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Enchanted.

rose & scorpius.
von

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a september to remember

»Siehst du scheiße aus«, kicherte eine piepsige Stimme direkt in mein Ohr und ich fegte mit der Hand durch die Luft – entschlossen, mir einen gewissen Grad an Privatsphäre zu erhalten.

»Verpiss dich, Myrte«, rief ich wütend und sah gerade noch, wie der Geist schnell den Kopf einzog, als meine Finger suchend über die Fliesen krabbelten und sich um meinen Zauberstab schlossen.

»Bulimie ist keine Lösung«, frohlockte das Geistmädchen verhalten und mir wurde bewusst, wie sehr sie sich in meinem Unglück suhlte. Da war mir die maulende Eigenart an ihr lieber.

»Alkohol wohl eher«, erwiderte ich verdrossen und hörte ein missbilligendes Schnalzen von der anderen Seite der Kabinentür. »Den gab es zu meinen Schulzeiten definitiv noch nicht auf derart exzessive Weise; Bulimie hingegen war ein weit verbreitetes Accessoire, immerhin wollten wir alle Tom gefallen.« »O Merlin, doch nicht etwa Riddle?«, spie ich angeekelt und wischte mir mit einem Taschentuch über den Mund, bevor ich den Arm austreckte und die Spülung betätigte, die mein Abendessen in die Tiefen des Abwassersystems sog.

»Doch, genau der tadellose, talentierte Tom Riddle! Meine erste, große Liebe und – mit Verlaub - die einzige «, schwärmte Myrte ernst und ich konnte nicht umhin, in einem weiteren Anflug zermürbender Übelkeit, die Kloschlüssel wie einen Rettungsring zu umfassen.

»Er hat dich getötet!«, sagte ich unumwunden und schüttelte ungläubig den Kopf, als nur ein kleines Seufzen über ihre Lippen kam. »Nein, das war dieses Schlangenvieh, nicht er.«

»Hör mal, hätte Tom die Kammer des Schreckens nicht geöffnet, dann hätte dich dieser Basilisk nicht getötet! Es ist Voldemort, der dich auf dem Gewissen hat!«
 

Abends - halb elf - in Hogwarts, dachte ich sarkastisch und verdrehte ein weiteres Mal die Augen. Es stieg die erste Party des neuen Schuljahres und anstatt ihr beizuwohnen, wie es zunächst angedacht gewesen war, verbrachte ich meine Freizeit auf dem Klo und spielte Therapeut für einen Geist.
 

»Nenn ihn nicht so!«, maulte Myrte und ihr Kopf zuckte so schnell durch die geschlossene Tür, dass ich geradewegs einen Blick in ihre mit Tränen gefüllten Augen werfen konnte. O Merlin, selten war mir ein so melodramatischer Geist begegnet. Eigentlich noch nie, wenn man von den Phasen des Kopflosen Nick einmal absah. »Als ich mich in ihn verliebte, da war er noch nicht dieser Voldemort«, rechtfertigte sie sich leise und ich zuckte mit den Schultern.

»Er legte sich diesen Namen schon früh zu, Myrte. Nur niemand hat geahnt, was da heran keimte«, argumentierte ich und sah, wie sie ihre Lippen mit jedem Wort fester aufeinander presste.

»Er wurde erst zu Voldemort, als er sich öffentlich dazu bekannte«, sprach sie und war so von ihren Worten überzeugt, dass ich nicht imstande war, ein Gegenargument zu äußern. Myrte hatte ein Jahrhundert Zeit gehabt, sich die Dinge einzureden – ich würde kein weiteres damit verschwenden, die Perspektive gerade zu rücken.

»Deine Sache«, entschied ich achselzuckend und hievte mich beschwerlich auf die Beine. Als ich die Kabinentür öffnete und zu den Waschbecken ging, folgte sie mir friedfertig und betrachtete still, wie das kalte Wasser über meine Hände rann, bis ich ihr einen skeptischen Blick zuwarf und sie sich die Brille etwas höher auf die Nase schob. »Warum bist du mich eigentlich besuchen gekommen?«

»Bin ich gar nicht«, sagte ich ehrlich und verdrehte beim folgenden Schmollmund die Augen. »Ich konnte schlichtweg nicht riskieren, dass ich auf den Flur kotze. Das wäre sofort zum Tagesthema des ersten Schultages geworden und eigentlich«, ich hielt inne und Myrte zog fragend die Augenbrauen in die Höhe, »sollte das Jahr rundum perfekt werden.«
 

Dass dieser Plan vor die Peitschende Weide geflogen war, erkannte sie mit ziemlicher Sicherheit an den Tränen, die mir sofort in die Augen stiegen. Ja, ich war schlichtweg die Versagerin auf allen Gebieten.
 

»Hey, sei froh, dass du lebst«, sagte Myrte leichthin und musterte mich dann doch mit unverhohlener Neugier. »Erzähl mir von dir.«
 

Ich schniefte und blickte einige Momente lang in den Spiegel. Zugern würde ich beschreiben, wie umwerfend ich doch aussah, aber mein rotes, langes Haar begann sich zu locken, obwohl ich mal wieder eine ganze Tube Saubermanns Magischglatt hinein geschmiert hatte, meine dunkelblauen Augen waren verquollen, als käme ich geradewegs von einem Boxkampf, und auf meinem hellen Teint hatten sich widerliche, rote Stressflecken gebildet. Zudem hatte Louis mir ausversehen Butterbier über das Kleid geschüttet und die Idee, dünnen, fallenden Stoff zu tragen, hatte sich klebend an meinem Körper als rein katastrophal entpuppt. Ich trug den ehrenhaften Familiennamen Weasley und hieß Rose, ach ja - und mein Leben ließ sich trotzdessen nicht als besonders schön oder aufregend bezeichnen. Kompliziert und langweilig, auch wenn man meinen könne, beide Begriffe schlossen sich rigoros aus, waren da die treffenderen Bezeichnungen. Ich schluckte und sah dann wieder zu der wartenden Myrte hinüber.
 

»Mein … mein Freund hat mit mir Schluss gemacht«, begann ich leise und fühlte mich unweigerlich an einen dieser Muggelfilme erinnert; ich sollte mein Skript an Hollywood verkaufen - ich würde wohl einwandfrei ins Klischee passen. »Das ist gerade mal fünf Stunden her und jetzt knutscht er mit Hazel Dean rum, was mich zu einem dummen, naiven Mädchen degradiert, weil ich dachte, mir würde das nicht passieren.«

»Er hat dich verletzt, aber er hat dich nicht zerstört«, merkte Myrte klug an und erinnerte mich einen kurzen Augenblick an meine Cousine Lily – altkluge Bemerkungen dieser Art hatte sie von Tante Ginny mit der Muttermilch aufgesogen.

»Dann bin ich nicht Schulsprecherin geworden, obwohl das alles war, was ich jemals erreichen wollte, wenn ich schon nicht imstande bin, ähnlich große Dinge wie meine Eltern zu fabrizieren. Merlin, Mum und Dad haben zusammen mit Onkel Harry die verdammte Welt gerettet!«, fuhr ich verzweifelt fort und unterdrückte den Drang, mich im Waschbecken zu ertränken.

»Harry Potter«, kicherte Myrte und überprüfte gedankenverloren ihr Aussehen im Spiegel, »eine Schwärmerei, die ich nie mehr vergessen werde.«

»Es war alles, was ich je erreichen wollte«, wiederholte ich und schlagartig wurde mir bewusst, wie viel ich an diesem Traum verschwendet hatte, nur in blinder Hoffnung, meine Eltern stolz zu machen. Sie waren es sowieso, hatte Mum mir versichert, nur genügte es mir nicht. Ich wollte ins Bild dieser tollen Familie passen, die wir zelebrierten.

»Moment, ist nicht diese Longbottom neue Schulsprecherin geworden?«, fragte Myrte da abrupt und als ich mit säuerlicher Miene nickte, riss sie verblüfft den Mund auf. »Wenn das mal nicht nach Korruption riecht«, verkündete sie düster und ich schüttelte den Kopf, selbst wenn ich zunächst das Gleiche vermutet hatte.
 

Alice Longbottom gehörte zur Elite von Hogwarts und obgleich ich nie den Wunsch verspürt hatte, dazuzugehören, beneidete ich sie trotzdessen um Status, Aussehen und ihre Art, jeden um den Finger zu wickeln. Zufrieden zu sein mit dem, was sie hatte (aber eigentlich bekam sie auch alles, was sie wollte). In den Jahren seit Victoire hatten stets die Hufflepuff Mädchen den Titel der Schulsprecherin ergattern können, was wohl auch daran lag, dass das Haus unter meiner Cousine langsam dem alten Schatten entwachsen und zu voller Größe und neuem Ansehen erblüht war. Ich biss mir auf die Unterlippe und blinzelte zu Myrte, die sich immer noch lauthals entrüstete. Es gab Dinge, die ich keinem gesprächigen Geist anvertrauen konnte und welche mich beinahe noch mehr belasteten als eine unerwartete Trennung und ein gestorbener Traum.

Ich suchte im Spiegel nach der alten Rose Weasley, doch erkannte sie nicht mehr. Mein bester Freund Louis hatte den Artikel in der MagicSunday zunächst vor mir geheim halten wollen, doch gelang es ihm mir gegenüber nie besonders gut, zu schauspielern, sodass ich schnell erraten hatte, wohin der Hippogreif lief. Es hatte mir ein Loch ins Herz gebrannt, auf der Titelseite Bilder von meinem Dad zu sehen, der gerade mit seiner Exfreundin Lavender Brown ein Lokal in London verließ. Erst im Zug hatte ich es gesehen, sonst hätte ich mich wohl schlichtweg geweigert, meine Mum in Kings Cross alleine zu lassen. Dabei hatte nur eine sinnlose Kontroverse ihrer perfekten Ehe solche Kratzer zugefügt. Ein Geheimnis. Ich schloss die Augen und versuchte, mir einzureden, dass es für mich okay war, insgeheim in den Sohn des Exfreundes meiner Mutter verliebt zu sein, von welchem mein Vater zu allem Überfluss nichts geahnt hatte. Was splitterte meine Seele nun eigentlich mehr? Zu wissen, dass Mum nicht der keusche Bücherwurm in ihrem letzten Schuljahr gewesen war, sondern es ordentlich mit einem Malfoy hatte krachen lassen, dessen Verhandlungen wegen Todesser Anschuldigungen zu diesem Zeitpunkt in Gange gewesen waren? Dass sie meinen Vater hintergangen und betrogen hatte, der mit meinem Onkel seelenruhig das Ministerium in London neu aufgebaut hatte? Oder war es mein Vater, der vor über zwanzig Jahren geschehene Dinge ins Bodenlose interpretierte und sich nun wieder mit seiner Jugendfreundin traf?
 

Ohne ein weiteres Wort an die von Ungerechtigkeit faselnde Myrte zu richten, verließ ich wie in Trance die Mädchentoilette und ignorierte jeglichen Protest des Geistmädchens. Als mir jedoch die kühle Luft der Nacht um die unbedeckten Beine tanzte, ließ ich mich mechanisch an der Steinmauer hinunter sinken, lehnte meinen Kopf dagegen, schloss achtlos die Augen. Ich war nicht schwach, vielleicht ein wenig labil, was man mir keineswegs vorwerfen konnte, wenn man all das bedachte, was sich mir in jüngster Zukunft geoffenbart hatte.
 

»Dein Leben ist langweilig, Weaslette«, strich eine vertraute Stimme meine Sinne und mein Herz verkrampfte sich jäh. Zaghaft öffnete ich die Augen und blinzelte misstrauisch zu dem Gryffindor empor, in den ich seit dem ersten Tag, als mein Vater mir aufgetragen hatte, ihn in allen Prüfungen zu schlagen, verliebt war. Er hatte keine Ahnung. Wir führten gänzlich verschiedene Leben. Weswegen ich nicht verstand, was uns an diesem Abend zusammenführte.

»Du brauchst ein bisschen Spaß, jemanden wie mich«, sagte er abschätzig und sein Blick fiel musternd über meine Beine. »Kein Interesse«, murmelte ich und verfluchte mein klopfendes Herz.

»Ich denke doch«, erwiderte der Malfoy nonchalant und grinste mich an. »Du weißt, wo du mich findest.«

Der süffisante Unterton trieb mir die Röte ins Gesicht und ich konnte nicht umhin, ihn zu beobachten, als er lässig weiterging. Wahrscheinlich zu einer elitären Party, denen Normalsterbliche nicht befugt waren, beizuwohnen. Perplex schüttelte ich den Kopf. Das war ganz und gar seltsam, untypisch. Immerhin hatte Scorpius Malfoy mich gerade eben angesprochen! Unwillkürlich bedachte ich die Wahrscheinlichkeit, dass sich unsere Universen wohl für einen Moment gekreuzt hatten. Etwas, das nur alle hundert Jahre passierte.
 

»Sieht so aus, als hättest du eine Ablenkung gefunden«, kicherte Myrte in mein Ohr und ich zuckte vor ihrem in der Wand steckenden Kopf zurück. »Und deinen Tod.«
 

Zu meiner Verteidigung sei anzumerken, dass ich wohl kaum einem unmoralischen und veheißungsvollen Angebot eines gutaussehenden (wahlweise - heißen, temperamentvollen, aristokratischen und raffinierten) Malfoys gefolgt wäre, wenn mein Leben nicht aus dem Rahmen gefallen wäre und wenn ich mich nicht so dermaßen orientierungslos gefühlt hätte. Aber wenn das Herz ein Kompass war, dann eröffnete sich mir in dem Moment ein neuer Weg, in dem ich am wenigsten damit rechnete.
 

tbc.
 


 

- ich wusste lange nicht, ob ich mich an diese geschiche wagen sollte oder nicht, aber dann blühte die idee bis ins kleinste detail auf. in der hoffnung, man liest/hört/schreibt sich bald,

die Herzkirsche

welcome to the wild zone

Es war mir schon immer ein leichtes gewesen, mich in substanzielle Schwulitäten zu manövrieren. Ich besaß einfach ein Händchen dafür. Obligatorisch auch die Nase, die Ohren und das Herz. Womit wir auch schon direkt bei meinem neusten Dilemma angelangt wären.
 

Der aufwirbelnde Staub kitzelte mir in der Nase, sodass ich mehrere Male herzergreifend niesen musste - genau dreimal bei Merlins Unterhose. Alice Longbottom wirkte demgemäß wohlerzogen genug, nicht den Standardspruch verlauten zu lassen, alldieweil Potter mich mit der üblich kühlen Physiognomie bedachte, doch sah ich den Spott hinter seinen Augen tanzen. Lediglich Scorpius kam amüsiert auf den angerichteten Schaden zu und bedachte mich mit einem durchtriebenen Grinsen. Verdammt! Wie lächerlich ich aussehen musste. Er hielt mir so unverhofft seine Hand hin, dass ich sie in ihrer Makellosigkeit zunächst nur skeptisch betrachten konnte. Ich traute ihm nicht. Ihnen allen nicht. Jedoch legte ich zögernd meine Hand in seine und er zog mich so schnell auf die Beine, dass ich perplex nach Luft schnappte. Natürlich konnte mir keine Peinlichkeit der Welt – nicht mal die neueste – die Scham ins Gesicht schreiben, allein Scorpius Malfoys Hand war dessen fähig. Unschlüssig klopfte ich mir die Schichten Putz und Staub ab, die sich auf mein peinliches Catwoman Outfit gelegt hatten und analysierte schnell meine Fluchtmöglichkeiten. Das Pokalzimmer hatte nur eine Tür, na toll.
 

»Immer gut für überraschende Auftritte«, raunte Scorpius mir zu und sein Grinsen ließ mich schmelzen wie - okay, Rose, Besinnung! Ich wandte schnell den Blick von seinen blaugrauen Augen ab und wippte dann von einem Bein auf das andere. Eine alberne Angewohnheit in Stresssituationen.

