nun frei, du kannst hingehen wohin du willst.“

Luka legte den Kopf schief und schien als dachte er zum ersten mal wirklich darüber nach.

„Ich weiß nicht...zurück kann ich nicht und hier bleiben ist wohl auch nicht gerade sinnvoll. Was wirst du tun?“

Entschlossen blickte Tian zu den Trümmern des Dorfes Teirr, wo vereinzelt immer noch Rauch aufstieg.

„Ich gehe zum König!“

Luka fauchte erschrocken und seine blonden Haare sträubten sich wie das Fell einer Katze. „Welcher Floh hat dich denn wieder gebissen! Zum König, pah!“

Verzweiflung machte sich in Tians Gesicht bemerkbar.

„Irgendwer hat das hier getan, schau dich doch um! Das hat keine natürliche Ursache, die vielen aufgetürmten Toten, irgendwer war hier und hat dieses Dorf niedergebrannt, ich weiß nicht warum oder wer es war, aber ich kann nicht einfach herum sitzen und nichts tun! Die Stürme und überfallenen Dörfer, ich spüre das da irgendetwas Größeres hinter steckt und wenn jemand etwas unternehmen kann, doch wohl nur der König?

Ich glaube er weiß schon lange nicht mehr was in diesem Land vor sich geht, seine Soldaten machen was sie wollen, selbst ich habe bemerkt das etwas nicht stimmt.“

„Eben! Jeder merkt, das etwas nicht stimmt, nur in der Hauptstadt kümmert es keinen. Glaubst du wirklich, du kannst diese arroganten Adligen zu irgendetwas bringen?

Geh lieber in ein anderes Dorf, das sicher ist und genieß dein Leben, solang du es noch kannstt“ Der Katzenjunge fauchte wieder und blickte Tian eindringlich an.

Ein Insekt brummte lautstark vor sich hin, als es an ihnen vorbei flog und im hohen Gras verschwand.

Die gelben Augen von Luka verfolgten den Käfer begierig und seine Reaktion ließ ihn wieder mehr wie einen jungen Kater erscheinen, doch er schien dem Drang zu widerstehen das Insekt zu fangen und wandte seine Aufmerksamkeit abermals dem Gespräch zu.

Lukas Worte konnten Tians Entschluss nicht ändern, aber trotzdem kam er nicht umhin Luka Recht zu geben.

Die Adligen kümmerten die Probleme der Bauern nicht wirklich, zumal die zerstörten Dörfer weit entfernt zur Hauptstadt waren.

Das brachte ihn auf den Gedanken, dass es vielleicht wirklich niemand wusste? Oder sie hielten die Gerüchte einfach für Humbug.

„Ich muss nach Temeran, Luka.“

Zudem Bri in Temeran ist, Hirs einzige Verwandte, außer seinem Bruder. Außerdem erhoffte er sich mehr von der Heilerin, als er zugeben wollte. Es war allgemein bekannt, das Heiler weise waren und Tian konnte nicht umhin seine körperliche Veränderung weiter unbeachtet zu lassen. Diese Idee war sehr gewagt und ob Bri ihm überhaupt weiter helfen konnte, war vielleicht so wahrscheinlich wie das ein Pferd das Fliegen lernte.

„Ahh! Menschen! Du bist so Dickköpfig wie eine Horde Esel! Mach doch was du willst, aber sage nicht ich hätte dich nicht gewarnt, wenn wir am Ende in irgendeinem dunklen Kerker sitzen, weil wir für Ketzer gehalten werden, die den König stürzen wollen!“

„Wir?“, meinte Tian ehrlich überrascht.

„Natürlich wir! Ich kann dich ja wohl kaum alleine losziehen lassen, wo du doch kaum je zwei Schritte aus deinem kleinen Menschendorf hinaus getan hast“,

er kicherte leise.

Beleidigt schnaubte Tian, konnte aber nicht wirklich böse auf seinen ungewöhnlichen Freund sein und so lächelte er in sich hinein.

Er musste zugeben, auf eine gewisse Art mochte er Luka, wie ungewöhnlich er Tian auch erscheinen mag.
 

Sämtliche Karren im Dorf waren niedergebrannt oder zumindest stark genug beschädigt, dass alleine der Versuch Morn - Tian hatte beschlossen dem schwarzen Riesen einen Namen zu geben - anzuspannen schief gehen würde. Frustriert lief er vor Luka hin und her, der auf einer bröckeligen Stufe vor einem halb zerstörtem Haus saß und Kreise in den Staub zeichnete.

