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La Rosa de Asturias

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft
von

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Conocimiento acerbo

„Ich bin so ein unglaublicher Versager, Mama.“

„Na, na, nun sag doch nicht so was.“

Die beschwichtigenden Worte, die normalerweise ihr Ziel nie verfehlten, waren an diesem Abend ganz und gar wirkungslos. Eigentlich fiel es Señora Sanchéz nicht schwer, andere Menschen aufzumuntern oder zu trösten. Vor allem bei ihrem Sohn hatte sie meist Erfolg. Doch heute war sie dazu nicht in der Lage. Schwermütig und schweigsam hockte David auf dem Sofa seiner Eltern. Ein wahres Häufchen Elend. Vor ihm stand tatsächlich eine dampfende Tasse Tee. Er konnte es selbst nicht glauben. Auch seine Mutter war ratlos. Allerdings wollte sie immer noch wissen, was es mit seinem seltsamen Benehmen auf sich hatte.

„Aber wenn es doch stimmt!“, erging David sich weiter in Selbstmitleid und -vorwürfen.

„Jetzt reiß dich zusammen!“, kam es streng von seinem Vater, der ein solches Benehmen nicht leiden konnte.

„Du hältst den Mund!“, wies Señora Sanchéz ihren Ehemann scharf zurecht.

Wenn ihr Lämmchen Kummer hatte, wollte sie wissen warum und ihm so gut es ging helfen. Da konnte sie die unsensiblen Kommentare ihres Göttergatten nicht vertragen. Dieser war daran nach mehr als 20 Jahren Ehe gewöhnt. Er grummelte etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart und verzog sich anschließend mit seiner Zeitung an einen ruhigeren Ort, wo er sich voll und ganz dem Blatt widmen konnte.

„So, und jetzt erzählst du deiner Mama, warum du ein Versager bist.“, wandte sie sich an David, der den Wortwechsel seiner Eltern stumm zur Kenntnis genommen hatte. An so was war er noch von seiner Kindheit her gewöhnt. Es war also nichts Besonderes.

David verzog gequält das Gesicht.

„Muss das sein?“, fragte er widerwillig, denn das bedeutete, dass er seiner Mutter beichten musste, dass er mit 16 Vater geworden war.

„Das muss sein!“, erwiderte sie energisch, die Hände dabei in die Seiten gestemmt.

Mit einem Seufzer ergab David sich in sein Schicksal. Es war wohl nicht zu ändern.
 

„Ich bin ein Versager, Mama, weil ich einen echt dummen Fehler begangen habe. Als ich 16 war.“, begann David.

Natürlich merkte Señora Sanchéz bei diesen Worten auf. Sie war schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Und blond auch nicht.

„Was für ein Fehler?“, wollte sie denn auch gleich wissen, ihn mit scharfen Blicken taxierend.

David schluckte. Es war ja schon schlimm gewesen, seiner Mutter zu erklären, dass er Patricia heiraten würde, aber das hier überstieg wirklich alles. Lieber hätte er sich seine Zehennägel ziehen lassen. Leider gab es nun kein Zurück mehr für ihn. Es nützte nichts, er musste die Wahrheit endlich ans Licht bringen.

„Ich weiß nicht, ob du es je gemerkt hast, aber eigentlich war Catalina immer mehr für mich als nur eine bloße Freundin. Zumindest als ich ein Teenager war.“

Verächtlich schnaubte Señora Sanchéz.

„Natürlich weiß ich davon!“, ereiferte sie sich, „Und wenn ich schon eine Schwiegertochter haben muss, so hatte ich mir tausendmal lieber SIE gewünscht als deine jetzige Frau.“

Wie üblich konnte seine Mutter ihre Unmut über Davids Wahl nicht verbergen. Nach so vielen Jahren hätte er daran gewöhnt sein müssen und früher war es ihm sauer aufgestoßen, dass seine Mutter sich gegenüber Patricia so feindselig verhielt. Doch an diesem Abend war es ihm egal. Schlichtweg egal. Viel wichtiger war jetzt, reinen Tisch zu machen. Auch auf die Gefahr hin, dass seine Mutter ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen würde. Oder, was noch viel schlimmer war, ihn übers Knie legte, um ihm den Hintern zu versohlen, wie sie es früher so oft getan hatte, wenn er etwas ausgefressen hatte.