»Aber Rose! Wo kommst du denn so urplötzlich her? Ist das etwa ein Geheimgang? Was hast du getan?«, brachte Professor Longbottom endlich – nach einer gefühlten Endlosigkeit des Starrens – heraus und musterte meine Erscheinung verblüfft. »Nicht, dass wir nicht mit dir gerechnet hätten«, setzte er hinzu und auf sein Gesicht bettete sich ein freundlicher Ausdruck. Ein schneller Blick auf mein Dekolleté bewies mir, dass sich einmal mehr rote Stresspusteln bildeten. Wie erotisch, dachte ich zynisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ich war ... ich war nur ... spazieren«, brachte ich mühsam hervor, lächelte strahlend und zog scharf nach Luft, als Scorpius hemmungslos zu lachen begann. Arrrgh! Der machte noch alles zunichte. Die Chance von zwanzig Prozent Gnade dezimierten sich unaufhörlich. Jeglicher Punkteabzug würde Ravenclaw in den Minusbereich reißen!

»Spazieren?«, vergewisserte sich Professor Longbottom verdattert und nun begann auch seine Tochter zu kichern, während sich Potters Mund höhnisch verzog.

»Ja«, sagte ich ernst und wedelte mit der Hand durch die unbewegte Luft, »wer braucht schon Natur?« Meine erheuchelte Heiterkeit durchflutete das Zimmer und mein Lachen erstarb erst, als mir auch der letzte Ton in der Kehle stecken blieb. Aussichtslos. Was hatte ich nur getan? Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich war hoffnungslos verloren. Rose Weasley ward nie wieder gesehen, sinnierte ich und ein deprimiertes Seufzen löste sich von meinen Lippen.
 


 

Geschätzte dreizehn Stunden zuvor (plus/minus).
 

»Louis! Mach verdammt noch mal Lack!«, rief ich erbost und feuerte meine flache Hand gegen die verschlossene Badezimmertür, bevor mir der stechende Schmerz, der meinen Arm hinauf zuckte, versicherte, wie grundlegend heimtückisch jener Reflex gewesen war. Wimmernd klemmte ich meine schmerzende Hand zwischen meine Oberschenkel und verfluchte meinen besten Freund auf ungefähr dreizehn Sprachen – einer der Vorteile, wenn man mit James Potter verwandt war, gestaltete sich darin, dass man zwangsläufig Herr des Vokabulars wurde, das einem mit sofortiger Wirkung in einem fremden Land zum Staatsfeind degradierte. James hatte ein Händchen für unangemessene Verhaltensweisen entwickelt, um frühzeitig traditionellen Familienurlauben zu entkommen. Gerade, als ich ernsthaft mit dem Gedanken spielte, die Tür mit einem kräftigen Tritt zu öffnen, sprach der Feind: »Sei keine Dominique, Rose!«
 

Ich verdrehte die Augen. Es war immer dasselbe. Grundlegend war ich eine Meisterin im Verdrängen von Angelegenheiten, die mich dem Gefühl her rascher altern ließen, weil sie Pingpong mit meinem Herzen spielten. Diese Begabung hatte ich mir im zweiten Jahr angeeignet, als Alice Longbottom im Zauberkunstunterricht meinen – selbstverständlich in blinder Naivität an Scorpius Malfoy gerichteten - Liebesbrief verlesen hatte, der theoretisch nie hatte vorgetragen werden sollen. Florfliege Alice war natürlich so zuvorkommend gewesen, meine literarischen Ergüsse nicht dem Kaminfeuer zu überlassen, sondern mir den Brief hinterrücks zu stehlen. Manchmal stellte mir dieser Verdrängungsmechanismus als Selbstschutz jedoch auch ein Bein – beispielsweise lag mir die Möglichkeit solcher Badezimmerstellungskriege Ende des letzten Schuljahres fern, als es hieß, den Zimmergenossen anzugeben. Zumal die Chance für Louis und mich ohnehin niedrig gewesen war.

»Wenn du nicht gleich die Tür aufmachst, dann Gnade dir Merlin«, drohte ich mit dem gefährlichsten Zischen, zu dem ich morgens - sieben Uhr zweiunddreißig - imstande war und stapfte in meinem Pyjama in den gegenüberliegenden, kleinen Gemeinschaftsraum, in den sich ein warmer Septembertag bettete. Louis lachte. Ah ja, er nahm mich nicht ernst. Ganz falsche Entscheidung.

»Ich zähle bis drei, dann wird dein Feuerblitz zu Brennholz«, warnte ich beiläufig und stieß im Vorbeigehen absichtlich mit der Hüfte die teure Vase von Tante Fleur vom Tisch, die mit einem ohrenbetäubenden Geräusch auf den Boden schlug und zerschellte. Zufrieden vernahm ich ein Klicken von der Tür her, nur um im nächsten Augenblick Louis aus dem Badezimmer sprinten zu sehen, den Zauberstab bereits gezückt. Er versprühte wahrlich gottgleiche Ästhetik, als er vor dem Erbstück in die Knie sank, wie ich unumwunden registrierte. Viele Mädchen würden sich wünschen, dass er einmal derart panisch vor ihnen zum Halt käme. Aber das war Louis und Wünsche wurden in Hogwarts nur selten erfüllt.

»Reparo«, sagte er behände und die Bruchstücke setzten sich augenblicklich wieder zusammen.

»Fünf Sekunden Regel, oder was?«, spottete ich und verschwand eilig im Badezimmer, ehe mir die Schnelligkeit eines Quidditchspielers zuvor kam. Gegen die geschlossene Tür prallte etwas und ich riss empört den Mund auf. Bastard! Nun schickte er mir sogar schon Flüche hinterher!

»Hätte ich gewusst, dass deine Laune dieses Jahr noch mieser ist als die im letzten, dann wäre ich nicht mit dir zusammengezogen«, murrte Louis und ich konnte förmlich sehen, wie er sich lässig auf das Sofa fallen ließ und die Augenbrauen ärgerlich zusammenschob – selbstverständlich oberkörperfrei, sodass ich ein weiteres Mal bereute, nicht stets die Kamera griffbereit zu haben. Es gab Mädchen in Hogwarts, die für solche Fotos mehrere Galleonen springen lassen würden. Ich wusste das, weil ich mir im fünften Jahr damit eine Jahresration Saubermanns Magischglatt finanziert hatte. Bis Louis einen genervten Appell an meinen gesunden Menschenverstand gesendet, auf sein Grundrecht von Privatsphäre plädiert und mich zudem noch unverblümt mit einem Slytherin verglichen hatte.
 

»Du weißt gar nicht, wie sehr ich mir wünsche, sie hätten es einfach verboten«, rief ich wahrheitsgemäß und sprang mit der Zahnbürste im Mund unter die Dusche. Es gab mehrere Geschichten in meiner Familie, über die keiner vor Scham ein Wort verlor. Selbstverständlich waren das die Interessantesten. So hatten Louis und ich uns zunächst wenig Hoffnungen gemacht, gemeinsam eine Wohnung im Ravenclaw Komplex beziehen zu dürfen, aufgrund fragwürdiger Spielchen, die Dominique und Fred ein Jahr zuvor getrieben hatten – dabei wusste niemand genau, was die beiden überhaupt getan hatten, nur eines war glasklar: es musste skandalös gewesen sein. Aber offensichtlich traute die Schulleitung Louis und mir dieselben Schweinereien nicht zu, weswegen sie erlaubt hatten, dass ich mit meinen Cousin zusammenzog. Leider, um mich zu verbessern. Leider. Auf niemanden mehr war Verlass.

»Ich will am ersten Tag nicht gleich zu spät kommen, okay?«, rief ich beschwichtigend, als ich das Wasser abstellte und mich abtrocknete. »Schon klar«, folgte die mürrische Antwort und ich verdrehte die Augen. Louis hatte keinen Grund, eine schlechte Laune zu schieben. Ganz allein ich hatte das Vorrecht.

»Wenn ich’s mir recht überlege«, murmelte ich leise und wischte mit der Handfläche über den beschlagenden Spiegel, »gehe ich am besten gar nicht mehr zum Unterricht.« Meine blauen Augen glitten über mein Gesicht und unwillkürlich schob ich die Augenbrauen zusammen, als ich die dunklen Schatten betrachtete, die auf der blassen Haut ihre Spuren hinterlassen hatten. Seltsamerweise zeichnete das Unglück ausnahmslos mich; Alice Longbottom hatte wahrscheinlich keine Ahnung, was Augenringe überhaupt waren.

»Wie war denn die Party noch?«, fragte ich laut und ignorierte den Stich in meiner Magengegend. Louis war Gentleman genug, um über gewisse Dinge zu schweigen - »Dein Ex hat Hazel Dean abgeleckt, als gäbe es kein morgen.« - ach ja, und er war mein bester Freund, der mir gegenüber grundsätzlich nichts beschönigte, wenn es nicht auch angemessen war. Nun ja, Liebeskummer fiel nicht unbedingt in den von Louis angelegten Erwartungskatalog für die ausgewählten Gründe, Verständnis mit einem gebrechlichen Mädchen zu zeigen. Ich öffnete die Tür und trat in meiner Schuluniform, welche das Blau unserer Hausfarben dominierte, in den Flur. Louis hob den Kopf und sackte dann stöhnend zurück.

»Du heulst ja! Merlin, ich dachte, dein Verdrängungsmechanismus ist etwas besser intakt!«, er schüttelte den Kopf, dann sprang er auf und kam auf mich zu, »Tut mir Leid, Rosie.«

»Schon gut«, schniefte ich und band ihm die Krawatte neu. »Und wie war dein Abend?« »Dieselbe Musik, dieselben Mädchen, derselbe Alkohol«, spulte er achtlos hinunter und zuckte mit den Schultern. »Ich sage dir – da hat selbst Madam Puddifoots mehr Kreativität als die Strippenzieher hier.«

»Niemand kommt an James ran«, stellte ich zum wiederholten Male fest und griff nach meiner Schultasche.

»Aber ich wäre nicht Louis Weasley, wenn ich nicht schon eine neue Idee hätte«, verkündete mein bester Freund und schenkte mir ein strahlendes Lächeln, das mir nur einen skeptischen Blick entlockte. Als ich die Haustür frenetisch aufzog, wäre ich beinahe in die schwebenden Stundenpläne gerannt, aber Louis zog mich rechtzeitig zurück und fischte die Blätter aus der Luft.

»Ah, nach dem Frühstück endlich wieder schlafen«, sagte er euphorisch und grinste breit, sodass ich nicht umhin konnte, einen Blick auf meinen eigenen Plan zu werfen. Zaubertränke, o man. Louis hatte das Fach abwählen können, doch meine innere Alarmglocke hatte mir dargeboten, wie wichtig dieser UTZ eventuell für meine baldige Berufswahl sein könnte, insofern ich mich endlich einmal entschied. Unwahrscheinlich. Ich spähte über Louis‘ Schulter und sah, dass Zaubereigeschichte sein erster Kurs war. Das erklärte so einiges.

»Was meinst du für eine Idee?«, hakte ich nach und verstaute den Stundenplan in meiner Tasche. »Ganz einfach – wir werden die elitären Partys besuchen.«

Ich lachte unwillkürlich auf. »Du weißt schon, dass das nicht so einfach ist?« »Nicht einfach, aber auch nicht unerreichbar«, er warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu und eine Weile schlenderten wir still nebeneinander her – ich widmete mich ganz und gar dem Versuch, nicht an Scorpius Malfoy, den gestrigen Abend und sein Angebot zu denken. Erfolg schmeckte anders.
 

Die Häuser Komplexe für die Siebtklässler lagen nahe dem Quidditchfeld, auf dessen Höhe uns immer mehr Schüler begegneten, die ebenfalls zum Frühstück in der Großen Halle strebten. Wir waren ein geburtenreicher Jahrgang, sodass mehrere Kurse für jedes Unterrichtsfach organisiert werden mussten und eine gewisse Anonymität herrschte, welche bei unseren Eltern allgemein noch immer für Unverständnis sorgte. Zudem hatte es sich in der Vergangenheit bereits bei ähnlich großen Abschlussklassen als lukrativ erwiesen, die ältesten Schüler in Wohngemeinschaften außerhalb des Hauptgebäudes unterzubringen, da die Türme und Kerker ihre Kapazität mit den ersten bis sechsten Klassen voll ausschöpften. Es wurde mehr Ruhe versprochen, als in den überfüllten Gemeinschaftsräumen gewährleistet, und jenes entgegengebrachte Privileg hatten - meines begrenzten Wissens nach - nur Fred und Dominique im vergangenen Jahr überanstrengt. Okay, James Potter mit ziemlicher Sicherheit auch, aber dessen Akte war ohnehin schon so dick, dass sie Filch womöglich hätte erschlagen können.
 

»Hey, wie ging eigentlich dein Abend aus?«, fragte Louis abrupt und ich presste in einem Anflug von Selbstmitleid die Lippen aufeinander, ehe ich trocken erwiderte: »Wie beim Ausverkauf – alles musste raus.«

Louis lachte, aber mir blieb das Fünkchen Frohmut in der Kehle stecken, als ich die Person erkannte, die mit wellenschlagender Arroganz auf den Treppenstufen hinauf zum Schloss saß und etwas zwischen den Fingern drehte, das unverkennbare Ähnlichkeit mit einer Muggelzigarette besaß. Du bist ja so verdammt cool, dachte ich ironisch und verspürte den Drang, es ihm lauthals zuzurufen. Der Siebzehnjährige hatte verwegenes, schwarzes Haar und leuchtend grüne Augen, die perfekt zum Grün seiner Schuluniform passten. Albus Severus Potter war mein Cousin, aber kein Freund. Wohlgemerkt war er der typische Slytherin, obgleich jene ihrer vollkommenen Abneigung gegen andere Häuser über die Jahre hinweg abgeschworen hatten – er behielt diese Verhaltensweise bei. Es gab lediglich zwei Menschen, die seiner grundlegenden ‚die Welt ist scheiße‘ – Attitüde entkamen und das waren Alice Longbottom und Scorpius Malfoy; zusammen bildeten sie das Goldene Trio von Hogwarts. Obwohl ich nicht sicher wusste, ob Albus sie nicht doch in einer brenzligen Situation verraten würde, um seinen eigenen Hals zu retten. All die Gründe aufzuzählen, um ihn nicht leiden zu können, würde mich Stunden meines Lebens kosten.
 

»Bella«, sagte Albus gelassen und im üblich gelangweilten Tonfall, als wir an ihm vorbeigingen – selbstverständlich schenkte er uns Familienmitgliedern keine Aufmerksamkeit – und ich konnte nicht umhin, einen Blick über die Schulter zu werfen und Longbottom zu erkennen, die sich von ihrer Mädchenclique löste und strahlend auf ihn zukam. Außer Victoire hatte ich lange Zeit niemanden gekannt, dem die Hufflepuff Farben so exzellent standen – dann traf ich die bezaubernde, allseits beliebte Alice. Mir wurde schon wieder schlecht, na toll. Ich versuchte, irgendeinen Makel an dem kontrastreichen Paar festzustellen, das dicht hinter uns in die Große Halle schritt, aber ich fand keinen, außer vielleicht fragwürdigen Charaktereigenschaften. Aber wer achtete schon auf den Charakter? Jedes Leben gab dir mindestens eine Ziege oder einen Macho – grundsätzlich. Ich hatte beides.
 


 

Noch vor dem Beginn der ersten Stunde erlahmten schließlich alle meine Verdrängungsmechanismen in chronologischer Reihenfolge. Beim Frühstück verkippte ich zunächst in heller Panik mehrere – ja, wenn dann richtig! – Krüge heißer Honigmilch, als mir die Schlagzeile des Tagespropheten ins Auge sprang, die seltsamerweise an diesem Morgen jeder verdammte Schüler in Hogwarts las. Das Blatt titelte mit der baldigen Scheidung meiner Eltern und zeigte meinen Dad wieder mit dieser Lavender Brown. Erst mein Bruder Hugo war imstande, mich zu beruhigen, als er mir den eilig dahin geschriebenen Brief reichte, den Mum geschickt hatte, um umgehend auf den Artikel zu reagieren. Wir sollten der Presse mit ihren Lügen keinen Glauben schenken, las ich. Alles zwischen Dad und ihr liefe ganz prima. Ich heulte zwar nicht los, aber ganz Hogwarts war Zeuge meines äußerst hysterischen Lachanfalls. Ein Wunder, dass Alice Longbottom nicht sogleich die Erstklässler evakuierte, da die gestörte Rose Weasley frei herumlief. Ein Glück für mich, dass von Scorpius Malfoy jede Spur fehlte.

