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Der Krieg

-Und wer dafür verantwortlich ist...
von

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0.

Liebe Lilli.
 

Ich schreibe dir.

Du hast mich angebettelt, dass ich meine Zeit und meine Energie opfere, um dir einen gottverdammten Brief zu schreiben. Als Beweis meiner unendlichen Liebe zu dir tu ich das sogar.
 

Natürlich nicht uneigennützig.

Ich weiß, dass du jetzt, während du das liest, auf deiner pflaumenvioletten Couch sitzt und kleine Sechsecke vorformst, alle in einem pastellenen Ton von blau oder Lila, für irgendeine Decke.

Davon will ich dich abhalten.

Du wirst noch zur Oma.

Also lies nun aufmerksam, kleine Lilli, ich habe hier eine Aufgabe für dich:

Schreib diese Geschichte endlich auf.

Ich traue das nur dir zu, weder Nikki, noch Kai, noch meine Wenigkeit ist dazu imstande.

-Vor allem, weil ich Kai nicht mal zutrauen kann, dass er überhaupt des Schreibens mächtig ist.

Nikki lässt sich ja mal wieder nicht erreichen, der hat sowieso nur noch seinen kleinen Affen im Kopf.

Und ich… keine Ahnung, ich glaube, ich hab einfach nicht die Lust und Muße dazu.
 

Ich glaube, das wäre eindeutig lesenswert.

Außerdem hast du den längsten Geduldsfaden von uns allen.
 

Also beweg deinen süßen kleinen Hintern endlich von dem blöden Sofa und setz dich an deinen Computer.

Ich will es alles aufgeschrieben wissen.

Zu unglaublich, es einfach liegen zu lassen.
 

Meiner Meinung nach gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, denn jetzt sind wir alle am Ende unserer Reise. Du heiratest nächstes Jahr, Herrgottnochmal!

Nikki… ich glaub, den kriegt nichts mehr aus seinem Landhaus und ich… ich hab einen Heidenspaß dabei, Bris bei den Vorbereitungen für die Mowlak-Landung zuzuschauen.

Auf einmal ist alles so entsetzlich normal.

Jetzt ist der einzig richtige Zeitpunkt, anzufangen.
 

Also auf, hefte noch das eine Sechseck fertig und dann schreibst du.

In innigster Liebe deiner allerbesten Freundin,
 

Louise.
 


 


 

12. August 2039. Im Bett. Mein Computer surrt neben mir unerträglich. Müde.
 

Louise hat geschrieben.

Endlich hat sie es geschafft, unter all dem Computerkram ein Stück Briefpapier zu finden.

Sie will, dass ich die ganze Geschichte aufschreibe.

Alles.

Ich glaube, das ist sogar für mich eine Nummer zu groß.

Nicht, dass ich es nicht schon oft genug versucht hätte.
 

Ich brauche dringend eine Idee, wie ich das alles zu Papier bringe, ohne dass ich überall meinen persönlichen Senf dazu gebe.

Vor allem brauch ich möglichst viele Informationen von Nikki und Louise.

Besonders, was Regierungssachen angeht…

-Die Originaldokumente.
 

….
 

Die Originaldokumente!

Ha!

Das ist die Idee!
 

Ich glaube, meine Müdigkeit hat sich soeben in Wohlgefallen aufgelöst.

Hoffentlich schaut Nikki noch in sein E-Mail Postfach.
 

-Mist.

Kai ist aufgewacht.

Der Kerl hat einen zu leichten Schlaf.

Sicher unterbeschäftigt.
 

‚Nein, Schatz, ich hab dich nicht geschlagen, das hast du geträumt… -Wie, du bist von deinem eigenen Schnarchen aufgewacht?!’

-Die Email an Nikki muss bis morgen warten, mein Kopf spielt wieder ‚Betrunken und nicht lustig’ mit mir.

Ich verliere. Argh. Ich sollte schließen.
 


 


 


 


 


 


 


 


 

Von: Weiheimer@fooble.com

An: nikki.toma@rtz.co.jp

Betreff: ist nicht so wichtig
 

Hey Nikki,
 

Louise hat mir geschrieben….

Sie will, dass ich die ganze Geschichte zusammentrage.

Bräuchte deine Dokumente aus der Regierungszeit. Alles, woran du beteiligt warst.

-Ich WEISS, dass das viel ist.
 

Und wenn du sie erübrigen könntest, deine Privatkorrespondenz… auch die mit Tomoaki und Akki.
 

Liebe Grüße an dich und deinen Liebsten.

