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Todesweg

von

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Prolog

Er war enttäuscht. Sehr sogar.
 

Und gereizt.
 

Dass es schon beinahe an Verzweiflung grenzte, hätte er sich niemals eingestanden. Ein weiterer Fehlschlag. Ein weiterer Irrtum. Und ihm lief die Zeit davon. Wie lange noch?
 

Er wandte sich von dem Körper, der am Boden lag, ab. Es interessierte ihn nicht mehr, dass er vor wenigen Augenblicken noch mit dem jungen Mädchen geredet, dass sie ihm vertraut hatte, sogar eine kleine Schwärmerei gewagt. Es ließ ihn kalt, dass er ihr den Himmel versprochen und den Tod gegeben hatte. Letztendlich war sie nicht die Richtige gewesen, nur eine weitere Zeitverschwendung. Zeit, die er nicht hatte. Nicht mehr.
 

Er ließ das Mädchen liegen – irgendwo im nirgendwo, einen unbedeutenden Fleck Wald. Würde man sie finden? Vielleicht (und wenn sie Glück hatte, geschähe das, noch bevor Nekrophagen begännen, ihren hübschen Körper zu fressen). Letztendlich spielte es aber keine Rolle. Niemand könnte sich auf ihren Tod einen Reim machen. Gewiss, es war zu erkennen, dass ihrem Leben mit Gewalt ein Ende gesetzt worden war. Doch das war auch schon alles. Man würde es wohl auf Banditen schieben, denen sie zum Opfer gefallen war. Und selbst wenn irgendein nichtiger Aufstrebender die Vermutung äußern sollte, es stecke mehr dahinter (und wenn seine Einheit, Dorf, Regierung – wem auch immer er unterstehen mochte? – außerordentliches Glück besäße, sähe er vielleicht einen Zusammenhang mit den anderen Toten), war auch das nicht von Belang. Niemand wusste, dass es ihn noch gab. Niemand wusste, dass er noch am Leben war.
 

In der Tat, er hatte mehr als einmal Geflüster gehört (zumindest war es das am Anfang gewesen; je mehr Zeit vergangen war, desto lauter und unverfrorener wurden die Verlautbarungen, bis sie irgendwann im übersättigten Desinteresse des Pöbels verstummten). Mutmaßungen, die von seinem Ableben berichteten. Eine Geschichte abstruser als die andere. Einer hatte behauptet, ein Rudel Wölfe und Schlangen habe ihn zum Mittag verspeist; ein anderer meinte, er hätte gesehen, wie in einer Gewitternacht er von einem Blitz getroffen und danach verschwunden sei.
 

Und das waren die originellen Geschichten. Eigentlich schon eine Schande, wenn man bedachte, dass er eine Zeit lang der größte Feind der Welt gewesen war. Aber was wollte man schon von dem einfachen Volk erwarten?
 

Viel wichtiger war, dass er seine Genugtuung in den großen Ninja-Dörfern erhielt. Seines Wissens nach hatte keine der fünf Großmächte ihn je aus dem Bingobuch löschen lassen. Dort galt er immer noch als potenzielle Gefahr, auch wenn es seit Jahren kein Lebenszeichen für ihn gab. Noch immer geisterte er wie ein Albtraum in ihren Köpfen. Gut, zugegebenermaßen war das nicht das, was er hatte erreichen wollen, aber immerhin besser als gar nichts.
 

Mit einem Satz verschwand er im Geäst der Bäume, entfloh nun endgültig dem Ort seiner Tat, ohne jedoch ein bestimmtes Ziel zu haben. Er musste ihn endlich finden, den geeigneten Partner für sein Vorhaben; sonst müsste er schon bald, schon sehr bald Gevatter Tod seinen Tribut erweisen.

Alltag

~Sakura: "Kann man mir vertrauen?"~
 

Ein neuer Tag. Neue Aufgaben, die auf mich warten. Wobei „neu“ nicht ganz das richtige Wort ist. Im Grunde verläuft jeder Tag gleich. Und wenn das eine Kunoichi sagt, will das was heißen – bedenke man doch all die gefährlichen Missionen und aufregenden Abenteuer, die einem in diesem Beruf erwarten. Tja, weit gefehlt. Aber im Endeffekt trage ich allein dafür die Verantwortung, dass mir dieser Spaß entgeht. Es ist ein offenes Geheimnis in ganz Konoha-gakure, dass ich nie ein bestimmtes Ereignis verarbeitet habe, dass ich nie über die eine Person hinwegkam. Das wäre an sich kein Problem. Ich war schließlich nicht die Einzige, die davon betroffen war, die es sich zu Herzen genommen hatte. Mit Verständnis für meine Gefühle kann ich rechnen; doch nicht für mein Denken – und Handeln.
 

Da mein Frühstück beendet ist, stehe ich auf und räume die Reste bei Seite. Ordnung muss sein. Ich habe schon fast eine Allergie gegen Sachen, die in der Gegend herumliegen, sich nicht an ihrem Platz befinden. Ino meinte einmal, es liege daran, dass meinem Leben die Ordnung fehle. Nur deshalb sei ich so pedantisch darauf in der äußeren Welt bedacht. Vermutlich hat sie Recht; doch das würde ich niemandem gegenüber zugeben, ihr am allerwenigsten. Es ist doch seltsam: Der Grund unseres einstigen Streites, unseres Konkurrenzkampfes weilt schon lange nicht mehr unter uns und dennoch lassen sich einige Barrieren aus jener Zeit nicht brechen. So auch der Drang, besser zu sein als sie, nicht hinter ihr zurückzustehen.
 

Während ich mich noch einmal ins Bad begebe, drängt sich mir die Frage auf, warum ich heute von diesen unliebsamen Erinnerungen heimgesucht werde. Noch nicht einmal acht Uhr früh und ich schlage mich bereits mit unerfüllten verflossenen Lieben und zerstörten und wiedererrichtete Freundschaften herum – von meinem Leben ganz abgesehen. Wenn das so weiter geht, kann dieser Tag ja noch heiter werden. Es muss am Herbstwetter liegen.
 

Bislang stand ich mit gesenktem Kopf vor dem Waschbecken, wohl darauf bedacht den Blick nicht in den Spiegel zu werfen. Doch warum noch länger zögern? Genau dafür bin ich doch hergekommen, um in den Spiegel zu sehen. Wie jeden Morgen, bevor ich das Haus verlasse. Ein kleines Ritual. Und auch wenn man meinen könnte, das könne nicht so schwer sein, ist es das. Ich bin nervös, habe Angst vor dem, was ich sehe. Und doch kann ich nicht anders.
 

Ich lege meine Hände auf den Waschbeckenrand, um mich zu stützen, hole noch einmal tief Luft und hebe schließlich meinen Blick, um fest in meine eigenen grünen Augen zu sehen, während ich mir selbst die Frage stelle: „Kann man mir Vertrauen?“
 

Wie immer wende ich meine Augen wieder zu früh ab.
 


 

Das Wetter ist nasskalt. Seit der Nacht hat es ununterbrochen geregnet. So ist es auch kein Wunder, dass ich meinen Zielort vollkommen durchnässt erreiche – die Zentrale zur Missionsverteilung. Natürlich hätte ich mir diese Unannehmlichkeit ersparen können, wäre ich wie jeder andere Ninja in Windeseile über die Dächer gesprungen; doch dieses Vorgehen habe ich mir schon vor einer ganzen Weile abgewöhnt. Und so muss ich wohl damit leben, dass meine Kleidung an meinem Körper klebt.
 

Ich werfe einen kurzen Blick durch den Raum. Die meisten Schreibtische sind besetzt und auf allen stapeln sich die Papiere. Ja, in diesem Raum zeigt sich die wunderbare Realität des Ninja-Seins, weit entfernt von all den romantischen Geschichten über starke Helden oder hinterhältige Schurken. Denn wie in jeder anderen Gesellschaft auch bedarf es der Bürokratie, damit nichts im Chaos versinkt.
 

Ein alltäglicher und ernüchternder Anblick.
 

Mit dieser Erkenntnis begebe ich mich zu einem der mittleren Tische – schließlich sind die Unterlagen alphabetisch geordnet -, um mich über meinen heutigen Dienst kundig zu machen.
 

Heute sitzt ein noch recht junger Ninja an diesem Tisch. Recht jung meint in etwa meine Altersklasse, also Mitte zwanzig. Und eigentlich ist er auch zu jung für diesen Papierdienst. In der Regel wird dieser Job von den Ausgedienten verrichtet – wenn es sich nicht um eine Art Strafdienst handelt. Doch Sato, so heißt dieser junge Mann, hat während eines Einsatzes sein linkes Bein verloren und kann daher nicht mehr aktiv auf Missionen gehen. Unsere Ärzte und Medic-nin vermögen einiges, doch fehlende Gliedmaßen zu ersetzen gehört nicht dazu.
 

„Guten Morgen, Haruno-san“, grüßt er mich, als ich vor ihm stehe und ein leises „Morgen“ vor mich hin murmele. „Wie es aussieht, sind Sie ein Opfer des Wetters geworden, Haruno-san.“ Er lächelt mich an und ich ignoriere es. Mir ist definitiv nicht nach Konversation, am allerwenigsten nach einer solchen, die mein derzeitiges, bekümmerliches Erscheinungsbild zum Inhalt hat. Sato muss diesen Umstand bemerkt haben, da er keinen weiteren Versuch unternimmt, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Stattdessen reicht er mir ein Blatt Papier und nach einem kurzen Blick darauf weiß ich, dass ich ihm bei der Papierarbeit Gesellschaft leisten darf. Glücklicherweise jedoch in einem anderen Raum. Während er hier nur die Aufträge an die einzelnen Leute weiterleitet und dem Blick der Öffentlichkeit preisgegeben ist, darf ich in einem der hinteren Räume die Auftragsaufteilung vornehmen und Berichte auswerten. Wenigstens so viel Verantwortung ist mir noch vergönnt.
 


 

Die Stunden ziehen dahin und die Papierstapel schrumpfen und wachsen. Regelmäßig kommen Berichte von den zurückgekehrten Einheiten herein, müssen sortiert werden, eine Information ausgehängt, dass diese Shinobi für neue Einsätze verfügbar sind. Es werden neue Missionsanfragen eingereicht, Gespräche mit Auftraggebern geführt, um ein Profil der Mission zu erstellen. Man hört Gemurmel, das Rascheln von Papier und das Ticken der Uhr, auf welche nun mein Blick fällt. Zwölf Uhr und achtzehn Minuten.
 

Mit einem Ruck schiebe ich meinen Stuhl zurück und strecke mich. Den ganzen Tag sitzen, ist auch nicht leicht. Das geht auf den Rücken und der Papierkram auf die Augen. Ob ich wohl in ein paar Jahren eine Brille brauche? Eigentlich ein unwichtiger Gedanke und trotzdem beschäftigt er mich. Ich weiß einfach nicht, was ich von dieser Möglichkeit halten soll.
 

Ein leises Knurren in meinem Bauch bringt mich wieder zurück in die Gegenwart. Ich sollte wohl etwas Essen, doch ein Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass der Regen sich immer noch nicht entschließen konnte, eine Pause einzulegen, und ich habe keine Lust schon wieder durchgeweicht zu werden, jetzt wo ich gerade wieder trocken bin. Schade, aber dann gibt es wohl eben nur das kalte Büffet zum Mittag statt einer schönen, warmen Suppe, die an so einem Tag genau das Richtige wäre. Und meinen Mitarbeitern gegenüber ist das wohl auch gerechter. Denn, soweit ich sehen kann, macht keiner von ihnen Anstalten seine Arbeit großräumig zu interbrechen.
 

Na ja, wenigstens ein heißer Tee sollte drin sein. Also auf zur Betriebsküche.
 

Auf meinem Weg dorthin sehe ich Sato, der sich in der Nähe des Ausgangs aufhält. Eigentlich hätte ich ihm nicht zugetraut, dass er sich einfach so zur Mittagspause davonschleicht. Aber genau das scheint ja wohl der Fall zu sein. Dennoch, seltsam, dass er dann nicht zur Tür hinausgeht, sonder nahezu hilflos davor steht. Als ich fast schon an ihm vorbei bin, fällt mir endlich auf, warum. Wie jeder halbwegs normale Mensch scheint er nicht besonders erpicht darauf, schutzlos durch diesen Regen zu laufen. Nur warum spannt er seinen Schirm nicht auf?
 

Mit einem Schulterzucken tue ich die Sache ab und bin schon halb verschwunden, als Sato mich erblickt.
 

„Verzeihung, Haruno-san. Könnten Sie mir helfen?“
 

Ich bleibe stehen und seufze kurz – mein Tee muss wohl warten, hoffentlich dauert das nicht allzu lange -, wende mich dann Sato zu. Er steht ein wenig unbeholfen da: die Krücke unter dem linken Arm, in der rechten Hand den geschlossenen Schirm. Mit einer gewissen Erleichterung im Blick sieht er mir entgegen, aber irgendwas ist da noch.
 

„Ich bin wirklich froh, dass Sie gerade vorbeigekommen sind. Es sind die Treppen, Haruno-san. Durch den Regen sind sie recht glatt geworden und ich kann nicht wirklich mit hinuntergelangen, ohne mich festzuhalten.“ Wie um seine Aussage zu stärken, zeigt er mir beide Hände vor – na ja, eigentlich nur die rechte, bei der linken geht es etwas schlecht -, die beide belegt sind. „Vielleicht könnten Sie mir helfen hinunterzukommen.“
 

„Natürlich.“ Ich gehe zu ihm hinüber, doch als ich ankomme, weiß ich eigentlich nicht genau, was ich tun soll. Soll ich ihn stützen, während er mit Schirm und Krücke hinabbalanciert?
 

Ich fluche innerlich über diese Hilflosigkeit meinerseits. Ist es denn wirklich schon so lange her, dass ich im Krankenhaus ausgeholfen habe, dass ich zuletzt Patienten betreut oder gar behandelt habe? Kann ich mich nicht einmal mehr an so einfach Grundlagen erinnern, wie einen Patienten sicher die Treppen hinunterzubegleiten? Frustration steigt in mir auf. Ich möchte schreien. Das kann doch eigentlich nicht wahr sein! Warum muss ich heute immer wieder an mein Versagen, meine Unfähigkeit erinnert werden?
 

