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Das Mollproblem

Dreiklang
von

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November 1887

Ende November
 

Melissa schlang das breite blaue Tuch enger um ihre Schultern. Auch wenn der Winter noch nicht endgültig Einzug in die Stadt gefunden hatte, war es in den abgelegenen Gängen der Oper bitterkalt - dabei hatten sie die Wärme doch mehr als nötig. Wie sonst könnten die drei im Gang stehenden und offensichtlich auf etwas wartenden Frauen sich auf die ihnen bevorstehende Aufgabe konzentrieren? Wie sonst könnten sie sich darauf konzentrieren, dass sie gleich singen und damit später mehr oder weniger maßgeblich an der Entwicklung der Oper mitarbeiten würden? Die brünette 28-Jährige seufzte leise und blickte sich im Gang um, warf den ein oder anderen Blick auf die zwei Konkurrentinnen, welche ebenfalls hier warteten. Ja, Konkurrentinnen, denn nichts anderes waren sie im Moment. Ewa, Melissa, Louise und Katie, welche im Moment jedoch nicht bei ihnen, sondern in einem der angrenzenden Räume war.

Elena, in was für einen Schlamassel hast du uns hier taumeln lassen?, schoss ihr durch den Kopf und die Sängerin beschloss ihre Freundin bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit darauf anzusprechen. Mit keinem Wort hatte die ehemalige Solistin erwähnt, dass sie vor hatte in den Ruhestand zu gehen und dementsprechend unerwartet, hatte sie das alles getroffen. Wer hätte schon damit gerechnet, dass die so unheimlich erfolgreiche Elena Durham ihre Karriere im Alter von 27 Jahren beenden würde? Niemand.

Melissas Blick schweifte von der Wand ihr gegenüber zu Louise, welche ein Stück weit entfernt an dieser lehnte. Die 17-Jährige war blass - blasser als sonst, und das wollte schon etwas heißen - und ihr Blick war gen Boden gerichtet. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, als wollte sie etwas sagen und ihre kleinen Hände waren hinter ihrem Rücken ineinander verschränkt. Jetzt war sie still, jedoch hatten sie sich vorhin unterhalten und sie hatte Zweifel geäußert, ob sie denn überhaupt den Hauch einer Chance hatte, die frei gewordene Position an der Oper einzunehmen. Melissa teilte ihre Skepsis eher weniger. Obwohl die Rothaarige nur ein Chormädchen war, war ihre Stimme gut ausgebildet und ihr italienisch beinahe perfekt, was vor allem daran lag, dass ihre Eltern reich waren und sie seit ihrer frühen Kindheit sowohl Gesangs- als auch Italienischunterricht erhalten hatte und weiß der Geier was sonst noch für musikalische Bildung. Dementsprechend war ihre Stimme um einiges besser als die eines durchschnittlichen Chormädchens und Melissa hegte Zweifel daran, dass die junge Frau wirklich so chancenlos war, wie sie dachte.

“Wie lange dauert das denn noch?! Ich erfriere hier gleich!” Mit diesen Worten wurde Melissa aus ihren Gedankengängen gerissen und sowohl sie, als auch Louise blickten zu Ewa, welche verärgert die Hände vor der Brust verschränkt hatte. Sie machte einen hinreißenden Schmollmund und ihre Augenbrauen waren für einen Moment so zusammengezogen, dass sich zwischen ihnen eine Zornesfalte bildete. Energisch schritt sie im Gang auf und ab.

“Katie ist erst vor 10 Minuten hineingegangen…”, erwiderte Louise und verfolgte die Schritte der Blondine aufmerksam.