Lilli
 


 


 

Von: nikki.toma@rtz.co.jp

An: Weiheimer@fooble.com

Betreff: re: ist nicht so wichtig
 

Lilli,
 

Ich glaub, Louise hat ein Rad ab.

Und du auch.

Hast du eigentlich ne Ahnung, wie viel Kram das ist?!

Ich hab hier alles stehen.

FÜNF Umzugskartons nur Privatkorrespondenz. Von den offiziellen Sachen fang ich besser nicht erst an. Da sind auch alle Zeitungsartikel bei.

Soll ich dir vielleicht das Relevante raussuchen?

-Nicht mal du wirst tausend Jahre alt, um das alles zu lesen.
 

Liebe Grüße… -nicht an Kai, er hat mich letztens beim Pokern beschissen,

Nikki und Akki
 


 


 


 


 


 

15. August 2035. Im Wohnzimmer. Umgeben von Kartons. Genervt.
 

Oh mein Gott, das ist mehr Papier, als der brasilianische Regenwald jemals hätte abgeben können.

Nikki hatte geschrieben, dass es viel war, das weiß ich auch, aber gleich so dermaßen und unsäglich viel, dass er mir einen verdammten Transporter schicken musste?

Und das ist anscheinend das Sortierte.

Gott nein, warum hab ich Louise eigentlich zugestimmt?
 

-Weniger schreiben, mehr lesen.

Bis morgen.

1.

Sehr geehrtes Fräulein Weischel,
 

Es ist uns eine Freude, Sie an unserer Akademie der dramaturgischen Künste in Moskau begrüßen zu dürfen.

Unter 300 Bewerbern und Bewerberinnen allein für das Fach Schauspiel und Darstellendes Spiel haben Sie und Ihre Leistungen uns überzeugt, trotz der Tatsache, dass Sie der Russischen Sprache nicht gänzlich mächtig sind.

Wir möchten Ihnen ans Herz legen, die eventuellen Defizite Ihrer sprachlichen Ausbildung so bald als möglich zu bereinigen, da wir sehr auf Ihre Arbeit hoffen und sie schätzen.

Der Unterricht beginnt am 3. September 2012 im Saal des Theaters.

Erscheinen Sie pünktlich um 9.00.

Dort werden Ihnen Ihre Stundenpläne und Abrechnungsbescheide für die Studiengebühren ausgehändigt.
 

Mit freundlichen Grüßen,

gez. Julyana Rabanowich, Intendantin
 


 

Das war das Ticket in die Hölle für mich. Ich durfte an der großen Theaterakademie in Moskau Schauspielerin werden.

Als Deutsche mit lapidaren Russischkenntnissen.

Über ‚Breshniew’ und ‚Vodka’ reichte mein Vokabular bei Studienbeginn kaum aus.

Da sprach ich flüssiger Japanisch…

Kai ermutigte mich immer wieder, nach Moskau zu gehen.

Er war so stolz, dass ich die anderen ausgestochen hatte.

-Den Wermutstropfen Fernbeziehung nahm er augenscheinlich als gegeben hin.
 


 


 


 


 


 


 

Lilli, mein Schatz,
 

Ich bin unheimlich froh, dass dir Moskau gefällt.

Glaub mir, das Land hier wird immer langweiliger. Louise hat sich in die USA beworben.

-und so wie’s steht, wird sie auch genommen.
 

Zu gern würd ich dich einfach besuchen kommen, aber irgendwie…-du kennst mich, ich bin vollkommen blank.

-Mein Computer verschlingt im Moment Unsummen.

-Meine Bewerbungsunterlagen kosten auch. Warum, versteh ich nicht.
 

Ich vermisse dich.

Und es tut mir leid, dass ich nur eine Karte voll schreibe.

Ich verspreche hoch und heilig, dass ich das nächste Mal wenigstens einen DIN A-4-Bogen voll schreibe.

Aber nicht heute.

Ich ruf’ dich bald mal an.
 

Ich liebe dich, kleine Lilli.
 

Kai xx
 

P.S: Ich hatte dir nicht erzählt, dass ich mich auch nach Dubai beworben habe? Als Fachinformatiker. Mit meinem Abschluss sollte es vielleicht sogar gehen…

-Überleg mal, was ich verdienen würd… hohoho… fantastisch…..
 


 


 


 


 

Kai hat die Stelle in Saudi-Arabien bekommen. Der zweite, der weg von zuhause war.

Noch heute liebt er das widerlich trocken-heiße Klima Dubais, den Krach, diesen permanenten Krach, der dort herrscht und noch immer ernährt er sich sommers nach wie vor am Liebsten von Datteln und kaltem Pfefferminztee.