Ich weiß nicht, ob sich mein Gemütszustand auf meinem Gesicht zeigt, vermutlich schon, denn etwas verschüchtert und vorsichtig reicht mir Sato seinen Schirm. Ich nehme ihn entgegen und schaue etwas verwirrt zunächst auf den Gegenstand, dann den jungen Mann an. Er lächelt nun wieder. Es ist ein ruhiges, ein beruhigendes Lächeln. Eines, das nur wenige Menschen besitzen. Naruto, mein wohl bester Freund, besitzt auch eines. Nein, seines ist noch anders, nicht beruhigend; es verbreitet viel mehr Freude und Fröhlichkeit – so sehr, dass es einem manchmal schon auf die Nerven geht. Kein Mensch kann so viel gute Laune besitzen.
 

Wie lange habe ich Naruto eigentlich nicht mehr gesehen? Das letzte Mal war auf einer Art Dorfversammlung, als offiziell die Nachfolgefrage im Hyuuga-Clan geklärt und bekannt gegeben wurde? Also vier oder fünf Monate? War es wirklich schon so lange?
 

Was soll eigentlich das ganze Nachdenken, Sakura? Es ist ja nicht so, als ob du dadurch etwas ändern könntest.
 

„Haruno-san?“
 

„Verzeihung, ich war in Gedanken.“
 

„Das habe ich bemerkt.“ Wieder lächelt er und legt dabei den Kopf ein wenig schief. „Ja, an einem Tag wie heute ist so etwas sehr leicht. Wollen wir dann, Haruno-san?“
 

„Sicher.“ Ich spiele ein wenig unsicher mit dem Schirm in meiner Hand und sehe auf diesen hinab. Was genau will der eigentlich von mir?
 

„Es würde mir schon helfen, wenn Sie den Schirm tragen könnten. Dann kann ich mich mit der freien Hand am Gelände abstützen.“
 

Und jetzt möchte ich mir selbst eine Kopfnuss verpassen. Auf so eine einfache Lösung hätte ich auch kommen können. Heute ist wirklich nicht mein Tag.
 

Ich gehe an Sato vorbei zur Tür und spanne dort den Schirm auf. Gleich darauf ist er auch bei mir und wir machen uns auf den Weg nach unten, wobei wir nur sehr langsam vorankommen (warum müssen alle wichtigen Anlaufstellen im Dorf so hoch liegen?). Die Stufen sind in der Tat sehr rutschig. Wasserlachen haben sich auf ihnen gebildet und die von unzähligen Schritten glatt geschliffenen Kanten und Flächen laden geradezu zu einer Schlitterpartie ein. Kein Wunder, dass Sato den Abstieg nicht alleine wagen wollte. Ich an seiner Stelle hätte das auch nicht getan.
 

Obwohl ich nun den Schutz des Regenschirmes von oben habe, bin ich nicht wirklich geschützt. Die Luft ist nass, macht den Wind schneidend kalt, manche Regentropfen finden doch ihren Weg unter den Schirm hindurch und ich bin für eine Wanderung in diesem Wetter nun wirklich nicht gekleidet. Da ich nie weiß, ob ich nicht doch noch einmal auf eine Mission geschickt werde, ist meine Kleidung dementsprechend ausgelegt – Jacke und Schal, die ich am Morgen getragen habe, befinden sich noch an meinem Arbeitsplatz: Stiefel, ein einfacher Rock über einer Leggins, einfaches, komfortables, kurzärmeliges Shirt für viel Bewegungsfreiheit. Neben der Leggins ist einzig der Pullover, den unter meinem Shirt trage, ein Tribut an diese Jahreszeit, doch wirklich wärmen, tut auch der nicht in so einem nasskalten Wetter.
 

„Sagen Sie, Haruno-san“, meldet sich Sato auf einmal neben mir. Man merkt an seinem Atem bereits, wie anstrengend dieser Abstieg für ihn sein muss. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“
 

Was ist das eigentlich für eine Phrase? Darf ich eine Frage stellen? Streng genommen hat man das dann doch schon, was diese Frage irgendwie unsinnig macht. Dass mir dieser Umstand auffällt, zeigt mir überdeutlich, dass ich von der Situation im Moment genervt bin. Sonst verschwende ich keine Gedanken auf Redewendungen. Ich suche eigentlich nur irgendetwas, um diesem Gespräch auszuweichen. Aber Sato hat mir nichts getan, er versucht nur freundlich zu sein und ich bin mir sicher, wenn ich jetzt in sein Gesicht sähe, ich erblickt wieder dieses Lächeln. Seine Stimme klingt zumindest sehr danach. Also halte ich meinen Blick starr auf die Stufen gerichtet.
 

„Sicher.“
 

„Ich habe gehört, Sie waren früher eine sehr gute Medic-nin. Warum haben Sie aufgehört?“
 

Und schon bereue ich es, mich auf das Gespräch eingelassen zu haben. Das ist genau einer der Punkte, über die ich nicht nachdenken will.
 

„Na ja“, antworte ich, meinen Blick immer noch fest auf die Stufen gerichtet. „Es ist nicht so, dass ich das wollte oder getan habe. Es ist einfach passiert.“ Und damit ist das Thema für mich beendet. Sato muss nun wirklich nicht wissen, dass die Übersetzung von ‚einfach passiert‘ lautet: Ich habe das Vertrauen meiner Lehrmeisterin verloren, zu viele Regelverstöße, zu viel eigensinniges und übereiltes Handeln, was normalerweise nicht meine Art ist, zu oft gegen Anordnungen aufgelehnt und andere dadurch in Gefahr gebracht, zu oft mit den Gedanken woanders gewesen und den Aufgaben zu wenig Beachtung geschenkt. Ja, so könnte eine Zusammenfassung meines Weges zum Bürojob lauten.
 

Wieder ist es still zwischen uns. Ich spüre wie die Kälte in meine Finger zieht und dort einen kaum merklichen Schmerz auslöst. Mit einem flüchtigen Blick auf meine Finger sehe ich, wie rot sie sind. „Vermissen Sie es manchmal, Haruno-san?“
 

„Vermissen?“
 

„Wie es früher war. Die Missionen. Ich für meinen Teil tue es. Sicher unsere jetzige Arbeit ist auch wichtig und ihr obliegt eine gewisse Verantwortung. Dennoch lässt sich der bittere Beigeschmack nicht verleugnen, dass wir abgeschoben wurden. Wie die alten, ausgedienten Shinobi können wir für das Dorf keinen anderen Zweck mehr erfüllen. Uns bleiben nur die Formalitäten oder das Auswandern. Irgendwie sind wir hier eingesperrt.“ Für einen Moment unterbricht er sich, bleibt dann stehen und greift nach meinem Arm. Diese Handlung ist so überraschend, dass ich ihm jetzt doch ins Gesicht sehe. Es ist ernst, sehr ernst. Der Blick seiner Augen fest. „Haruno-san, für mich gibt es keine Hoffnung. Mit meinem fehlenden Bein werde ich kaum noch die Arbeit eines Ninja ausüben können. Höchstens als Verteidiger sollte das Dorf mal ernsthaft angegriffen werden. Doch für Sie, Haruno-san, sieht die Sache anders aus. Sie haben noch die Chance zurückzukehren. Wieder das zu tun, wofür Sie sich vor Jahren entschieden haben, als Sie die Akademie besuchten, was Sie einst tun wollten. Sollte sich Ihnen eine Gelegenheit bietet, nutzen Sie sie.“
 

Noch einen Moment sieht er mich an, dann wendet er sich mit leicht geröteten Wangen und ein wenig schwer gehendem Atem um. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände bereitet habe, Haruno-san.“ Als er sich mir nun wieder zuwendet, ist deutlich wieder das Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. „Dass ich Sie den ganzen Weg hier herunter geschleppt habe, in diesem Wetter. Ich kann nur anbieten, dass Sie den Schirm nehmen, für Ihren Weg nach oben.“
 

„Nein, nein. Ist schon gut.“ Doch mit meinen Gedanken bin ich einmal mehr nicht wirklich bei der Situation.
 

„Ich danke Ihnen vielmals, Haruno-san, für Ihre Hilfe. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen noch.“ Und mit einer kleinen Verbeugung macht er sich auf seinen Weg.
 

Ich glaube, ich habe erst jetzt begriffen, dass auch er, Sato, ein Ninja war – dass er in seinem Herzen noch immer ein Ninja ist.

Grab

~Der Wanderer: "Zu schade."~
 

Der Winter hielt Einzug. Und das mit großen Schritten. Die letzte Wärme des Sommers, die in den Tagen zuvor noch verweilt hatte, war nun vollends entschwunden und hatte Platz für Kälte und Herbststürme gemacht. Ein ebensolcher suchte auch im Moment das Land heim. Es war später Nachmittag und durch die Gewitterwolken herrscht bereits eine tiefe Dunkelheit.

Kurz hielt der Wanderer an, richtete sich etwas auf, zog den Reisemantel enger um seinen Körper, um dem durchnässten Stoff ein letztes bisschen Wärme zu entlocken, sah sich um.

Felsen, karges Land, der Boden mit spärlichen Resten Grases bedeckt, die wohl selbst im Tageslicht mehr braunfleckig denn grün wären. Ein wenig Gestrüpp wuchs hier und dort, Büsche, die bis auf wenig Überreste ihre Blätter verloren hatten. Für Getier gab es kaum einen Schlupfwinkel und keinen Schutz vor dem Wind, der hier gnadenlos alles attackierte, was über dem Boden ragte. So war es auch kein Wunder, dass der Wanderer immer wieder mit dem Gleichgewicht zu kämpfen hatte, wenn er von einer Böe direkt erwischt wurde. Die wenigsten würden bei so einem Wetter in dieser Gegend herumwandern. Doch sein Ziel lag irgendwo weiter oben am Hang und so blieb ihm nichts Anderes übrig, als den Weg fortzusetzen.

Er mochte es nicht zugeben, doch das Atmen fiel ihm mit jedem Schritt schwerer, die Luft wurde ihm regelrecht von den Lippen gerissen, während der Wind auf seinen Brustkorb drückte. Weiter, weiter Schritt für Schritt, unablässig suchten seine Füße die Bewegung nach vorne, den sicheren Halt auf dem Untergrund, der zwischen matschigen und glitschigen Erdklumpen und von überwässertem Moos und Flechten rutschigen Steinen. Lange konnte er seine aufrechte Position nicht halten, musste sich wieder vorneüberbeugen, was ihm ein bitteres, doch ungehörtes Lachen entlockte. Nie, niemals hätte er sich diesen Tag vorgestellt, an dem er sich einmal beugen müsste, an dem er nicht aufrecht gehen könnte. Das Schlimmste daran war, es lag nicht allein am Wetter, nein, selbst wenn Regen und Wind verstummen würden, fehlte ihm doch die Kraft länger als wenige Momente aufrecht zu stehen.
 

Als er sein Ziel erreicht hatte, war die Finsternis vollkommen um ihn, die Gestirne hinter Wolkenbergen verborgen, die man nicht sehen konnte. Den letzten Teil des Weges hatte er nur stolpernd, ja teilweise kriechend zurückgelegt, entkräftet von dem weiten Weg, von dem vergeblichen Kampf gegen die Naturgewalten und aus Angst –ja, Angst! -, dass er den Halt verlieren könnte und ein erbärmliches Ende nähme. Konnte er denn noch tiefer sinken als jetzt?

Doch jetzt stand er vor der Behausung. Dieses Wort beschrieb es noch am treffendsten. Es war in den Fels gehauen, hatte keine Fenster; nur eine Tür und der Schornstein, aus dem Rauch aufstieg verrieten, dass es sich um eine menschliche Schöpfung handelte.

Er klopfte und nach kurzem Warten wurde ihm die Tür einen Spalt weit geöffnet. Das Innere war von einem rötlichen Licht erfüllt und tauchte das Gesicht der Person, die in der Tür stand in Schatten.

„Ja?“ Ihre Stimme war leise und rauchig. Sie klang, als wäre das Mädchen, das mit geöffnetem Mund dastand, nicht wirklich anwesend. Einen ebensolchen Anschein erweckten auch ihre dunklen Augen, die der Wanderer sehen konnte, als sie leicht den Kopf wandte – so als würde sie ihn gar nicht sehen, obwohl sie ihn direkt ansah.

Er antwortete ihr nicht, sondern schob die Tür gewaltsam auf und trat ein. Das Mädchen reagierte nicht, blieb einfach stehen.

Es gab nur einen Raum und dieser war von der großen Feuerstelle in der Mitte geprägt. Auch jetzt prasselte dort ein ansehnliches Feuer. Es überheizte die Luft, machte sie stickig, während sie schwer und berauschend war von dem Duft verbrannter Kräuter. Dennoch war der Wandersmann froh über die Wärme, was er nicht vom Rest des Inventares behaupten konnte. Von der gesamten Decke, ausgenommen die Aussparung für den Schornstein, hingen getrocknetes Gestrüpp, Stein- und Knochenketten und totes Kleingetier. Auf dem Boden verteilt fanden sich verschiedene Gefäße, Töpfe und Schüsseln, manche umgestürzt, ihr Inhalt achtlos verstreut, und erschwerten die Bewegung durch den Raum.

„Schließ die Tür, Mädchen!“ Die kratzige, hohe Stimme kam von der anderen Seite der Feuerstelle, doch machte die dazugehörige Person keine Anstalten, sich zu erheben und den Gast zu begrüßen. Dem Wanderer blieb keine Wahl, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und sich seinen Weg um das Feuer herumzusuchen. Auf der anderen Seite fand er schließlich auch die Gesuchte. Nach seinem letzten Fehlschlag war er einige Zeit ziellos umhergeirrt, hatte nicht gewusst, wo er seine Suche fortsetzen sollte und sich schließlich entschlossen, hierher zu kommen, wo es seinen Anfang genommen hatte.

Die Frau, die der Wanderer nun ansah, erzeugte Ekel in ihm. Sie erzeugte jedes Mal Ekel in ihm. Sie war alt, hager, ihre Haut versschrumpelt, das Haar dünn und an manchen Stellen vollständig ausgefallen. Wenn sie sprach, konnte man erkennen, dass ihr Gebiss Lücken aufwies. Was für weitere Schwächen und Gebrechen sie noch besaß, die er nur nicht sehen konnte, wollte er lieber nicht wissen. Für ihn war sie der Inbegriff des Alters. Das Alter widerte ihn an.

