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Mortal Coil

das Mühsal des Irdischen
von

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Prolog

Sie verachtete Snape. Dieser schmierige Stinkstiefel war zwar ein guter Bekannter ihrer Eltern und besuchte sie schon seit sie sich erinnern konnte gelegentlich zuhause, er war aber auch ein herzloser und strenger Lehrer. Nicht, dass er ein sonderlich freundlicher Mensch gewesen wäre, doch das störte scheinbar die wenigsten.
 

Als fieser Lehrer hatte er aber die Möglichkeit seine Schüler mit Bergen von Hausaufgaben zu quälen und so musste sie, höchst demotiviert, einen fünfzehnseitigen Aufsatz über Heilzaubertränke schreiben, nur weil es ihr nicht gelungen war die Inhaltsstoffe von Skele-Wachs aufzusagen. Ganz recht, die Inhaltsstoffe von Skele-Wachs. Was – falls überhaupt – normalerweise erst im fünften Schuljahr behandelt wurde.

Was erwartete er denn von ihr? Sie war in ihrem zweiten Jahr, da konnte man das gar nicht wissen. Er hatte ihnen in Zaubertränke gerade mal etwas über den Vergesslichkeitstrank beigebracht und das war vergleichsweise viel leichter. Jedenfalls in der Theorie.
 

Abgesehen von dem Schlammblut Granger hatte niemand die Inhaltsstoffe gewusst und trotzdem war Pansy die einzige, die den Aufsatz schreiben musste, weil sie das Unglück hatte aufgerufen zu werden. Wenn es wenigstens deshalb gewesen wäre, weil Snape sie für besonders schlau gehalten hätte, dann würde sie sich neben ihrer Wut vielleicht auch noch halbwegs geschmeichelt fühlen. Aber für schlau hielt er sie garantiert nicht und der Aufsatz war reine Demütigung, vielleicht, weil sie letzte Woche aus Versehen einen Kessel zur Explosion gebracht hatte und wegen ihr die ganzen Schüler – inklusive mürrischem Zaubertränkelehrer und dem kompletten Raum – mit grün-braunem, stinkendem Zeug vollgematscht waren. Dafür hatte sie aber auch nachgesessen und drei Nachmittage fleißig geputzt. Vorwürfe durfte ihr deshalb keiner mehr machen! Außerdem fand sie es insgeheim sehr witzig, auch wenn sie den Geruch manchmal immer noch in der Nase hatte, und der war wirklich ekelhaft gewesen.
 

Wütend über die Strafarbeit drückte sie die Feder fest aufs Papier und ärgerte sich danach noch mehr, weil sie dadurch einen dicken Tintenfleck hinterlassen hatte.

Das einzig gute an Snape war, dass er Slytherins generell bevorzugte. Nun ja, sie speziell nicht, aber zumindest Draco Malfoy und seine Freunde und das machte einen Großteil aus. Über den Hauspokal freute sich das ganze Haus und ohne Snape wäre es letztes Jahr sehr knapp geworden. Pansy war sehr sicher, dass sie letztendlich ihm den Sieg zu verdanken hatten.
 

Sie schrieb schon seit einer Stunde und war gerade auf der dritten Seite, weil sie den schweren Text aus „Zaubertränke für Fortgeschrittene“ nicht verstand, Skele-Wachs aber in „Zaubertränke und Zauberbräue“, ihrem Schulbuch, mit keinem Wort erwähnt wurde. Deshalb hatte sie den ganzen Tag in der Bibliothek verbringen müssen um ein passendes Buch zu finden.

Sie war müde und fühlte sich gedemütigt.

Seufzend zauberte sie den Tintenfleck weg und las noch einmal die Textpassage, die sie nicht verstanden hatte.
 

Sogar die Älteren in ihrem Haus hatten sich schon in ihre Schlafsäle verkrochen, nur sie war noch im Gemeinschaftsraum. So lange war sie schon ewig nicht mehr wach gewesen. Es war düster und neben dem Schein des Kamins gab es im Raum nur schwummriges grünes Licht, das ziemlich unbehaglich wirkte. Außerdem fror sie immer mehr, weil die Kerker sogar im Herbst schon eiskalt waren und sich die Kälte langsam aber unaufhaltsam in ihrem Körper ausbreitete.
 

Die dritte Stunde brach an. Sie hatte sieben Seiten geschrieben und kam ganz gut voran. Trotzdem fielen ihr hin und wieder die Augen zu und sie kämpfte gegen ihre Müdigkeit. Eine Hälfte hatte sie geschafft, sie durfte nicht aufgeben. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es weit nach Mitternacht war. Vermutlich würde sie Zaubertränke morgen ohnehin verschlafen und durfte noch fünf weitere Aufsätze als Strafe schreiben, dachte sie grimmig, und tunkte die Spitze ihrer Feder abermals in das kleine Tintenfass. Sie verschwendete hier nutzlos Tinte, was würden ihre Eltern sagen? Sie würden Snape dafür loben, dass er ihre Tochter so hervorragend züchtigte, ganz bestimmt. Pansy schnaubte und fuhr sich durch die ungewohnt kurzen, dunkelbraunen Haare. So waren ihre Eltern immer, sie hielten alles, was für Pansy pure Quälerei war, für eine gute Erziehungsmaßnahme.
 