Ich glaube, er hat einen gewaltigen Schatten.

-Klar, bei der permanenten Sonneneinstrahlung.
 

Der nächste, der ging, war Nikki. Ich hasse ihn heut noch dafür, dass er sich einfach in einer Nacht und Nebel-Aktion aus dem Staub gemacht hat.

Ganz schön hinterhältig.

Vor allem, weil er niemandem etwas gesagt hat.

Es ging sogar so weit, dass unsere Eltern eine Vermisstenmeldung herausgaben.

Und ehrlich? – ich habe zu dem Zeitpunkt auch nur die Möglichkeit Entführung gesehen.

Ein bisschen voreilig, wie ich feststellen sollte:
 


 

Lilli, altes Haus….
 

Du wirst dich wundern, das weiß ich.

Aber… ich bin fit, gesund und munter.

Wie du anhand der Postkarte sehen kannst, bin ich in Japan.

-Nicht als Touri, kannst du dir sicher denken, nein, ich wohne hier.

Und ehrlich gesagt, bin ich mehr als froh darum.

Ich arbeite hier als Kellner und die Bezahlung ist ausgesprochen gut, ich kann nicht klagen.

Ich hab mich die ganze Zeit nicht getraut, dir zu schreiben, aber Tomoaki hat mich gezwungen, dich zu beten, in deinen Semesterferien herzukommen.

Wenn du kannst.
 

Moment.
 

Du kennst Tomoaki noch gar nicht.

Du wusstest ja auch nicht einmal, dass ich in Japan bin.

Tomoaki ist toll.

Er ist groß, schlank, hat schwarze Haare (ha, ha, er ist auch Japaner) und ist mehr als nur lieb.

Ich bin mit ihm zusammen. Schon ne ganze Weile.

Er ist Politiker.

Oder zumindest so was in der Art.
 

Schreib mir schnell, ob du kannst, du musst dieses Land gesehen haben!
 

Nikki
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Meine liebe Netti,
 

Ich glaube, mir zieht’s grad den Boden unter den Füßen weg.

Erst schreibt mir Kai, dass er ab sofort in Saudi-Arabien für einen Großkonzern arbeitet, als Fachidi… Fachinformatiker, dann kommt Nikki an, erzählt mir, dass er in Japan wohnt (seit er weg ist…) und sich jetzt mit Kellnerjobs durchschlägt, wenn ihn nicht gerade sein reicher Lebensgefährte aushält.

Und gestern, gestern war Hammer; da klingelt mich Louise an, via Internet, und ist vollkommen aufgedreht, weil sie ja jetzt in Washington D.C. bei einem Designer untergekommen ist, der Prêt-à-Porter Mode für die Mailänder Modewoche macht.

Hallo?!

Ich glaub, ich muss mich von der nächsten Brücke stürzen!

Die haben doch alle ein Rad ab!
 

-Bei mir ist alles herrlich. Ich hab zwei Mädchen kennengelernt, super liebe Dinger.

Die eine heißt Nadeshda, sie studiert Wirtschaftsrecht und Politik (super langweilig, aber sie ähnelt dir sehr- immer pflichtbewusst…) und die andere Fedora. Fedora ist Biologiestudentin.

-Und so wahnsinnig intelligent, ich hab direkt Angst vor ihr.

Sie ist überzeugt, dass es auf dem Mars Lebewesen gibt, die durchaus menschenähnlich sind.

-Sie weiß es einfach, sagt sie.
 

Ich hab gehört, dass du eine zweite Disco aufmachst? Reicht dir das originale Flash nicht mehr?

-Ich mach Witze, Netty, bevor du dich aufregst.

Aber eins muss ich wissen: Warum ausgerechnet in Brühl?!

Das ist erstens wahnsinnig weit weg und zweitens so reizvoll wie Buxtehude.

Ich versteh das nicht.

-Aber was soll’s. Künstler eben.
 

Schreib schnell, ich will das wissen ;)
 

Ich habe dich sehr sehr lieb,

Lilli.
 

Netti war und ist der einzige Grund, weshalb wir nicht alle tot und pulverisiert sind.

Sie ist die einzige aus unserer Clique, die es nicht zu politischem Ruhm gebracht hat.

Gegen uns ist sie geradezu bescheiden.

Eine Diskothekenkette aufzumachen, die sich alle an unsere alte Stammdisco in Kaiserslautern anlehnen, sowohl was Farbschema als auch Aufbau betrifft, ist gegen eine Instantnudelsuppe mit echtem Indonese sehr gemäßigt.