„Nun, Herr“, kicherte sie. „Habt Ihr erneut Euren Weg in diese bescheidene Hütte gefunden, Herr?“

Sie nahm ihn nicht ernst. Er konnte es spüren, hören, sehen. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich zu erheben und ihm Respekt – vorzugsweise mit einer angemessenen Verbeugung – zu erweisen, nicht einmal einen Versuch unternommen dies zu tun. Nein, sie war sitzen geblieben auf dem Objekt, was wohl der einzige Sitzplatz war und zeitgleich als Schlafplatz fungierte: einfaches Gestelle, bedeckt mit dreckigen Decken. In der Tat hatte sie sich sogar noch provokant zurückgelegt, als wollte sie ein königliches Gebaren an den Tag legen und ihn als Diener deklarieren, und sah ihn nun direkt und dreist an.

Sie war in der besseren Position. Er suchte etwas und hoffte es bei ihr zu finden. Das wusste sie.

„Du weißt, warum ich hier bin, Weib.“ Die Antwort kam kurz und schneidend.

„Ach wirklich, tu ich das? Ich bin mir aber da nicht so sicher, Herr. Warum sagt Ihr mir nicht, was ich für Euch tun kann.“ Dabei legte sie ihren Kopf leicht schief und begann ihren Oberkörper ganz leicht zu schaukeln. Hatte er eben noch reinen Ekel über das bloße Alter empfunden, wurde dieser jetzt um ein Vielfaches gesteigert, was seinem ohnehin mehr als dünnem Geduldsfaden sehr abträglich war. Sie wollte spielen und unter anderen Umständen – und wenn sie etliche Jahre jünger wäre -, hätte er sich mit Freuden darauf eingelassen. Doch nicht jetzt.

„Ich brauche mehr von dem Zeug.“

Offenbar hatte diese Aussage das Interesse der alten Frau geweckt, denn sie richtete sich auf, sah forschend in seine Augen. Nach wenigen Sekunden begann sie zu grinsen, offenbarte dabei nicht nur ihre fehlenden Zähne, sondern auch den schlechten Zustand derer, die sie noch hatte. Es grenzte schon an ein Wunder, dass sie noch so deutlich zu sprechen vermochte.

„Das kann ich nicht.“ Sie sprach die Worte langsam, genüsslich. Ihr Grinsen wurde breiter. „Das sagte ich Euch bereits bei Eurem letzten Besuch. Und davon ab fehlen mir die Zutaten.“

„Wo finde ich den Partner?“

„Woher soll ich das wissen? Den zu finden, liegt an Euch. Strengt Euch etwas mehr an! Ich habe Euch alles gesagt, was Ihr wissen müsst.“

War es ihre Antwort – sie war schließlich nicht diejenige, die durch die Welt reiste und unter all den Versagern und Idioten, die sie beherbergte, den Richtigen nicht finden konnte -, war es der Spott, nein, schon fast Vorwurf, mit dem sie es sagte, war es, dass sie nun einen unüberwindbaren Grad an Nutzlosigkeit für ihn erreicht hatte: was es auch sein mochte, es gab nur zwei Tatsachen – sie erfüllte keinen Zweck mehr und seine Geduld war nun endgültig vorbei.

„Zu schade.“ Die Worte des Wanderers waren ganz, zu ruhig. Es war an der Zeit, dem alten Weib die entsprechende Belohnung zukommen zu lassen.

Langsam, die Schritte gemessen, berechnet, trat er auf sie zu, einen nach dem anderen. Mit einer ebenso merkbaren Berechnung, mit einer Betonung jeder seiner Bewegungen, die das Folgende und dessen Unabwendbarkeit verkündeten, schlug er seinen Mantel zurück und zog etwas hervor, etwas das den Schein des Feuers auffing und widerspiegelte.

Und dann schritt er an der Frau vorbei, hinüber zu der Tür, in deren Nähe sich das dunkeläugige Mädchen niedergelassen hatte. Noch immer waren ihre Augen blicklos, schienen nichts wahrzunehmen; noch immer starrte sie mit offenem Mund vor sich her, wühlte in einigen Gefäßen und Scherben herum, offenbar ohne zu wissen, was sie tat. Sie bemerkte den Mann nicht, verfolgte unabbringbar ihrem Tun.

Hinter sich hörte er ein Kreischen, einen Ruf, dann spürte er einen Schlag auf seinem Rücken. Abrupt drehte er sich um. Die Alte hatte sich erhoben, hatte sich mit einem brennenden Scheid auf ihn gestürzt. In diesem Moment war der Mann mehr als froh, dass sein Mantel vom Regen durchnässt war und kein Feuer fangen konnte. Doch blieb ihm nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn die alte Frau hatte nun begonnen mit ihren klauenartigen, verdreckten Händen nach seinem Gesicht zu kratzen. Es nützte ihr nicht viel. Sie wurde zurück geschleudert, prallte gegen die Wand hinter ihr und blieb benommen liegen. Er mochte vielleicht nicht mehr das sein, was er einst gewesen war, aber das hieß noch lange nicht, dass er schwach war, selbst wenn er auf Tränke und Hexenkram als Hilfe angewiesen war.

„Keine Angst. Du bist gleich dran, Weib, doch zunächst…“ Er wandte sich wieder um, musste aber feststellen, dass das Mädchen nicht mehr da war. Die Tür stand offen. Die Alte hatte ihr wohl genug Zeit verschafft, um nach draußen zu gelangen. Aber was war das anderes als eine unbedeutende Verzögerung. Er trat hinaus in die Dunkelheit der Regennacht. Er brauchte einen Augenblick, musste sich konzentrieren, seine Energien ordnen, doch dann sah er ihn, den Schatte, der sich hastig und stolpernd entfernte. Nicht weit genug, ganz und gar nicht weit genug. Er hätte sie schon bald eingeholt.
 

***
 

Ein neuer Tag. Neue Aufgabe. Aber im Grunde der gleiche Kram wie immer: Akten wälzen und durchackern. Das Wetter hat bisher auch keine Anstalten gemacht, besser zu werden, so dass die ganzen Tropfen noch immer munter vor sich hin prasseln. Mein einziger Lichtblick besteht darin, dass der Tag schon weit fortgeschritten ist und damit meine Schicht beendet.

Mit diesem erfreulichen Gedanken beginne ich meinen Schreibtisch aufzuräumen und die Akten ein letztes Mal für heute zu ordnen: einen Stapel für neu angelegte Missionen, einen mit abgearbeiteten, für das Archiv bereite Missionsberichte; Anträge auf weitere Aufträge, die noch bearbeitet werden müssen, Lageberichte und weitere Dokumente. Dabei fällt mir eine Akte in die Hände, die mich doch noch einmal verwirrt.

Es ist ein medizinischer Bericht über eine Obduktion, eine junge Frau, die in den Wäldern nahe Konoha gefunden wurde. An sich nichts Außergewöhnliches, auch medizinische Berichte werden uns teilweise zur Bearbeitung gereicht – hauptsächlich wenn es während einer Mission zu einem Todesfall gekommen sein sollte -, doch diesen habe ich bereits gestern gesehen, durchgesehen und als fehlgeleitet gekennzeichnet. Es war zweifelslos eine Freude, nach langer Zeit so ein Dokument wieder in den Händen zu halten, wieder für kurze Zeit in meine geliebte Materie einzutauchen, doch das Alles ändert nichts an dem Umstand, dass mich nach Beendigung der Lektüre die Gegenwart wieder einholte, dass ich keine Medic-nin mehr bin und dass dieses Dokument nur das letzte Zeugnis eines Opfers ist, dem wir keine weitere Bedeutung beimessen müssen – so hart das auch klingt.

Wie den Aufzeichnungen zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Frau nicht um eine Kunoichi, aus Konoha stammt sie auch nicht, sonst wüssten wir, wer sie ist, und Teil einer Mission kann sie auch nicht gewesen sein, denn dann hätten wir ebenso Aufzeichnungen von ihr. Die Obduktion hat keinerlei Auffälligkeiten hervorgebracht und es wurde auch kein Antrag von irgendeiner Gemeinde gestellt, dass wir uns mit ihrem Tod befassen sollten. Von daher gibt es keinen Grund, warum wir uns mit ihr befassen sollten; zumal wir auch nicht unter Langeweile leiden. Wir mögen uns zwar in friedlichen Zeiten befinden, aber es gibt trotzallem mehr als genug Arbeit für Ninja.

Mit einem leichten Kopfschütteln lege ich die Akte schließlich auf den Stapel der abgearbeiteten Dokumente, überprüfe noch einmal, ob der Vermerk ‚erledigt‘ deutlich erkennbar ist – was der Fall ist -, und sortiere die restlichen Papiere. Es war vermutlich nur ein Versehen, dass dieser Bericht erneut hierher gebracht wurde, und ein Zufall, dass ich ihn wieder bekam.

Nachdem ich die Akten allesamt in die ihren Fächern verstaut habe, verlasse ich endlich das Gebäude.

Es ist dunkel und die Laternen wollen die Straßen nicht wirklich erhellen. Kaum eine Menschenseele ist zu sehen und, wer sich doch in diesem Regen aufhält, zeigt das höchste Bemühen diesen Umstand zu ändern. Wer kann ihnen das verübeln? Ich selbst würde es ihnen nur zu gerne gleich tun und ohne Umwege nach Hause gehen, doch habe ich noch etwas zu erledigen.

Mit schnellen Schritten eile ich durch die Straßen, doch als ich endlich mein Ziel erreiche, ist der Laden bereits geschlossen.

Ich trete an die Glastür heran und spähe ins Innere. Der Raum ist dunkel und nur schemenhafte Umrisse sind zu erkennen. Doch am anderen Ende kann ich einen schmalen Lichtstreif ausmachen. Es muss also noch irgendwer da sein. In der Hoffnung, dass mich jemand hört, klopf ich gegen die Scheibe und in der Tat kommt auch jemand nach wenigen Augenblicken.

Das Glöckchen über der Tür klingelt zaghaft, als die Frau mittleren Alters diese einen Spalt öffnet. Sie scheint nicht mehr mit Kundschaft gerechnet zu haben, zumindest deutet ihre angespannte Haltung darauf hin. Erst als ich meine Kapuze, die mir etwas weit ins Gesicht hängt, zurückschiebe und sie erkennt, wer ich bin, entspannt sie sich und öffnet die Tür ganz.

„Komm doch rein, Sakura.“ Mit einem Lächeln macht sie mir den Weg frei und schließt die Tür, nachdem ich eingetreten bin. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr heute.“

Mit diesen Worten verschwindet sie in den dunklen Raum.

Etwas verwirrt bleibe ich an der Tür stehen. „Sie haben mich erwartet, Yamanaka-san?“

„Aber natürlich“, erklingt ihre Stimme aus dem erleuchteten Nebenraum und gleich darauf kommt sie wieder zurück. Soweit ich es ausmachen kann hat sie ein kleines Gesteck oder einen Strauß in den Händen. „Die letzten drei Jahre bist du doch auch immer am siebenundzwanzigsten Oktober gekommen und hast Blumen geholt. Da dachte ich eben, dass du das heute auch wieder machst.“

Lächelnd überreicht sie mir die Blumen. Es ist ein schmaler Strauß, dessen Zentrum eine einzelne scharlachrote Blüte bildet, um die sich eine Rispenspirale aus blauweißen, kleinen Blüten abwärts windet. Es ist ein schlichtes Gebinde, aber gerade das macht es sehr reizvoll.

„Die rote Blüte ist die des Granatapfels. Und die kleinen hier kommen vom Tartaren-Lattich.“ Sie zeigt mir die Blüten. Die Verbundenheit zu Pflanzen liegt dieser Familie offensichtlich in den Genen, denn auch Ino, ihre Tochter, weiß so ziemlich alles über Blumen. „Ich dachte, das wäre ganz passend.“

Ich bedanke mich bei ihr und zahle den Strauß und bin schon wieder halb aus der Tür, als mich Yamanaka-san noch einmal anspricht. „Möchtest du vielleicht noch einen Augenblick mit hoch kommen? Einen Tee trinken?“, fragt sie mich, wobei sie mit ihren Armen in dir Richtung zeigt, in der sich die Treppe zur darüber liegenden Wohnung befindet. „Ino ist auch da. Sie würde sich sicher freuen.“ Ihre Stimme hat nun einen traurigen, ja fast schon verzweifelten Klang angenommen.

Ich stehe mehrere Augenblick ratlos in der Tür. Ich weiß, dass ich solche Angebote sehr schnell ablehne, ohne nachzudenken. Ich schäme mich meiner zu sehr, als dass ich noch richtig der Gesellschaft anderer Menschen aussetze. Und Inos Anwesenheit würde es in diesem speziellen Fall noch schwieriger machen. Zu groß ist unsere einstige Konkurrenz gewesen, als dass ich sie vergessen könnte. Zumal mir der heutige Tag, der mir noch bevorstehende Gang eh schon im Magen liegt. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass auch Ino sich noch zu gut erinnert, was an diesem Tag vor ein paar Jahren geschehen ist und ich bin mir nicht sicher, ob mir verziehen wurde.

„Nein, danke. Heute nicht. Ein andermal vielleicht.“ Ich versuch bei diesen Worten zu lächeln, doch will mir das nicht so ganz gelingen, weswegen ich froh über die Dunkelheit bin.

Ich verabschiede mich von Yamanaka-san und mache mich auf den Weg, hinaus aus dem Dorf, in den Wald. Es ist düster hier, ein wenig unheimlich. In dem wenigen Licht erscheint das Geflecht der Zweige wie lauernde, drohende Gestalten, Riesen, die sich hinabneigen. Die letzten Blätter rascheln im Wind und das beständige Plätschern der Regentropfen vertieft die Stille um mich herum: eine Stimmung, die nahezu greifbar, aber doch irreal ist; eine Atmosphäre, die von Gefahr zeugt.

Trotz dieser Phantastereien gelange ich unbeschadet an mein Ziel: eine Lichtung, unweit des Trainingsplatzes meiner Jugend. Der Wind weht hier stärker als im Dorf oder im Schutz des Waldes, so dass es nicht verwunderlich ist, dass ich meine Kapuze festhalten muss, und auch die Kälte des Wetters ist durch den Wind verstärkt zu spüren.

Ich gehe langsam, nun schon fast zögerlich, immer weiter auf die Lichtung, auf ihr Zentrum zu, wo ich eine Ansammlung an Steinblöcken ausmachen kann. Die meisten haben eine quadratische Form, nur der in der Mitte ist höher und hat die Form eines Oktaeders. Dieser war der erste der Steine und auch seine Form war ursprünglich die eines Würfels. Doch vor ein paar Jahren wurde er von begabten Steinmetzen nachbearbeitet, so dass er nun diese spezifische Form hat.