Dafür schoben sich mir jedoch mein Exfreund Daniel Jordan und Hazel Dean ins Blickfeld und zu meinem Kummer über die Situation meiner Eltern, mischte sich deutliches Unwohlsein. Es stand nicht unbedingt in meinem Sinn, Myrte zweimal in vierundzwanzig Stunden zu besuchen, also versuchte ich schleunigst, die Kontrolle über meinen rebellierenden Magen zurückzuerlangen. Na, wenigstens war Daniel so nett und steckte ihr nicht gleich die Zunge in den Hals, als er einen Blick auf den Tagespropheten warf und den Artikel kurz überflog. Trotzdem wünschte ich ihm tausend Dementoren an den Hals – er hatte immerhin effektiv zu meinem Unglück beigetragen.

Und zu guter letzt erstarb auch der neu erworbene Mechanismus, nicht unnötigerweise und nicht noch mehr als ohnehin schon an Scorpius Malfoy zu denken, als dieser in die Eingangshalle gerauscht kam – verschlafen, mit verwegenem, blonden Haar und verkehrt geknöpften Hemd, von der Krawatte kaum zu reden. Einzig und allein ein Malfoy schaffte es, sich die Unpünktlichkeit ungemein gut stehen zu lassen. Ich seufzte, als ich beobachtete, wie er eilends zu seinen zwei besten Freunden ging, die vor der Großen Halle spöttisch grinsend auf ihn warteten. Albus warf ihm lässig ein paar Toastscheiben zu und Alice reichte ihm mit bedeutungsschwangerem Blick den Tagespropheten. Mein Herz krampfte sich in diesem Moment zusammen und ich hatte es ungemein eilig, mich von Louis zu verabschieden, dessen Unterricht in Professor Binns Klassenraum stattfand, während ich hinunter in die Kerker musste.
 

Mir gefiel die Vorstellung nicht, dass Scorpius Malfoy sich meine Familientragödie zu Gemüte führte. Dass er womöglich Wind davon bekam, dass sein Vater meine Mutter flachgelegt hatte, denn natürlich würde dann meine Leidensgeschichte fortgeführt – indem er sein großzügiges Angebot zurückzog. Denn ein Scorpius Malfoy hatte seine Prinzipien, all solche, die ich gerne mal über den Kesselrand warf. Ich sinnierte weiter über sein unmoralisches Angebot und kam zu dem Schluss, dass ich eine Närrin wäre, wenn ich die Chance auf Ablenkung ungenutzt ließe, als mich eine vertraute Stimme aus den Gedanken riss.
 

»Guten Morgen. Dürfte ich mich neben dich setzen?«, fragte Alice Longbottom förmlich und wie vom Donner gerührt, blickte ich zu ihr auf. Ich musterte sie in ihrer perfekt sitzenden Uniform und mein Blick blieb an dem Schulsprecherabzeichen hängen, welches mir frisch poliert entgegen glänzte. Da gab es unzählige Gründe, einfach nein zu sagen. Aber ihre Frage hatte mich so sehr verwirrt, dass mir das ablehnende Vokabular wohl entfallen war. Ich sah mich um und stellte fest, dass es wohl nicht an der Auswahl lag, denn es waren noch mehr als die Hälfte der Tische unbesetzt.

»Wieso?«, entgegnete ich skeptisch und Alice‘ Mundwinkel rutschte ein paar Zentimeter abwärts, doch der freundliche Zug um ihren Mund blieb trotzdessen bestehen. Meine Augenbrauen wanderten indessen fragend in die Höhe. »Zaubertränke liegt mir nicht ganz und-«, sie brach ab und verdrehte die Augen in einem Anflug von Scham. Moment – Alice Longbottom druckste herum? Ernsthaft? Ich nickte und kam mir mit einem Mal ungeheuer wichtig vor – denn ich war die Jahrgangsbeste (wenigstens etwas in meinem ansonsten miserablen Leben). »Und weder Potter noch Malfoy sind hier«, beendete ich wissend und gestikulierte dann zu dem freien Platz. »Von mir aus.«

»Danke«, sagte sie und ich bedauerte, dass ich kein Aufnahmegerät bei mir trug, wie sie mein Großvater väterlicherseits fanatisch sammelte. Ein wiederkehrendes Danke von Alice Longbottom wäre nämlich definitiv ergötzender, als vorm Einschlafen Minimuffs zu zählen. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie sie ihre Bücher vor sich ausbreitete. Auf jedem der teuren Erstausgaben leuchteten mir im unteren Rand die Initialen AAA entgegen.

»Wieso dreimal A?« Meine Frage ließ sie aufhorchen und leicht lächelnd folgte sie meinem Blick. »Mein Name, Weaslette – Annabell Alice Abbott«, erwiderte sie spöttisch und ich schüttelte langsam den Kopf.

»Merlin sei Dank für das Stilmittel der Alliteration«, äußerte ich sarkastisch und verdrehte die Augen. »Die meisten kennen mich als Alice Longbottom, nur die Jungs und meine Freundinnen nennen mich Bella. Aber wenn ich mich nächstes Jahr an den Universitäten bewerbe, dann will ich keinen Bonus wegen meinem Namen, deshalb nehme ich den meiner Mum«, erklärte sie gravitätisch.

»Dein Leben muss ungemein anstrengend sein, wenn das dein einziges Problem ist«, murmelte ich lakonisch und verdrehte die Augen.

»Weißt du, nicht alle Eltern machen ihre Trennung öffentlich«, erwiderte sie angriffslustig und mir wurde plötzlich bewusst, dass wir tatsächlich eine Gemeinsamkeit teilten. Betreten starrte ich auf meine Fingernägel, während sie seufzend in ihrer Tasche kramte. Wahrscheinlich dachten wir beide mit Grauen an die Länge des Schuljahres, die wir in dieser Konstellation zu meistern hätten. Ein Stöhnen entsprang meiner Kehle, als mich die Tiefe meines schlechten Gewissens ins Herz biss. Ich hatte wahrlich ein Händchen für unpassende Äußerungen, aber woher hätte ich auch ahnen sollen, dass Alice‘ Leben eben nicht so perfekt war, wie jedermann annahm? Ich versuchte, mir keine weiteren Gedanken darüber zu machen und als endlich Professor Eltringham in den Raum geschossen kam, versank ich schnell in den Worten, die ihr Zauberstab an die Tafel krakelte.
 

»Herzlich Willkommen zum UTZ Kurs Zaubertränke. Ich erwarte von Ihnen allen in diesem Jahr bestmögliches Schaffen«, ein schmallippiges Lächeln zog sich über ihr Gesicht und ihr Blick huschte über jeden einzelnen von uns, »Also zeigen Sie mir, dass sie zurecht hier sind und fertigen sie in Zweierteams den Trank der lebenden Toten an.«

»Das ist doch Kapitel-«, setzte Alice entrüstet an und ich schüttelte genervt den Kopf. »34, ja! Na und? Eltringham macht doch immer Sachen, die wir nicht beherrschen, nur um uns bloßzustellen«, erwiderte ich und stützte den Kopf auf meine Handfläche, »weil wir das theoretisch ja auch nicht können dürften.« Alice‘ Miene entspannte sich augenblicklich.

»Dann gehe ich mal die Zutaten holen.« Ich nickte und schob meine Bücher beiseite, bevor ich mich zu ihrem Platz drehte und hilfsbereit genau dasselbe anstrebte, als ich jedoch in der Bewegung verharrte.

Seit ich Alice Longbottom kannte, träumte ich davon, ihr das beschissene Tagebuch zu entreißen, das sie ständig mit sich schleppte. Insbesondere hegte ich diesen Wunsch, seit sie meinen Liebesbrief in der Zweiten laut vorgelesen hatte. Meine Vorstellung war immer soweit vorangeschritten, dass ich das Buch in den Händen hielt, ohne direkt zu wissen, was ich letztendlich damit anstellen sollte. Es lesen. Logisch. Es laut vorlesen. Gut möglich.

Doch nun erkannte ich den roten, aufgeschlagenen Einband, der mir sechs Jahre lang entgegen geglänzt hatte, als Terminplaner. Was zum Voldemort hatte eine Elfjährige denn bitteschön für einen vollen Terminkalender, dass sie das Buch ständig hatte rumschleppen müssen? Enttäuscht griffen meine Finger danach und wollten es zuschlagen, als meine Hand zurückzuckte, als hätte ich mich verbrannt. Geheimnisse hin oder her, auch wenn es nicht so interessant anzusehen war wie ein mögliches Tagebuch – wenn Alice wiederkäme, würde sie mir zweifelsohne einen Vortrag über Privatsphäre halten, sollte es nicht mehr am üblichen Platz liegen, und darauf konnte ich getrost verzichten.

Aber ich war eine Weasley. Alle meine Familienmitglieder trugen eine ungemeine Neugierde mit sich herum, da war ich beim besten Willen nicht die einzige, doch während mein Großvater neugierig gegenüber Muggelerfindungen, James hinsichtlich Frauen und Louis gegenüber der Elite war – mich reizte am meisten ein Blick in das Leben der Alice Longbottom. Ich hatte eine genaue, kranke Vorstellung von der verkorksten, alles zeitlich einplanenden Hufflepuff, weshalb ich wohl auch in diesem Moment kurz auf die Seiten spähte. Nur so. Zur Einschätzung meiner Menschenkenntnis. Welche im Übrigen für den Hippogreif war – es war anders als alles, was ich erwartet hätte. Gähnende Leere herrschte in der Übersicht für die erste Schulwoche, nur einmal war ein Treffen mit den Vertrauensschülern vorgesehen. Ich verzog enttäuscht den Mund und seufzte. Es wäre ja auch zu schön gewesen, w- Moment! Ich beugte mich über das Büchlein und sah mich im Kerker um, alle waren damit beschäftigt, ihre Kessel vorzubereiten oder umher zueilen. Niemand achtete auf mich – der Vorteil, wenn man Rose Weasley war.
 

»Apparo«, flüsterte ich versuchsweise und die Spitze meines Zauberstabes tippte auf die Seite, auf welcher im nächsten Moment eine ganze Reihe von weiteren Notizen in allen erdenklichen, leuchtenden Farben erschienen. Zufrieden grinsend überflog ich die Einträge. Zaubertinte, ha! Zum Glück hatten Louis und ich oft genug im Kindergarten Detektiv gespielt – ein Unterfangen, dem wir auch noch heute bei Familiengeheimnissen gelegentlich nachgingen. Alice war so, wie ich es mir immer gedacht hatte, obgleich sie nicht notierte, wann sie zur Toilette ging oder so; ich war dennoch nahe dran gewesen. Mir fielen die leuchtend roten Termine ins Auge. Pokalzimmer. Jeden Abend der kommenden Woche zierte dieses Wort, womit ich mich unbewusst fragte, was in diesem verstaubten Raum los sein mochte. Ich lehnte mich zurück und murmelte Obscuro gerade in dem Moment, als sie aus der Vorratskammer gerauscht kam. Die Schrift verblasste augenblicklich.

»Ich hab alles«, verkündete sie zufrieden und breitete die Zutaten auf dem Tisch aus. »Okay«, sagte ich gleichmütig und ließ den Blick über unseren Tisch wandern. »Dann würde ich sagen, hackst du die Affodillwurzel fein durch und ich passe auf, das der Wermut richtig zerkocht und-« »Machst auch den Rest?«, fragte Alice hoffnungsvoll und ich seufzte. Selbst wenn ich ihr unter normalen Umständen nur in äußerster Not geholfen hätte, verspürte ich – nur Merlin wusste warum, ich jedenfalls nicht - ein schlechtes Gewissen, in ihren Terminplaner gespäht zu haben, weshalb ich nur knapp nickte und sie erleichtert aufatmen konnte. Unwillkürlich fragte ich mich erneut, was sie jeden Abend dieser Woche ins Pokalzimmer lockte. Bei dem Gedanken, ein Geheimnis der makellosen Alice Longbottom aufzudecken, kribbelten meine Fingerspitzen.
 


 

Der Mittag kam rasch und da ich mich den Abend zuvor beim Festessen mit Lily für die Pause verabredet hatte, stürmte ich nach Pflege magischer Geschöpfe und nachdem ich Hagrid abgewimmelt hatte, der mir mit Fang am liebsten sogleich ein neues Nest Acromantula im Verbotenen Wald gezeigt hätte, ohne Rücksicht auf Verluste die Treppen hinauf zum Astronomieturm.

»Halbzeit Lils«, sagte ich grinsend, als ich hinaus in die Freiheit schlüpfte und mein Blick über den wolkenlos blauen Himmel wanderte. Ich liebte unsere Mittagessen auf dem Astronomieturm, wobei wir dieses Privileg allein Lily und ihren ausgezeichneten Kontakten zu den Hauselfen zu verdanken hatten. Die Potter selbst hockte schon auf dem Boden und stocherte mit missmutiger Miene auf ihrem Teller herum, sodass ich nicht umhin konnte, fragend eine Augenbraue zu heben, als ich mich neben sie setzte. »Wie war dein Tag bis jetzt?«, formulierte ich vorsichtig und schaufelte Kartoffelecken und andere Leckereien auf meinen Teller, während leichte Schadenfreude mich beim Gedanken an die anderen überkam, welche sich wohl mit Eintopf oder dergleichen zufrieden geben mussten. Lily schnaubte, zuckte dann jedoch gleichgültig mit den Schultern.

»Er will mich nicht«, sagte sie lakonisch und ich schmeckte die Bitterkeit aus ihrer Stimme heraus. »Was ist schiefgelaufen?«, fragte ich überrascht und ehrlich verwundert – Lily bekam normalerweise immer, was und wen sie wollte. »Weißt du, ich dachte wirklich, er wäre ein cooler Typ. Aber einem Slytherin steht es nicht besonders gut, wenn er nur von einem anderen Mädchen faselt«, sie verzog den Mund und schüttelte entrüstet mit dem Kopf, »Lorcan Scamander jagt offiziell Dominique hinterher!«

»Unserer Dominique?« »Ja«, knurrte Lily und strich sich beherrscht eine rote Haarsträhne hinter das Ohr, während sie das Messer in ihrer Hand gefährlich durch die Luft schwang.

»Kannst du dir das vorstellen? Endlich ist da mal ein Junge, der mir wirklich gefällt und dann bin ich ihm nicht Veela genug, oder was?«

»Woher kennt er Dome überhaupt?«

»Von Victoires Hochzeit, natürlich! Das ist doch wirklich Ironie - da überrede ich ihn an diesem Abend stundenlang mit mir zu tanzen – natürlich mit Erfolg -, verspüre dann wirklich Zuneigung für einen Kerl und erfahre dann, dass er eigentlich den ganzen Abend nur auf Dome gestarrt hat!« Lily ließ mutlos den Kopf in die Hände sinken und ich tätschelte ihr die Schulter.

»Er hat keine Chance bei Dome«, sagte ich und wusste nicht, ob meine Einschätzung ihr wirklich half, bis Lily gluckste und mich mit einem strahlenden Lächeln bedachte – man konnte ihr erfahrungsgemäß nicht trauen, wenn sie so schaute. »Das habe ich ihm auch gesagt.« Ich schluckte hart und meine Nasenspitze kribbelte unheilverkündend. »Was genau?«

»Dass Dominique mehr auf ihr eigenes Blut steht.« Ich zog scharf die Luft ein und Lily lachte ausgelassen. »Wir wissen doch gar nicht, ob das stimmt!«, rief ich ungehalten und gestikulierte wild mit meiner Gabel, ehe ich mir die daran baumelnde Kartoffelecke in den Mund schob. »Fred und Dome sind vielleicht wirklich nur Freunde!«

»Ich hoffe doch nicht«, erwiderte Lily ehrlich und ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Manchmal bist du wirklich `ne richtig alte Sabberhexe«, äußerte ich unschmeichelhaft, doch Lily störte sich nicht daran.