Heute hatte sie schon wieder einen schlimmen Streit mit Millicent gehabt, bei dem Millicent ihr fast die Hälfte der Haare ausgerissen und einen großen anderen Teil mit Funken aus ihrem Zauberstab abgefackelt hatte. Pansy war klein und pummelig und Millicent war kräftig gebaut und noch dazu beinah um einen Kopf größer. Wie hätte sie da eine reelle Chance haben können?

Irgendwann war Professor McGonagall eingeschritten und hatte Pansy in den Krankenflügel und Millicent zu Filch geschickt. Pansy hoffte, dass ihre Erzfeindin dort jetzt immer noch Pokale putzen musste. Am besten sauberlutschen mir ihrem dreckigen Mundwerk, das sie sonst nur für Beleidigungen nutzte. Deshalb war Pansy auch auf Millicent losgegangen, auch wenn sie wusste, dass sie unterlegen war.
 

Madame Pomfrey war es natürlich gelungen, die Verbrennungen auf der Kopfhaut zu heilen und einen Teil von Pansys Haaren wieder wachsen zu lassen; es würde aber wohl noch ein paar Monate dauern, bis sie wieder die Schultern erreichten.

Solange sah sie aus wie ein Idiot. Mit schiefer Nase, die nach einem Bruch falsch zusammengewachsen war – ihre Eltern hielten es selbstverständlich für eine angemessene Strafe, sie nicht zu heilen, immerhin war Pansy selbst schuld wenn sie sich die Nase brach – und den kaputten Haaren, dazu ihr leichtes aber deutliches Übergewicht... Insgeheim schämte sie sich. Man mochte sie nicht, sie war sehr unbeliebt, obwohl ihre Eltern recht großes Ansehen genossen. Wenn sie ihnen aber von dem Streit mit Millicent erzählen würde, würde sie nur selbst bestraft werden, denn Streiten mit anderen Reinblütern gehörte sich nicht.

Die Welt war in Pansys Augen sehr unfair.
 

Trotzdem schrieb sie fleißig weiter und erst bei Seite zwölf fielen ihr kurzzeitig die Augen zu. Sie hatte nicht gewusst, was sie schreiben sollte und war beim Nachdenken eingenickt, bis sie vom gewohnten Geräusch aufeinanderreibender Steine geweckt wurde.

Orientierungslos wie sie war brauchte sie erst einen Moment sich zurechtzufinden und hatte zu spät aufgeblickt um zu erkennen, wer gerade den Gemeinschaftsraum betreten hatte. Sie starrte auf die Uhr, es war drei Uhr morgens und eigentlich viel zu spät. So spät durfte niemand mehr raus oder rein. Eigentlich durfte sie auch nicht mehr im Gemeinschaftsraum sitzen. Ihr Nacken schmerzte vom Schlafen im Sitzen und sie überlegte einfach zu verschwinden, doch die Person hatte sich auf dem smaragdgrünen Sofa vor dem Kamin niedergelassen, hinter der großen Lehne für sie unsichtbar, und sie fürchtete, dass es Snape sein könnte, auch wenn diese Angst ihr irgendwie irrational erschien.
 

Plötzlich hörte sie Geräusche. Sie konnte sie erst nicht zuordnen und dachte an ein Lachen oder ein Grunzen, was sie sehr verängstigte, aber wenig später erkannte sie es eindeutig als Wimmern. Ein klägliches Wimmern und bei genauem Hinhören ein bitteres Schluchzen, das sie fast noch mehr erschreckte.

Was war passiert? Snape würde sich sicher nicht in den Gemeinschaftsraum seines Hauses setzen und heulen. Das war noch unwahrscheinlicher, als dass er ihr ein Ohnegleichen mit Sonderauszeichnung geben würde. Snape wusste bestimmt nicht, was Heulen überhaupt bedeutete. Er kannte wahrscheinlich nicht einmal das Gefühl der Trauer, geschweige dem irgendein anderes menschliches Gefühl außer Schadenfreude.
 

Pansy war alarmiert. Vorsichtig stand sie auf und war froh, dass der Teppich ihre Schritte dämpfte. Sie wollte nur schnell einen Blick auf die Person die da saß erhaschen. Dann würde sie wieder gehen oder weiterschreiben. Nur mal kurz vorsichtig anschleichen und gucken, dann war ihre Neugier gestillt, dachte sie. Aber sie irrte sich.
 