“Lächerlich!”, stieß diese dann hervor und machte eine abfällige Geste mit ihrer Hand. “Als gäbe es auch nur den geringsten Zweifel daran, dass ich die neue Solistin werden würde. Ich will dort jetzt hinein und ihnen unmissverständlich klar machen, dass ich die einzig richtige Wahl bin.”, sagte sie, als wäre ihr nicht bewusst, dass die beiden im Gang stehenden Frauen ebenfalls genau aus diesem Grund hier warteten. Aber die Ukrainerin hatte sich noch nie Gedanken darum gemacht, was andere Frauen von ihr hielten, immerhin war sie der festen Meinung, sie seien ja doch alle nur neidisch auf ihr Talent und ihr Aussehen - was teilweise auch stimmte.

Melissa runzelte missgelaunt die Stirn und deutete Louise, nichts weiter zu sagen, denn die Sängerin hatte empört den Mund geöffnet und zu einer gereizten Antwort angesetzt, die gewiss zu einem Streit zwischen den zweien geführt hätte und darauf konnte Melissa getrost verzichten. Die 17-Jährige entspannte sich sichtlich und lehnte sich wieder an der Wand an, von welcher sie sich, bereit zu einer verbalen Auseinandersetzung, abgestoßen hatte um einen energischen Schritt auf die Blondine zuzugehen. Wieder herrschte Schweigen zwischen den drei Frauen und Melissa konnte ihre Gedankengänge fortsetzen.

Wieder sah sie Ewa an, welche mit hinter dem Rücken verschränkten Händen und entschlossenem Blick vor einem Gemälde stand und in Gedanken versunken zu sein schien. Würde man sie wirklich zur Solistin küren? Melissa hielt das nicht ein Mal für unwahrscheinlich. Natürlich gab es so einiges, was dagegen sprach. Ewa war launisch, zänkisch und nur selten zufrieden, außer sie wurde permanent bewundert und von allen Seiten angehimmelt. Eine größere Diva gab es an dieser Oper nicht. Dennoch war es unumstößlich, dass sie eine sagenhafte Stimme hatte, die den Opernleiter möglicherweise über ihre charakterlichen Mängel hinwegsehen lassen würde. Wenn dies der Fall wäre, dann sah die 28-Jährige düstere Zeiten auf die Oper zukommen, denn wer wusste, was sie alles von ihnen allen abverlangen würde, nur um auf der Bühne zu stehen und ihren Job zu machen.

Ob sie denn selbst eine Chance hatte? Innerlich schüttelte die Brünette leicht den Kopf. Es war eher unwahrscheinlich, dass man sie nehmen würde und sie hatte kein Problem damit, es sich einzugestehen. Sie war zu alt, ganz einfach. Aber das war nicht der eigentliche Grund: Sie wusste auch nicht so recht, ob sie es denn wollte. Deswegen überließ sie die Rolle lieber einer ihrer Kolleginnen und wenn es nach ihr gehen würde, dann wäre es jedoch nicht Ewa.

Just in diesem Moment hörten sie, wie die Tür, durch welche Katie vorhin verschwunden war, geöffnet wurde und eben diese trat hervor und schloss sie hinter sich.

“Wie war es?”, fragte Louise sie sofort und ging einige Schritte auf sie zu. Katie zuckte mit den Schultern.

“Schwer zu sagen…”, begann sie und wiegte den Kopf leicht hin und her, “Ich weiß nicht, was ich von meiner Leistung halten soll… ich hätte es besser machen können… aber dieser Mister Sauvignon…”, fuhr sie fort und allein die Tatsache, dass sie seinen Namen nannte, schien zu reichen, dass ihr ein unangenehmer Schauer über den Rücken lief. “… ein sehr unangenehmer Geselle. Es reicht, dass er einen ansieht und es wirft dich aus der Bahn. Und er war permanent so unfreundlich - er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er mich eigentlich nicht in der Rolle sehen möchte.”, schloss sie ab und seufzte schwer. Melissa und Louise tauschten einen kurzen Blick aus und Louise holte wieder Luft um etwas zu sagen, jedoch kam Ewa ihr zuvor. Melissa hätte mit den Augen rollen können.

“Ach Katie… du weißt einfach nicht, wie man mit Männern umgeht.”, begann sie und schüttelte theatralisch den Kopf, ehe sie die junge Frau mit einem Blick ansah, der ihr das Gefühl gab, ihr sei nicht mehr zu helfen.