»Ich bitte dich, eine Freundschaft zwischen Mann und Frau kann nie gutgehen. Da kommt schlichtweg immer der Sex dazwischen. Und ich gehe jede Wette ein, dass das Fred und Dome auch erfahren mussten.«

»Nicht jedes Leben hat Ähnlichkeit mit den Intrigen von Hexenherz«, argumentierte ich und verwies damit auf Lilys lausige Lieblings-Daily-Soap, welche großen Anhang bei jungen Hexen fand, obgleich man damit wohl kaum je auf den Wissenstand käme, ein paar neue Anwendungsbereiche für Drachenblut zu finden. Merlin, unsere Generation.

»Außerdem sind Louis und ich auch beste Freunde«, fügte ich trotzig hinzu und Lilys haselnussbraune Augen schweiften in die Ferne. »Das ist was anderes«, sagte sie schließlich und ich zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe.

»Ach echt?« »Ihr seid mehr wie Bruder und Schwester. Und Merlin – ich wünschte wirklich, ich müsste dich nicht ausgerechnet mit ihm teilen«, klagte sie und verdrehte die Augen, alldieweil mir nur ein kleines Seufzen entkam.
 

Ich konnte schlichtweg nicht ohne meinen besten Freund Louis leben – so einfach. Aber ich konnte auch nicht ohne meine beste Freundin Lily leben – allein schon, weil man besser immer noch eine weibliche Meinung einholte. Aber Louis und Lily konnten sich nicht ausstehen und dass die ersten vierundzwanzig Stunden des neuen Schuljahres glimpflich vergangen waren, grenzte an ein reines Wunder. Normalerweise mussten die beiden nur im selben Raum sein und schon flogen die Fetzen, weshalb die Familie und meine Wenigkeit diesen Möglichkeiten bestmöglich aus dem Weg gingen. Das ganze kindliche Verhalten zehrte zwar sehr an meinen Nerven, doch zwischen den zwei ungleichen Seelen würde wohl nie Frieden einkehren – eher würde Voldemort auferstehen oder ähnlich Utopisches geschehen. Sobald sich meine eigenen Probleme also verringern würden – gleichsam utopisch -, nähme ich mich ein für allemal dem Louis und Lily Fiasko an.
 

»Der Artikel im Propheten war echt totaler Flubberscheiß«, wechselte Lily abrupt das Thema und schob sich einen Löffel Pudding in den Mund. »Ich vermute stark Kimmkorn dahinter, die Alte hegt doch immer noch einen Groll gegen deine Mum, oder? Wie geht es dir?« Ich lehnte mich an die kühle Steinmauer und hielt einige Sekunden das makellose Bild fest, das sich vor uns erstreckte, ehe ich vorsichtig zu einer Antwort ansetzte: »Ich weiß, dass meine Eltern zurzeit mein größtes Problem sein sollten, wirklich.«

»Aber?«, durchschaute Lily mich sofort. »Weder meine Eltern, noch die Trennung von Daniel und auch nicht das verpatzte Schulsprecherabzeichen beschäftigen mich zurzeit am meisten«, gab ich zu und seufzte melodramatisch auf. Ach man, ich war ein hoffnungsloser Fall. »Was denn bitteschön dann?«, fragte Lily irritiert und ich straffte augenblicklich die Schultern, so als stünde ich im nächsten Moment meinem größten Feind – was die blanke Wahrheit auch durchaus war – gegenüber. »Scorpius Malfoy und Alice Longbottom verhalten sich außerordentlich nett, Lily, nett«, sagte ich so schnell, wie man einen Feuerwhiskey hinunterkippte oder sich ein Pflaster abriss – aber sonderlich besser gestaltete es sich trotzdessen nicht. Ich erklärte der verwirrten Lily Malfoys Angebot und Alice‘ ungewöhnlichem Getue in Zaubertränke. Eigentlich erzählte ich ihr schlichtweg alles und Lily hörte aufmerksam zu.

»Ganz ehrlich? Ich glaube nicht, dass du dir irgendwelche Sorgen machen solltest, solange mein Bruder nicht auch nett zu dir ist – erst dann könntest du sicher sein, dass da bald was knallrümpfiger-Kröter-mäßig hochgeht«, zerstörte Lily prompt meine Illusion und ließ mich das erste Mal an diesem Tag richtig aufatmen. Wahrscheinlich hatte sie recht - den gesunden Menschenverstand hatte sie schon einmal auf ihrer Seite.

»Ich wette, Malfoy braucht mal wieder Bestätigung und Longbottom will einfach nur nicht durch Zaubertränke fallen, die doofe Kuh«, erklärte Lily ernst und trank ihr Glas Kürbissaft in einem Zug leer. Sie kam definitiv nach James, obgleich dieser seiner Zeit andere Sachen geschluckt hatte. »Wir sollten uns beeilen, der Unterricht geht gleich weiter.«
 

»Denkst du, ich sollte auf Malfoys Angebot eingehen?«, fragte ich, als wir die lange Wendeltreppe hinuntergingen und Lily zuckte mit den Schultern. »Was, denkst du, würde dir das bringen außer einem gebrochenen Herzen und Komplexen?« Leider Merlins besaß Lily Potter – man schiebe es auf ihren Namen – kein ausgeglichenes Bild von Scorpius Malfoy, obgleich dieser die Familientradition gebrochen und ebenfalls in ihr Haus einsortiert wurden war. Ganz zu meinem Leidwesen. Wir traten gemeinsam auf den von Schülern bevölkerten Flur und drängten uns durch eine Horde Erstklässler, die in ohrendbetäubender Lautstärke kommunizierten, sodass mir die Ohren wehtaten. Mein Stundenplan wies mich zum Unterricht für Alte Runen und da Lily Muggelkunde auf der selben Etage besuchte, gingen wir gemeinsam, unterhielten uns jedoch erst wieder, als sich der Flur merklich leerte.

»Wenn du dir einen neuen Kerl angelst, dann versprich mir bitte, lerne nie seinen Familienstammbaum auswendig, um ihn zu beeindrucken«, belehrte mich Lily und ich runzelte verwirrt die Stirn, sodass sich ihre Lippen zu einem schmalen Grinsen verzogen. »Ich habe so viele Fakten zu Newton Artemis Fido Lurch Scamander gelernt, die so unbrauchbar sind, dass ich sie mir definitiv mein ganzes Leben lang merke, und mit denen ich eigentlich Lorcan beeindrucken wollte, aber der Trottel scheint nicht mal gewusst zu haben, dass das sein Uropa war. Man sollte also abwägen, wie viel Zeitaufwand ein Kerl wert ist.«

Ich wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich der Henkel meiner Tasche riss und meine Schulutensilien und Bücher auf den Steinboden regneten. Na wunderbar. Fluchend und verwirrt sank ich in die Knie und begann, meine Stifte zusammenzuraufen, während Lily herumfliegendes Papier aufsammelte.

»So viel zu Mums Haushaltszaubern«, murmelte ich genervt und zückte den Zauberstab, um meine Tasche zu reparieren, als sich meine Bücher sorgsam neben mir stapelten und mir jemand Eine Geschichte von Hogwarts direkt unter die Nase hielt. Ich blinzelte verdutzt auf mein Buch, bis mein Blick hinauf in Potters Gesicht wanderte. Er stand da wie zur Salzsäule erstarrt und vermied es vehement, mich anzusehen, alldieweil der üblich desinteressierte Blick über den nunmehr leeren Flur glitt, also nahm ich ihm schnell das Buch aus der Hand und flüsterte ein Danke, das er jedoch wohl kaum mehr vernahm, so schnell war er fort.

»Hast … hast du … Merlin! Hast du das gesehen?«, fragte ich Lily überrascht, obgleich dieser die Geste ihres Bruders kaum entgangen sein konnte. »Das war wirklich außergewöhnlich nett für meinen Bruder«, betonte Lily und nun mehr wusste ich, wohin es mich an diesem Abend definitiv ziehen würde – ins Pokalzimmer.
 


 

»Darf ich fragen, warum du Amarillo Lestoat zwischen die Beine grapscht?«, kicherte mir eine vertraute Stimme ins Ohr und ich musste mich nicht umwenden, um zu wissen, mit wem ich es zutun hatte. Genervt stöhnte ich auf und ließ von der Statur des Vampirs ab, die seit Generationen gedenken, im Kerker zu dem Hufflepuff Gemeinschaftsraum stand und eine Geheimgang verschloss, der meines Wissens nach geradewegs am Pokalzimmer vorbeiführte. Mein Blick fiel über Myrtes geisterhafte Erscheinung und die nicht recht passende Unschuldsmiene; bereits das zweite Mal in meinem Leben - und den zweiten Tag hintereinander wohlgemerkt – trug sie nicht die gewohnte maulende Fassade zur Schau. »Recherche«, antwortete ich gravitätisch und hob eine Augenbraue, »Und warum bist du hier und nicht in irgendwo im Abwassersystem?«

»Peeves«, kam sogleich die augenrollende Erklärung und ich schluckte. »Ich hoffe stark, dass du ihn nicht mitgebracht hast, sonst geht mein ganzer Plan den Bach runter«, murmelte ich und strich kurz über meinen Nasenrücken, um mich zum Denken mit Erfolg zu animieren. Mein Plan war nämlich - wie fast immer - ziemlich lahm; zum einen, weil ich kein Stratege war, da hätte ich schon Louis mit zehren müssen, und zum anderen, da ausgereifte Pläne immer geradewegs in die Hose gingen – jedenfalls bei mir.

»Was soll dieses muggelige Outfit? Machen wir heute auf 007

Noch ehe ich mein Unglauben darüber äußern konnte, dass Myrte James Bond ein Begriff war, rutschte mein Ellenbogen über Amarillos Manschettenknopf und die Steinmauern schoben sich auseinander. Myrte stieß einen anerkennenden Pfiff aus und ich blickte mich hektisch um, ehe ich eilig in den staubigen Gang trat und sie eilig mit winkte. Ich hatte scheußliche Angst vor Spinnen. Wundervoll, mir dann ausgerechnet diese Freizeitbeschäftigung zu suchen. Doch kurz nach dem Abendessen waren die Gänge verhältnismäßig leer – manche Häuser widmeten sich dem Quidditchtraining und die meisten weiblichen Hexen versanken zu dieser Zeit in den Dramen von Hexenherz -, also außerordentlich günstig, um Missetaten nachzugehen.

»Also – weshalb dieser ulkige Aufzug ?«, hakte Myrte nach und ich ließ den hell erleuchteten Zauberstab zunächst über meine schwarze Kleidung wandern, ehe ich mich weiter in Bewegung setzte.

»Das ist unauffälliger für die Mission«, erklärte ich ernst und kam mir ungemein albern vor. Myrte titulierte es mit einem gehässigen Lachen. »Da hat aber jemand zu viele Muggelfilme gesehen«, grinste sie und schwebte neben mir her.

»Nicht jeder hat das Glück, einen Tarnumhang zu erben«, sagte ich schlicht. Irgendwie musste man ja Diskretion bewahren. Nur dank James hatte ich viele Informationen über Hogwarts‘ Geheimgänge, die dieser sich in einer eigenen Karte zusammengestellt hat, da sein Bruder die Karte des Rumtreibers bekommen hatte. Doch es war ihm ein leichtes gewesen, da er mit dem Tarnumhang allerlei Möglichkeiten besessen hatte.

»Und warum diese Mission?«, fragte Myrte weiter und ich horchte versuchsweise an der Steinmauer entlang, in der Hoffnung, etwaige Geräusche zu vernehmen, die mir sagten, wo wir uns befanden. »Weil irgendwas nicht richtig Lockhardt ist! Malfoy ist nett, Longbottom ist nett und das Verwunderlichste – Potter ist auch nett, jedenfalls anders als üblicherweise.«

»Schon mal dran gedacht, einfach paranoid zu sein?«, frohlockte Myrte, die offensichtlich trotz der Häme Interesse verspürte, diesem Unterfangen beizuwohnen. »Nein, eigentlich nicht. Im Leben der Rose Weasley geschieht alles Furchtbare mit Grund«, ließ ich emsig verlauten, ehe ich abrupt zum Halt kam. Wenn ich mich nicht irrte, dann …. »Man nennt das auch spätpubertäre Ich-bezogene Einstellung.«

»Oder Slytherin«, grinste ich, doch erhob schnell die Hand und mahnte sie zur Ruhe, als Myrte drauf und dran war, das Gespräch weiterzuspinnen.
 

Ich lehnte mich gegen die kalte Steinmauer und legte man Ohr dagegen, doch waren die Stimmen dahiner zu leise. Kurzerhand erlosch mein Zauberstab und Myrte stieß ein angsterfülltes Kreischen aus, das mich nur die Augen verdrehen ließ. Ein Geist, der die Dunkelheit fürchtete – makaber. Ich murmelte versuchsweise einen Zauber, den ich einmal im Tropfenden Kessel aufgeschnappt hatte. Die Wirkung hatten die zwei Sabberhexen nur unzulänglich einem Lauscher erklären wollen, doch stand die Zeit für Experimente denkbar günstig – ich würde schon keine Explosion auslösen. Nur Mut, Rose. Bereits als die letzte Silbe über meine Lippen strich, durchdrang zartes Licht die Dunkelheit. Es spähte so verführerisch durch den Stein, dass Myrte hinter meinem Rücken hervorgekrochen kam und neugierig blinzelte. Gespannt warteten wir einige Sekunden, bis gleißende Helligkeit über uns niederwogte und als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, richtete sich mein Blick klar und frei geradewegs in das sepia getünchte Pokalzimmer. Meine Finger wanderten erstaunt über den Bogen, der sich inmitten des Steins gebildet hatte und uns freie Sicht gewährte, nur um noch immer über die glatte Oberfläche ebenmäßiger Steinmauer zu fahren. Der Stein war transparent geworden! Das war Magie, wie ich sie mochte.
 

»Schschsch!«, mahnte ich flink, als Myrte ihrer Verblüffung freie Hand lassen wollte und sie kam meinem Wunsch nach. Immerhin hatte ich keinerlei Schimmer, ob Geräusche nun nicht ebenso leicht in den Raum drangen, wie das Gespräch der vier Menschen im Pokalzimmer zu uns in den Geheimgang. Der Raum war so, wie ich aus der ersten Klasse in Erinnerung hatte. Er schmückte sich mit den Errungenschaften aus hundert Jahren Schulgeschichte (und das auch nur, weil er zu wenig Kapazität für alle Jahrhunderte besaß). Prunkvolle Gemälde lächelten dümmlich vor sich hin, glänzend gezauberte oder wahlweise als Strafarbeit mit Hand polierte Pokale funkelten mir entgegen und in dem riesigen Kamin gegenüber tanzte ein mächtiges Feuer, das den Wunsch verspürte, auszuarten, doch im Zaum gehalten wurde. Inmitten des Raums standen zwei mit rotem Samt bezogene Sofas und etliche Sessel, die allerdings nicht alle belegt waren. Unwillkürlich machte mein Herz einen Sprung. Scorpius hing gelangweilt auf einer Garnitur, während Alice sich die Nägel feilte und neben einem dösenden Albus saß. Der einzige, der nicht recht ins Bild jugendlicher Unbeschwertheit passen wollte, war Professor Longbottom. Er blickte im Sekundentakt zur massiven Wanduhr hinüber und knetete seine Hände in blinder Nervosität. Aha. Ich wusste gar nicht, was ich erwartet hatte. Irgendeinen Skandal, doch das roch mehr nach purer Langeweile.
 