Señora Sanchéz hingegen wunderte sich, dass kein Wort des Protestes zurück kam. Normalerweise reagierte ihr Herr Sohn ziemlich energisch auf Schmähungen seiner Ehefrau.

'Was solls.', dachte die Mama sich, innerlich die Achseln zuckend.

Ihr konnte es nur recht sein. David holte tief Luft.

„Da gibt es allerdings etwas, vom dem du nichts weißt.“, nahm er den Faden wieder auf, sich immer unbehaglicher fühlend.

„Nach dem Tod der Margarita ist zwischen Catalina und mir etwas... nun ja... vorgefallen.“

Jetzt war Señora Sanchéz hellwach und bei der Sache. Fragend wanderte ihre Augenbraue in die Höhe. Unruhig rutschte David auf dem Sofa hin und her. Gleich würde er es zur Hälfte überstanden haben. Das war tröstlich. Aber auch beängstigend. Was, wenn seine Mutter alle Achtung vor ihm verlor? Er konnte nicht ertragen, von ihr nicht geliebt zu sein. Und das war auch der Grund, warum er Patricia nicht aufgeben wollte. Er hing zu sehr an ihr und allein der Gedanke, dass sie ihn nicht mehr lieben könnte, schmerzte ihn so unglaublich, dass er bereit war, zurückzustecken und zu kriechen. Etwas, was ihm ansonsten absolut gegen den Strich ging.
 

„Spuck's schon aus!“, riss Señora Sanchéz ihren Sohn aus seiner Grübelei.

Wieder holte David tief Luft. Ja, er wurde sogar ein bisschen rot. Schließlich gestand er seiner Mutter nicht jeden Tag, dass er das Nachbarmädchen defloriert hatte. Okay, DAS würde er nicht sagen. Nur das andere. Und das war ja schon schlimm genug. Allerdings genügte der Gedanke an diese eine Nacht, die er mit und in Catalina verbracht hatte, um seinen kleinen Villa hellwach werden zu lassen.

'Oh verdammt...', schoss es ihm durch den Kopf.

„David, ich warte!“

Man konnte ihr die Ungeduld förmlich anhören. Am Liebsten hätte sie ihren Sohn geschüttelt. Konnte er nicht endlich mit der Sprache rausrücken? Sie wurde noch wahnsinnig hier!

„Mama...“

Er griff nach ihrer Hand und drückte sie begütigend.

„Das ist jetzt nicht leicht für mich.“

Beinahe hätte er aufgelacht. Das war die Untertreibung des Jahrtausends! Bislang hatte es nichts gegeben, das schwieriger gewesen wäre. Nicht einmal die WM in Südafrika zu gewinnen. Er zwang sich, dem neugierigen, erwartungsvollen Blick seiner Mutter zu begegnen.

„Ich habe damals mit Catalina geschlafen.“, würgte er schließlich matt hervor, „Und sie geschwängert.“

Das fügte er vorsichtshalber an. So wie er seine Mutter kannte, hätte sie bei Ersterem nur abgewunken, gelächelt und erwidert, dass sie das schon geahnt hatte. Als er sie jetzt ansah, stand ihr der Mund offen. Schockiert, ungläubig, starrte sie ihn an. Sie hatte ja mit vielem gerechnet aber nicht damit. Sie brauchte eine Weile, um das alles zu einem Puzzle zusammenzusetzen. Schließlich jedoch fand sie ihre Sprache wieder.

„Geschwängert?“, wiederholte Señora Sanchéz schwach.

David nickte nur. Seine Kehle war wie ausgedörrt.

„Soll das heißen?“, begann seine Mutter, „Willst du damit sagen...“

„Ist Isabel etwa meine Enkelin?“, platzte sie schlussendlich heraus.

