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Major Winter

von

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Natalia

“Sir, ich habe noch eine Nachricht für Sie”, sagte der Sergeant, während die drei Soldaten sich der Stadt näherten. Major Winter richtete den Kragen seines Mantels und sein Blick war durchgehend nach vorne gerichtet.

“Welche Nachricht sollen Sie mir denn noch ausrichten, Sergeant?”

“Wir haben während der Angriffs ein paar Gefangene in einem Haus eingeschlossen. Die meisten sind Kinder und junge Frauen.” Matthew schaute sofort zum Captain, der wiederum nur mit den Achseln zuckte.

“Bringen Sie mich sofort zu ihnen.”

“Ja, Sir!”
 

Auf den Straßen lagen überall Scherben von angeschossenen Fenstern, Patronenhülsen von Gewehren, eingeschlagene Türen hingen am Türrahmen fest, Tiere liefen verwirrt in alle Richtungen und das alles wurde mit grauen und roten Schnee bedeckt. Verletzte Soldaten lagen auf dem Boden oder Tragen und wurden von Sanitätern und einem Pfarrer beruhigt und verarztet.

Er hasste diesen Anblick, denn er wusste, dass viele dieser Männer das alles nur taten, weil sie dazu gezwungen wurden, weil irgendein höherer Politiker sagte, dass wir hierher kommen müssen, um den Frieden zu sichern. Bei diesem Gedanken musste er leicht mit dem Kopf schütteln. Er lebte für seinen Beruf, für seine Männer und er wusste, dass er niemanden hatte, der in Amerika auf ihn warten würde, im Gegensatz zu manch anderen.
 

Seine Beine brachten ihn die Treppen hoch, zu dem Haus, wo die Menschen nicht wussten, was mit ihnen geschehen würde.

“Major Winter”, salutierte ein weiterer junger Sergeant vor der Tür und Matthew machte es ihm gleich, sagte aber nichts weiter dazu. Er betrat den dunklen Raum, die Tür quietschte leicht beim Öffnen, sonst herrschte eine unruhige Stille. Alle Blicke richteten sich auf ihn, Kinder saßen eng umschlungen auf dem Boden, ein älterer Mann schaute durch das Fenster ohne auf sonst wen zu achten, und eine Frau... eine junge Frau von etwa 22 Jahren, blonde, helle Haare, die aus einem Zopf herausfielen, grüne Augen, ein mit dreck bedecktes schmales Gesicht und ein blutverschmiertes Kleid.

Vorsichtig ging der Major auf die auf den Boden, die Knie zusammengezogen, Fingernägel kauende Frau zu und beugte sich zu ihr hinunter. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht, aber die Blondine reagierte nicht darauf, stattdessen schaute sie ihn mit ihren leeren und abwesenden Augen an.

“Sgt. Franklin, bringen Sie Sgt. Kelley zu mir und versuchen Sie Essen und Trinken für die Menschen hier aufzutreiben”, sagte er, gleichzeitig stand er wieder auf und stemmte die Hände in den Hüften, “ und Benjamin, wir werden uns hier zu allererst für ein paar Tage einsiedeln und den nächsten bzw. weiteren Schritt planen. Die Männer sollen sich auch erstmal ein wenig erholen und...” Kurz stoppte er um sich nochmal einen Überblick über die Situation zu schaffen. Dabei schweifte sein Blick wieder kurz zu der Frau rüber, dann aber wendete er sich wieder ganz seinem Freund zu. “Sie sollen alle erstmal hier bleiben und vielleicht bringt ihnen auch mal jemand frische Kleidung mit, aber darum sollst du dich kümmern. Ich bleibe hier, bis Sergeant Kelley kommt.”

Sergeant Edward Kelley war der einzigste Mann gewesen, der ein wenig Deutsch konnte und somit nicht nur als Soldat, sondern auch als Dolmetscher fungierte.

“Wie du meinst, Matthew. Ich werde auch General Allistor kontaktieren, damit du das nicht mehr machen musst. Und wenn wir schon mal dabei sind, werde ich mich auch um unser Schlafplatz kümmern.” Er nickte dem Captain zu und wollte noch was hinzufügen, als Sgt. Edward Kelley plötzlich an der Tür stand und sofort salutierte.

“Danke, dass Sie so schnell kommen konnten. Ich hätte da nämlich eine paar Fragen an die Frau und da ich ja kein Wort Deutsch kann, hoffe ich nun auf Ihre Hilfe.”

“Natürlich, Sir!”, sprach Edward und bewegte sich sofort zu ihr. Major Winter wiederum stellte sich gegenüber von ihr und lehnte sich mit verschränkten Armen an der Wand an.

“Fragen Sie nach ihrem Namen.”