Nikki sieht das anders, aber der wollte ja ‚nur’ das Bevökerungsproblem der Indonesier lösen.

Auf eine nicht ganz gesetzeskonforme Art und Weise, aber er wird gern wie ein Kind mit Autismus behandelt: Er meinte es nur gut, es ist halt schief gelaufen. –Das Bonbon kriegste für den Versuch, da!

Netty hat unschätzbare Dienste am Wohl der Menschheit geleistet, allein dafür sollte sie einen Orden bekommen. Bundesverdienstkreuz oder Ritterehre.

Irgendwas wichtiges auf jeden Fall.

Daran hätte ich ja auch mal während meiner ‚Regentschaft’ denken können.

So hat sie nur Trost darin, dass wir alle ihr regelmäßig schreiben und ihr beteuern, dass wir jetzt ganz normal und brav leben.

Das freut sie in den meisten Fällen.
 

Die Disco war übrigens nur deshalb in Brühl aufgemacht worden, weil die Stellplätze unsagbar günstig waren.
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Succubus’ Blog: Back in Town
 

Unglaublich, aber wahr: Succubus ist wieder back in Germany. Und bevor ihr fragen könnt: nein, ich habe nicht vor, eine Diktatur dort aufzubauen.

Eine gute Freundin von mir hatte Geburtstag, und wie die liebe Netti eben ist, hat sie mich und den Rest unserer alten Clique zu sich nach hause beordert.

Zu dem Rest gehören unter anderem Lilli und Kai, das Pärchen vor dem Herrn.

Gibt keine tragischere Beziehungsgeschichte seit Casablanca.

-Nicht, dass ich Casablanca jemals gesehen hätte.

Aber die beiden sind die größten Dramaregenten, die es gibt.

Sie lernt in Moskau am Staatstheater Schauspielerin (und Russisch, das kann sie nämlich nicht) und er ist Fachidiot für Informatik. Oder so ähnlich.

Auf jeden Fall arbeitet er in Saudi Arabien.

Kai ist ein feiner Kerl, er lässt sich nur ständig von der Leidenschaftlichkeit seiner Freundin zu unendlich schnulzigen Taten und Worten bewegen.

Lilli ist auch ein feiner Kerl, aber eben so unglaublich dramatisch veranlagt.

Wenn du das liest, Süße, du weißt ja, wie ich’s mein ;)

Dann war da noch Lillis Zwillingsbruder, Nikki.

Dem Kerl könnte ich so ziemlich alles ausreißen, was es gibt.

Hat sich ewig lang nicht gemeldet.

Ihr erinnert euch an die alten Einträge. –Wo ich Vermisstenmeldungen aufgegeben habe.

Er ist wieder da.

Mit Kind und Kegel. Oder so ähnlich. Vielleicht ist auch er das Kind und sein Macker der Kegel?

Jedenfalls wohnt er jetzt in Japan, wo er sich als Kellner ein paar Croissants verdient und den Rest von erwähntem Macker bezahlen lässt.

-Ein Leben, sag ich euch.
 

Aber zurück zu Netti.

Sie wohnt in einem unheimlich winzigen Haus, in einem winzigen Zimmer, mit einem viel zu großen Bett.

-Das Bett ist super, unendlich bequem, dass wir alle, plus ihr Freund, draufpassen. Und besagter Freund ist riesig.

Es gab göttlichen Kuchen (Ich liebe Apfelkuchen, wusstet ihr das? –Wenn ihr mir was gutes tun wollt, backt mir Apfelkuchen!) und Kaffee. Deutscher Kaffe… Leute… ich trinke nie wieder Starbucks.
 

Sie ist eher die Bescheidene, die Vernünftige unter uns.

Klar, mit den belämmerten Ambitionen, die wir anstreben, wirkt jeder vernünftig.

Netti besitzt unsere alte Stammdisco, in Kaiserslautern (was euch nichts sagen wird, es sei denn.. egal, es sagt euch einfach nichts.) und ist jetzt, so die Neuigkeit, drauf und dran, diese Disco zum Anfang einer ganzen Kette von Nachtclubs auszubauen.

Startkapital hat sie, der Schuppen ist reichlich beliebt bei den Youngsters.

(Ich hätte nie geglaubt, dieses Wort einmal benutzen zu müssen… widerlich)

Ich mein, ich würde ihr gern helfen, finanziell und alles, aber ehrlich? –Monsieur Roche bezahlt auch nicht gerade in Goldbarren.