Wieder kam von David ein Nicken. Er schämte sich ziemlich. Zumal er 13 Jahre lang nichts davon gewusst hatte. Wie auch? Catalina hatte ihm verschwiegen, dass ihre gemeinsame Nacht damals nicht ohne Folgen geblieben war. Allerdings erklärte das nun, warum sie so rundlich und gereizt geworden war. Andererseits konnte David einfach nicht begreifen, WARUM sie keinen verdammten Ton gesagt hatte.

'Und genau das werde ich dich fragen, verlass dich drauf!', dachte er, während er immer noch auf eine etwas aussagekräftigere Reaktion seiner Mutter wartete.

Die erfolgte auch prompt. Es klatschte zweimal und schon hatte David links und rechts ein paar Ohrfeigen sitzen. Irritiert sah er auf. Dass sie ihn schlagen würde hatte er nicht erwartet.

„Und dann wagst du es, diese Schlampe zu heiraten?“, zischte Señora Sanchéz wütend.

Natürlich sprach sie von Patricia, wem sonst? Betreten nickte David auch dazu.

„Hör mal, Mama...“, begann er, wurde aber rasch unterbrochen. Seine Mutter ließ eine ganze Schimpftirade vom Stapel, die selbst seinen Vater aus dem Sessel gehauen hätte. All die Jahre hatte sie Stillschweigen bewahrt, hatte zurückgesteckt und versucht, mit Patricia klar zu kommen. Jetzt musste sie ihrem Ärger einfach Luft machen!

'Sonst platze ich noch!'
 

„Mama, Mama!“, erscholl es laut aus dem Flur. Isabel hatte sich aufgeregt ihre Schuhe und die Jacke ausgezogen. Die Schultasche mit den Sportsachen hatte sie in eine Ecke gepfeffert. Ihre Neuigkeiten waren zu dringend, als dass sie jetzt geduldig hätte sein können. Merkwürdigerweise kam von ihrer Mutter keine Antwort. Das war so untypisch für Catalina, dass Isabel es einen Moment mit der Angst bekam. So schnell sie konnte, machte sie sich auf den Weg zum Schlafzimmer ihrer Mutter, welches gleichzeitig als Arbeitszimmer diente. Doch als sie am Wohnzimmer vorbei kam, konnte Isabel Fetzen von Bon Jovi hören.
 

'My heart beats like a drum

All night

Flesh to flesh, one to one

And it's all right

And I'll never let go 'cause there's something I know deep inside
 

You were born to be my baby

And baby, I was made to be your man

We got something to believe in

Even if we don't know where we stand

Only God would know the reason

But I bet he must have had a plan

Cause you were born to be my baby

And baby, I was made to be your man

You were born to be my baby

And baby, I was made to be your man'
 

Zunächst musste Isabel sich ein Lächeln verkneifen. Ihre Mutter hörte ganz gern Bon Jovi und konnte dabei alles um sich herum vergessen. Als das Mädchen jedoch die Tür zum Wohnzimmer öffnete und ihre Mutter auf dem Boden sitzen sah, die Knie angezogen und weinend, musste sie schlucken. Es geschah höchst selten, dass Catalina sich so gehen ließ. Gewiss war ihr Leben mit Isabel nie besonders leicht gewesen, doch wie schlimm es auch teilweise gewesen sein musste, nie hatte Catalina zugelassen, dass ihre Tochter mitbekam, wie sie litt. Aber nun, da sie diesen Song hörte, kamen einfach zu viele Erinnerungen hoch. Sie hatte David Villa von ganzem Herzen geliebt. Und vielleicht tat sie das immer noch. Allein die Erkenntnis, dass es so war, schmerzte Catalina. Dass er verheiratet war und zwei Töchter hatte, war schließlich allgemein bekannt. Ab und an fand man ein paar Bilder in einer Illustrierten. Aber das es ausgerechnet Patricia hatte sein müssen, das war selbst für Catalina zu viel. Diese fiese Schlampe war immer schon ihre Intimfeindin gewesen. Auch nach 20 Jahren konnte sie den Gedanken nicht ertragen, dass Patricia mit David Leben und Bett teilen durfte. Letzteres war Catalina nur ein einziges Mal vergönnt gewesen, doch hatte es genügt, um ihr Leben völlig aus den Fugen geraten zu lassen. Sobald sie gemerkt hatte, dass sie schwanger war, wollte sie mit David sprechen. Diese dumme Idee hatte Catalina allerdings schnell wieder fallen lassen. Stattdessen hatte sie zum ersten und einzigen Mal ihre Mutter um Rat gebeten. Diese hatte natürlich gewusst, was zu tun war. Sie hatte Catalina in einen Flieger gesetzt und in die Staaten geschickt, wo sie denn auch drei Jahr verbracht hatte. Als Isabel alt genug war, ihre Mutter sich zu Tode gesoffen und Catalina Aussicht auf Arbeit hatte, war sie in das Dorf zurückgekehrt. David verpasste sie nur um Wochen.
 