“… aber es hat nun mal nicht jede Frau das Glück mit so einer umwerfenden Wirkung auf Männer ausgestattet zu sein wie ich.”, fuhr die blonde Frau fort und warf einen Blick an die Decke, ehe sie seufzte, als wäre ihre Schönheit eher ein Fluch als ein Segen.

Melissa und Louise tauschten mit ihren Blicken stille Botschaften der Art “Was haben wir getan, um so etwas zu verdienen?” und sagten mal besser nichts. Katie sah jedoch ehrlich auf den Schlips getreten aus und trat automatisch einen Schritt zurück von der Ukrainerin, welche nur nach einer Gelegenheit zu suchen schien, um ihre Schönheit und Fähigkeiten weiter anzupreisen, als wäre sie eine Göttin.

Wieder wurde die Tür von einem Pagen geöffnet und aus dem Inneren des Raumes war ein deutliches, etwas barsch klingendes “Ewa Nevakhovich-Rakhmelevich” zu hören. Louise kannte die Stimme nicht und sah noch aus dem Augenwinkel, wie Katie die Worte “Mister Sauvignon” flüsterte und mit dem Kopf in Richtung Tür deutete.

So klingt also der Gesangslehrer der Solisten, schoss Louise durch den Kopf, während sie Ewa dabei beobachtete, wie sie zur Tür stolzierte und diese dann hinter ihr geschlossen wurde, nachdem sie vor dem Eintreten noch ein mal alles zurechtgerückt und zurechtgezupft hatte, was sie zurechtrücken und zurechtzupfen konnte. Wieder herrschte Stille, welche jedoch nach einigen kurzen Momenten von der Rothaarigen unterbrochen wurde.

“Klingt ja sehr freundlich…”, sagte sie trocken und Katie schenkte ihr ein nervöses Lächeln. Sie ahnte, mehr als sie wusste, dass Louise mit ihrer trockenen Art versuchte, ihre Nervosität zu überspielen, denn nervös war sie wirklich.

“Passt zu ihm.”, erwiderte Katie mit ihrer ruhigen Stimme und zog eine kleine Grimasse. “Man kommt hinein und fühlt sich als würde man in ein tiefes schwarzes Loch fallen, weil er einen aus seinen dunklen Augen anstarrt, sodass man gar nicht wegsehen kann…”, führte sie ihre Erzählungen fort und die 17-Jährige nahm sich vor, sich nicht so von dem Mann einschüchtern zu lassen. Auch wenn Katie gerne aus einer Mücke einen Elefanten machte, so musste doch etwas an ihren Erzählungen dran sein, denn komplett haltlos würde die Sängerin so etwas nicht sagen.

“… und er macht einem mit jedem Wort klar, dass er dich für inkompetent und vollkommen ungeeignet hält. Er lässt dir nicht einmal die Chance, dich zu beweisen, ehe er sich seine Meinung bildet!”, erzählte sie weiter und schien tatsächlich zutiefst empört über das unsensible, wenn nicht schon unhöfliche Verhalten des Mannes. Louise hörte ihr mit leicht gerunzelter Stirn zu, während sich ein recht negatives Bild von dem Lehrer in ihrem Kopf bildete. Er schien ziemlich anders zu sein als Mister Kennedy. Sie waren zusammen essen gewesen und er hatte ihr den ganzen Abend über nicht das Gefühl gegeben, ihr so unheimlich überlegen zu sein, nur weil er sechs Jahre älter war als sie und eine so verantwortungsvolle Aufgabe hatte, indem er die Oper leitete. Er war fair. Er war klug. Und außerdem sehr charmant. Irgendwie hatte Louise eine Schwäche für ihn - sie würde jedoch den Teufel tun und es zugeben. Klatsch und Tratsch gab es an der Oper auch so schon zu Genüge.