Schließlich hatte Tian einen Einfall und durchsuchte den Schuppen von Karlos ehemaligem Bauernhof und fand zu seiner Freude einen großen eingestaubten Sattel, dessen Leder schon bessere Tage gesehen hatte und einige Risse aufwies, aber fürs erste sollte er reichen.

Der Grund für den Sattel lieferte einfach die Notwendigkeit, dass die beiden Jungen schlecht zu Fuß bis nach Temeran reisen konnten. Zu seiner Zufriedenheit stellte Tian fest, dass der alte Sattel zwar nicht ganz optimal saß, aber er passte zumindest und das war mehr als Tian erwarten konnte.

Noch einen Ritt ohne Sattel über längere Zeit auf einem Ochsen würde er nicht ertragen wollen.

Er band die wenigen Säcke am Sattel fest, die der Ochse immer noch bei sich trug, seit sie mit ihm vor den Räubern geflüchtet waren und fügte etwas Proviant hinzu, Reis und getrocknetes Fleisch, dass Tian in einem der Häuser fand. Ihm war nicht wohl dabei Tote zu bestehlen, allerdings brauchten sie die Nahrungsmittel nicht mehr und Tian hatte langsam das Gefühl er würde bald komplett abmagern, wenn er nicht bald vernünftig aß.

In den Säcken waren noch andere Dinge, doch Tian kam noch nicht dazu sie komplett zu durchsuchen, nahm es sich aber vor, sobald sie endlich fort waren.
 

Sie waren übereingekommen lieber nicht in den Trümmern von Teirr zu übernachten und so gingen Luka und Tian, der Morn neben sich führte, an den Resten der letzten Häuser vorbei zum nördlichen Ausgang des Dorfes.

Tian erkannte jedes Gebäude an dem sie vorüber kamen wider, egal in welchem katastrophalen Zustand es sich auch befand. Sein ganzes Leben hatte er hier verbracht und nun betrachtete er mit tiefen Bedauern, die letzten Reste der alten schmiede, das Aushängeschild der Schänke auf dem man immer noch die Aufschrift „Zum brennendem Ochsen“ lesen konnte und ein Beet mit Stiefmütterchen, in dem ein großer Ast lag und die zarten Blumen zerdrückte. Ein scharfer Wind wirbelte ein wenig Staub auf. Die starke Mittagssonne hatte den durch den Regen aufgeweichten Boden schnell wieder trocknen lassen, trotzdem war die Hitze nicht einmal halb so schlimm, wie in den Wochen vor dem Sturm.

Bald ließen sie nun endgültig das Dorf hinter sich und Tian blieb kurz stehen um einen letzten Blick über seine Heimat zu werfen.

Er hatte das seltsam beklemmende Gefühl, als sähe er Teirr das letzte mal.

„Komm, wir müssen weiter, bevor die Nacht uns verschlingt“

Lukas gelbe Augen leuchteten im Dämmerlicht. Ein Ruck ging durch Tians Körper und mit ausladenden Schritten gingen sie weiter den schmalen Pfad entlang, vor sich eine fast unbekannte Welt und Tian war begierig darauf sie zu erkunden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Azahra
2012-01-08T13:21:47+00:00 08.01.2012 14:21
Juppi Luka kommt mit :)
Das wird noch lustig werden hihi.
Wenigstens habe sie Hir beerdigt *schnief*
Hätte ihn auch nicht einfach so liegen gelassen.

cucu
Azahra
Von: Futuhiro
2011-12-12T16:57:57+00:00 12.12.2011 17:57
Okay, das ist ne logische Idee, in die Hauptstadt zu reisen. Obwohl ich mich an Tians Stelle doch lieber in einem anderen Dorf niedergelassen hätte und mir ein neues Leben aufgebaut hätte. Ich finde es jedenfalls super, daß Luka mitkommt. ^^
In dem Kapitel ist von der Handlung her noch nicht viel Neues passiert, aber es macht auf jeden Fall gespannt auf die nächsten Ereignisse. Ich fände es ja interessant, wenn die Wölfe nochmal auftauchen würden. Die schienen nicht normal zu sein. Über die wüsste ich gern mehr. ^^


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