Kai, Lilli und Nikki geht’s ähnlich.

Aber wir haben hoch und heilig versprochen, dass wir uns um internationale Standorte kümmern.

-Brühl ist als Standort für eine weltklasse Disco ja wohl kaum tragbar!
 

Damit also mein Auftrag an euch, Liebe Leser: Sagt mir, wo es sich lohnt, eine Disco aufzumachen!

Überall in Amerika!

Egal wo!

Netti freut sich!
 

Ich muss wieder weg… Chef hat mir genug Arbeit für fünf aufgehalst… blöde Bisenmode.

Ich hasse Bisen!

Das sind doch nur Rüschen mit Komplexen!

Falten mit Daseinsberechtigung.

Ein Scheiß!
 

Herzlichst,

Succubus.
 

Louises Blog ist das erstaunlichste Sammelsurium an Wortwitz und geballter Gemeinheit, das es auf dem Planteten gibt.

-Wenn sie nicht gegen Nikki (dem alle gelegentlich einen Arm ausreißen könnten, einfach, weil Schlagen für seine Eskapaden zu nett erscheint) wirbelt, dann gegen die Politiker und Affären, die sie gerade abserviert hat.

Ihr Blog war nie privat.

Gottseidank wusste kaum jemand von seiner Existenz und die, die bescheid wussten, waren schlau (oder nett) genug, sie zu schonen.

Sie bloggt immer noch, so sei am Rande bemerkt.

Netti hat ihr schon vor fünf Jahren eine Predigt gehalten, was der Blödsinn solle, Bloggen, während man ein Land führt.

-Sie hat recht, muss man ihr lassen.
 

Nikki und Kai hatten andere Augenmerke…

2.

Kai, du Spinner,
 

Wieso sollten wir beide in die Politik gehen?

-Du bist n kleiner dämlicher Fachinformatiker, ich das zugegeben hübsche Anhängsel eines Abgeordneten für Ernährung.

Weder du noch ich sind für eine Karriere in der Politik geschaffen.

Du nicht, weil du einfach zu hinterhältig und borniert bist, ich, weil ich zu polemisch und charakterlich wahrscheinlich zu schwach bin.

Das wär fast noch schlimmer, als wenn Lilli oder Louise die Geschicke einer Partei oder sogar eines Landes leiten würden.

Weißt du, wie dumm das ist?

Ich hoffe doch.
 

Schlag dir den Quatsch bitte wieder aus dem Kopf.

Denk doch mal an meine Schwester, das arme Tierchen wäre fertig mit der Welt, wenn ihr Freund auf einmal ein Gewissenloser Scheich abd-el Kai wäre…
 

Kai, du bist bescheuert,

Gruß,

Nikki
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Nikki,
 

Du bist ein Spielverderber. Es wäre so einfach!

Ich bastele hier gerade an einem Virus, der alle Rechner der Großkonzerne lahm legen soll. Damit verdien ich Geld, viel Geld.

Wenn’s mal soweit ist jedenfalls.

Aber Nikki… gibt bestimmt eine Chance, wie du deinen Tomoaki ein bisschen unterstützen kannst.

Ich bin mir sicher, dass das geht!
 

-Was wär so schlimm an einer herrschenden Louise? Ich glaube, sie würd das ganz gut machen, sie ist ein ziemliches Organisationstalent, wenn’s nicht gerade um Beziehung vs. Affäre geht.

Tschuldige.
 

Aber du hast Recht, Lilli als regierendes Organ wäre eine Katastrophe. Sie würde versuchen, alles und jedem zu helfen.

-Und wäre dann doch wieder nur mit sich und ihrem Kram beschäftigt.
 

Ich finde, unsere Charaktereigenschaften machen uns zu perfekten Kandidaten für Politikkarrieren. Welcher Politiker ist nicht charakterlich irgendwie schwach, welcher nicht borniert?

Nikki, ich glaube, du lässt dir hier eine echte Chance durch die Lappen gehen.
 

Und meine VERLOBTE Lilli wäre wirklich nicht froh über einen Scheich Abd-El Kai.

-Vielleicht revolutioniere ich auch erst mal den Orient.
 

Ich mach nur Spaß.
 

Liebe Grüße

Kai
 


 


 


 


 

Ich weiß nicht, ob ich mich heute mit ihm noch mal verlobt hätte, wenn ich von seinen Plänen gewusst hätte.

Perfide.

Und ziemlich böse.

Meinen Bruder da mit reinziehen.

Was ein Quatsch.

Und je öfter ich mir diesen einen Brief durchlese, desto wütender werde ich.