“Und um ehrlich zu sein…”, begann die Braunhaarige abermals und verschränkte die Arme vor der flachen Brust, “…wüsste ich nicht, ob ich den Posten annehmen würde, selbst wenn man mich darum bitten würde. Allein der Gedanke, mit diesem Kerl beinahe täglich arbeiten zu müssen, reicht, um mir die Lust auf jegliche Arien zu nehmen.”, schloss sie ab und schüttelte den Kopf. Melissa nickte nur. Sie schien zu verstehen, dass Katie so fühlte. Louise hatte jedoch kein Verständnis dafür. Wenn man etwas wirklich wollte, dann durfte man sich nicht von solchen Kleinigkeiten, wie einem unfreundlichen Lehrer, davon abbringen lassen, es zu erreichen.

Katie sprach noch weiter über ihn, jedoch stellte Louise keine weiteren Fragen, sondern bereitete sich geistig darauf vor, in den Raum zu gehen, aus welchem man gedämpfte Klavierklänge und Ewas Stimme hören konnte. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Niemals. Sie hatte nicht so hart an sich und ihrer Stimme gearbeitet, nur um sich von einem griesgrämigen Mann einen Strich durch die Rechnung machen zu lassen. Das war der Moment auf den sie gewartet hatte und sie würde sich diese Chance, diese einmalige Möglichkeit, nicht nehmen lassen, nur weil es einem Gesangslehrer nicht passte.

Wieder verging eine Weile, in welcher Melissa sich mit Katie unterhielt. Louise schwieg und warf den beiden nur hin und wieder einen kurzen Blick zu. Irgendwie wirkten sie nicht sonderlich… ehrgeizig, was die Stelle der Solistin anging. Das verstand die 17-Jährige nicht, welche förmlich darauf brannte auf der Bühne zu stehen und zu singen, und es schien ihr auch klüger, sich jetzt nicht auf eine etwaige Diskussion mit ihnen einzulassen. Minuten später wurde die Tür wieder geöffnet und Ewa trat zu ihnen heraus.

Schweigend betrachteten sie sich. Ewa hatte für einen winzigen Moment ihre Großspurigkeit eingebüßt und Louise schien es, als sei sie nicht ganz zufrieden damit, wie es in dem Raum hinter ihr gelaufen war.

“…. und?”, hörte sie schließlich Melissas kühle Stimme fragen und die Ukrainerin zuckte nur leicht mit den Mundwinkeln ehe sie antwortete.

“Was für eine Frage!”, begann sie laut und sie schien wieder ganz die alte zu sein. Sie lachte, als hätte sie ihnen mit ihrer scheinbaren Unsicherheit einen Streich gespielt, jedoch sah man Melissa an, dass sie ihr diese angebliche Gelassenheit nicht abkaufte. “Ihr beide…”, fuhr sie mit einer nachlässigen und durch und durch arroganten Geste in Richtung Louise und Melissa hinzu, “…müsst da gar nicht mehr hineingehen. Es ist doch ohnehin schon entschieden, wen sie nehmen werden. Und-”

“Das ist nicht deine Entscheidung!”, warf Louise ungewohnt heftig ein und sah die Blondine gereizt an. Wie zum Teufel konnte ein einziger Mensch so überzeugt von sich selbst sein? Louise kochte vor Wut.

“….. wie bitte?”, fragte diese und blieb vor Louise stehen. Die beiden jungen Frauen sahen einander mit wachsender Abneigung an.

“Du hast gehört, was ich gesagt habe.”, antwortete Louise mit unterdrückter Heftigkeit, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt und sich beruhigt hatte. Sie wirkte nicht weiter verärgert, sondern höchstens eine Spur irritiert. Ihr untypischer Gefühlsausbruch schien ihr unangenehm zu sein. “Tu nicht so als sei alles schon entschieden. Wie sagt man so schön? Das Spiel ist zu Ende, wenn es zu Ende ist und nicht mittendrin.”, schloss sie ab und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Ewas Unheil verkündender Blick schien sie nicht im Geringsten einzuschüchtern. Die Ukrainerin holte schon tief Luft und setzte zu einer höchstwahrscheinlich sehr lauten Antwort an, als die Tür durch welche sie gekommen war, abermals geöffnet wurde und ein lautes “Louise Ellis.” sie daran hinderte ihrem Ärger freien Lauf zu lassen.