Sofort übersetzte Edward seine Worte und irgendwie kam es ihm so vor, als ob die Frau mehr als nur ihren Namen preisgeben würde. Der junge Seargent hörte ihr aufmerksam zu, auch zeigte er diese Aufmerksamkeit mit Nicken und weiteres Nachfragen. So kam es jedenfalls dem Major vor.

„Und?” Auch er wurde langsam ungeduldig, was man auch anhand seiner Körpersprache lesen konnte. Er versteifte sich etwas und seine Hände griffen fester nach seinen Oberarmen.

“Sir, der Name der Frau ist Natalia und sie kommt ursprünglich aus Polen”, kam es plötzlich vom Seargent, “sie hat hier in der Nähe mit ihrem Vater und Ehemann in einem Haus zusammen gelebt.”

Das machte ihn ein wenig stutzig. Wie kam eine Polin an die deutsch – französische Grenze?

„Der Mann war einer von der SS gewesen.”

Seine Frage wurde schneller beantwortet, als er zunächst gedacht hatte.

„Und der Vater wurde getötet, als wir die Häuser mit Granaten angegriffen haben.”

Auch wenn Matthew danach nicht gefragt hatte, interessierte ihn seltsamerweise die Geschichte der jungen Frau.

„Sie können wegtreten, Sgt. Kelley.”
 

Major Winter war nicht der Typ gewesen, der sich mit seinen Kameraden abends an einen Tisch setzen würde um mit ihnen zusammen zu trinken und zu feiern, nein, lieber saß er in seinem Zimmer, hinter der Schreibmaschine und kümmerte sich um die bürokratischen Dinge, die er auch noch zusätzlich erledigen musste. Dabei genoss er die Lautstärke der männlichen Stimmen gegenüber des Hauses und manchmal erwischte er sich sogar dabei, wie er vielleicht mit etwas Neid durch das Fenster schaute und darauf wartete, bis die ersten Lieder betrunken gesungen werden. Und wenn es soweit war, konnte auch er sich kein Lächeln mehr verkneifen.

An diesem Abend tippte er die Geschehnisse des heutigen Tages ab, wie er vorgegangen war, wie viele verletzt wurden und gefallen sind und auch, dass ein paar Gefangenene in einem Haus eingeschlossen waren. Bei diesem Gedanken lehnte er sich noch mehr zurück und klopfte unruhig mit den Fingern auf dem Holzschreibtisch. Er suchte nach guten Gründen, warum diese Menschen noch am Leben waren und festgehalten wurden, weil es sonst Probleme mit dem General geben könnte. Natürlich hatte der General auch Gefühle gehabt, sodass es wenigstens bei den Kindern keine Probleme geben würde, aber bei dem alten Mann und der jungen Frau...

„Na Matthew, immer noch nicht fertig mit der Arbeit?”, fragte Benjamin, der ohne Anzuklopfen und mit einem Glas Whiskey das Zimmer betrat und es sich auf der Couch bequem gemacht hatte, “die Jungs drüben vermissen dich schon.”

Der Major lächelte seinen Freund an. “Und das soll ich dir glauben? Du weißt doch, dass ich bei sowas nie dabei bin.”

„Hm, ein Versuch war es auf jeden Fall Wert gewesen, damit du mal mit dem Geschreibe aufhörst. Übrigens, an deiner Stelle würde ich es mit kurzen und einfachen Sätzen formulieren, und es nicht mit so einer hochgestochenen Sprache schreiben.”

Er kannte ihn einfach zu gut. Matthew war schon immer ein Perfektionist gewesen, ob in der Schlacht oder im Büro. Es musste alles immer so werden, damit er zu 100% zufrieden sein konnte. Und er war so ein Perfektionist gewesen, dass er niemals andere um Hilfe bitten würde.

“Ach übrigens, der General war mehr als zufrieden gewesen mit deiner Aktion.”

“Meinst du die Aktion wie wir die Stadt angegriffen haben?”

Blind nickte nur stumm und nahm einen Schluck von der braunen Flüssigkeit.

“Ja, diesmal haben die Männer ganze Arbeit geleistet. Kein Gefallener und nur wenige Verletzte... aber wahrscheinlich kam es auch daher, weil sich die Deutschen so gut wie gar nicht gewehrt haben.”

“Meinst du? Hey Matthew, eigentlich hast du da nichts mehr zu sagen, weil du ganz hinten standest und so gut wie nichts sehen konntest. Und wenn, ist doch gut, dass wir die Stadt so schnell einnehmen konnten, ob mit oder ohne Abwehr.”

Eigentlich müsste er seinem Freund Recht geben, aber lieber blieb er schweigend sitzen.



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