Auf allen diesen Steinen befinden sich Gravuren. Sie sind die letzten Zeugnisse der Gefallenen. Ich will gar nicht wissen, wie viele Namen hier insgesamt eingemeißelt wurden. Viele der Namen kenne ich und manchen Träger eines solchen Namens kannte.

Ich gehe auf einen der Steine zu meiner linken zu. Vor diesem liegt bereits ein kleines Gesteck aus hellen Blüten. Ich nehme an, Hinata hat es hier niedergelegt.

Ein Kratzen macht sich in meinem Hals bemerkbar, als vor dem Stein stehen bleibe. Mir wird flau im Magen und ich kann nicht anders, als meinen Strauß an mich zu drücken und sowohl Augen als auch Mund fest zusammenzukneifen. Jedes Mal, jedes Mal überkommt es mich aufs Neue und ich kann die Tränen nicht zurückhalten.

Vorsichtig lasse ich mich auf die Knie sinken und lege die Blumen vor dem Gedenkstein ab. Ich weiß, ich sollte es nicht tun, ich weiß, ich werde mich dann noch schlechter fühlen; und dennoch suchen meine Augen diesen einen Namen. Ich weiß, wo er steht, ich weiß es ganz genau und es wäre so einfach in sofort zu erhaschen. Aber ich tue es nicht. Stattdessen gleiten meine Augen die Spalten hinab, über jeden einzelnen Namen, ohne dass ich diesen wirklich wahrnehme. Es ist, als ob ich es ungeschehen machen könnte, als ob es nie geschehen wäre, solange ich diesen Namen nicht lese. Ein kleiner Funken verdammter Hoffnung.

Doch schließlich gelange ich doch dort an und alle Kraft verlässt mich. Ich lasse meinen Kopf sinken, sinke in mich zusammen und spüre ich meine Stirn das nasse Gras berührt. In diesem Moment löst sich der Schrei, das Schluchzen und ich lasse es nur noch heraus, ungeachtet dessen, was für ein Bild ich abgebe.

Ich weiß nicht, wie lange ich so verharrt bin. Es müssen aber einige Minuten gewesen sein, denn meine Finger sind von Kälte taub und mein Mantel mehr als nur regenfeucht.

Mit schwachen Beinen stehe ich auf und gehe ohne einen letzten Blick auf die Gedenksteine zurück, durch den Wald, in das Dorf, nach Hause; und auf dem ganzen Weg verfolgt mich dieser eine Name:

Inuzuka Kiba, dessen Tod ich zu verantworten habe.
 

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Es tut mir sehr leid, dass das Kapitel erst jetzt kommt. Ich hatte es eigentlich viel früher schreiben wollen. Nur leider war mein ganzer Dezember rabenschwarz, so dass ich nicht die Muße dafür gefunden habe.

Wenigstens konnte ich aber ein paar Sachen für den weiteren Verlauf planen.

Danke an alle, die das hier überhaupt lesen und die so eine Geduld mit mir haben.

Liebe Grüße,

Isamenot

Karin

~Karin: "Weißt du was, Haruno? Vergiss es einfach!"~
 

Ein neuer Tag. Neue Aufgaben; aber noch immer das gleiche Spiel. Wieder sitze ich an meinem Schreibtisch, bearbeite Berichte und durchforste Akten. Die Uhr tickt in einem fort und langsam verstreicht die Zeit.

Aus dem Oktober ist nun Mitte November geworden. Das heißt, dass nun langsam die schneidende Kälte des Winters sich zu dem feuchten Wetter gesellt – auch wenn heute eigentlich ein schöner Tag ist. Der Himmel ist bewölkt, doch gelegentlich findet der ein oder andere Sonnenstrahl seinen Weg hinab. Und vor allem regnet es nicht. Immer, wenn ich von meiner Arbeit auf und aus dem Fenster sehe, schleicht sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Es tut gut, sich so entspannt zu fühlen.

„Haruno!“, schrillt es auf einmal durch den Vorraum. Meine Laune verfinstert sich schlagartig. Das hat mir jetzt noch gefehlt. Nicht nur muss ich die Blicke all meiner Kollegen ertragen – Neugier kann so grausam sein – und versuchen ihnen zu bedeuten, dass ich keine Ahnung habe, was dieser Aufruhr soll, nein, ich bin auch nicht sonderlich erpicht darauf die Verursacherin dessen zu sehen. Also wende ich mich stur dem vor mir liegenden Dokument zu, irgendein Bericht über eine D-Rang-Mission, und hoffe, dass sie verschwindet, wenn ich nicht reagiere. Doch wie nicht anders zu erwarten, diesen Gefallen tut sie mir nicht.

Bereits einige Augenblicke später steht sie vor meinem Arbeitsplatz und knallt eine Akte auf meinen Schreibtisch.

„Kannst du mir mal erklären, was das hier soll, Haruno?“

Der Griff um meinen Kugelschreiber verfestigt sich. Bleib ruhig Blut, Sakura! Lass dich bloß nicht provozieren! Ich atme einmal durch und sehe dann zu der Frau auf, die eine Hand in die Hüfte gestemmt dasteht und mich herausfordernd ansieht.

„Ich würde meine, dass das eine geschlossene Akte ist, Karin“, antworte ich ihr so ruhig wie nur möglich, ohne auch nur einen Blick auf das Schriftbündel zu werfen.

„Was du nicht sagst. Da wär ich ja nie drauf gekommen, dass das eine Akte ist.“

„Ach dann, bist du also wirklich nur hier, um das zu erfahren?“ Ich kann nicht anders. Ich weiß, ich sollte es nicht tun, aber ich komme nicht gegen den Drang an, sie zu provozieren. Und es scheint zu funktionieren, denn hinter ihrer Brille verengen sich ihre Augen, die Spannung ihrer Lippen verstärkt sich.

„Tch, verwechsel mich bitte nicht mit dir selbst. Ich will wissen, warum du die Akte nicht beachtest?“

„Warum ich die Akte nicht beachte? Seit wann bin ich denn für bestimmte Akten zuständig? Falls du es nicht weißt: Die Akte könnte bei jedem gelandet sein. Sie könnte bei jedem landen. Also, warum nimmst du sie nicht und gehst jemand anderem auf die Nerven? Ich habe zu tun“, antworte ich schnippisch und richte meine volle Aufmerksamkeit wieder dem D-Rang-Dokument zu, das keinen Deut interessanter geworden ist.

Lange Momente ist es still. Karin macht keine Anstalten sich auch nur den geringsten Millimeter vom Fleck zu rühren. Sie sagt auch nichts. Ich kann sie nicht einmal atmen hören. Anscheinend steht sie einfach nur da, vor meinem Schreibtisch, und anstarrt auf mich nieder.

Eine Weile lang versuche ich es zu ignorieren; aber da meine Nerven angespannt sind, ich gereizt bin und mich Karins bloße Anwesenheit regelmäßig zur Weißglut treibt, wird es von Sekunde zu Sekunde schwerer. Und schließlich knalle ich meinen Kugelschreiber auf die Tischplatte, sehe auf und fauche sie an: „Was?“

Karin bleibt von meiner Laune gänzlich unbeeindruckt. Noch immer steht sie gelassen da und sieht mich seelenruhig an. Ganz gemächlich nimmt sie schließlich ihre Hand von ihrer Hüfte und führt sie zu ihrem Gesicht, wo sie sich kurz die Brille zurechtrückt, um sich anschließend durch die roten Haare zu fahren. Genauso langsam verschränkt sie schlussendlich ihre Arme vor der Brust.

„Und deine Kollegen signieren ihre Arbeiten auch immer mit deinem Namen?“

Autsch. Der Punkt geht wohl an sie. Wenn meine Unterschrift auf dem Bearbeitungsvermerk steht, kann ich nicht mehr verleugnen, etwas mit ihrer Angelegenheit zu tun zu haben.

Ich schließe die Augen, beiße mir auf die Lippe und atme tief durch, um mich zu beruhigen. Wenn es um eine meiner Akten geht, um welche dann? Ich denke nicht, dass ich bei irgendeiner einen Fehler begangen habe. Aber weswegen ist Karin dann hier?

Und dann kommt mir die Erkenntnis – wie ein Schlag in die Magengrube: Vielleicht hat Karin nur eine Frage bezüglich meiner Aufzeichnungen. Es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Und ihren Auftritt hat sie vermutlich absichtlich so inszeniert, um mir auf die Nerven zu gehen und mich aus der Fassung zu bringen. Was ja hervorragend geklappt hat. Herzlichen Glückwunsch, Sakura, du hast es wieder einmal geschafft, dich grundlos zum Narren machen zu lassen. Ich könnte mich dafür ohrfeigen.

Doch es nützt alles nichts. Geschehen ist geschehen. Ich kann nur versuchen, die Situation irgendwie noch zu retten.

Also atme ich noch einmal durch, bevor ich sie höflich lächelnd ansehe: „Also, Karin, wie kann ich dir behilflich sein?“

Als ich ihr selbstgefälliges Lächeln auf meine Verhaltensänderung sehe, bereue ich diese auch schon wieder.

„Na also, geht doch. Aber jetzt ernsthaft. Würdest du dir bitte endlich mal diese verdammte Akte ansehen und mir sagen, warum du die nicht bearbeitest?“

Also ziehe ich das besagte Objekt heran und erkenne, kaum dass ich es in der Hand halte, dass es sich hierbei um meine wiederkehrende Blindgängerakte handelt.

Verdutzt sehe ich Karin an. Dieser Umstand verwirrt mich sogar so sehr, dass ich für den Moment vergesse, wütend auf sie zu sein. „Das ist ein medizinischer Bericht, Karin. Die Obduktion einer Unbekannten. Der hängt mit keiner Mission zusammen und hat demzufolge auch nichts hier zu suchen. Da kann ich dir nicht helfen. Die Akte ist einfach versehentlich hierhergekommen und das war’s.“

Karin schüttelt den Kopf und murmelt etwas Unverständliches. „Und ich dachte, du wärst eine Medic-nin. Hat dich die Akte denn nicht einmal ansatzweise gereizt?“

„Ich gebe zu, es war interessant, mal wieder ein medizinisches Dokument zu lesen. Aber was weiter? Es ist ja nicht so, als ob ich dem Opfer helfen könnte. Sie ist tot, Karin. Sämtliche notwendige Aufgaben wurden erledigt und dokumentiert. Es gibt da nichts mehr zu tun. Auf jeden Fall Nicht, was ich tun könnte.“

Sie sieht mich stumm an, blinzelt und schüttelt den Kopf. „Wann genau hast du dein Gehirn eigentlich gegen Stroh eingetauscht?“ Sie stellt diese Frage leise und mehr an sich selbst, was aber nicht verhindert, dass ich sie doch gehört habe. Aber bevor ich ihr eine giftige Bemerkung an den Kopf schmeißen kann, fährt sie vollkommen ruhig fort: „Meinst du wirklich, die Akte landet nur durch einen dummen Zufall ständig bei dir? Ich hielt dich eigentlich für kompetent, mehr als die anderen Schreiberlinge hier. Aber das war ein Irrtum, wie es aussieht. Du erkennst ja nicht einmal einen Gefallen, wenn man ihn dir direkt unter die Nase hält.“ Karin nimmt die Akte wieder an sich und wendet sich zum Gehen. „Weißt du was, Haruno? Vergiss es einfach! Vergiss, dass ich hier war! Vergiss diese dämliche Akte! Und verkriech dich weiterhin in dem elendigen Loch, das du dein Selbst nennst! Mir soll es egal sein. Ist ja nicht so, als ob es mich etwas anginge.“ Und dann ist sie verschwunden.
 

Es ist drei Uhr siebenunddreißig in der Nacht. Ich starre auf die Anzeige meines Weckers und das schon minutenlang. Ich kann nicht schlafen. Der Vorfall mit Karin geistert andauernd durch meinen Kopf. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was diese Frau von mir will. Schlimm genug, dass sie mir tagelang mit nur einer einzigen Akte auf die Nerven geht. Doch dass sie mich auch noch vor meinen Kollegen bloßstellen musste.

Mit einem Seufzen drehe ich mich auf die andere Seite, um nicht den Wecker sehen zu müssen. Meine Augen schließe ich krampfhaft. Irgendwann muss ich ja einschlafen.

Was mich an dem Vorfall am meisten wurmt, ist, dass diese Verräterin – denn das ist sie in meinen Augen immer noch, selbst wenn sie brav und treu seit zehn Jahren für Konoha arbeitet – behauptet hat, sie wolle mir helfen. Nicht, dass ich wüsste, wobei. Allein der Gedanke von Karin Hilfe zu bekommen ist absurd. Wir sind keine Freunde, sind es nie gewesen. Zwischen uns war immer eine Mauer. In den meisten Fällen fangen wir an zu streiten, wenn wir aufeinandertreffen. Es ist wie ein unbezwingbarer innerer Drang, gegen den wir nicht ankommen.

Zugegeben, ich bin, was das betrifft, sicher kein Unschuldslamm. Im Gegenteil, wahrscheinlich ist es sogar Eifersucht gegenüber Karin, die mein Verhalten auslöst. Eifersucht, Neid, dass es ihr vergönnt war, mit Sasuke zusammen zu sein zu einem Zeitpunkt, an dem er für mich schon lange verloren war. Eifersucht und Neid, dass sie die Letzte war, mit der Sasuke reiste, bevor er verschwand. Das ist einfach nur unfair. Es ist ein Privileg, dass ihr nicht zustand. Naruto und ich haben jahrelang versucht ihn zurückzuholen, ihn zu finden, selbst nachdem jede Spur von ihm verschwand. Karin hingegen ließ Sasuke sofort fallen, als sich eine kleine Schwierigkeit ergab. Warum also sie und nicht ich?

Ich meine, in meiner Treue diesem Teamkameraden gegenüber habe ich sogar meine Karriere, meine Zukunft weggeworfen. Ich habe alles aufgegeben. Und als Lohn ernte ich nur Spott und Hohn.

Wieder wälze ich mich im Bett herum. Drei Uhr zweiundvierzig. Gerade mal fünf Minuten und noch immer keine Aussicht auf Schlaf.

Warum meint Karin mir helfen zu müssen? Das gefällt mir nicht. Mir gefällt der Gedanke nicht, in ihrer Schuld zu stehen. Und noch weniger gefällt es mir, dass sie in dieser vermaledeiten Akte etwas gelesen, gesehen hat, was mir entgangen ist.

Mit einem Ruck setze ich mich auf. Ich bin viel zu aufgewühlt, als dass ich mir wirklich Hoffnung auf Schlaf machen könnte. Also stehe ich auf, ziehe mich an und mache mich auf den Weg ins medizinische Archiv.
 