»Was tun wir bloß, wenn sie nicht auftaucht«, sagte der Professor ungehalten und sah hilfesuchend jeden einzelnen seiner Schützlinge reihum an. »Das würde die ganze Operation gefährden! Das Ministerium hat unzählige Galleonen für dieses Projekt ausgegeben und vielleicht muss Hogwarts-«

»Dad!«, knurrte Alice nur und schenkte ihm einen erzürnten Blick. »Bitte tu nicht so, als ob wir Anfänger wären.« »Ihr hättet ihr auch einfach auf herkömmliche Weise eine Einladung überbringen können«, rief Professor Longbottom säuerlich.

»Das wäre doch langweilig«, erwiderte Scorpius süffisant und warf etwas in die Höhe, das so schnell wieder abtauchte, dass ich nicht imstande war, es zu erkennen. Der Professor räusperte sich vernehmlich.

»Wie also sah eure Alternative aus?« Seine Tochter zuckte nur mit den Schultern. »Hab' mich in Zaubertränke neben sie gesetzt und auf nett gemacht – wäre ein Wunder, wenn Weaslette nicht mein aufgeschlagenes Notizbuch gelesen hätte, als ich Zutaten geholt habe.« Sie warf einen zufriedenen Blick in die Runde, ehe sie sich wieder ihren Nägeln widmete. Indessen fuhr Myrtes unangenehm nasser Geistfinger immer wieder durch meine Wirbelsäule, doch die Starre konnte sie trotz dessen nicht aus meinen Gliedern lösen – es ging da gerade um mich! Um mich verdammt noch mal!

»Ich hab ihr gesagt, dass sie nur mit mir in den Genuss kommt«, setzte Scorpius grinsend fort und bescherte Potter so einen heiteren Moment, indessen meine Wangen sich rosarot färbten. Merlinmerlinmerlin! Professor Longbottom wirkte ebenso beschämt, doch richtete er seine Aufmerksamkeit wortlos auf Albus, der nur lässig zwinkerte. »Ihre Tasche zerstört und ihr das dämliche Hogwarts Buch unter die Nase geschoben. So als kleine Vorausschau in die Zukunft, doch Weaslette hat wie immer nichts gecheckt.«

Ich schnappte empört nach Luft. Dieser Bastard von einem Potter! Was hätte ich auch mit Eine Geschichte von Hogwarts in Verbindung bringen sollen? Es wäre wohl angemessen, nach diesem Showdown wirklich den paranoiden Weg zu gehen. »O nein«, flüsterte Myrte plötzlich atemlos. Ein unheilverkündendes Kribbeln suchte meine Nase heim. Das war nicht gut.
 

»Na, wen haben wir denn da Delikates?«, ertönte die fuchsige Stimme und ich riss erschrocken den Kopf herum. »Peeves«, wisperte ich und spürte, wie mein Mund ganz trocken wurde. O nein. O nein!

»Weaslette und Myrte!«, brüllte er los und wir zuckten wie die Ertappten zusammen. O NEIN! Die Stimmen im Pokalzimmer erstarben auf der Stelle.

»Habt ihr das gehört?«, drang Alice‘ überraschte Stimme an mein Ohr. »Das war ja wohl nicht überhörbar«, neckte Albus und das beklemmende Gefühl in meiner Brust intensivierte sich. Peeves schwebte langsam auf uns zu und hatte seltsame Ähnlichkeit im Halbdunkeln mit dem Blutigen Baron.

»Lust auf ein kleines Spielchen«, ächzte er heiter und es war definitiv keine Frage. Myrte und ich tauschten nur einen kurzen Blick, ehe Peeves mit dem Finger schnippte und eine Fontäne Spinnen wie eine Welle auf uns niederzuregnen begann. Er war ein Meister der Illusionen und ich musste wohl nicht erwähnen, dass er mich jedes Mal damit fing. Myrte entschwebte kopfüber durch den rechten Stein und panisch sprang ich demzufolge nach links, geradewegs durch die transparente Mauer. Dieses Unterfangen war hart, schmerzhaft, laut und alles in allem mehr als erniedrigend.
 

So kam es also, dass ich nicht nur die Aussicht auf fünfhundert blaue Flecken und ein peinliches Erlebnis mehr in meinem Leben besiegelte, sondern unweigerlich auch mein Schicksal.
 


 

tbc.
 

enter on your own risk

»Rose, ich möchte gleich zur Sache kommen«, lächelte Professor Longbottom und ein enthusiastisches Funkeln blitzte mir entgegen.

Eingepfercht inmitten eines mürrischen Slytherins und einer - sich groteskerweise seelenruhig die Nägel manikürenden - Alice, keimte schon in gewisser Weise der Wunsch in mir heran, der ganzen Szenerie schnellstmöglich zu entkommen. Demnach nickte ich knapp, während meine Augen durch das Pokalzimmer wanderten. Auch aus meiner jetzigen Perspektive hatte sich der Raum kaum verändert, jedenfalls wenn man einmal davon absah, dass ich kaum wenige Minuten zuvor ziemlich ordinär durch die Wand hereingebrochen war. Doch dank gewisser Zauberformeln fehlte von dem Schaden jede Spur. Scorpius saß nun neben dem Professor, doch es lag mir fern, ihm auch nur einen Funken zu viel Aufmerksamkeit zu gewähren, sodass ich demgemäß nur seine amüsierten Blicke auf meiner Haut spürte. Was, wenn man genau darüber nachdachte, bis vor zwei Tagen noch die Grenzen des Unmöglichen rigoros gesprengt hätte. Sodom und Gomorra, Scorpius Malfoy starrte mich an! Weiteratmen und keinesfalls hingucken, Rose!, ermahnte ich mich und meine Wangen verfärbten sich.
 

»Ich denke, die Mysteriumsabteilung des Zaubereiministeriums ist dir vom Hörensagen ein Begriff?«, setzte der Professor fort und verblüfft öffnete ich den Mund, um dies zu bejahen. Nun hatte er definitv meine fristlose Aufmerksamkeit.

»Es gibt viele Dinge in der Welt, die bisher nicht ergründet worden und auch in Zukunft noch viele Fragen aufwerfen werden. Die Mysteriumsabteilung nimmt sich dieser Dinge an, Rose. Zauberer erforschen dort auf magische Weise alle Bereiche des Lebens. Ich sage gar nicht, dass alles, was sie tun, ethisch vertretbar wäre, aber unsere Zeit ernährt sich von Wissen. Gewiss ist nur eines – unsere Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten und an diesem Prozess waren Zauberer und Muggel gleichermaßen beteiligt.«

Professor Longbottom blickte nachdenklich auf seine Hände, bevor er sie wieder ineinander schlang und fortwährend knetete. Mir wurde bei dem Anblick ganz schlecht. Und meine Nervosität wurde ins Bodenlose gesteigert.

»Viele Dinge sind geschehen, die dies zu verantworten haben. Es sprengt – als Beispiel - die Grenzen unserer Welt, seine Seele aufspalten zu wollen, so wie Voldemort es getan hat. Die Anleitung eines Horcruxes basiert auf reiner Theorie und war nie zur wirklichen Umsetzung angedacht gewesen. Doch es ist geschehen. Aber auch die Muggel wollen beflissentlich ihren Horizont erweitern und erreichen dies mit ihren nichtmagischen Methoden. Sie bauen Waffen, denen sie nicht vollkommen Herr sind und setzen leichtfertig ihre ganze Existenz aufs Spiel. Egal, ob Zauberer oder Muggel – sie alle haben in den letzten Jahrzehnten auf allen Gebieten versucht, Gott zu spielen. Das hat rückwirkend Probleme in den Parallelwelten verursacht.«

Der Blick des Professors verdüsterte sich. Ich fühlte mich wie betäubt. Nun huschten meine Augen doch zu Scorpius, hoffend, er würde grinsen und mir irgendwie zu verstehen geben, dass es sich dabei um reinen Unsinn handelte, doch als ich in sein Gesicht sah, fand ich keine Rettung. Er erwiderte meinen Blick nur ausdruckslos und erwartete offenbar eine Reaktion. Ja, also die Hysterische könnte ich ihm ungehindert geben. Kein Thema. Unwillkürlich biss ich mir auf die Unterlippe, um das aufkeimende Zittern zu unterdrücken, das meinen Körper heimzusuchen begann. Parallelwelten. Diesen Ausdruck brachte ich zweifelsohne mit der Geschlossenen im St. Mungo in Verbindung. Ich schluckte und schüttelte langsam den Kopf. Das konnte doch nicht sein. Das war bei Merlins Unterhose ganz und gar absurd! Dessen ungeachtet wollte der ernste Blick jedoch weder aus Scorpius‘ noch aus Professor Longbottoms Gesicht verschwinden und wie ein böses Omen beendete Alice in diesem Moment ihre Maniküre.

»Wie kann ich mir das vorstellen?«, fragte ich krächzend, denn mein Hals tat schrecklich weh. Müde war ich nicht minder. Was für ein beschissener Tag das auch wieder gewesen war. Mit Verlaub – der erste des neuen Schuljahres. Vielleicht hatte die alte Professor Trelawney sich doch nicht soviel an den Haaren herbeigezogen, als sie mir in der dritten Klasse meine schwarze Zukunft verkündete. Wie wunderbar, dachte ich zynisch.

Professor Longbottom nickte mir zuvorkommend zu.

»Es kam zu Ungereimtheiten in der Geschichte, die nun ausgemerzt werden müssen«, setzte er fort, doch ich konnte mich nicht daran hindern, ihm ins Wort zu fallen. »Aber doch nicht in unserer, oder?«

Alice Longbottom untermalte meine Frage mit einem gehässigen Lachen. »Natürlich nicht, wo denkst du hin?«, fragte sie spöttisch und ich verspürte den Drang, ihr einen Lippenfesselfluch auf den Hals zu jagen, unterließ es jedoch aufgrund meiner guten Kinderstube. Der Professor räusperte sich.

»Nein, bei uns nicht. Normalerweise ist es so, dass alle Universen gleichverlaufen, also gleich programmiert sind in ihrem Ablauf. Doch durch das Ungleichgewicht sind in unserem nächsten Universum Dinge geschehen, die so nicht vorgesehen waren. Und wie eine Krankheit strahlt diese unweigerlich auf die anderen über. Darum ist es wichtig, die Dinge chronologisch und schnellstmöglich wieder ins Reine zu bringen, sodass die Krater nicht noch tiefer werden.«

Mir schwirrte unweigerlich der Kopf bei soviel Metaphorik und einen kurzen Moment lang war ich mir sicher, bald aus purer Verzweiflung den Kopf gegen die Wand zu schlagen.

»Ich verstehe das nicht«, sagte ich lahm und der Professor schenkte mir einen verständnisvollen Blick.

»Wenn die Fehler nicht geflickt werden beziehungsweise nicht das eintritt, was eintreten soll, dann hat das schlimme Konsequenzen, die darin münden können, dass die Universen sich zerstören oder unsere Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr existent ist. Dieses Leid wollen wir den Menschen ersparen, vor allem da alle Ungereimtheiten unweigerlich auf unser eigenes Universum ausstrahlen.«

»Was könnte denn passieren?«, fragte ich langsam, von einer seltsamen Neugierde getrieben. Das Ganze gefiel mir nicht, aber dennoch konnte ich mich dem nicht vollends entziehen. Es war Potter, der mir antwortete.

»An welchem geschichtlichen Zeitpunkt die Krankheit wuchert, kann unterschiedlich sein«, er zuckte gleichgültig mit den Schultern, »Vielleicht geht das Römische Reich nicht unter. Die Kobolde regeln Ihre Differenzen auf diplomatischem Wege und die Kriege brechen erst gar nicht aus. Deutschland gewinnt den Zweiten Weltkrieg. Voldemort macht meinen Vater nicht zum Horcrux, sondern tötet ihn als Kleinkind und formt die Welt nach seinen Vorstellungen.«

Fassungslos starrte ich ihn an und er blickte ungerührt zurück.

»Nicht alles ist schlecht, oder?«, erwiderte ich matt, selbst wenn ich mich in diesem Moment nur auf die Koboldkriege beziehen konnte.

»Alles, was sich verändert, hat Auswirkungen auf die weitere geschichtliche Entwicklung und wir können nicht davon ausgehen, dass sie sich alle im Guten äußern. Wohl kaum«, zerstörte er gleichgültig mein Wunschdenken und seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen, unheilvollen Grinsen.

Unwillkürlich dachte ich daran, wann ich zuletzt ein tiefgründiges Gespräch mit Albus Potter geführt hatte, selbst wenn dieses von Absurditäten dominiert wurde. Ich kam zu keiner befriedigenden Antwort.

»Warum also habt ihr so viel Mühe investiert, mich hierherzulocken?«, stellte ich die äußerst frostige Frage und verschränkte die Arme vor der Brust. Eigentlich interessierte es mich nicht die kleinste Zuckerbohne. Eigentlich. Selbstverständlich ahnte ich bereits, worauf dieses abendliche Treffen hinauslaufen würde, doch wollte ein extrem großer Teil von mir das Offensichtliche beflissentlich nicht wahrnehmen.

»Wir brauchen deine Hilfe, Weaslette«, sagte Alice nur und ich schüttelte ungläubig den Kopf.

»Nein, braucht ihr nicht! Ihr habt es schon die letzten sechs Jahre einwandfrei verstanden, in eurer Dreierkombination umher zu scharwenzeln und mit hirnrissigen Abenteuern, die euch eigentlich einen Schulverweis hätten einbringen müssen, an die eintausend Hauspunkte zu holen!«

Wütend sprang ich auf. Ich hatte keinerlei Bedürfnis dazu, mein letztes Jahr in Hogwarts damit zu verbringen, die Drecksarbeit für das Ministerium zu erledigen! Wie sollte das überhaupt aussehen? Rose Weasley im Schützengraben? Ganz gewiss nicht! Außerdem würde mich die Reise in ein Paralleluniversum ganz unweigerlich auf der Freak-Skala weiter nach oben katapultieren, indessen Potter, Longbottom und Malfoy immun gegen jegliche Degradation ihrer Person waren. Pah!

»Rose! Ich bitte dich«, erflehte der Professor meine Besinnung, doch ich schenkte ihm nur einen möglichst eisigen Blick.

»Sie vergessen die Ausgangssperre, Professor. Ich muss wirklich los«, sagte ich kühl und mein Kräuterkundelehrer sank entkräftet zurück. Ach ja, mein Antihaltung kostete das Ministerium mit Sicherheit unzählige Galleonen. Von mir aus gerne.

»Ich verstehe, dass du verwirrt bist, Rose, aber du musst wissen, dass wir lange debattiert haben, wem wir dieses Erbe anvertrauen können und-«

»Ich will wirklich nichts mehr davon hören, Professor Longbottom. Das ist total hirnrissig! Machen sie das mit den Goldenkids hier, aber nicht mit mir - bitte«, erwiderte ich genervt und eilte zur Tür, um dem Ganzen endlich zu entkommen. Entgegen jeglicher trübsinniger Erwartung ließ sie sich problemlos öffnen und mich schwer atmend frei.
 


 


 

Freiheit. Das war so eine Sache –

»Warum läufst du mir nach, Malfoy?«, rief ich bissig und beschleunigte meinen Schritt. Auf dem Besen war ich eine Null, aber zu Fuß recht flink.

»Ein Malfoy läuft niemandem nach«, erklärte er nonchalant und holte zu mir auf, meine zuvor gewonnene Zuversichtlichkeit, dem Irrsinn schnellstmöglich zu entkommen, im Keim erstickend. Die Dunkelheit war bereits über die Ländereien hinein gebrochen und lehrte mich, dass ich neben meiner Ehre auch mein Zeitgefühl irgendwo im Pokalzimmer verloren haben musste.