Nach einem kurzen Blick zu Katie und Melissa, ging Louise an der Blondine vorbei, atmete noch einmal tief durch und betrat den Raum.

Im Frühling hatte man aus diesem Raum gewiss einen umwerfenden Ausblick auf den Innenhof, denn die Fenster waren groß und zahlreich. Die Einrichtung zeugte von erlesenem Geschmack und unaufdringlicher Eleganz, was die 17-Jährige irgendwie an ihr eigenes Zuhause erinnerte. Sofort fühlte sie sich eine Spur wohler und die Nervosität wurde geringer. Der Klavierspieler, welcher momentan still an seinem Flügel saß, nickte ihr leicht zur Begrüßung zu.

Mit einem höflichen Lächeln trat die edel - aber nicht auffällig - gekleidete Rothaarige vor die zwei Männer, welche an einem massiven dunklen Holztisch saßen. Sie könnten nicht gegensätzlicher sein. Leon Kennedy erwartete sie mit einem charmanten Schmunzeln und einer offenen, irgendwie fast schon locker wirkenden Körperhaltung. Er wirkte nicht sonderlich angespannt. Jugendlicher Charme und Lockerheit, gepaart mit unverschämt gutem Aussehen, das so mancher Dame ein mädchenhaftes Kichern entlocken konnte. Viel größer hätte der Unterschied zu seinem Sitznachbarn nicht sein können. Eric Sauvignon saß ein Stück neben dem Opernleiter und wirkte wie ein schlecht gelauntes Gespenst, ein maulfauler Finsterling, ein schwarzer Fleck auf einem weißen Tuch. Seine gesamte Haltung drückte Ablehnung aus und er blickte Louise aus seinen dunklen Augen aus an, als würde er auf einen Fehltritt warten. Tatsächlich konnte Louise Katies Abneigung gegen den Dunkelhaarigen nachvollziehen. Unangenehme Ausstrahlung. Dabei wäre er gewiss ein gutaussehender Mann, wenn er nicht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter machen würde. Er schien groß und für sein Alter - Louise schätzte ihn auf rund 40 Jahre - recht athletisch gebaut zu sein. Dazu noch ein charakteristisches Gesicht, eine prägnante Nase und dichte schwarze Locken. Durchaus ein Anblick, den Frauen zu schätzen wissen konnten.

“Miss Ellis…”, begann der Opernleiter und nickte ihr immer noch schmunzelnd zu. “… so sieht man sich wieder.”

Louise’ Lächeln wurde noch eine Spur breiter.

“So scheint es.”, erwiderte sie etwas nervös und strich sich eine ihrer langen Locken hinters Ohr. “… da wir uns erst jetzt wieder sehen, kann ich mich auch erst jetzt für die Blumen bedanken… sie waren wunderschön.”, fuhr sie fort und man sah ihr an, dass sie etwas verlegen war. Sie war es anscheinend nicht so wirklich gewohnt, dass ein Mann so offensichtliche wenn auch nicht aufdringliche Annäherungsversuche machte. Und die Blumen, welche Leon ihr hatte zukommen lassen, waren tatsächlich traumhaft gewesen. Louise’ Mutter war ganz hin und weg gewesen, wegen dieser charmanten Geste. Louise hatte ihr in Gedanken beigepflichtet, sich jedoch wie so oft in Schweigen gehüllt.

“Nach so einem angenehmen Abend hielt ich es durchaus für alles andere als unangebracht, mich so für Ihre… erheiternde und charmante Gesellschaft erkenntlich zu zeigen.”, entgegnete der Blonde ohne die Augen von ihrem Gesicht zu nehmen.