Die Akte liegt vor mir auf dem kleinen Schreibtisch. Im Moment bin ich die Einzige in diesem Archiv, was mich doch ein wenig verwundert. Wenn ich zurückdenke, wie es in der Anfangszeit meiner Ausbildung unter Tsunade war, lässt es sich nur schwerlich vergleichen. Nicht nur, dass damals die Zugangskontrollen zum Archiv strenger waren – nicht nur einfach den Ninjaausweis vorzeigen und gut ist -, auch in der Nacht pflegte das Archiv gut besetzt zu sein, von jenen die eine medizinische Ausbildung gewählt hatten und sich hier die Nächte um die Ohren schlugen beim Studium der kuriosen Fälle, die im Ninjaalltag auftreten können.

Doch seit der Allianz der großen Ninjadörfer vor zehn Jahren hat sich Einiges geändert. Die Welt scheint ruhiger geworden zu sein. Es gibt weniger Konflikte (vor allem auch unter jenen fünf Großmächten), eine Ära des Friedens. Wenn es zu Unruhen kommt, so entstehen sie zumeist in den kleineren Nationen und sind in der Regel schnell wieder gelöst.

Von daher scheint auch weniger Bedarf zu bestehen, die verschiedensten Verletzungen, Besonderheiten und Behandlungsmethoden zu studieren, einfach, weil die Zahl der Opfer und Verletzten sich drastisch verringert hat.

So ist es nicht verwunderlich, dass meine Lampe die einzige Lichtquelle zwischen all diesen Regalen und Ordnern ist. Eine stille Atmosphäre, die aus einem Gruselmärchen stammen könnte.

Ich habe mittlerweile die Akte viermal durchgesehen und noch immer ist mir nichts Spezielles aufgefallen. Das Opfer ist (oder war) eine junge Frau, von etwa achtzehn Jahren. Körperlich gesund, keine Beeinträchtigungen. Es handelte sich bei ihr nicht um eine Kunoichi (was gut ist, da wir sonst mit komplizierten Verhandlungen bezüglich ihres Verbleibes rechnen könnten). Sie hatte weder ein entsprechendes Stirnband oder Waffen bei sich, noch wies ihr Körper entsprechende Anzeichen auf. Ihre Muskulatur war normal entwickelt, aber nicht im Geringsten trainiert, wie man es bei einem Ninja erwarten würde. Die Chakrabahnen sind intakt, was aber daran liegt, dass sie nie Chakra geschmiedet hat und es daher auch nie zu einer Beanspruchung und Beschädigung kommen konnte.

Allerdings war ihr Pegel der Körper- und Geistenergie in der Zeit vor ihrem Tod gestiegen. Was aber auch nur davon herrühren kann, dass sie vor ihrem Tod verfolgt wurde und ihr Körper als Abwehr- und Schutzreaktion versuchte, von selbst Chakra zu entwickeln, um auf diese Weise die Überlebenschancen zu erhöhen. Es ist bis jetzt noch nicht bewiesen, ob so eine Reaktion seitens des Körpers wirklich möglich ist (ganz zu schweigen davon, wie erfolgreich), doch herrscht schon seit ein paar Jahrzehnten eine entsprechende Debatte darüber in den Kreisen der Medic-nin, dass der menschliche Körper in der Lage sei „natürliches Chakra“, wie sie es nennen, zu produzieren, wenn man sich in extremen Situationen wiederfindet. Den Befürwortern dieser Theorie zufolge, sei dieses „natürliche Chakra“ der Ursprung des heutigen Chakra (irgendwoher müsse ja die Idee gekommen sein) und entsprechende Beispiele fänden sich in den verschiedenen Legenden über Helden, die über sich und ihre Kräfte hinausgewachsen seien. Das Problem ist, Mythen lassen sich nur so schwer in einen tatsächlichen, handfesten Beweis umwandeln. Die Erforschung dieses Umstandes ist an Ninja nicht möglich, da wir von klein auf das Schmieden von Chakra lernen. Und Zivilisten scheuen aus verständlichen Gründen davor zurück, Medic-nin in diesem Bereich der Forschung zu unterstützen.

Wie dem auch sei, mir ist auch weiterhin schleierhaft, was Karin nun gesehen haben will.

Mittlerweile ist es nach fünf Uhr. Ich sollte wieder nach Hause gehen. Da ich mich nun mehr als ausreichend vergewissert habe, dass ich Nichts übersah, und demzufolge ruhiger, kann ich vielleicht doch noch zwei Stunden Schlaf ergattern.

Mit diesem Entschluss will ich die Akte schließen, als mein Blick doch noch einmal hängen bleibt. Die Stoff, die in ihrem Körper gefunden wurden. Neben, wie nicht zu erwarten, verschiedene Lebensmittelrest in mehr oder weniger verdautem Zustand, fanden sich auch Spuren von verschiedenen pflanzlichen Giftstoffen, wie unterschiedliche Alkaloide, sowie Pflanzenwirkstoffe, die Verwendung in der Medizin finden.

Ich kenne die Wirkstoffe; nicht wenige davon habe ich während meiner Ausbildung selbst zusammengemischt, um Medikamente oder verschiedene Hyourougan herzustellen, was mit unter ein kritisches Unterfangen sein kann, vor allem wenn Giftstoffe dabei verwendet werden. Es erfordert großes Geschick und Genauigkeit, die Ingredienzien so zu dosieren, dass sie dem Anwender keinen Schaden zu fügen. Doch diese Kombination aus Gift- und Heilstoffen habe ich noch nie gesehen. Sie scheint mir auch teilweise widersprüchlich und die Konzentrationen, vor allem die mancher Giftstoffe, grenzen schon an lebensgefährlich.

Ich notiere mir sämtliche Wirkstoffe und mache mich auf den Weg zur Bibliothek, um nachzuschlagen, welche Pflanzen wohl verwendet wurden.

Auch hier ist mir der Zugang schnell gewährt und die entsprechenden Bücher leicht gefunden. Dennoch brauche ich eine Weile, ehe ich mir sicher bin, um welche Pflanzen es sich handelt: Carduus crispus, Narcissus elegans, Tulipa lanata, Rosa rugosa, Macleaya cordata, Papaver somniferum, Betula grossa, Achillea salicifolia und Centaurea cyanus*.

Nun da ich weiß, um welche Pflanzen es sich handelt, bin ich kein Stück schlauer als vorher. Wie ich bereits vermutet habe, widersprechen sie sich. Einige von ihnen stärken das Chakra oder zumindest die Widerstandsfähigkeit des Körpers und werden daher in verschiedenen Medikamenten und Hyorogan verwendet; andere hingegen enthalten Wirkstoffe, die den Körper schädigen, das Chakra herabsetzen oder sogar den Tod verursachen können.

Ganz gleich wie ich es auslege: es ist mir nicht schlüssig, warum ein und dieselbe Person eine so widersprüchliche Mixtur einnehmen sollte. Und auch eine Rezeptur, die all diese Bestandteile benötigt ist mir nicht bekannt.

Frustriert seufze ich auf. Es ist bitter, doch ich muss zugeben, dass Karin da auf einen interessanten Punkt gestoßen ist (wenn sie denn in der Tat diesen Umstand meint – doch davon ist auszugehen). Eigentlich weiß ich nicht, was mich mehr frustriert: das Karin Recht behält oder dass ich dieses Rätsel nicht so einfach lösen kann.

Doch noch ist nichts gesagt; und so stehe ich auf und hole mir sämtliche Bücher, in denen Rezepturen für Medikamente und Hyorogan enthalten sind. Es ist eine mühsame Aufgabe sie durchzusehen, doch nur weil mir die Zusammenstellung nichts sagt, heißt das nicht, dass es nicht doch eine solche Mischung gibt.

Zum Glück besitzen die meisten Bücher Listen, die die Suche vereinfachen, doch bei den alten Folianten muss ich jede Seite einzeln überfliegen.

Ich weiß nicht, wie lange ich gebraucht habe, um alle Bücher durchzusehen, aber meine Augen brennen. Und fündig geworden bin ich auch nicht. Das Positive daran ist: ich bin doch nicht so unwissend; das Negative: ich stehe noch immer vor einem Rätsel.

Ich muss ein Gähnen unterdrücken, denn Müdigkeit macht sich nun bemerkbar. Leider vergällt ein Blick auf die Uhr jede Hoffnung auf Schlaf. Acht Uhr siebenundzwanzig. In einer halben Stunde beginnt mein Dienst.

Ich räume die Bücher weg und mache mich auf den Weg nach draußen. Die ersten, frühen Besucher der Bibliothek sehen mir erstaunt entgegen. Wann war wohl das letzte Mal, dass jemand die Nacht hier verbrachte?

Lustlos verlasse ich das Gebäude. Es lohnt sich nicht nach Hause zu gehen (auch wenn ich einen starken Kaffee gebrauchen könnte); doch ich habe auch keine Lust mich auf den Weg zu meinem Arbeitsplatz zu machen. Und so laufe ich einfach ziellos los.

Es ist kühl, wie nicht anders zu erwarten, doch die frische Luft tut gut und unterbindet etwas den Kopfschmerz, der sich leicht bemerkbar macht. Schon bedauerlich, dass ich nicht allzu viel Zeit habe, mich einfach treiben zu lassen. Ich sollte schon bald umkehren.

Als ich aufblicke, um zu sehen, wohin ich gewandert bin, befinde ich mich in einer der Wohngegenden Konohas. Um genau zu, in jener, in der Karin sich niedergelassen hat. Für einen Augenblick stehe ich unschlüssig da, doch dann zucke ich mit den Schultern und setze mich wieder in Bewegung.

Soll Karin doch bleiben, wo der Pfeffer wächst; ich habe noch andere Aufgaben, um die ich mich kümmern muss.
 

Carduus crispus – Krause Ringdistel/Krause Disteln: Disteln stehen in der Blumensymbolik unter anderem für Wehrhaftigkeit, Auferstehung, Erlösung, sowie Liebe, die trotz Leiden und Schmerzen, nicht nachlässt und weiterwächst und steht darüber hinaus mit dem Sündenfall in Verbindung.

Narcissus elegans – Narzisse: Narzissen stehen in der Pflanzensymbolik unter anderem für Auferstehung, Tod, Unterwelt und Wiedergeburt.

Tulipa lanata – Woll-Tulpe: In der Pflanzensymbolik Zeichen für Auferstehung, Blut, Frühling, Hochmut, Vergänglichkeit.

Rosa rugosa – Kartoffelrose: Rosen stehen in der Pflanzensymbolik für Blut, Geheimnis, Jugend, Kampf, Liebe, Tod und Unterwelt.

Macleaya cordata – Federmohn und Papaver somniferum – Schlafmohn: Mohn steht in der Pflanzensymbolik unter anderem für Erinnerung und Tod.

Betula grossa – Ulmenblättrige Birke: Die Birke steht in der Pflanzensymbolik für Abwehr des Bösen, Frühling, Glück, Kraft und Leben.

Achillea salicifolia – Weidenblättrige Sumpfschafgarbe: Schafgarbe steht in der Pflanzensymbolik für Abwehr des Bösen.

Centaurea cyanus – Kornblume: Die Kornblume steht in der Pflanzensymbolik für Abwehr des Bösen, Beständigkeit und Treue.
 

Nach einer weiteren und ungeplanten längeren Pause also endlich das dritte Kapitel. Ich hoffe, es hat einigen gefallen. Und einen großen Dank an jene, die diese FF bis jetzt noch nicht wieder aufgegeben haben.
 

Liebe Grüße,

Isamenot

Aufbruch

~ Ino: "Meinst du nicht, es wird langsam Zeit weiterzugehen?" ~
 

Ein neuer Tag. Neue Aufgaben. Und wenn ich Glück habe - oder auch nicht, wie man's nimmt - trifft das dieses Mal auch zu.

Ich warte schon seit etwa zehn Minuten, dass die Besprechung im Büro der Hokage ein Ende nimmt und ich eingelassen werde. Immer wieder sehe ich dabei die schwere Holztür an, wende mich ab, gehe ein paar Schritte auf, dann ein paar Schritte ab und sehe wieder die Tür an, bevor das Spiel von vorne beginnt. Nur mit Mühe zwinge ich mich schließlich, mich an eine Wand zu lehnen.

Dass ich unruhig bin, ist wohl verständlich. Das letzte Mal, dass ich in Tsunades Büro beordert wurde, war nach Kibas Tod. Es war kein angenehmes Gespräch, eigentlich war es überhaupt kein Gespräch sondern ein Monolog seitens Tsunade. Ich sehe es noch immer, wie sie aufgebracht vor mir auf und ab getigert ist. Ich höre noch immer ihre Stimme, Worte. Es war Zorn zu hören, Verwirrung, Nicht-Verstehen. Und vor allem Enttäuschung. Enttäuschung über das, was ich getan hatte. Sie sagte immer wieder, dass es nicht so weiter ginge. Sie fragte mich immer wieder, was ich mir dabei gedacht hätte. Sie sagte immer wieder, dass ich die Konsequenzen tragen müsse. Sie sagte immer wieder, dass sie mich nun strafen müsse.

Was sie nicht sagte, dass ich eine Enttäuschung, eine Versagerin bin.

Irgendwann ließ sie sich auf ihren Stuhl sinken, die Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt, die Hände gefaltet, den Kopf dagegen gelehnt. Sie war still. Lange war sie still. Und ich tat es ihr gleich. Was hätte ich auch sagen sollen? Dass es mir leid täte? Das tat es ohne jeden Zweifel. Das tut es noch immer. Kiba hat es nicht verdient wegen meiner Dummheit, wegen meines Starrsinns zu sterben. Und dennoch, das ist passiert. Ich kann es nicht ändern.

Es gab keine Erklärung für mein Verhalten, keine Rechtfertigung. Deswegen schwieg ich, blickte nur starr vor mich, ohne etwas wahrzunehmen. Ich war in meinen eigenen Gedanken versunken, in Wut auf mich selbst.

Wieder einmal hatte ich mich während einer Mission unerlaubt vom Team entfernt. Wieder einmal war ich einem nichtssagenden Gerücht nachgelaufen. Einem Gerücht, das hätte jeden beschreiben können. Das Schlimme, genau das hatte ich auch gewusst. Doch der Drang, der unmögliche Hoffnungsschimmer, es könnte Sasuke sein, von dem wir seit der großen Schlacht des vierten Krieges nichts mehr gehört oder gesehen hatten, hatte mich fortgetrieben, wie schon etliche Male zuvor.