Ich hätte ihn nicht mehr genommen, wenn ich gewusst hätte, wie minuziös er Nikki überredet hat, Tomoaki nach Kräften zu unterstützen und idealerweise selbst zu beratschlagen.

Vielleicht würde Tomoaki dann sogar noch leben.

Soweit ich weiß, war es nicht seine Idee gewesen, eine Wahlreise durch’s ganze Land zu machen.
 

Wie kann man nur so unglaublich berechnend an eine politische Karriere rangehen?! Kai gehört der Kopf abgeschlagen!

Und so was heirate ich demnächst.
 

Und die Revolution hat er auch nicht nur im Spaß gemeint, die war zu dem Zeitpunkt schon ganz schön ausgereift.

Ich hab eins seiner Notizbücher gefunden, indem er ein paar Ideen gesammelt hat.

Der größte Quatsch, aber es hat gewirkt.
 


 


 


 


 


 


 

-Coca-Cola mehr vermarkten.

-Taliban im Internet lächerlich machen.

-Apple-Promotion (wenn’s die bis dahin noch gibt)

-Koranneuerungen einführen (der Kerl weiß nicht mal, was im Koran drinsteht, obwohl er nach dem Recht dieses Buches regiert hat)

-Regierung absetzen -> Revolution des Volkes (Hm…. Muss was mit Religion zu tun haben… Lilli weiß da bestimmt was) (er hat mich nie gefragt…)

-Selbst an die Macht kommen hätte was. Nie wieder arbeiten. Nur Papierkram. Himmlisch…
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Die Liste war sogar noch länger, aber diese Ideen fand ich am absurdesten.

Nikki war bescheiden, als er noch mit Tomoaki in dessen kleiner Wohnung am Stadtrand von Tokio wohnte.

Zwar träumten beide von Osaka, aber solange Tomoaki nicht entsprechend verdiente, konnten sie beide das vergessen.

Trotzdem schrieben Kai und Nikki sich regelmäßig, was sie tun würden, kämen sie beide an die Macht, die damals schon viel zu greifbar war.

Tomoaki und ich haben davon nichts mitbekommen, ich bezweifle, dass Tomo jemals irgendetwas über die immer absurder werdenden Pläne seines Geliebten wusste.

Ich weiß es nur, weil ich die Briefe bekommen habe.

(Kai weiß nicht, dass ich seine gesamten Unterlagen durchwühlt habe, mittlerweile denke ich, dass er ziemlich sauer sein wird, wenn er es rausbekommt).
 

Ich hätte auch allen Grund dazu, Kai ziemlich böse zu sein, ich weiß mittlerweile, dass er meine gesamte Regierungsperiode hindurch Nikki seine Zweifel an meinem Regierungsstil ausgesprochen hat.

Frechheit.

Im Endeffekt war ich die einzige von uns vieren, die keine ekelhaften Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat.

-Keine Sprengung ganzer Kontinente.

-Keine Menschlichen Suppeneinlagen.

-Keine Krankheitskampfeinheit, deren Durchschnittsalter bei 11 Jahren lag.
 

Heißt nicht, dass ich eine Heilige war.

Im Endeffekt haben wir alle vier einen total unnötigen Krieg gegeneinander geführt.

Ein widerwärtiger Gedanke, wenn man bedenkt, dass wir währenddessen die ganze Zeit jeden Samstag beieinander gesessen haben und gute Freunde waren.

Und immer noch sind.

Die halbe Welt zerstört zu haben schweißt ungemein zusammen.

Vor allem die Tatsache, sich niemand sonst anvertrauen zu können.
 

Nun gut, ich hatte noch drei Menschen, mit denen ich sprechen konnte.

Netti war eine davon.

Die anderen beiden hingen genauso in der Sache mit drin wie ich selbst. Nur hatten sie es geschickter angestellt und sich unter meine Fuchtel begeben.
 


 


 


 


 


 


 


 

Fedora, meine Liebe,
 

Du musst unbedingt auf die Premiere kommen! Sag deinem Chef, dass es um Leben und Tod geht, wenn du nicht da bist!

Und das ist nicht mal gelogen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass nur du mich davon abhalten kannst, vor der Aufführung tot umzufallen.

Ich spiele Julia.

Ich wollte niemals Romeo und Julia spielen.

Schon gar nicht als Hauptrolle!

Und gleich dreimal nicht auf Russisch.

Ich bring die Hälfte der Worte immer noch nicht richtig über die Lippen, man wird sich über mich lustig machen.