Sie schlich leise um das Sofa herum, was nicht sehr schwer war, konnte dann aber nicht wie geplant wieder von der Gestalt wegsehen, die sich kümmerlich um ein Kissen geschlungen hatte und es schutzsuchend an sich presste.
 

Natürlich kannte sie ihn, wie sollte er ihr auch entgangen sein. Jeder kannte ihn, es war sogar egal welches Haus oder welche Klassenstufe. Ihre Eltern waren ja sogar Bekannte und so sahen sie sich manchmal auch außerhalb der Schule, was nicht bedeutete, dass er sich je mit ihr abgegeben hätte.
 

Aber Draco Malfoy in diesem Zustand zu sehen, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Er war bleich, hatte stark gerötete Wangen – was garantiert nicht von Kälte, Hitze oder Scham, sondern von Schlägen herrührte, denn man erkannte die einzelnen Finger in den Abdrücken sehr deutlich –, war übersät mit Kratzern und Schnitten und starrte mit feuchten Augen starr ins Feuer. Regelmäßig schüttelte sich sein schmächtig wirkender Körper unter heftigem Schluchzen.
 

Er war nicht sonderlich groß, schließlich war auch er erst dreizehn, aber trotzdem überragte er sie um einen halben Kopf. Jetzt wirkte er einfach nur winzig und schutzlos wie ein Baby. All die Stärke und der Stolz, den er sonst ausstrahlte, waren wie weggeblasen. Eigentlich wollte sie sich sofort umdrehen, folgte jedoch automatisch dem Impuls sich ihm zu nähern.
 

Er reagierte erst gar nicht auf sie und als er sie plötzlich wahrgenommen hatte fuhr ein heftiges Zucken durch seinen Körper und er sprang sofort auf, packte seinen Zauberstab und richtete ihn zitternd auf sie. Keuchend wich sie zurück, starrte ihn aus großen Augen an. Er wirkte nicht aggressiv, wie sonst oft, nein, er wirkte vielmehr verängstigt.
 

Pansy hörte auf nachzudenken und handelte nur rein intuitiv, als sie sanft auf ihn einredete, sich ihm vorsichtig näherte, es schaffte, den Zauberstab aus seiner Hand zu nehmen und ihn beiseite zu legen. Sie redete so behutsam auf ihn ein, wie sie es sonst nur mit ihrer Babykröte tat, aber es wirkte. Schließlich saß er wieder auf dem Sofa und sie neben ihm. Erst aus dieser Entfernung erkannte sie Blutflecken auf seiner zerrissenen Kleidung. Scheinbar war er noch schlimmer verletzt, als es den Anschein machte.
 

Sie wollte gerade etwas sagen, da kippte Draco ungelenk in ihre Richtung und sie fing ihn aus einem Reflex heraus auf, sodass er in ihren Armen lag. Schweigend umfasste Draco sie, drückte sich so fest an sie, als wäre sie sein letzter Halt, und weinte.
 

Als er sich nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigt hatte, hatte er ihr zögerlich erzählt, was sein Vater im alkoholisierten Zustand unter adäquaten Erziehungsmethoden verstand. Daraufhin war sie insgeheim über ihre schiefe Nase froh gewesen.

Die Nacht verbrachten sie gemeinsam auf dem Sofa sitzend. Sie redeten eigentlich nur über Dracos Familie. Pansy hörte die meiste Zeit zu und versuchte den verzweifelten Jungen so gut zu trösten wie sie konnte.
 

Am nächsten Tag erwartete sie ein wütender Snape, der sich über den zu kurz geratenen Aufsatz ärgerte und ihr einen Neuen, diesmal zwanzigseitigen, über Veritasserum aufbrummte. Aber das war Pansy erstaunlich egal.
 

Mit Draco hatte sie nicht wieder gesprochen. Es war, als hätte diese Nacht niemals stattgefunden, er war weiterhin überheblich und arrogant und schenkte ihr keinen einzigen Blick. Sie schwieg über diese Nacht und bald war sie sich nicht mal mehr sicher, ob sie nicht einfach komisch geträumt hatte.
 

Einige Wochen später erwachte sie nachts, weil eine verzauberte Klammer ihr heftig in die Nase zwickte. Auf einem Zettel, der an dem Holz festgebunden war, stand knapp „Komm vor die Tür" und vor der Tür stand Draco, entsetzlich zugerichtet und verheult, der sich fast augenblicklich zitternd an Pansy klammerte, als sie, an ihrer schmerzenden Nase reibend, leise die Tür geschlossen hatte.
 

So hielten sie es.
 

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Im nächsten Kapitel kommt dann ein Zeitsprung in die Gegenwart :)

Ich hoffe es hat euch gefallen, hinterlasst mir doch bitte Lob und Kritik!

♥ Merci!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nainjaun
2010-12-29T17:23:37+00:00 29.12.2010 18:23
Hoffe das nächste Kapitel kommt bald :)

Ich find den Prolog hast du super geschrieben.
Der Zeitsprung wird bestimmt noch besser ;)


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