Und wie schon etliche Male zuvor hatte er mich in Schwierigkeiten gebracht. Ich war in einen Hinterhalt geraten, in einen Hinterhalt von irgendwelchen dämlichen Banditen. Sie waren in der Überzahl gewesen und hatten mich in einem unkonzentrierten Moment erwischt. Wäre mein Team mir nicht gefolgt, hätte Kiba mich nicht rechtzeitig erreicht, ich wäre sicher an jenem Tag gestorben.

Doch mein Team war mir gefolgt, Kiba hatte mich rechtzeitig erreicht und hatte in dem darauffolgenden Kampf mit seinem Leben für mich gezahlt.

Ich schüttele den Kopf und kämpfe gegen die Tränen an, die mir in die Augen steigen. Ich will nicht daran denken, ich will nicht daran erinnert werden, dass es solch eines Vorfalles bedurft, um mir klar zu machen, was ich eigentlich tat. Und was folgte, ist noch immer offensichtlich. Ich wurde in den Innendienst versetzt, nur für eine Weile; doch ich verfiel in Passivität, Untätigkeit, Trägheit. Ich zeigte keine Ambition diese Position wieder zu verlassen, obwohl mir diese Möglichkeit immer offen stand.

Auch von meinen Freunden und Bekannten zog ich mich zurück. Allein Ino und Naruto - und gelegentlich Kakashi - suchen mich noch auf, versuchen mit mir zu reden oder gar was zu unternehmen. Tsunade hingegen habe ich seit jenem Tag gemieden. Ich will einfach nicht die herbe Enttäuschung sehen, die ich in ihren Augen sein muss.

Endlich öffnet sich die schwere Holztür und ein hochgewachsener Mann tritt heraus. Hyuuga Neji. Seine hellen, scheinbar pupillenlosen Augen fixieren mich kurz, bevor er mir wortlos zunickt und geht.

Neji gehört zweifelsohne zu jenen Personen, die mir gegenüber distanziert und unterkühlt sind. Ich glaube, er hat mir Kibas Tod nicht verziehen. Wahrscheinlich weniger, weil er ihn so mochte, als vielmehr wegen Hinata, seiner Cousine, die sehr unter dem Verlust ihres ehemaligen Teamkameraden litt.

„Sakura?“, fragt mich eine vertraute Stimme. Erstaunt drehe ich mich um und tatsächlich steht eine junge, blonde Frau im Türrahmen. Ich sehe Ino verdattert an, sie hätte ich nicht hier erwartet, zumindest nicht als Sekretärin der Hokage. Diese Position hat eigentlich Shizune inne, doch ein kurzer Blick durch den Raum zeigt mir, dass eben diese nicht anwesend ist.

Ino bedeutet mir mit einem kurzen Kopfrucken, dass ich endlich eintreten soll und schließt die Tür hinter mir, nachdem ich ihrer Aufforderung nachgekommen bin. Sie überreicht Tsunade noch schnell ein paar Unterlagen, bevor sie sich an einen Tisch in der Ecke des Zimmers zurückzieht und Akten durchsieht.

„Setz dich, Sakura“, fordert mich die Hokage auf und ich nehme ihr gegenüber am Schreibtisch Platz. Es sieht hier noch immer so aus, wie zu meinen Lehrzeiten. Akten stapeln sich auf dem Tisch, zwischendrin sind ein paar persönliche Papiere gestreut, ein Sakeschälchen steht neben ihrer rechten Hand. Auch die Hokage selbst hat sich kein Stück geändert. Ihr richtiges Alter kennt sowieso nur Shizune, wenn es hoch kommt. Dennoch muss Tsunade über sechzig sein, obwohl sie noch immer das Aussehen einer jungen Frau Mitte zwanzig hat.

Sie sieht mich lange und fest an, sie mustert mich, was mich nervös macht. Doch schließlich lehnt sich die Hokage in ihrem Stuhl zurück, entspannt. „Ist schon ‘ne Weile her, nicht wahr?“

Ich war auf alles gefasst, nur nicht auf Smalltalk und so nicke ich nur.

Als wäre sie mein Spiegelbild wiederholt die Hokage diese Geste überaus verständnisvoll. „Und mal unter uns gesagt, es wurde auch höchste Zeit.“

Wieder ist meine einzige Reaktion ein leichtes Nicken, woraufhin Tsunade ihre Augenbrauen leicht zusammenzieht. Sie ist scheinbar nicht von meinem Verhalten begeistert. Aber hat sie wirklich erwartet, dass wir uns nach all den Jahren jetzt einfach so hinsetzen und ein Teekränzchen abhalten?

Was auch immer ihre Erwartungen und Hoffnungen sein mochten, mit einem kurzen Seufzen tut sie diese ab. „Na dann wollen wir mal. Du fragst dich sicher, warum ich dich herbestellt habe. Nun, Ino hat unter den Missionsanträgen einen sehr interessanten Vorschlag gefunden. Nicht wahr, Ino?“

Meine Freundin blickt hastig auf und sieht mir flüchtig in die Augen, nickt aber ebenfalls nur stumm und wendet ihre Aufmerksamkeit sofort wieder ihren Papieren zu, als sei es ihr unangenehm auch noch mit in das Gespräch gezogen zu werden.

Tsunade schüttelt nur den Kopf. „Ihr quellt ja richtig über vor Plauderlaune, Mädels.“ Sie räuspert sich und fährt dann an mich gewandt fort: „Wie dem auch sei, Sakura. Ino hat also diesen Antrag gefunden. Von dir aufgesetzt. Und ich wüsste gerne, warum.“ Sie reicht mir die Akte. In der Tat habe ich diese Mission zusammengestellt, eine Mission, die sich mit der Aufklärung mehrerer ungeklärter Todesfälle befasst.

„Ich weiß nicht“, antworte ich schließlich und bemerke sofort, wie sich der Ausdruck in ihren Augen von Aufregung und Hoffnung in Enttäuschung wandelt. Ino seufzt hörbar in ihrer Ecke. „Ich meine, jemand ist mit der Bitte diesen Auftrag zu erstellen an mich herangetreten. Ich habe mir die Fakten angesehen und die Bitte für angemessen befunden.“

„Verstehe.“ Tsunade sieht bei diesem Wort nicht sehr glücklich aus. Das war auf jeden Fall nicht die Antwort, die sie hören wollte. „Doch warum sollte ich ihn genehmigen?“

„Warum?“ Warum will Tsunade das wissen? Es ist ja nicht so, dass es sich bei diesem Vorschlag um eine gefährliche oder prekäre S-Rang-Mission handelt. Es ist nur eine kleine Untersuchungsmission, die aus Gründen der Sicherheit und, weil es ein wenig Erfahrung bedarf, als Rang C eingestuft wurde.

„Nun, Sakura?“ Ich merke, wie die Hokage langsam ungeduldig wird. Wenn ich nicht schnell antworte - und das am besten zu ihrer Zufriedenheit -, dürfte ich Bekanntschaft mit einem ihrer berühmten Wutausbrüche machen.

Und so gebe ich ihr widerwillig die einzige Begründung, die mir einfällt, nämlich jene, die Karin mir gegeben hat. „Wenn wir nicht handeln, könnte es negative Folgen mit sich bringen. Für Konoha – definitiv; vielleicht aber auch für die ganze Ninjawelt. Die Opfer dieser Todesfälle tauchen nur sporadisch auf, es scheint keine Gemeinsamkeiten oder Zusammenhänge zwischen ihnen zu geben. Dennoch hatten sie alle zwei Dinge gemein: erstens produzierten sie alle natürliches Chakra in der Zeit vor ihrem Tod; zweitens weisen sie die gleiche Wirkstoffkombination in ihrem Blut auf. Was auch immer zu ihrem Tod geführt haben mochte, sie müssen vor diesem dasselbe Hyourougan eingenommen haben. Keines der Opfer war jedoch ein Ninja. Sie dürften Hyourougan nicht einmal besitzen. Von daher sollten wir schnellst möglich herausfinden, wie sie daran gekommen sind. Im schlimmsten Fall müssen wir mit einem abtrünnigen Medic-nin rechnen, der diese Mittel unter Zivilisten wie eine Droge verteilt. Wenn sich diese Option bewahrheiten sollte, wären die Konsequenzen unberechenbar. Es handelt sich auf jeden Fall um ein Gefahrenpotenzial, das wir schnellst möglich auffinden und beseitigen sollten.“

Tsunade lächelt ob meiner Antwort, doch irgendetwas stimmt damit nicht, als sei es nur ein halbes Lächeln. „Du kannst es also doch noch. Ich war schon besorgt“, murmelt die Hokage, bevor sie mich fragt: „Und wen würdest du für diese Mission vorschlagen?“

Diese Frage lässt sich leicht beantworten: „Karin.“

Wenn ich die Rothaarige vorschlage und ihr die Mission anvertraut wird, ist sie glücklich und ich bin sie für die nächste Zeit los.

Tsunade scheint von dieser Antwort nicht überrascht zu sein, aber auch nicht zufrieden. Irgendwie habe ich das Gefühl in der Zeit zurückgesetzt zu sein, als mein Verhältnis zu dieser Frau noch unbeschwert war. Es ist als würde sie wieder mein Wissen testen, wie sie es so oft während der Ausbildung tat. „Und ich soll Karin allein auf diese Mission schicken?“

„Nein, natürlich nicht“, antworte ich sofort und kann mir gerade noch verkneifen zu sagen, dass man Karin nicht vertrauen kann. Doch da ich nicht weiß, was Tsunade von ihr hält, könnte sich so eine Aussage als gefährlich erweisen. „Man sollte ihr noch einen Ninja zur Unterstützung mit geben. Da es sich um eine einfache Untersuchung handelt, sollte einer reichen, vielleicht ein Chu-nin. Allerdings sollte er oder sie sich auch in der Medizin auskennen, schließlich ist das unser einziger Ausgangspunkt.“

„Und an wen hast du da genau gedacht?“

Da ist ein Funkeln in den Augen der Hokage, als sie mir diese Frage stellt - ein Funkeln, das mir nicht gefällt, doch ich komme nicht drauf, was es mir sagen will.

Doch viel wichtiger ist im Moment die Frage, wen ich dazu verdammen will, die nächste Zeit mit Karin verbringen zu müssen. Doch mir fällt niemand ein, dem ich so einer Zumutung aussetzen würde.

Offenbar dauert es Tsunade zu lange, denn sie ergreift wieder das Wort: „Wie wäre es denn mit dir, Saku-“

„Nein!“, falle ich der Hokage ins Wort, während ich mich abrupt erhebe. Wie kommt sie auf so einen Gedanken? Wie kommt sie auf die Idee mich auf eine Mission schicken zu wollen? Ich kann nicht auf Missionen gehen. Ich bin zwar darauf vorbereitet, dass so etwas kommen könnte, aber diese Vorbereitungen sind nur äußerlich, in passender Kleidung. Jetzt, wo ich mit dieser Situation konfrontiert bin, weiß ich, dass ich mich davor fürchte. Ich kann nicht. Ich bin eine Gefahr für andere. Weiß Tsunade das nicht? Weiß sie nicht mehr, was das letzte Mal geschah?

Mit rasendem Herz starre ich der blonden Frau entgegen. Offenbar hat meine heftige Reaktion sie unvorbereitet getroffen, denn sonst wäre schon längst ein Wutausbruch im Gange. Bevor dieser aber doch noch einsetzt, drehe ich mich um und stürme aus dem Raum.
 

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Sich der beiden Frauen zu entledigen, hatte ihn viel Kraft gekostet. Mehr als ihm lieb war. Noch immer ging sein Atem schwer. Er brauchte Ruhe. Früher hätte er über solche Probleme gelacht. Früher hätte er solche Probleme nicht einmal im Traum gehabt. Doch nun - nun war er ein alter Mann. Ein wirklich alter Mann, ob er wollte oder nicht.

Natürlich war er schon seit langem ein alter Mann, doch bis vor ein paar Jahren hatte man es ihm nie angesehen.

Wann hatte es begonnen? Es musste nach dem letzten Krieg gewesen sein. Jenem Krieg, der den Beginn seines Niedergangs darstellte. Er hatte verloren, auch wenn er immer noch nicht wusste, warum. Irgendein kleines Detail hatte nicht mitgespielt und etwas anderes getan, als es sollte. Das hatte alles ruiniert. Doch zu dem Zeitpunkt waren so viele Parteien involviert, so viele Kämpfer und Krieger - tote wie lebende -, da konnte man unmöglich den Überblick behalten. Wie sollte er da wissen, wo der Fehler lag, wer ihm alles ruinierte. Zugegeben, wenn er auf gut Glück raten sollte, würde er behaupten, es hätte an dem Kyuubibengel gelegen. Oder waren es doch eher die Giftspucker, die einen Großteil seiner Armee und Verbündeten außer Gefecht gesetzt hatten? Vermutlich beides.

Doch alles Sinnieren der Welt änderte nichts an dem Umstand, dass er den Krieg verloren hatte und vom Schlachtfeld fliehen musste. Das war sein einziger Triumph. Seine Gegner mochten den Sieg errungen haben, doch es war ihnen nicht gelungen sich seiner zu entledigen. Und sie wussten, wozu er fähig war. Sie konnten nur beten, dass er niemals wiederkehren würde. Doch das hatte er vor. Noch war er am Leben, noch atmete, noch konnte er Rache nehmen.

Der Wanderer beugte sich vor und schürte das Feuer. Solange draußen der Sturm noch tobte, machte es wenig Sinn die Reise fortzusetzen, auch wenn er in Eile war. Was nützte ihm die größte Hast, wenn sie ihn umbrächte. Es war besser für den Moment zu verweilen; und wer wusste, vielleicht fand sich in dem ganzen Unrat noch etwas Nützliches. Im Nachhinein musste sich der Wanderer eingestehen, dass das Töten der beiden Frauen nicht der ideale Ausweg gewesen war. Er hätte sie lieber erst noch foltern sollen, um sicher zu gehen, dass sie wirklich entbehrlich geworden waren; aber Geduld war zurzeit ein Luxus für ihn, den er sich nur schwerlich leisten konnte.

Und es waren bereits zehn Jahre, zehn Jahre, in denen er geduldig war. Nicht, dass das ein Kunststück gewesen wäre, er hatte zuvor schon Jahrzehnte auf den richtigen Moment warten können. Doch niemals hatte über dieser Geduld ein Schwert namens Tod gehangen.