Señora Sanchéz hatte sich beruhigt. Zumindest so weit, dass sie David zuhören konnte, der auch noch ein paar Dinge zu sagen hatte, bevor er sich überlegte, wie er Catalina ansprechen sollte. Das würde ziemlich schwer werden, dessen war David sich im Klaren.

„Hör mal, Mama, ich wusste doch nicht, dass Catalina schwanger war. Sie hat mir gar nichts gesagt. Und als ich sie fragte, was mit ihr los wäre, bekam ich nur ein pampiges 'Nichts' zu hören. Wie hätte ich da etwas ahnen können? Zumal sie ja dann plötzlich weg war. Außerdem hat Patricia mich abgelenkt.“

„DAS kann ich mir vorstellen.“, bemerkte seine Mutter säuerlich und wenig begeistert.

Beleidigt verzog David sein Gesicht. Statt jedoch weiter auf Patricia rumzuhacken, erhob seine Mutter sich. Nachdem sie zurückgekehrt war, offensichtlich aus der Küche, hielt sie ein Glas mit Zucker in der Hand.

„Ich möchte, dass du das bei unseren Nachbarn abgibst.“, bat sie mit einem Unterton, der David überhaupt nicht gefiel.

„Okay.“, sagte er aber dennoch,“Wohin genau gehört es?“

„Es ist Catalinas.“, erwiderte Señora Sanchéz ungerührt.

„Bitte?“ Jetzt entgleisten David doch die Gesichtszüge.

„Ich kann da nicht hingehen!“, protestierte er.

„Und wie du das kannst!“

Seine Mutter blieb hart. Mit strengem Blick sah sie ihn an. Das Blickduell dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte David den Kürzeren gezogen. Wenig begeistert nahm er das Glas entgegen, um sich auf den Weg zu machen. Ihm blieb ja doch nichts Anderes übrig. Seine Mutter würde nicht eher Ruhe geben, als bis dass er ihren Befehl ausgeführt hatte. Mal ganz davon abgesehen, dass David ohnehin vorgehabt hatte, Catalina früher oder später einen Besuch abzustatten.

„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen...“, murmelte er, während er in seine Schuhe und Jacke schlüpfte, wobei er allerdings ziemlich trödelte. Er wollte das Treffen so weit wie möglich hinauszögern, auch wenn das mehr als feige war. Catalina hatte all die Jahre zu dem Kind gestanden, er nicht. Na gut, er hatte nichts gewusst, doch er musste auch zugeben, dass er Catalina allzu gern aus seinem Gedächtnis verdrängt hatte.
 

Die wenigen Meter zum Haus der Margarita zu überwinden fiel David unendlich schwer. Die Sekunden, Minuten, zogen sich hin wie Kaugummi. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, ehe er endlich die Tür erreicht und auf die Klingel gedrückt hatte. Auch bis die selbe sich öffnete und den Blick auf den brünetten Teenager freigab, schienen Stunden zu verstreichen, obwohl in Wahrheit nur wenige Minuten vergangen sein konnten.

„Ja?“

„Kann ich bitte deine Mutter sprechen, Isabel?“, fragte David mit belegter Stimme.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-02-08T19:58:43+00:00 08.02.2011 20:58
hach.. ich liebe einfach diese frau mama ;-)
wieder ein schönes kapitel..
weiter weiter weiter


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