»Schön, dass du das klargestellt hast«, meinte ich trocken und vermied es, ihn anzusehen. »Was willst du dann?«

Ich verspürte in diesem Moment einen Hauch von Stolz. So hölzern ich auch sonst daherkam, wenn immer ich in irgendeiner Weise mit Scorpius Malfoy zusammenkam (genau fünfzehn Mal geschehen, alle nur knapp überlebt aufgrund chronischer und selbstmörderischer Tollpatschigkeit) – in diesem Augenblick war ich die weasley’sche Gelassenheit in Person. Vordergründig, da ich Malfoy in die Schublade `lebensmüde` einsortiert hatte und dieses Attribut ihn etliche Etappen auf der Liebesskala hinunterstieß. Die Devise lautete nur, ihn keinesfalls anzusehen, da sonst das Ergebnis gestört wäre.

»Du bist so schnell abgehauen, dass du gar nicht unterschreiben konntest«, erklärte er ruhig und aus seinem Zauberstab brach ein goldenes Pergament, dessen Buchstaben mir im Dunkeln geradezu entgegen funkelten. Ich schnappte empört nach Luft.

»Als ob ich was von dir unterschreiben würde!«, knurrte ich und Scorpius lachte leise.

»Nur `ne Vorsichtsmaßnahme, Weaslette. Es ist nicht die klügste Entscheidung, uns nicht zu helfen, aber wir können dich leider nicht zwingen. Trotzdem hast du Dinge erfahren, die in den falschen Händen gefährlich sind. Mit der Unterschrift willigst du ein, niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen.« »Und wenn doch? «, fragte ich lakonisch und wurde meinem Ruf der Jahrgangsbesten mal wieder nicht gerecht. Ich hatte ohnehin schnell gemerkt, dass sich mein Verstand äußerst eifrig in den Standby Modus verabschiedete, wenn Scorpius in der Nähe war. Die letzten vierundzwanzig Stunden hatten die blasse Theorie nicht wiederlegen können.

»Du stirbst«, sagte er ruhig und ich riss entsetzt die Augen auf. »Wie seid ihr denn drauf?«, murmelte ich angewidert und erkannte, dass es für mich keine andere Alternative gab, als den Abend im Pokalzimmer schnellstmöglich aus meinem Leben zu verbannen. Insofern ich recht verstanden hatte, ging es ohnehin darum, in ein Paralleluniversum zu reisen oder in die Vergangenheit und mein Leben zu riskieren oder gleichwohl zu verlieren - und ich hatte mich doch sehr mit der Vorstellung angefreundet, erst im hohen Alter zu gehen und nicht schon mit kaum vollendeten siebzehn Jahren.

»Rhetorisch, oder?«, erwiderte er nur und lächelte mich so verschmitzt an, dass ein Großteil meines Zorns verpuffte. Ich schluckte.

»Und wozu braucht ihr Irren mich? Nicht rhetorisch!« Scorpius vergrub die Hände in den Hosentaschen und blickte hinauf in den dunklen, wolkenüberzogenen Himmel, als hielte dieser die Antwort für ihn bereit.
 

»Ausgehend von der ersten Bereinigung muss es vier Zeitwanderer geben. Wir könnten auch zu dritt reisen, doch das dezimiert zum einen die Zeit, die wir drüben verbringen können, zum anderen scheint das Projekt nur auf vier Blutlinien ausgeschnitten zu sein. Wir haben keine andere Option.«

»Warum ich?«, wiederholte ich leise und machte mich auf alles gefasst. Denn wenn ich richtig lag, so machte es keinen Unterschied, welche Ravenclaw sie wählten. Insofern es überhaupt eine Ravenclaw sein musste. Scorpius seufzte.

»Weil du die Jahrgangsbeste bist, also wahrscheinlich keine allzu große Last, sondern vielleicht sogar Hilfe sein könntest«, er hielt inne und ich blinzelte zu ihm hoch, »Und weil deine Eltern die Welt gerettet haben.«
 

Einmal hatte Fred in Hagrids Unterricht einen knallrümpfigen Kröter zum Platzen gebracht, in dem er mit seinem Zauberstab zu lange in dessen Bauchnabel gedrückt hatte. Die halbe Klasse war diesem Experiment zum Opfer gefallen und da Dominique der klaren Überzeugung gewesen war, ihre Haare hätten selbst nach zwanzig Haarwäschen noch nach dessen Gedärmen gestunken und Fred hätte dies absichtlich getan, nur um Victoria Woods Aufmerksamkeit zu erlangen, hatte sie wochenlang nicht mit ihrem besten Freund gesprochen. Fred hatte in dieser Zeit gewirkt, als hätte ihre Abwesenheit ihm mit jedem Tag mehr Leben ausgesaugt.

Ich wusste nicht, nach was mir mehr zumute war. Aber ich glaube, Scorpius hatte mir in diesem Moment eher die Luft aus den Lungen gesogen.

»Ich kann nichts dafür, wer meine Eltern sind, okay?«, entrüstete ich mich wie in der ersten Klasse, als alle Lehrer und alle Schüler, deren ich meinen Namen nannte, viel zu hohe Erwartungen an mich gehegt hatten. Nicht, weil ich diese nicht hatte erfüllen können, sondern weil ich es hasste, in ein vorgefertigtes Schema gequetscht zu werden. Dabei hatte ich noch Glück – mein Bruder Hugo wurde den Anforderungen an seine Person bei Nichten gerecht. »Ich bin nicht wie sie.« »Wie auch, wir sind ja in keiner unmittelbaren Gefahr«, meinte Scorpius nur und ignorierte meinen Ausbruch beflissentlich. Jeder normale Siebzehnjährige hätte in diesem Moment wohl Verständnis gezeigt oder versucht, seine Worte ins Erträglichere umzuformen. Tja, nur kein Malfoy. »Du kannst mir nicht erzählen, dass du nie gewollt hast, wie sie zu sein. Dass du nie davon geträumt hast, ihnen gerecht zu werden. Das will jedes Kind«, bohrte er phlegmatisch weiter in der Wunde, während er einen kleinen goldenen Ball aus der Hosentasche kramte, den ich in diesem Moment als Schnatz erkannte. Es war dasselbe Objekt, mit dem er sich auch im Pokalzimmer die Zeit vertrieben hatte, als ich die Szenerie noch als teilnahmsloser Beobachter beigewohnt hatte. Meine verdammte Neugierde hatte mich in Kimmkorns Küche manövriert. Flucht aussichtslos.

»Scheint ja so, als sprächest du aus Erfahrung«, erwiderte ich augenverdrehend und zu meiner Überraschung lachte er.

»Interpretier nicht soviel in meine Worte, Weaslette.«

»Warum ausgerechnet vier?«, wechselte ich schnell das Thema, da der Ravenclaw Komplex nur noch wenige Meter entfernt war. Ich wollte erst gar nicht versuchen, noch elendig viel Zeit herauszuschinden. Darin war ich miserabel und allein die Vorstellung, flirtend mehr Informationen aus Scorpius Malfoy herauslocken zu wollen, ließ mich beinahe vor Scham im Erdboden versinken. »Warum nicht – so ganz magisch – die Drei oder die Sieben oder die Zwölf?«

Der Malfoy zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte mich mit einem Hauch zu viel Amüsement.

»Sieben oder zwölf? Man, Weaslette, das Ministerium wird kaum die Verantwortung für eine ganze Reihe Zeitwanderer übernehmen. Das Projekt ist ohnehin lebensgefährlich, dafür sieben oder mehr Leute zu finden ist sehr unrealistisch«, erklärte er und lehnte sich zu mir hinunter, als wolle er mir ein Geheimnis anvertrauen. Er senkte die Stimme.

»Wir haben vier Elemente, vier Himmelsrichtungen und vier Jahreszeiten. Im Buddhismus spricht man von den Vier Edlen Wahrheiten. Die Vier symbolisiert das Irdische, dem wir uns mit dieser Arbeit widmen. Wir heilen die Welten, aber dabei hüten wir uns davor, gottähnliche Maßstäbe walten zu lassen. Die Drei wiederum ist die Zahl Gottes und der Trinität – somit fällt sie für unsere Zwecke.« Ich schluckte, als sein warmer Atem meine Haut streifte und schlug die Augen nieder. Er richtete sich wieder zu voller Größe auf und fuhr sich eine Spur verlegen durch das blonde Haar. »Dass Einstein in seiner Relativitätstheorie von einer vierdimensionalen Raumzeit postuliert, spielt ebenso eine Rolle.«

Ich presste die Lippen aufeinander und wusste nicht, was ich tun sollte.

»Tja, Malfoy «, sagte ich schließlich benommen, »das klingt total irre, aber ich bin überzeugt, dass du und die anderen das schon irgendwie schafft.«

Ich lächelte mein entzückendstes Lächeln und wollte schon die Tür zum Ravenclaw Komplex aufstoßen, vor welchem wir nun doch länger als vermutet verweilt waren, als er mich schnell am Arm packte und zurück zog.

»Weaslette«, sagte er betont langsam und sein Blick bohrte sich in meinen, »es ist vielleicht so, dass wir dich nicht zwingen können, immerhin bist du erst sechzehn, aber wir lassen nichts unversucht. Der Professor hat schon eine Eule zu deiner Mutter geschickt«, ich schnappte empört nach Luft und wollte mich losreißen oder wenigstens lauthals protestieren, doch seine Hand rutschte nur zu meinem Handgelenk und biss sich dort fest, »Du hast keine Chance, Kleines. Wenn das Ministerium dich will, dann kriegt es dich. Also knicke lieber von selbst ein, als dich von ihnen brechen zu lassen.«

Scorpius schob nur eine Augenbraue in die Höhe, als ich mich erneut zu befreien versuchte und seufzte, als hätte er es mit einem schwer erziehbaren Kleinkind zutun. Er nahm mich nicht ernst.

»Du kannst mich mal, Malfoy!«, rief ich aufgebracht und riss mein Knie nach oben, um ihm ordentlich in die Weichteile zu treten. Selbstverteidigung á la Muggelfrau – eine ergötzende Erfahrung. Scorpius zog scharf nach Luft und knickte ein, ließ mich los – und ich nutzte die neugewonnene Freiheit postwendend, um schnell durch die Tür und hinein in den Komplex zu stürzen. Insofern man nicht dem Hause Ravenclaw angehörte, kam man nur mit Passwort hinein und ich bezweifelte, dass Scorpius unseres kannte. Ich hörte ihn fluchen und gönnte ihm jeden verdammten Schmerz. In diesem Moment war ich mir nicht sicher, mit wem ich die vergangenen zehn Minuten verbracht hatte und welches Arschloch ich soeben niedergerungen hatte. Was war schon Liebe.
 


 


 

»Meine Herrschaften, ich darf Ihnen die Exemplare der äußerst seltenen Blanditia vorstellen, die das Ministerium uns in diesem Jahr zu Unterrichtszwecken zur Verfügung gestellt hat! Mr. Weasley, eine Idee, was Blanditia bedeutet?«

Professor Longbottom kam an unserem Tisch zum Stehen und warf dem vor sich hin dösenden Louis einen strengen Blick zu, den wiederum jeder nur nicht jener registrierte. Ein äußerst definierter Ellenbogen meinerseits brachte den Weasley schließlich dazu, träge ein Auge zu öffnen und zu seinem Kräuterkundelehrer hinauf zu blinzeln, der mit jeder voranschreitenden Sekunde grimmiger wirkte. Das neue Schuljahr war zwei Tag alt und jeglicher Punkteabzug würde die Ravenclaws in den Minusbereich reißen – etwas, das er unserem Haus sichtlich wenig wünschte, obgleich Louis‘ unrühmliches Verhalten ihn in Versuchung führte.

»Hmm … liebevoll?« Louis‘ Stimme war in der üblichen morgens-acht-Uhr Manier von Schläfrigkeit durchtränkt und so unwiderstehlich rau, dass etliche weibliche Augenpaare nicht umhin konnten, ihm schmachtende Blicke zuzuwerfen, welche bei mir wie üblich einen leichten Brechreiz verursachten.

»Blandus wäre in diesem Fall liebevoll, Mr. Weasley. Blanditia wiederum heißt Liebkosung«, berichtigte Professor Longbottom betont ruhig und zückte den Zauberstab, um auf jeden der Tische einen der riesigen Töpfe schweben zu lassen. »Ist jemandem die Sage um dieses Gewächs bekannt?«

Sofort flog die Hand seiner Tochter Alice in die Höhe und mit einem Hauch von Genugtuung beobachtete ich, wie Professor Longbottom die kleine Alleswisserin beflissentlich ignorierte. Das wiederum war etwas, das sich kaum ein Lehrer traute und zudem der Grund, weshalb der Kräuterkundeunterricht stets meinem Stimmungsbarometer gut tat. Selbst nach einer Nacht wie der letzten. Ich wagte gar nicht, einen Blick über die Schulter zu werfen und zu Malfoy zu blicken. Ohnehin hatte ich das ungute Gefühl, als würde meine Nummer noch ungeahnte Konsequenzen mit sich ziehen.

»Rose, wie wäre es mit Ihnen?«, fragte der Professor in diesem Augenblick aufmunternd.

Ein Seufzen entwich meiner Kehle, verschluckt von Louis‘ leicht gehässigem Lachen. Dieser Idiot. Ich versuchte, ihn unter dem Tisch zu treten, doch er wehrte meine Angriffe ab. Egal, was ich auch tat. Meine Gefühlswelt wollte sich nicht normalisieren; ich traute dem Professor nicht mehr, da konnte er mich anlächeln, wie er wollte. In der Nacht hatte ich kaum ein Auge zugetan, ständiger Paranoia ausgeliefert. Mein Körper war alarmiert.

»Der Geschichte nach «, begann ich zögerlich und zuckte gleichgültig mit den Schultern, »bleibt jede Beziehung eine Ewigkeit bestehen, wenn die Blume innerhalb dieser verschenkt wurde.«

»Fünf Punkte für Ravenclaw«, lächelte Professor Longbottom wohlwollend. »Obgleich das nur die Kernaussage ist, meine Herrschaften. Die Sage lässt sich bis ins Mittelalter und weiter zurückführen, denn Könige aus aller Welt beauftragten Prinzen und all jene, die um die Hand ihrer Tochter anhielten, dazu, ihnen die Blanditia zu bringen und im Gegenzug die Tochter heiraten zu dürfen. Somit sortierten sich all jene aus, die nicht tapfer und stark und gerissen genug waren, um die Blanditia zu finden, welche noch heute hinter einem jeden Wasserfall unter einer Schicht aus Eis wächst und deren Farbe sie von eingefrorener Liebe zu haben vermag, doch das eigentliche Symbol der Liebe besteht darin, sie seiner Angebeteten zu bringen und dabei nicht sein Leben zu lassen. Eine Blanditia zu finden, ist, wie eine Stecknadel im Heuhaufen zu suchen, um einen Muggelvergleich zu ergänzen. Heute kostet die wahre Liebe mehrere hundert Galleonen.«

Gelächter erhob sich, gleichsam eines umher huschenden Raunens, wenn immer verzückte Mädchen die Köpfe zusammensteckten und einige schon dahingehend abdrifteten, sich vorzustellen, wie ihr Prinz zu gezähmtem Hippogreif angeflogen kam und eine Blanditia hervor zückte. O bitte. Ich wusste nicht genau, was bei dem Großteil der Mädchen schiefgelaufen war, dennoch konnte Madam Puddifoot nicht ganz unschuldig daran sein.

Unser Tisch war begehrt wie eine neue Folge der Daily Soap Hexenherz – was ganz allein Louis‘ Verschulden war – und als Professor Longbottom den Siebtklässlern die Möglichkeit offen ließ, sich eigens in Grüppchen zusammenzufinden und den wohltuenden Saft der Blanditia zu gewinnen, der eine heilende Wirkung besaß, stürmten gleich mehrere Hexen an unseren Tisch, was mir nur ein neuerliches Geräusch des Missfallens entlockte.

Schön und gut – Louis war attraktiv; eine verdammt gelungene Kreuzung von Onkel Bill und Tante Fleur, wortwörtlich zum Anhimmeln gemacht - doch war das ganz und gar nicht mit der Berechtigung verbunden, Würde und logisches Denken abfallen zu lassen, nur weil sich die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit ihm entpuppte. Wobei die ganze Arbeit ohnehin an mir hängen bliebe.

