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Die Priesterin

von

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Azra schob den Rollstuhl in einem Tempo vor sich her, den das Vehikel bisher sicher erst selten auszuhalten hatte. Sascha musste sich fest an die Armlehnen klammern, um bei dem unwegsamen Gelände nicht aus dem Sitz geschüttelt zu werden. Beide waren heilfroh, als endlich der Stadtrand erreicht war.

Azra fragte einfach den erstbesten Menschen, der wie ein Einheimischer wirkte, wo sich Gefährte befinden könnten, die von der Polizei beschlagnahmt wurden. Dafür erntete sie neben einem wirklich schrägen Blick auch eine Adresse. Sie lächelte charmant und dankte höflich. Sascha blickte ihr genervt entgegen. „Wär das nicht auch dezenter gegangen?“ „Ja, aber nicht so schnell.“, gab Azra fröhlich zurück. Und bevor das Mädchen zurückzucken konnte, versetzte sie ihr einen leichten Nasenstüber. „Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich weiß, was ich tu.“

Sie musste sich selbst eingestehen, dass sie es genoss, dieses halbe Kind bei sich zu haben. Nie zuvor hatte sie sich ähnlich verlässlich und notwendig gefühlt. Azra gab zu, sie hätte sich gern an dieses Leben gewöhnen wollen. Doch Sascha schien es überhaupt nicht zu gefallen. Beleidigt rieb sie sich die Nasenspitze.

„Er hat gemeint, wir sollen der Straße bis zu einer Kreuzung folgen, bei der eine Tankstelle steht.“, erzählte Azra: „Also los.“ Sie klemmte sich hinter den Rollstuhl und setzte ihn zügig in Fahrt.

„Dann links.“, meinte sie, als die Tankstelle erreicht war: „Bis zum Schrottplatz.“

„Hinter dem Platz...“, sagte sie, als beide vor dem großen Einfahrtstor standen: „...sollen die beschlagnahmten Gefährte stehen, in einem großen Parkhaus.“ Sie schaute über das weite Feld voll Schrott. Dahinter zeichnete sich die obere Kante eines flachen Gebäudetrakts ab. Hinter ihnen fuhr ein Streifenwagen vorbei.
 

Die Wächter hatten ihn als Vermittler ausgewählt, weil bekannt war, dass Jakeem gern Bücher über andere Kulturen las und fremde Sprachen lernte. Daher nahm man an, dass er sich am besten zurechtfinden würde, in dem unbekannten Raum, in den sie ihre Jagd verschlagen hatte. Daher betrat nur er das Polizeirevier und stellte sich, etwas verlegen, an den Schalter.

Der Beamte sah flüchtig auf. „Ja, bitte?“ Jakeem kramte alles an Nizzisch zusammen, was er je gehört hatte, und meinte stockend: „Entschuldigend. Ich bin eine Frau finden wollend.“ Der Beamte betrachtete ihn Momente lang schweigend, bevor er brüllte: „Iljas!“ „Ja, was denn!“, kam es verärgert zurück. „Einer von deinen Leuten!“, rief der Mann am Schalter. „Ists wieder mein Bruder?“, fragte es aus dem Nebenzimmer: „Sag ihm, er kann mich mal!“ „Sags ihm doch selbst!“

Das alles hatte Jakeem nicht verstanden. Den nächsten Satz aus dem Nebenzimmer verstand er, wenn auch nur mühsam, der Dialekt war schrecklich. „Du kannst mich mal!“ Jakeem freute sich zu sehr darüber, seine Sprache zu hören, um sich über den Inhalt zu wundern. Er rief: „Sie sprechen meine Sprache?“

Aus dem Nebenzimmer streckte sich ein Kopf. Ein schmales Gesicht, bleiche Haut, schmale Katzenaugen, unter einem tiefschwarzen Schopf. Diesem folgte ein knabenhafter Körper, an dem die Uniform flatterte wie ein Clownskostüm. Der Blick war offen neugierig.