Ich brauche dich da.

Kai wird nicht kommen können, er hat noch tausend Aufträge zu erledigen… Schlimm.

Bris, ich glaub, ich kotz gleich über das Briefpapier, wenn ich noch länger darüber nachdenk.

Wie geht’s dir?

Du musst irre beschäftigt sein mit deiner Forschung… Ich hoffe du findest die süßen Marsmenschen bald ;)

Vertrau mir, sie sind rosa und plüschig.

Vielleicht hat Sanrio schon ein Patent auf sie angemeldet?

Vielleicht sind sie aus Stoffwechselbetreibender Zuckerwatte?
 

-Gott, nein, ich muss wirklich raus, laufen gehen oder irgendetwas verprügeln.

Ich geh laufen.
 

Halt dich, meine Liebe und lass dich nich von den Männern unterkriegen.

Lilli
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Lilli, du kleines aufgeregtes Hühnchen.
 

Klar komme ich, wie könnte ich meine beste Freundin verpassen, wenn sie auf der Bühne steht und mit zusammengebissenen Zähnen einen hässlichen Romeo küsst?

-Nein, ich komme.

Mit Zigaretten, versprochen.

Aber diesmal reiherst du mir nicht über den Blazer, nur weil du das Nikotin nicht verträgst, wenn du nervös bist!

Meine Forschung läuft exzellent.

Ich habe von einem gewissen Herrn Dujewa eine gute Stange Geld bekommen, um weiterzumachen!

Noch zwei Monate und ich kann die erste Sonde rausschicken!

Die ersten Proben nehmen seit Jahren!

Und ich werde die Sonde leiten.

Von hier unten, von Murmansk aus.

Ist das nicht kurios und fantastisch?

-Ich muss es schaffen, bevor die Amerikaner mir zuvorkommen!

Wie furchtbar wäre das denn?

Am Ende haben wir humanoide Marsmenschen und die Amis machen ne zweite ‚brave new world’ draus.

Um Gottes Willen.
 

Sag Nadjenka, dass ich sie Liebe!

Dir kann ichs ja schreiben.

Ich liebe dich, Lillilein
 

Bris.
 


 


 


 


 


 

Samstag, 8. März 2014, 03.56, Gottseidank bin ich zuhause. Todmüde.
 

Um Gottes Willen. Ich will nie wieder Louise bei einer Aufführung, wenn ich weiß, dass Bris auch kommt.

Hätte es auch besser wissen können…

Kommunistin versus Kapitalistin kann einfach nicht hinhauen.

Kai würde sich auch nicht grad blendend mit meiner Lieblingsforscherin verstehen.

Was die beiden sich an den Kopf geworfen haben!

Himmel!

Nicht, dass ich nicht gewusst hätte, dass Louise ein Mundwerk hat, für das ein Waffenschein angebracht wäre, aber heute hat sie richtig zugelangt.

Und ich stand in der Mitte und wusste nicht, ob ich einen gezischelten Fluch nach links oder einen beschwichtigenden Blick nach rechts werfen soll.

Fedora war tödlich beleidigt, als Louise sie als ‚niedlich’ bezeichnet hat.

-Wäre ich auch gewesen, bei dem Blick, den sie draufgehabt hat…

Im Auto haben sie sich beinahe geprügelt, wer vorn bei mir sitzen darf.

Bris hat nachgegeben.

Die beiden liegen jetzt verteilt in meinen Räumlichkeiten und schlafen.

-Hoffe ich zumindest.

Ich werd’ mich nachher auf die Couch legen, Louise hat sich mein Bett geschnappt.

Vermutlich zu Repräsentationszwecken.

Fedora ist wütend vor sich hin fluchend (Gott sei Dank kann Louise noch weniger Russisch als ich) in die Küche gegangen und hat sich ihre Schlafmatte da hingelegt.

Mit Müh und Not hab ich sie ins Gästezimmer komplimentiert.

Diese Beiden.

„Diese widerwärtige Kapitalistin! Ihre Arroganz! Ich könnte ausrasten!“, ein Fluch, „Was glaubt sie wohl, wer sie ist?!“, Fluch, „Meint wohl, ihr gehört die Welt!“, Fluch, „Behandelt mich wie einen… Bauerntrampel!“

Es ging ewig so weiter.

Irgendwann hab ich ihr dann erklärt, dass eindeutig Louise der Bauerntrampel ist und ihr eine Tasse Johanniskrauttee in die Hand gedrückt.

Davon schläft man.

Vor allem mit Baldrian drin.