Ich sollte daran denken, mich nicht allzu oft neben meinen besten Freund zu setzen, sinnierte ich und mein desinteressierter Blick, mit dem ich Natalie Bordman und zwei andere Mädchen an unserem Tisch duldete, schweifte hinüber zu Alice Longbottom, welche wiederum das Objekt der Begierde Louis‘ war, ihn jedoch mit keinerlei Interesse bekundete, was zuweilen erst seines geweckt hatte.

Eine Gruppe Jungen ging an unserem Tisch vorbei und nur anhand des Geruches von fein definierter Arroganz machte ich sie als solche aus, die sie waren – Potter, Malfoy und Gefolgsleute. Ich schnaubte und krakelte bedächtig weiter auf meinem Block herum, unendlich viele Strichmännchen zeichnend, die von herunter regnenden Kreuzen aufgespießt wurden. Ich nannte das Kunstwerk `Des Malfoys Schuld` und schrieb es in großen Buchstaben in die oberste Zeile, ehe ich das Blatt abriss und zwischen meinen Fingern zerknüllte.

Das Geplapper Natalie Bordmans rauschte mir in den Ohren und ich wusste nicht, ob gerade das meine Wut zum Züngeln brachte oder allein der Anblick des Goldenen Trios, das mein Leben gründlich ruiniert hatte (und all das mit nur einer linken Nummer und einem Gespräch voller Absurditäten – sowas musste man erst mal schaffen). In einem Anflug plötzlichen Kontrollverlusts holte ich aus und warf die Papierkugel geradewegs durch das Gewächshaus und Malfoy an den Kopf.

O yes! Eins, zwei, drei. O scheiße!

Fluchend ließ ich meinen Stift fallen und tauchte unter dem Tisch ab. Verdammt! War meine momentane Situation nicht Zeugnis genug dafür, wie krank mich das gestrige Unterfangen gemacht hatte? Peinlich berührt und nicht Herr meiner Sinne hockte ich nun unter einem keimigen Tisch, während Malfoy mein Kunstwerk entknotete. Die Chance stand sehr gut, dass er mich sogleich als Urheber identifizierte, immerhin war er ja nicht blöd. Merlin, war das peinlich.

»Ich habe schon im Zug so einiges aufgeschnappt, Louis, aber ich konnte und wollte es einfach nicht glauben. Dann gestern habe ich auf dem Klo Lily getroffen und -«, kichernd hielt die plumpe Hufflepuff Natalie inne und ich wusste – selbst unter dem Tisch – dass sie nun Louis volle Aufmerksamkeit hatte und dieses Wissen sie erröten ließ. Indessen beobachtete ich mit eingeschränktem Blickwinkel, wie Scorpius von seinem Stuhl aufstand und sich die teuren Schuhe unaufhörlich unserem Tisch näherten. Och nö. Gleichsam war mir, als würde Alice‘ glockenhelles Lachen geradewegs zu mir herübergetragen. Würde mich auch wundern, wenn mein künstlerischer Erguss nicht weitergereicht würde. Unwillkürlich verzog ich den Mund. Ich wusste ja, wie ich in diesem Moment aussah. Fürchterlich, wie eine alte Jungfer, verbittert – irgendeines dieser Worte hätte Tante Fleur gewiss in diesem Moment treffend zu verwenden gewusst. Immerhin hatte ich die Nacht kaum geschlafen. Umso schrecklicher war, was als nächstes geschah. Scorpius Malfoy ging in die Knie und blickte unter den Tisch - mir geradewegs in die Augen. Ich öffnete den Mund, doch kein Laut kam mir über die Lippen. Ich zog die Stirn kraus und versuchte einen ganz unschuldigen Blick, doch dieser misslang mit Sicherheit kläglich. Merlin, verdammt!

Scorpius räusperte sich vernehmlich. »Du musst nicht mit Müll um dich werfen, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen«, sagte er dann – meines Geschmacks eine Spur zu vieldeutig. Ich blinzelte.

»Keine Ahnung, was du meinst.«

Er verdrehte die Augen und ohne weiter auf dem Thema herumzureiten, obgleich ich schwören könnte, dass er noch genug zu erwidern gewusst hätte, zog er einen kleinen Zettel aus seiner Tasche und pustete ihn aus seiner Handfläche zu mir rüber.
 

Die Drei Besen - 19:00 Uhr Abendessen.
 

Ich betrachtete einige Sekunden lang die aristokratische Schrift, ehe ich zögernd den Blick hob.

»Ganz schlecht. Da hab ich leider keine Zeit«, versuchte ich möglichst nonchalant – man bedenke, ich hockte immer noch unter einem Tisch und niemandem außer Malfoy fiel dies auf – diese kryptische Notiz ungültig zu machen. Seine Miene verdüsterte sich und mit einer Spur Unbehagen wurde mir bewusst, dass ich es ganz schön weit trieb. Wer wusste schon, wie viel Geduld ein Malfoy besaß? Also ich nicht.

»Keine Widerrede, Weaslette. Außerdem ist deine Mum dabei«, er verzog den Mund zu einem höhnischen Grinsen, das mich stark an Albus erinnerte, »ich tue dir schon nichts, selbst wenn mir danach ist.«

Aha, also hatte ich ihn wahrlich schon genug gereizt.

»Ciao, Malfoy«, sagte ich darum nur kühl und als er sich erhob, kreischte Natalie Bordman ohrenbetäubend laut auf. Seufzend tauchte auch ich wieder in den Bereich der pubertären Konversation, der mir jedoch lieber war als die Ebene, auf der Scorpius und ich die letzten Stunden debattierten.

»Scorpius, du Schlingel, was machst du denn unter dem Tisch?«, lachte Natalie erfreut und für mein Verständnis reichlich dümmlich. Zu allem Überfluss warf mir Scorpius, anstatt zu antworten, nur einen unmissverständlichen, anzüglichen Blick zu. Einen von der Sorte, den selbst Natalie verstand. Na toll. Die Hufflepuff plusterte sich auf und warf mir stechend eifersüchtige Blicke zu, während ich verkniffen versuchte, mich endlich der Arbeit mit der Blanditia zu widmen und Scorpius zu ignorieren, der keine Anstalten machte, alsbald von dannen zu schreiten.

Louis wiederum bedachte mich nur mit irritiertem Zug um den Mund, ehe ihm die Dringlichkeit seines eigenen Anliegens bewusst wurde. Er schnipste einige Male vor Natalies verbissener Miene in der Luft, ehe diese sich wieder zu ihm wandte – alles, was er hatte erreichen wollen.

»Also Nat«, sprach Louis betont gleichgültig und setzte seinen freundlichsten Blick auf, »was genau hat Lily erzählt?«

Ich verdrehte die Augen und begann, an der Blanditia herumzudrücken, um deren Saft zu gewinnen. Ohne Erfolg. Natürlich entlockte mein Misserfolg Malfoy ein kleines Lachen. Offensichtlich war er von seinem eigenen Tisch verstoßen worden, weshalb er nun an meinem herumlungerte.

»Na ja, Louis, sie erzählte mir von deinem kleinen Problemchen

Ich hasste Verniedlichungsformen - noch mehr als Louis selbst, um dessen kleines Problemchen sich die Unterhaltung offensichtlich drehte. Der Weasley zog eine Augenbraue in die Höhe.

»Und das wäre, liebste Natalie?«, fragte Louis leise und legte sanft seine Hand auf ihre – eine Geste, die Natalie den Atem und mir beinahe die Beherrschung raubte. Ein kleines Grinsen konnte ich dennoch nicht unterdrücken. Malfoy entging es mit Sicherheit nicht.

»Na, das mit deinen Erektionsschwierigkeiten«, ließ Natalie den knallrümpfigen Kröter platzen und sah sich ehrfürchtig um. Louis entgleisten die Gesichtszüge, während Scorpius und ich ungehalten losprustete. Ich glaubte sogar, es war das erste richtige Lachen, seit ich erfahren hatte, dass Alice die neue Schulsprecherin geworden war und nicht ich.

»Das ist mir nun glatt unangenehm«, sagte Louis leichthin, der einige Sekunden brauchte, um die Kontrolle über seinen Körper wiederzuerlangen und nicht aus dem Gewächshaus zu stürzen, um Lily zu avadan, und gespannt verfolgte ich seine Mimik, nur schwach die Wut erahnend, welche in diesem Moment in ihm brodelte. Es stand außer Frage, dass Louis die Situation richten würde, doch wie, das entsprang in diesem Moment noch nicht meiner Fantasie. Lily und Louis hassten sich seit Kindertagen und Gerüchte wie diese übereinander zu schüren, war ihre Disziplin geworden.

»Aber in jener Nacht, in der ich ihr davon berichtete, haben wir uns die tiefsten Geheimnisse anvertraut, Natalie, wobei ich sagen muss, dass der Alkohol auch seinen Teil dazu beigetragen hat«, offenbarte Louis ruhig und legte sich gedankenverloren die Hand über die Augen, als würde er sich zurückerinnern. Doch mir entging nicht das kleine, teuflische Grinsen, das beinahe den Weg in seine Mundwinkel gefunden hätte. Natalie nickte betreten und ich wimmerte leise vor mich hin, befähigt, jede weitere Sekunde erneut die Contenance zu verlieren und lauthals loszulachen, was ganz und gar schlecht für Louis‘ Glaubwürdigkeit wäre. Stattdessen blickte ich zu Scorpius hoch und für einen Moment lag nichts hinter und nichts vor uns.

»Also erzählte ich ihr, dass ich nur mit einem Mädchen schlafen würde, bei dem wahre Liebe im Spiel ist und dass mich mein Innerstes bei falschen Mädchen abhält«, spann Louis die Lüge trocken und ohne mit der Wimper zu zucken weiter, »und Lily zeigte mir ihre Hämorrhoiden.«

Natalie zog scharf die Luft ein und Louis‘ Mundwinkel zuckte verdächtig.

»Bis heute Abend dann«, verabschiedete Scorpius sich schnell und schritt feixend zurück zu seinem Tisch, während ich keuchend die Hand auf meine Brust drückte und versuchte, nicht zu lachen. Beziehungsweise jedes Lachen in ein Husten umzufunktionieren.

»Ihre was?«, rief Natalie nur ungläubig und ihre Augen weiteten sich jäh vor verhaltener Entzückung – eine faszinierende Beobachtung, wie ich feststellte, wenn man bedachte, dass Natalie und Lily Freundinnen waren - offiziell. Louis blickte kurz über die Schulter, um den Anschein zu erwecken, dass es sich um ein wirklich wohl gehütetes Geheimnis handelte und senkte seine Stimme noch weiter. »Ihre Hämorrhoiden, Nat! Aber bitte erzähle keiner Menschenseele davon, es muss wirklich ein Geheimnis bleiben! Wirklich, top secret, hörst du?«

Er strich sanft über ihren Unterarm und sie nickte übertrieben lange, während ich die imaginäre Liste schon erahnte, auf der sie sich in genau demselben Augenblick alle Personen aufschrieb, denen sie diese Neuigkeit in der Mittagspause erzählen musste.

Ich beugte mich leicht zu Louis hinüber und lehnte meinen Kopf auf seinen Oberarm. »Du bist so böse. Warum bist du noch gleich nicht in Slytherin?«, flüsterte ich kichernd und Louis schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Ich nenn das Rache nach Ravenclaw, Baby«, erwiderte er diabolisch.
 


 


 

Es war äußerst ungewöhnlich, sich mitten in der Woche in Hogsmeade herumzutreiben, doch nutzte ich dieses aufgedrückte Abendessen, um im Vorfeld ein paar Besorgungen zu machen. Im Kosmetikladen Medea holte ich mir eine neue Tube von Saubermanns Magischglatt, von welchem ich wirklich einen unnatürlichen Verschleiß hatte, und bei Derwisch und Banges kaufte ich neue Stifte und Federkiele, denn natürlich hatte meine Feder den Absturz in Kräuterkunde nicht ganz unversehrt überlebt. Als ich mich dann um dreiviertel Sieben vor den Drei Besen einfand und sogar etwas fröstelte, da die Nächte wieder sehr kalt wurden und der raue Herbst sich langsam ankündigte, lehnte zu meiner Überraschung mit dem nächsten Wimpernschlag Myrte neben mir an der Wand.

»Was habe ich dir gesagt?«, meinte sie nur unheilverkündend und erhob den Zeigefinger triumphierend, »dieser Junge bedeutet deinen Tod! Genauso, wie Tom meiner gewesen ist. Also rette dich, solange du kannst.«

Ich blinzelte verblüfft und sie verschwand, gerade als ich etwas erwidern wollte. Zunächste dachte ich, Myrte sei meiner Fantasie entsprungen, bis mir einfiel, dass ihr Geist an Hogwarts gebunden war und sie wahrscheinlich nur unter großem Kraftaufwand kurz bei mir in Hogsmeade hatte erscheinen können. Ich fand ihre Sorge sehr rührend, wenn auch reichlich übertrieben.

Als ich das nächste Mal die Straße hinunterblickte, sah ich meine Mutter freudestrahlend auf mich zu eilen. Wir fielen uns in die Arme, als lägen Wochen und nicht nur seltsame Tage zwischen unseren Treffen. Mum war beladen mit Tüten, die mir erst auffielen, als ich sie eingehend musterte.

»Ich freu mich ja so, dass wir uns treffen können, Rosie!«, sagte Mum und strich mir über die Wange, ehe sie sich zerstreut durch die braunen Locken fuhr. »Es war ungünstig, dass die Presse ausgerechnet am Tag eurer Abreise diesen Skandal mit deinem Dad und mir zelebriert hat – die Nachricht hat mich im Ministerium total unerwartet getroffen.«

»Bitte Mum, sag mir, dass ihr Euch nicht trennt oder scheiden lässt!«, flehte ich auch schon wie ein kleines Kind und vorbeirauschende Passanten warfen uns interessierte Blicke zu.

»Keine Sorge, Rosie. Mach dir keine Gedanken, zurzeit ist es etwas problematisch, aber wir würden uns nie trennen. Dein Vater ist eben-«, kaum merklich verdunkelte sich ihr Blick, »dein Vater. Er echauffiert sich eine Weile, obwohl es unsinnig und belanglos ist, doch dann renkt sich immer alles wieder ein.«

»Trifft er sich denn zurzeit wirklich mit dieser Brown?«

Mum schüttelte den Kopf und ihr Blick verlor sich in der Ferne. In diesem Moment fiel mir auf, dass sie sich ungewohnt hübsch geschminkt und angezogen hatte. Merlin, ich musste diesen paranoiden Wesenszug von meinem Dad haben.

»Das war altes Bildmaterial. Noch vom Juli.«

»Juli?«, wiederholte ich alarmiert und Mum zuckte mit den Schultern.

»Diese Frau will ihn halt jedes Jahr einmal sehen, damit der Kontakt nicht verloren geht. Das ist nichts ungewöhnliches.« Misstrauisch schob ich die Augenbrauen zusammen.

»Aber lass uns doch nun endlich von anderen Dingen reden«, wechselte meine Mutter das Thema – für meinen Geschmack etwas zu abrupt. »Ich habe hier ein paar Sachen für dich und Hugo.«

Sie drückte mir die Tüten in die Hand, nur eine blieb fest in ihrem Griff und ich spähte vorsichtig in meine hinein - unsicher, was das werden sollte. Immerhin kannte ich Bestechungsgeschenke von Eltern an Mitschüler, die sich hatten scheiden lassen. Hugo und ich hatten so gut wie nie zwischendurch einfach Bücher und Klamotten bekommen.

»Und hier«, Mum klopfte bedeutungsvoll auf ihre letzte Tüte, »habe ich das Beste überhaupt versteckt! Stell dir vor, deine Großmutter und ich sind heute Vormittag ahnungslos durch die Winkelgasse geschlendert, als bei Flourish und Blotts plötzlich ausufernder Tumult losbrach. Wir wussten erst gar nicht, wie uns geschieht, aber wir haben der Presse momentan auch nicht sonderlich viel unserer Aufmerksamkeit gewährt, darum ist diese Neuigkeit nicht an unsere Ohren gelangt.«

Verwirrt und überrumpelt von ihrem unvermuteten Enthusiasmus zog ich eine Augenbraue in die Höhe und beobachtete, wie sie in die Tüte griff.