„Oh nein.“, meinte die Gestalt in Jakeems Sprache: „Nein, Sie sind nicht mein Bruder. Guten Tag.“ Sie kam hastig an den Schalter und streckte dem Wächter zum Gruß die rechte Hand entgegen. Jakeem ergriff sie derart enthusiastisch, dass ihm sein Benehmen kurz darauf selbst albern vorkam. Doch er konnte sich nicht daran hindern. „Guten Tag, ich bin Jakeem, Mann der fürstlichen Garde von Khariman und, verzeihen Sie mir meine Überschwenglichkeit, aber überglücklich, Sie kennenzulernen!“ Sein Gegenüber lachte laut auf. „Ach, macht nichts, ich versteh Ihre Erleichterung. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Sein Kollege deutete ihm, dass er für die Dauer des Gesprächs nach hinten verschwinden würde. Iljas nickte, ohne den Blick von Jakeem zu wenden.

Jakeem erklärte: „Eine Frau des Fürsten ist flüchtig. Sie steht unter Verdacht, zwei unserer Männer ermordet zu haben. Wir haben die Flüchtige bis hierher verfolgen können. Nun hoffen wir auf die Mithilfe Ihrer Leute für die weitere Suche. Hier sind die Daten, die wir haben.“ Er reichte dem Polizisten das mitgebrachte Datenpad.

„Ein Frachter der B-Klasse.“, murmelte der junge Mann, während er weiterscrollte: „So einer hat doch erst vor kurzem Probleme gemacht.“ Sichtlich erfreut sah er auf. „Ja, ich glaub, wir können helfen.“
 

Mindestens ein Streifenbeamter bewachte die Einfahrt des Parkhauses, das größtenteils unterirdisch liegen musste. Azra überprüfte das Magazin ihrer Pistole. Sechs Kugeln hatte sie noch. Doch schon ein Schuss dürfte reichen, alle Polizisten in Hörweite auf sie zu hetzen. Nein, der einfachste Weg war ausgeschlossen. Azra musste so leise wie möglich an der Wache vorbei.

Sie wandte sich zu Sascha um. „Ne Idee dazu?“, sie wies auf das Wachhäuschen. Sascha spähte an ihrer Begleitung vorbei und meinte: „Ja.“ „Und welche?“, fragte Azra, als sie lang genug vergeblich auf Fortsetzung gewartet hatte. „Ich roll vorbei...“, erklärte Sascha: „..., stürz aus dem Rollstuhl, er kommt mir helfen, du schlägst ihn nieder.“ „Es wird nach uns gefahndet.“, widersprach Azra: „Er kennt unsere Gesichter.“ „Ich fall so, dass er mich nicht erkennt.“, versicherte Sascha: „Glaub mir, das funktioniert.“ „Wenn da keine weiteren Wachen sind...“ Azra versuchte angestrengt in der Dunkelheit hinter dem Einfahrtsbalken mehr zu erkennen als nur Dunkelheit. Keine Chance. Sie atmete tief durch. „Wir müssens wohl versuchen.“ „Du wirst begeistert sein.“, versprach Sascha ihr trocken und rollte davon.

Im ersten Moment wollte Azra sie erschrocken hinter die Häuserecke zurückziehen. Eins musste man dem Mädchen kennen. Es kannte keine Unsicherheit, wenn es einen Plan hatte.

Azra sah Sascha vom Wachhaus wegrollen, der Polizist konnte unmöglich ihr Gesicht erkennen. Saschas Stuhl schien sich am Bordstein zu verfangen. Sascha stürzte. Tatsächlich bewegte der Wachmann sich.

Er ging zügig auf die verunglückte Sascha zu und rief vom Weg: „Geht's Ihnen gut?“ Sascha lachte beschämt. „Hehe, hoppla. Verzeihung!“ Der Polizist war an Azra vorbei. Azra schlich hinter ihm her, die Pistole verkehrt herum in der Hand. Sie wollte eben zuschlagen.
 

Die Sirene ließ alle erschrocken herumfahren.



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