Ehe Louise noch großartig darauf antworten, geschweige denn rot anlaufen konnte, wurde das Gespräch jäh unterbrochen.

“Bitte, sind Sie beide hier bei einem Rendezvous oder wollen Sie Miss Ellis jetzt endlich singen hören? Sie wissen schon, dieser unwichtige Posten der weiblichen Solistin muss besetzt werden und mir schien es, als wollte Miss Ellis ihr… Glück versuchen. Was sie zweifellos brauchen wird.”, kam der schneidende Kommentar von Eric Sauvignon, welcher seinen Kopf dann scheinbar gelangweilt zum Opernleiter wandte. Louise warf ihm einen befremdeten Blick zu. Leon hingegen, sah schlichtweg wütend aus. Für einige Sekunden herrschte Stille und die beiden Männer tauschten einen Blick aus, der nichts Gutes für die Zukunft verheißen konnte.

“Wenn es mir ein Bedürfnis war, mich noch mit Miss Ellis zu unterhalten, dann habe ich das Recht dazu, immerhin leite ich diese Oper. Wenn Ihnen meine Vorgehensweise nicht passt, dann haben Sie das Recht, diesen Raum zu verlassen und mir die Entscheidung bezüglich der Solistinnenstelle alleine zu überlassen.”, erwiderte er mindestens genauso unterkühlt, wenn auch mit durchaus bemerkbarer unterdrückter Wut. Es schien, als sei das nicht die allererste verbale Auseinandersetzung der beiden Männer. Dementsprechend war die Gelassenheit des jüngeren Mannes papierdünn und ihm schien der Geduldsfaden endgültig gerissen zu sein.

"Sie wissen ganz genau, dass das Ihre Kompetenzen übersteigt, Mr. Kennedy...", antwortete der Dunkelhaarige ruhig. Seine Augen waren auf Mister Kennedy gerichtet, seine Tonlage klang beinahe Liebenswürdig. Die Botschaft war alles andere als das. "Außerdem sollten Sie lieber nicht von meinen Rechten sprechen, denn sollte ich von ihnen Gebrauch machen, könnte ich Ihre Oper ganz schnell in den Ruin treiben... Nur ein kleiner kollegialer Hinweis an unseren neuen Opernleiter. Ich dachte mir, das könnte Ihnen helfen, falls Sie das nächste Mal nicht in Gefahr laufen wollen, einen Ihrer wertvollsten und unersetzbaren Mitarbeiter zu verlieren...", schloss er seinen Monolog ab und blickte ungerührt vom Opernleiter zu Louise, welche mit riesigen Augen dastand und die Szene mit wachsendem Entsetzen beobachtete.

Wie redete der Mann mit Leon? Und wie zum Teufel sollte sie mit so einem Menschen zusammenarbeiten können? Das erste Mal verstand sie ansatzweise, warum Katie nicht mit ihm arbeiten wollte. Eric Sauvignon war bösartiger, als alles was sie bisher erlebt hatte.

Leon erwiderte nichts, und es schien ihn viel Beherrschung zu kosten. Man musste jedoch zugeben, dass Eric ihm einfach gewissermaßen überlegen war. Dies schien dem Opernleiter nicht gefallen zu wollen.

“Sind Sie bereit, Miss Ellis? Möchten Sie sich lieber noch einen Moment einsingen?”, konnte die Rothaarige Leon schließlich sagen hören und erst in dem Moment konnte sie ihren Blick vom Gesangslehrer abwenden.

“Ich… ich würde mich gerne einsingen.”, sagte sie und trat an den Flügel heran, wo sie begleitet von angenehmen Klavierklängen begann ihre Stimme in Schwung zu bringen.

Wie hatte sie zu Ewa gesagt? Das Spiel ist zu Ende, wenn es zu Ende ist und nicht mittendrin? Mehr denn je war ihr klar, dass dies absolut nichts mit einem Spiel zu tun hatte, sondern bitterer Ernst war und zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie der Situation tatsächlich gewachsen war.



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