Zwanzig Minuten später war Bris im Lalaland gelandet und jagte rosa plüsch-Aliens und ich schlich zu Louise.

Die schaute mich mit ihrer üblichen hochgezogenen Augenbraue nur siegessicher an.

„Sie hat sich wohl ein bisschen echauffiert, ja?“

Dass ich ihr nicht meinen Fotoband ‚Botticellis Meisterwerke’ über den Kopf gezogen hab, war auch grad alles.

Er war nur leider außer Reichweite.

Ich glaube, Louise macht das mit voller Absicht.

-Nein, gut, ich weiß, dass sie es mit voller Absicht macht.

Ich hab mich lange mit ihr unterhalten, was sie von Bris so denkt.

Und das schlimme ist, sie vergöttert sie.

„Sie ist unheimlich. In jeder Hinsicht. Ich liebe ihre Haare, so herrlich kurz und lockig! Hat sie sie schon immer so? Lilli, du musst mir immer Bericht erstatten, wenn du sie siehst. Besonders wenn sie wütend wird. Sie ist Fabelhaft. Kann mir denken, dass ihr die Forschungsgelder nur so zufliegen.“

Ich hab ihr ein ums andere Mal gesagt, dass sie ihre Schwärmereien vielleicht ein bisschen anders zum Ausdruck bringen solle, vielleicht würde das ja etwas an Bris’ Meinung ändern, aber nein, Madame Ballard will genießen.

Vor allem das Leben.

In vollen Zügen.

Ich glaube, sie hat alle zwei Tage eine Affäre, sonst käme sie wohl nicht auf die Schnapsidee, dass sie sich erst ihre Hörner abstoßen müsse.

Ihre sind so enorm riesig, dass ich Zweifel hab, dass sie damit je Erfolg haben wird.
 

Egal.

Ich sollte Text lernen.

Oder ins Bett gehen.
 

Bett.

Definitiv.
 

Lilli



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2011-02-08T17:28:59+00:00 08.02.2011 18:28
Dieses Kapitel hat mir nicht so sehr gefallen wie das vorherige. aber zum Glück kann ich genau formulieren warum.
Die Idee Briefromane modern zu machen, war zwar gut, aber diesmal hat es nicht hin gehauen. Der Vorteil eines Briefromans ist es, dass Handlungsabschnitte, die man sonst nur runter rattern müsste, ein wenig mehr Herz bekommen. Briefe sind zwar dazu dar, nur zu erzählen was passiert ist, aber dennoch hat jeder Vefasser seine ganz persöhnliche Note.
Hier hat es trotz der Briefform gewirkt, als würde alles runter gerattert werden. Die Verfasser hatten kein Herz und keine Stimme. Das beste Beispiel dafür ist der erste Bief. Du hättest auch anders schreiben können, dass sie in der Schule aufgenommen wird. So ein offizieller Brief wirkt immer herzlos, und es bringt genau so viel, wie es rein prosa zu machen. Genau so gut könntest den "Antrag nach §7 Abs. 3 auf Immatrikulation" abtippen.
Außerdem hast du versucht so viele Informationen in dieses Kapitel zu quetschen. Ich wusste nicht was ich mir merken musste, und was nicht, und es ging alles so schnell. Sie fahren dort hin, dann dort und dann da... Ist jeder einzelne Punkt für die Handlung wichtig? Ich habe das Gefühl die Handlung würde für 10 Kapitel reichen.
Ich mag die Geschichte trotzdem bis jetzt als ganzes noch. 2 Dinge, die mir in dem Kapitel gefallen haben.
Bei einigen Charackteren hat man gemerkt, dass sie sich im Laufe der Handlund sehr verändern werden. Mich interessiert warum...
Außerdem ist das alles so schön international...
Von: abgemeldet
2011-02-07T22:26:50+00:00 07.02.2011 23:26
Meine Güte! Diese Geschichte hat mich um gehauen! (Bis jetzt)
Ich fand großartig, wie du aus den Perspektiven verschiedener Characktere erzählt hast, und einen Weg gefunden hast den Briefroman modern zu machen. Diese EMails sind so voller Herz geschrieben...
Und mir gefiel der Anfang. Die verfluchte Liebesgeschichte. So real und doch so verrückt.
Allerdings muss ich sagen, dass da vielleicht der ein oder andere Fluch zu viel war. Du willst rüber bringen, was das für einer ist, aber schlägst leicht über die Stränge.
Aber sonst ist das ein großartiger Prolog. Ich bin auf Beides gespannt: Auf die Dokumente und das was aus den Charackteren jetzt wird...


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