Bitter war die Erinnerung, wenn er sich zurückentsann, wenn er daran dachte, wie die Giftspucker auch ihn überrascht hatten. Doch wie hätte er auch erahnen können, dass seine Feinde bereit wären, so einen Zug zu machen. Schließlich hatten sich unter den Befehlshabern mehr als genug befunden, die nicht bereit waren, das Leben ihrer eigenen Leute zu opfern; doch die Giftspucker hatten sie dazu gezwungen. Keiner der Kämpfenden hatte eine Gasmaske aufgehabt. Auch sie mussten das Gift eingeatmet haben. Genau wie er selbst auch.

Der alte Wanderer konnte nur hoffen, dass dieser Angriff viele Ninja in den Tod gezogen hatte, das war die einzige Genugtuung, die es für ihn gab.

Langsam erhob sich der Mann von der Feuerstelle und begann die einzelnen Töpfe und Schalen zu untersuchen. Irgendwo musste es etwas Nahrhaftes geben. Leider war seine Ausbeute sehr mager, nur ein paar harte Wurzeln, trockene Kräuter und Wasser. Er zuckte mit den Schultern ein karges Mahl war immer noch besser als gar keines. Achtlos stieß er einen weiteren Topf um und entleerte ihn. Dann nahm er das Gefäß und befüllte es mit den gefundenen Zutaten. Wenn er die Wurzeln eine Weile kochen ließe, würden sie schon weich werden. Ob sie auch schmackhaft würden, war eine andere Frage und er bezweifelte es ernsthaft.

Das erste Mal war der Wanderer nach dem Krieg hierhergekommen. Das Gift hatte ihn fast getötet, als er von einem einbeinigen Jüngling gefunden worden war, der ihm geholfen hatte sich zu erholen. Der arme Junge hatte ja keine Ahnung, wem er da zurück ins Leben geholfen hatte. Viel mehr noch, er gab dem Wanderer den nächsten Grundstein für seine Rache. Wie sich versteht, war er nicht von einem Tag auf den anderen genesen. Es hatte mehrerer Tage bedurft - Zeit, in der das ein oder andere interessante Gespräch stattgefunden hatte. So hatte der Jüngling ihm mehr als bereitwillig erzählt, dass er einem Kräuterweib in den Bergen eine alte Schriftrolle abgenommen hatte. Angeblich enthielte sie die Anleitung zu einem mächtigen Ritual - einem Ritual, das es dem Anwender ermöglichen sollte, die Geschichte zu verändern.

Es war ein Kinderspiel gewesen, dem Jungen die Schriftrolle abzunehmen, nachdem er sich erst einmal erholt hatte. Und in der Tat war dort in veralteten Schriftzeichen ein Ritual niedergeschrieben. Ein Ritual genannt "Todesweg".

Wie der Junge gesagt hatte, sollte es mit diesem Ritual möglich sein, die Vergangenheit zu ändern, indem man sich in das Reich des Todes begab. Leider war die Schriftrolle jedoch beschädigt, weswegen der Wanderer sich auf den Weg zur Hexe gemacht hatte.

Er hatte sie bald gefunden und ihre gesamte Behausung auf den Kopf gestellt, doch der fehlende Teil der Schriftrolle war unauffindbar geblieben. Und sie selbst - sie hatte Nichts weiter über das Ritual sagen können (oder wollen), als was ihm schon selbst bekannt war.

Schon damals war er geneigt gewesen, sie umzubringen, doch hatte sie ihm einen Handel vorgeschlagen: Sofern er sie am Leben ließe und sie entlohnen würde (indem er ihr Objekte beschaffte, an die sie selbst nur schwerlich herankam), würde sie ihm nicht nur eine Tinktur bereiten, die ihn am Leben erhielte - bereits zu dem Zeitpunkt hatte man erahnen können, dass das Gift noch weiter arbeitete und ihn kontinuierlich schwächen würde -, sondern auch die Tränke anfertigen, die er für das Ritual benötigte.

Es war ein guter Handel gewesen, einer der sich bis jetzt gelohnt hatte. In gewisser Weise war es sehr bedauerlich, dass der alte Mann diesem Abkommen so abrupt ein Ende setzen musste.
 

Die Nacht zog sich dahin, der Morgen graute. Auch wenn das Wetter kaum eine Änderung zeigte, so machte das spärliche Licht den Abstieg doch leichter. Außerdem hatte der Wanderer nicht vor, noch länger in Gesellschaft einer Leiche zu bleiben. Oder Zeit zu verschwenden, die er nicht hatte. Er konnte nun nicht mehr auf die Mittel der Hexe zurückgreifen; nun gab es kaum noch etwas, das seinen Verfall aufhalten würde.

Er befand sich, zugegebenermaßen, in einer ziemlich ausweglosen Situation. Er wusste nicht, wie lange sein Körper noch durchhalten würde; er wusste nicht, wie lange er noch fähig wäre zu kämpfen oder sich einfach nur zu verteidigen; er wusste nicht, wo er die Lösung für den Todesweg fände.

Langsam tastete sich der Alte Schritt um Schritt vor. Der Abstieg gestaltete sich als ebenso schwierig wie der Aufstieg. Was hatte er sich eigentlich am gestrigen Abend gedacht, in diesem Sturm und auf so unsicherer Ebene dem Mädchen nachzujagen? Wenn er es recht bedachte, war er vom Glück gesegnet gewesen, dass er sich nichts gebrochen hatte - an die noch schlimmeren Varianten mochte er nicht denken, verfluchter Moment der Impulsivität. Er würde in Zukunft größere Vorsicht walten lassen müssen. Der nächste unbedachte, emotionale Ausrutscher könnte sein Ende bedeuten.

Die Sonne erklomm hinter der Regenwand den Himmel. Der Wanderer setzte seine Reise fort; unsicher, wohin er sich wenden sollte.
 

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Nach meinem Besuch bei der Hokage verlief der Tag in seinen üblichen Bahnen: Akten, Akten und nochmals Akten, bis zu meinem wohl verdienten Feierabend. Den ich sicherlich auch in Ruhe hätte genießen können, wäre mir nicht Sato, der ausgerechnet heute seinen Dienst zeitgleich mit mir beenden musste, vor die Füße gelaufen. Nur leider hat er genau das getan. Leider hat er mich erneut gebeten, ihm beim Abstieg behilflich zu sein. Und was hätte ich tun sollen? Den einbeinigen Mann allein dort oben stehen lassen? Das brachte ich dann doch nicht fertig.

Also half ich ihm. Der Abstieg mit dem jungen Mann selbst war auch nicht das Problem. Das Problem wartete am Fuße der Treppe in der Gestalt von Ino, die mir grinsend entgegen sah und freudig mit der Hand winkte. Nicht nur, dass sie mich im Folgenden löchern sollte, wer denn der schnuckelige Typ mit dem mausbraunen Haar gewesen sei, den ich begleitete; nein, wie sollte es auch anders sein, sie schleifte mich auch gleich mit sich mit. Was auch der Grund ist, weswegen ich nun - sie bei mir untergehakt - durch die Straßen von Konoha gehe und mir ihr Geschnatter anhöre.

"...endlosen Diskussionen. Weißt du, wie oft ich mir das in letzter Zeit anhören musste? Mindestens hundert Mal! Aber natürlich weißt du das. Hast ja selbst für Tsunade gearbeitet. Es wäre ja nicht so schlimm, wenn es zu etwas führen würde, aber das tut es ja nicht. Ich weiß gar nicht, wie..."

Und schon höre ich wieder nicht zu. Wieso sollte ich auch? Es ist ja nicht so, als ob es mich betreffen würde. Zugegeben, ich könnte vielleicht etwas mehr Interesse aufbringen, wenn Ino mich über den Stand der Dinge im Hyuuga-Clan aufklärt; aber dass sie eine Doppelrepräsentation durch die Haupt- und Nebenfamilie anstreben, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen werden sollen, die Verkündung aber der Hauptfamilie vorbehalten bleibt, ist nicht neu. Was also bringt es mir (oder sonst wem), dass diese Umstrukturierung erst jetzt, nach dem Tod des Clanältesten in Angriff genommen wird?

"..mir zu? He, Sakura?"

Ein kurzes Ziepen. Ino hat mich in den Arm gekniffen. Wie es aussieht, sind meine Gedanken zu offensichtlich abgeschweift.

"Wo warst du denn mit deinen Gedanken?", fragt sie mich grinsend.

Ich antworte nicht. Ganz gleich was ich sage - oder auch nicht sage -, es wäre sowieso die falsche Antwort. Ino scheint meinen Unwillen dieses Mal wirklich zu bemerken und auch zu akzeptieren, denn sie verfolgt das Thema nicht weiter. Stattdessen dreht sie sich um und sagt: "Na ja, wie dem auch sei. Wir sind da." Und schon betritt sie das kleine Teehaus.

Für einen Augenblick überlege ich, ob ich die Gunst des Augenblickes nutzen und mich klammheimlich aus dem Saub machen soll; doch Ino ist nicht dumm. Bemerken würde sie es auf jeden Fall; und was wären dann die Optionen? Entweder sie würde mich wortwörtlich in den Laden schleifen oder mir lauthals zickend durch die Straßen folgen. Weder das eine noch das andere ist eine wirklich reizvoll Aussicht, also betrete ich seufzend das Lokal und ergebe mich lieber dem kleinsten (und am wenigsten peinlichen) Übel.

Ino steht direkt hinter der Tür und sieht mich ungeduldig an. Ihr rechter Fuß tappt in einem schnellen Rhythmus auf die dunklen Holzfliesen. "Jetzt stell dich nicht so an, Sakura", sagt sie leicht gereizt. "Wir waren schon seit Ewigkeiten nicht mehr gemeinsam essen." Und schon ist sie am Tresen und gibt die Bestellung auf - für mich selbstverständlich gleich mit.

Wir setzen uns und ich nutze die Monologpause, um mich umzusehen. Das Teehaus ist traditionell eingerichtet mit niedrigen Tischen und viel Holz. An den Wänden befinden sich verschiedene Ikebana-Gebinde und schwarze Tuschezeichnung. Die uns am nächsten befindliche zeigt eine Flusslandschaft mit Fischern. Ich versuche sie konzentriert zu betrachten, doch eigentlich weiß ich, dass das nicht nur unsinnig, sondern auch unhöflich ist. Außerdem wird es Ino in gar keinem Fall davon abhalten, das zu bereden, was sie bereden will.

Um wenigstens noch etwas Zeit zu gewinnen, beschließe ich dieses Mal ein Gespräch zu beginnen. "Also, wie kommt es, dass du Tsunade assistierst?"

Meine blonde Freundin sieht mich erstaunt an. "Hast du denn nichts mit bekommen? Shizune ist schwanger."

In diesem Moment bin ich nur heilfroh, dass uns noch keine Getränke serviert wurden; ansonsten befände sich meines jetzt vermutlich quer über den Tisch verspritzt oder ich wäre schwer am Husten. "Schwanger? Aber,... aber sie ist doch schon über vierzig."

Nicht, dass das ein Grund gewesen wäre, warum Shizune nicht hätte schwanger werden können. Nicht, dass ich die Möglichkeit, dass Shizune eine Beziehung hat, für lächerlich oder unmögliche halte. Sie ist eine hübsche Frau. Der einzige Hinderungsgrund wäre vielleicht, dass sie für Tsunade arbeitet (oder arbeitete), was gleich bedeutend ist mit "keine Zeit haben". Aber die Tatsache bleibt bestehen: Shizune ist über vierzig und Erstgebärende. Das Risiko, dass etwas schief laufen könnte, ist bei ihr ungleich höher. Und das musste sie selbst auch wissen als eine von Konohas besten Medic-nin.

"Stimmt schon", sagt Ino bedächtig nickend. "Aber Tsunade weiß das auch. Und ich muss dir nicht sagen, dass Tsunade auch alle Risiken kennt. Deswegen hat sie ja Shizune sofort beurlaubt, als die Diagnose kam. Und nicht nur das. Sie hat die Ärmste auch unter medizinische Dauerkontrolle gestellt. Shizune kann keinen Schritt mehr ohne Begleitung tun."

"Und... und wer ist der Vater?"

"Genma. Die Nachricht hat ihn eiskalt erwischt." Auf Inos Gesicht breitet sich genüssliche Schadenfreude aus. "Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als Tsunade es ihm gesagt hat. Seine Gesichtszüge sind ihm total entglitten. Ich dachte schon, wir müssten ihn gleich reanimieren. Obwohl... deine Reaktion eben war wirklich eine Konkurrenz." Dabei sieht meine Freundin mich hämisch an und ich verspüre das dringende Bedürfnis, ihr eine zu scheuern.

Doch bevor ich eine Gelegenheit bekomme überhaupt zu reagieren, trippelt die Bedienung heran, kniet sich an unserem Tisch nieder und stellt, weder zu hektisch noch zu vorsichtig, aber überaus grazil die Schalen ab. Ich muss mich unwillkürlich fragen, wie lange sie wohl brauchte, um diese Bewegungsabläufe mit so einer Perfektion ausüben zu können.

Ino und ich murmeln die Essensformel und beginnen mit dem Mahl: Reis, sauer eingelegtes Gemüse und Fisch, dazu, ganz schlicht und einfach, grünen Tee.

Ino schafft es tatsächlich sich nur auf das Essen zu konzentrieren, doch kaum dass sie damit fertig ist, legt sie auch schon ihre Stäbchen über ihr Schälchen, stützt ihren linken Arm auf dem Tisch ab und legt ihren Kopf auf die dazugehörige Hand.

"Ja, es hat wohl kaum einer damit gerechnet, dass so was ausgerechnet Shizune passiert. Aber da es nun mal so ist, wird Konoha Sorge dafür tragen, dass es ihr und dem Kind gut geht. Wir wissen schließlich beide: Sollte es notwendig sein - oder auch nicht -, wird Tsunade jeden einzelnen Ninja abstellen, damit während der Schwangerschaft und der Niederkunft alles gut geht." Sie fängt an zu kichern. "Stell dir das mal bildlich vor. Hunderte von Ninja, bis an die Zähne bewaffnet, stehen mit toternster Miene und kampfbereit um ein Bett, in dem sich Shizune befindet, erschöpft, aber überglücklich. Und unsere allseits geliebte Hokage steht daneben, mit stolzgeschwellter Brust, das Kind auf dem Arm und macht 'gutschi-gutschi-gu'."