»Wir haben sogar jede Ausgabe für jedes Familienmitglied signiert bekommen! Die anderen Frauen waren ja so neidisch!«, lachte sie fröhlich und zog ein dickes Buch hervor, das sie mir ehrfürchtig reichte.

‚Gilderoy Lockhardt – Wie ich zu mir selbst zurückfand. Ein Weg aus Irrungen und Wirrungen.‘, las ich.

Mir entgleisten die Gesichtszüge. O Mum! Ich kam mir ungemein veralbert vor. Gilderoy Lockhardt? Der Typ lebte noch? Bei Merlins Unterhose, wieso denn nur?

»Ah ja«, sagte ich betroffen und zwang mir ein Lächeln aufs Gesicht. »Cool, danke Mum. Ich werde es mit Sicherheit verschlingen.«

Jede Seite einzeln würden Louis und ich aus unseren Büchern reißen und damit den Kamin füttern. Mum strahlte mich an.

»Ich bin so stolz auf dich, Rose«, sagte sie dann und zog mich in ihre Arme. »Ich konnte es gar nicht fassen, als Draco mir erzählte, die Mysteriumsabteilung bräuchte dich als Zeitwanderer!«, mein Körper verkrampfte sich jäh, »Du wirst so viel erleben können! Das stelle man sich mal vor, du kannst durch die Zeit reisen und Dinge wiederherstellen. Du kannst die Welt retten und zwar in viel größeren Maßstäben, als dein Onkel, dein Dad und ich es getan haben. Du hast die Möglichkeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu heilen. Ich finde das alles ungemein aufregend und spannend und verfluche es wirklich, damals nicht in die Mysteriumsabteilung eingestiegen zu sein, als die mich abwerben wollten. Zu gern würde ich mit dir tauschen, Rosie. Du machst deinen Vater und mich wirklich ungemein stolz!«

Ich nickte, doch fühlte mich wie betäubt. »Draco? Meinst du Draco Malfoy?«, fragte ich begriffsstutzig, doch kannte bereits die Antwort. Der Name hämmerte unheilverkündend in meinem Kopf und verursachte mir leichten Brechreiz. Natürlich genau der Typ, mit dem meine Mum mal was hatte und in dessen Sohn ich mich hatte verlieben müssen.

»O, sie sind da!«, sagte meine Mum in diesem Moment und winkte glühend – was ich normalerweise als peinlich empfunden hätte, wenn ich noch die Kontrolle über meinen Körper besessen hätte – Personen in meinem Rücken entgegen. Ich wagte kaum, mich umzuwenden, warf dann aber doch einen kläglichen Blick über die Schulter. Nur, um im nächsten Moment eine eiskalte Welle aus Unbehagen und Angst über meinen Körper niederregnen zu spüren. Mum und Draco Malfoy begrüßten sich in den folgenden Sekunden für meinen Geschmack zu … freundschaftlich und als Scorpius‘ Vater mir herzlich die Hand reichte, fürchtete ich mich einen Moment davor, sie zu schütteln. Wahrscheinlich, weil ich wusste, wo dieses ganze Unterfangen hinauslaufen würde. Nun, da meine Mum mir eröffnet hatte, wie stolz sie auf mich wäre. Wie großartig mein Glück sei, von der Ministeriumsabteilung ausgewählt geworden zu sein. Wie sehr sie sich an meine Stelle wünsche.

Als Mum und Draco Malfoy lachend in Drei Besen gingen und Scorpius den beiden breit grinsend folgen wollte, war ich es, die ihn am Arm packte und ihn rigoros zwang, sich zu mir umzuwenden. Und als ich ihm in die funkelnden Augen sah, wusste ich, dass ich ihm wieder auf den Leim gegangen war. Das war nur wieder ein abgekartetes Spiel. Er hatte das geplant!

»Wo sind Alice, Albus und der Professor?«, fragte ich mühsam beherrscht und Scorpius legte amüsiert den Kopf schief, ehe er sich so schnell aus meinem Griff befreite, dass er mir beinahe die Finger brach. Er beugte sich zu mir vor und in seinem Blick lag eine Spur Boshaftigkeit, als er nonchalant die Hände in den Hosentaschen vergrub und ein Grinsen aufsetzte.

»Sag bloß, das habe ich nicht erwähnt, Weaslette – Abendessen zu viert

Unberechenbar, unberechenbarer, Scorpius Malfoy. Warum hatte ich ihm auch in die Eier treten müssen?
 


 

tbc.
 


 

- o man, es tut mir leid für alle, die dachten, das wird eine normale schulromanze .. wenn ich einige positiv überraschen konnte, dann freut mich das sehr. (: liebe grüße,

die Herzkirsche



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Von: abgemeldet
2011-10-05T05:06:31+00:00 05.10.2011 07:06
Wow
Ich sah deine Story und dachte ich schau mal gleich rein und was kommt heraus? Deine Geschichte hat mich von Anfang an gefesselt, was auch auf deinen Schreibstil zurückzuführen ist. Du schreibst wirklich toll und wie du die Feinheiten in der Geschichte hineinzauberst - fantastisch.
Ich gebe es zu, am Anfang dachte ich schon, was wird das für eine Geschichte, zudem da die Perspektiven dieses Mal ganz anders sind :) Mir gefällt deine Idee und die Sicht wie du die Welt aufstellst.
Vor allem gefällt mir, dass es unterschiedliche Beziehungen gibt und wie du sie einzeln betonst.
Vor allem die Lily-Louis-Beziehung, ich habe da so begeistert gelacht, wie es sehr selten vorkommt bei mir, ebenso auch an der Stelle mit Gilderoy Lockhart. Das war ein Treffer, den man überhaupt gar nicht erwartet hat, der aber trotzdem irgendwie ganz fest in der Geschichte eingegliedert ist, als gehöre er dazu. Und einfach unglaublich, dass Hermine selbst jetzt auch auf Lockhart "steht", oder wie man das so schön sagt.
Jedes einzelne Kapitel hat mich fasziniert und mich überrascht und mit jedem Kapitel verliebe ich mich immer mehr in die Geschichte.

Ich bin gespannt, was du noch auf Lager hast und freue mich zudem auf die weiteren Teile :) Du hast das Talent zum schreiben und die richtige Pointen reinzustreuen bzw hervorzuheben. Mach weiter so.

LG Zeno
Von: abgemeldet
2011-04-24T17:37:41+00:00 24.04.2011 19:37

hallo! (:

jaaa, ich meld mich mal auch wieder zu wort. (: wobei ich annehme, so produktiv wird's dann wiederum auch nicht wirklich...

nun denn - ich gestehe, mit ich perspektiven habe ich immer wieder meine probleme, denn diese erzählform gehört definitiv nicht zu meinen lieblingen, und auch mache ich es mir selbst immer schwer beim lesen von büchern, weil ich wohl zu hohe erwartungen irgendwie habe. ich weiß zwar auch nicht, warum ich ausgerechnet dann immer zu viel erwarte bei ich perspektiven und mir damit unmittelbar auch den lesegenuss zerstöre, aber nichtsdestotrotz gehört deine art, mit der du diese ich perspektive beim schreiben komplettierst, zu meinem lieblingsstil... und damit meine ich, es übertrifft für mich größere bücher/autoren, wie die bis(s) reihe oder ähnliches. ich weiß ehrlich nicht wieso >< vielleicht müsste man dann wohl auch gucken, ob's lediglich an der länge der geschichten liegt, aber bei dir kann ich einfach das lesen problemlos genießen; die metaphern, der sarkasmus und die ironie, mitsamt der wortwahl und struktur, mit der du alles beschreibst, gefallen mir ehrlich sehr, und diese form ist zumindest von mir eher selten "gesehen" worden. :] wobei ich eine kleine anmerkung hätte - so sehr ich auch sarkasmus und ironie genieße, mir ist schon bereits bei einigen geschichten aufgefallen, dass die charaktere sachte leblos sind... ich meine damit nicht, dass da eine monotonie herrscht, aber sie besitzen eine gewisse kälte und distanz, die zu dieser leblosigkeit führt. aber vielleicht bin ich da einfach zu penibel. :'D

zudem hoffe ich, ich habe nicht den eindruck erweckt, ich würde enchanted. nur lesen, weil da hermione&draco leicht vorkommen; so sehr ich auch das paar vergötter, ich lese es auch wegen rose&scorpius. ;] auch wenn mal vielleicht bei nur einer kleinen andeutung großes gekreische meinerseits kommen könnte. :]

ich bin gespannt, was nun mit dem essen zu viert wird, und was sich da eigentlich zwischen sowohl draco&hermione als auch scorpius&rose abspielen wird. (:

liebe grüße.
Von:  Charlott
2011-04-09T13:34:01+00:00 09.04.2011 15:34
Überrascht!
Definitiv überrascht!
Aber ebenfalls sehr positiv.

Und, oh mein Gott, ich bin jetzt schon in deinen Scorpius verknallt, über beide Ohren. :3
Aber Alice kann ich dafür absolut nicht leiden. Nein, nein, nein. Ich mag sie nicht als arrogante Zicke. Das ist sie für mich normalerweise nicht. Aber wer weiß, wie sich das noch entwickelt.
Dafür bin ich aber ab sofort ein Lily-Louis-Fan. Kleinkriege zwischen den Beiden finde ich immer gut. :D

Jetzt will ich aber mehr über diese ganze Parallelweltgeschichte wissen.

Super Kapitel! Freu mich auf's Nächste. ♥
Von:  xSnowPrincess
2011-04-08T10:17:21+00:00 08.04.2011 12:17
Definitiv positiv überrascht. (:

Ich finde es gerade gut wenn sich neben der Romanze ein weiterer Handlungsstrang entspinnt. Und wenn er dann auc noch so gut und spannend ist ... *-*

Ich hab viel gelacht und ich liebe Rose. Wirklich, sie ist so sympatisch. aber eigentlich haben bisher alle Charaktere etwas an sich, was sie mir irgendwie sympatisch macht. Auch wenn das Trio um Scorpius momentan eher die fiese Seite darstellt. Die Idee mit dem Zeitreisen und alles - wunderbar. Ich kann auch verstehen dass Rose damit nichts zu tun haben möchte. Besonders, weil sie so plötzlich in diese Sache mit reingezogen wird.
Jaa und dann natürlich noch Ron/Hermine/Draco ... ich weiß nicht was ich davon halten soll und ich bin mir auch nicht sicher ob Rose wirklich nur paranoid ist. :D

Beste Stelle? Eindeutig Lockhart. xD Wirklich genial wie du solche Kleinigkeiten einstreust!

Auf jeden Fall ein tolles Kapitel, was Lust auf mehr macht. Viiiieeel mehr! (:


Von:  Dahlie
2011-04-07T15:35:07+00:00 07.04.2011 17:35
Hämorrhoiden?
... *das Eis in den Müll legt*

brrr... der Konta war gut, zu gut ;) Ich mag es, dass bei dir Louis und Lily in einem kleinen Krieg zueinander stehen, dass macht es richtig, richtig interessant und fetzig, wobei ich wohl nicht auf Gefühle zu hoffen brauche, weil Louis scheinbar eine Schwäche für Alice hat. Irgendwie auch verständlich <3 Irgendwie bringst du mich gerade dazu, dass ich Louis in einem ganz anderen Licht sehe :O gut gemacht XD

Was diese Zeitreise und so angeht, da denke ich irgendwie an Gwendolyn und Gideon und ich schätze, du weißt wen ich meine ;] Es klingt sehr interessant und ich bin gespannt, was genau du nun raus machst :>
Was ich bei dir immer wieder sehr bewundere, ist wie du es schaffst so Feinheiten der Harry Potter Welt zu streuen, Beispiele die Soap, Kräuterkunde und letztenendes Lockhart, dass ist etwas wovon ich immer lerne - und überhaupt, nach jedem Kapitel bin ich um ein paar Worte im Wortschatz reicher und Ideen XD machst du das bewusst, oder ist es Zufall?
Hmm... alles sehr verdächtigt.

Wie dem auch sei - hust - ich finde es gut, dass du hier nicht nur eine Liebesgeschichte raus machst, sondern etwas vollkommen Neues mit einer Priese Unheimlichkeiten ;)
Hau auf die Tasten und viel Glück im Abi - weiterhin

Liebe Grüße Dahlie
Von: abgemeldet
2011-04-07T15:02:15+00:00 07.04.2011 17:02
Ich musste so sehr lachen. Besonders bei der Stelle mit Lockhart. Da dachte ich mir "Oh nein, der lebt noch?" XD Ich musste einfach grinsen.

Ich finde es super, wie du das Kapitel geschrieben hast. Die Feindseligkeit die Scorpius herausstrahlt ist wundervoll. Er ist eben wie sein Vater. Irritiert hat mich jedoch, dass Draco gelacht hatte XD
WEnn ich mir Hermine und Draco lachend vorstelle, wie sie da zusammen Butterbier trinken XD

Trotzdem, mach weiter so, ich werde auf jeden Fall weiterlesen. Eine super Geschichte, die wirklich sehr, sehr gut geschrieben ist ^^

LG
abgemeldet
Von: abgemeldet
2011-04-07T14:32:51+00:00 07.04.2011 16:32
Super tolles Kapitel. Du baust Spannung auf und hälst sie bis zum Schluss. Das gefällt mir sehr. Auf jeden Fall werde ich weiterlesen ^^

Ich mag einfach wie du die Charaktere beschreibst und welche Beziehungen sie untereinander haben. Im Grunde genommen würde man ja wohl jeden so aufbauen wie er mit den Eltern in Verbindung gebracht wird. Du brichst aber das Konzept ^^

Alle Achtung°

LG
abgemeldet
Von: abgemeldet
2011-04-07T13:56:12+00:00 07.04.2011 15:56
Wunderbare Gesichte. Ich habe einige Kommentare durchgelesen und muss den anderen Mexxlern zustimmen.

Die Art und Weise in der du schreibst ist wunderbar. Dein Vokabular ist sehr variabel und du gebrauchst auch Fachausdrücke, die oft sehr wenig vorkommen (Also in den bisherigen FF's die ich mir mal angeschaut habe)

Die Charaktere sind auch alle sehr interessant. Ich muss gestehen, dies ist meine erste FF von der nächsten HP Generation, die ich lese. Sonst habe ich nur HP & Co beachtet. Hier aber, gibst du den Charakteren einen richtig festen Charakter. Besonders weil Rose sich wirklich wie ein Weasley verhält (wie Ron halt, der immer an sich zweifelt) und Scorpius der wie sein Vater ist.
Besonders interessant finde ich die Darstellung von Hermine und Rons Beziehung. Schon im Buch, meint man zu lesen, dass beide zwar beieinander passen, aber doch nicht für ewig. Und, dass ihre Ehe in die Brüche geht ist äußerst interessant =3

Auf jeden Fall werde ich weiterlesen, ich sehe großes Potential in dir und in dieser FF ^^

LG
abgemeldet
Von: abgemeldet
2011-04-07T10:05:07+00:00 07.04.2011 12:05
tadumm...endlich gehts weiter :D
Kann das nächste Kapitel kaum noch abwarten haha Louis und Lili haha ich konnte nicht mehr ;)
weiter so !

Lg unique
Von:  nami-girl85
2011-04-06T13:30:41+00:00 06.04.2011 15:30
hallöchen,
gleich zum anfang:
gut gemacht:)
ich finde es schön das deine charaktere nicht wie man es sonst kennt, sind!
ebenso, das Rose in Scorpius verknallt ist.

perfekt war natürlich der schluss, wie Scorpius sich revanchiert hat :D
die gute Rose musste ihm ja auch 'ganz Muggel-like' in die eier treten.

ich freu mich auf mehr und besonderst auf das Essen von Malfoy/Weasley x)
schöne grüße von der sonnigen terrasse,
nami :)


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