Ino bricht in haltloses Kichern aus und auch ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Denn ganz gleich, wie vehement und strikt Tsunade auch ist, wenn es um Menschen geht, die ihr am Herzen liegen, kann sie eine regelrecht übertriebene Fürsorge an den Tag legen. So ein lächerliches Szenario lässt sich von daher nicht ganz ausschließen. (Bleibt nur zu hoffen, dass Tsunade nichts von diesem Scherz erfährt. Ansonsten dürfen Ino und ich uns auf einen längeren Krankenhausaufenthalt freuen.)

Als meine Freundin sich wieder beruhigt hat, räuspert sie sich kurz und sieht mich dann ernst an. Ich weiß, jetzt sind wir beim eigentlichen Punkt angekommen, warum sie mit mir Essen gehen wollte. Ich kann ein Schlucken nicht verhindern.

"Sakura", sagt sie ganz ruhig. "Meinst du nicht, es wird langsam Zeit weiterzugehen?"

Ich wusste, mir würde das Thema nicht gefallen. Und ich verspüre auch nicht den geringsten Wunsch darüber zu sprechen. Vor dieser Frage, vor dieser Konfrontation bin ich so lange davongelaufen. Am liebsten würde ich es auch jetzt wieder tun. Ich möchte aufspringen und aus dem Laden stürmen. Aber etwas hält mich davon ab. Ist es, dass ich Ino diese Peinlichkeit ersparen möchte? Oder ist es ein leichtes Aufflammen unserer einstigen Konkurrenz, der Versuch Ino gegenüber keine Schwäche zu zeigen?

Was es auch sein mag, es lässt mich verweilen. Auch wenn ich mich nicht dazu durchringen kann, Ino zu antworten oder auch nur ihrem Blick zu begegnen.

"Sakura", seufzt Ino leicht entnervt. "Du machst es einem wirklich nicht leicht." Sie greift nach meiner Hand, die auf dem Tisch liegt. "Weißt du, wie aufgeregt, wie glücklich Tsunade war, als sie gesehen hat, dass du diese Mission für Karin ausgeschrieben hast? Seit der Sache mit Kiba war es das erste Anzeichen, dass du zurückkehren könntest, wie du einmal warst. Sicher, im Endeffekt ist das nicht möglich. Nur ein Narr könnte behaupten, dass dich dieser Vorfall nicht geprägt hätte. Du wirst niemals wieder so sein wie vor seinem Tod. Aber Tsunade dachte - wir dachten -, du würdest langsam wieder aus deiner Lethargie erwachen. Wir dachten, du würdest vielleicht wieder anfangen zu leben, statt stupide vor dich hinzuvegetieren. Wir hatten es wirklich gehofft. Denn, ob du es glaubst oder nicht, es gibt in Konoha noch Menschen, denen du was bedeutest. Nicht jeder ist dir so feindselig gestimmt wie Neji. Und diesen Leuten tust du weh mit deinem Verhalten. Wir wollen dir helfen und du lässt uns nicht. Du schließt uns aus und zeigst es uns immer wieder, wenn wir dir begegnen. So hart es auch klingt, ich für meinen Teil habe dich schon ein paar Mal stillschweigend verflucht und mir gewünscht, du wärst nicht hier. Einfach, weil dann dieser Ausschluss, diese Ablehnung, die du uns entgegenbringst, leichter zu ertragen wäre."

Sie holt Luft und zögert einen Augenblick, bevor sie fortfährt. "Sakura, du kannst nicht ändern, was geschehen ist. Du kannst nur ändern, was vor dir liegt. Und ganz gleich wie hohl und abgedroschen das jetzt klingt: Meinst du Kiba hätte gewollt, dass du dich so gehen lässt? Meinst du er hat sich dafür geopfert?"

Wieder macht sie eine Pause und noch immer reagiere ich nicht. "Ich kann dich zu nichts zwingen. Ich will es auch nicht. Es ist dein Leben. Du musst damit machen, was du willst. Du musst deine eigenen Entscheidungen treffen. Ich kann dir nur Ratschläge als Freundin geben. Ob du sie hörst, liegt nicht in meiner Macht. Aber ich gebe dir einen Rat: Nimm sie an, Sakura. Nimm die Mission an. Es könnte deine letzte Gelegenheit sein."

Ino verstärkt für einen kurzen Moment den Druck ihrer Hand. Dann steht sie auf, legt etwas Geld auf den Tisch und geht.

Ich bleibe allein zurück.
 

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Der junge Mann blickte den beiden Frauen hinterher. Fröhlich schnatternd schleifte die Blonde ihre Freundin mit sich mit. Eines war sicher: hätte er Sakura nicht erneut um Hilfe gebeten, so wäre ihr dieses Schicksal erspart geblieben. Und so manches anderes auch. Doch das lag nicht in seinem Interesse.

Sein Interesse bestand darin, die junge Frau aus dem Dorf hinaus zu bekommen. Schließlich hatte er sie sich als eines seiner Spielzeuge ausgesucht. Und sie war so herrlich leicht zu manipulieren. Er würde sicherlich seinen Spaß in dem kommenden Spiel mit ihr haben.

Doch noch war das Spielfeld nicht vollständig vorbereitet. Er hatte seine Figuren gewählt. Er kannte seinen Gegner - auch wenn der noch nichts von seinem Glück wusste. Jetzt musste er nur noch dafür sorgen, dass seine Figuren auch in Position gebracht würden.

Sakura würde nun dem Ruf folgen, den er ihr vorbereitet hatte; dessen war er sich sicher.

Nun musste er nur noch seine zweite Figur lenken, musste dafür sorgen, dass sich die beiden trafen. Und dann konnte das Spiel beginnen.

Mit einem Grinsen auf den Lippen wandte er sich um, humpelte auf seine Krücke gestützt davon, auf das Dorftor zu und verschwand dahinter im Abend.
 

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Ein neuer Tag. Neue Aufgaben.

Und dieses Mal stimmt diese Aussage. Ich weiß nicht, warum - und wider besseren Wissens -, doch ich habe mich entschieden die Mission anzunehmen. aus diesem Grund stehe ich vor Konohas Toren, einen gepackten Rucksack auf dem Rücken, eine Schriftrolle mit Instruktionen in der Hand und lausche den Worten der Missionsleiterin Karin. Wir sind nur ein Zwei-Mann beziehungsweise Frau-Team. Wir müssen also Entscheidungen und Abstimmungen nur untereinander treffen. Das sollte wohl kaum so schwer sein. Und dennoch Karin lamentiert und konstatiert in einem fort unsere Rollenverteilung und wie furchtbar es doch ist, dass ich sie begleiten muss.

Fast schon bereue ich meine Entscheidung. Dass sie der Big Boss ist, habe ich schon beim ersten Mal begriffen; dass wir keine dicken Freunde werden, beruht auf Gegenseitigkeit; und das ich ihr so oder so auf die nerven gehe, war auch vorher klar. Da fragt man sich doch wirklich, was in dem Kopf dieser Frau vorgeht. Erst macht sie einen Aufriss, dass ich ihr eine Mission erstellen soll und dass sie, ich zitiere, "mir nur helfen will"; und dann kriegt sie ihre Mission und ich nehme ihre Hilfe an und sie beschwert sich. Dass sie diese Möglichkeit nicht hat kommen sehen, nehme ich ihr nicht ab.

Doch schließlich endet Karins Tirade. Sie hat gesagt, was sie sagen wollte und ist nun hoffentlich glücklich. Ich bin es jedenfalls, solange sie still ist. Denn offen und ehrlich gesagt, könnte ich mir angenehmere Teampartner vorstellen, als diese rothaarige Furie, vor allem als Vorgesetzte.

Für einen Augenblick überkommt mich Schwermut. Es wäre schön gewesen, wenn Naruto oder Kakashi oder menetwegen auch Ino mit von der Partie wären. Es hätte etwas Vertrautes, Heimeliges gehabt. Wie es aussieht, hat Ino Recht - dies könnte meine letzte Gelegenheit sein, wieder ins Leben zurückzufinden. Ich sollte sie nutzen. Ich werde sie nutzen.

Ein Seufzer entweicht mir und ich sehe kurz, wie Karin mich mit hochgezogener Augenbraue ansieht. Dann wendet sie sich um und bricht auf. Was bleibt mir anderes übrig, als ihr zu folgen.

Wie es aussieht, habe ich ein paar liebenswürdige und gesellige Tage vor mir.
 


 


 

Nach Ewigkeiten ist es also doch noch vollbracht und ein neues Kapitel ist draußen. Es ist momentan aber auch wie verhext. Ich finde einfach kaum noch Zeit zum Schreiben. Aber aufgeben will und werde ich diese Geschichte nicht.

Von daher ein großes Danke an all jene, die so tapfer Geduld mit mir haben. Danke euch allen.

Und zum Schluss noch was Anderes. Es ist zwar noch etwas hin, aber ich frage trotzdem schon mal: Wenn Sakura einen Sohn hätte, welchen Namen würde sie ihm geben?

Stillstand

„Das ist alles deine Schuld.“

Karin und ich sind seit gut drei Wochen unterwegs, um die seltsamen Todesfälle aufzuklären. Unser Erfolg? Gleich null. Seit unserem Aufbruch haben wir in keinem der Dörfer oder Städte einen Hinweis gefunden. Es ist, als hätte sich der Täter just in dem Moment zur Ruhe gesetzt, in dem wir aufgebrochen sind.

Aus diesem Grunde durfte ich mir seit zehn Tagen jeden Abend, wenn wir unser Zimmer in einem Gasthaus bezogen, eine Moralpredigt anhören, dass allein mir die Verantwortung oblag, dass wir keine Fortschritte machten, weil ich den Prozess ja verschleppen musste. Zugegeben, Karin hat damit nicht ganz Unrecht. Hätte ich mich früher dazu durchgerungen, die Mission auszuschreiben, wären unsere Erfolgschancen höher gewesen. So habe ich jedoch nur dazu beigetragen, dass sämtliche Spuren erkaltet sind.

Das schlimme an dieser Situation war nur, dass durch die steigende Frustration unsere ohnehin schon angespannte Beziehung sich noch verschlechterte. Fröhliche Gespräche führen wir eh nicht, haben wir auch nicht auf unserem gesamten Weg. Doch langsam schlägt sich die Aggression auch in den notwendigen Konversationen nieder. Haben wir diese anfangs nur ungern, aber trotzdem neutral geführt, so keifen wir uns jetzt fast nur noch an. Schlimmer noch, wir können uns zum Teil auch nicht in der Gegenwart von Zivilisten beherrschen. Um dies jedoch persönlich auf ein Minimum zu reduzieren, habe ich mich auf die Taktik des Schweigens verlegt. Ich lass Karin einfach reden und hör nur noch zu, wenn es wichtig ist.

Seltsamerweise reizt sie das noch mehr, als würde ich direkt mit ihr streiten.

Karin scheint endlich bemerkt zu haben, dass ich ihr auch dieses Mal nicht wirklich zugehört habe – wozu auch, ich weiß eh was sie sagt -, denn mit einem Aufschrei und Knallen der Tür hat sie das Zimmer verlassen und ist davon gestürmt. Der Himmel weiß, wohin.

Mir soll das nur recht sein. So habe ich wenigstens etwas Ruhe und kann meine Nerven entspannen.

Also ziehe ich mich ins Bad zurück. Es ist recht klein, aber sauber und alle notwendigen Sanitäreinrichtungenen sind vorhanden. Ein Blick in den Spiegel offenbart mir, dass ich genau so aussehe, wie ich mich fühle: müde und abgespannt. Tiefe, dunkle Ringe zeigen sich unter meinen Augen, mein Blick ist kraftlos, lustlos, matt. Das Haar sehr lieblos und zerzaust zurückgebunden. Und bilde ich es mir nur ein oder macht meine Haut ebenso einen erschlafften Eindruck?

Seufzend wende ich mich von der Reflexion ab. So sieht doch kein Mensch aus. Um dem ein wenig Abhilfe zu verschaffen, drehe ich die Dusche an und lass das Wasser laufen, so dass es sich erwärmen kann, während ich mich entkleide.

Das Ergebnis ist jedoch sehr ernüchternd und versetzt mir im ersten Moment, als ich unter den Wasserstrahl trete einen Schock. Es ist kalt. Meine Hand schnellt zum Thermostat vor und dreht den Warmwasserregler voll auf. Ich mag zwar kein heißes Wasser – das kann bei mir schnell einmal zu Kreislaufbeschwerden führen – und weiß ein kalte Dusche durchaus zu schätzen; doch ziehe ich diese vor, nachdem ich mit dem Säubern fertig bin, nicht gleich zu Beginn.

Ich ziehe mich in eine Ecke der Kabine zurück und halte vorsichtig eine Hand in den Strahl, um mich nicht zu sehr der Kälte auszusetzen. Doch auch nach Minuten – gefühlt eine Ewigkeit – hat sich das Wasser nicht übermäßig erwärmt. Vielleicht handwarm ist es geworden. Da längeres warten wohl nicht mehr viel bringen wird, trete ich nun doch unter das Wasser und sehe zu, dass ich Körper und Haar so schnell wie möglich gesäubert kriege.

Zitternd steige ich aus der Kabine und wickle mich in ein Handtuch. Dies ist ein weiterer Nachteil unserer langen, erfolglosen Mission – uns geht langsam, aber sicher das Geld aus. Wir sind gezwungen in billigen Unterkünften abzusteigen und da gehört Warmwasser wohl nicht zur Standardausstattung.

Für gewöhnlich gibt es bei Missionen keine Geldprobleme. Je nach Art und Dauer der Mission wird einem ein Kostenvorschuss durch das Dorf gewährt. Was darüber hinausgeht, muss dann allerdings aus eigener Tasche gezahlt werden- und in genau so einer Situation befinden wir uns gerade. Niemand hat erwartet, dass der Erfolg solange ausbleibt. Niemand hat angenommen, dass wir nicht den geringsten Hinweis finden würden. Hätten wir etwas gefunden, so hätten wir weitere finanzielle Hilfe beantragen können. Doch so?

So bleibt uns nichts anderes übrig, als mit dem bisschen Geld, das wir noch haben, von einer Spelunke zur nächsten zu hangeln und zu beten, dass uns das Glück doch noch Hold ist und uns einen Anhaltspunkt schenkt. Ganz egal was. Hauptsache irgendetwas.

Seufzend beende ich die Trocknung meines Körpers und schlüpfe in meine Schlafsache. Ich bin zu niedergeschlagen und frustriert, als dass ich die Lust verspüren mich um meine Haare zu kümmern, und so lasse ich sie wie sie sind.

Es hat so oder so keinen Sinn sich noch weiter mit der Niederlage des Tages zu befassen. dadurch wird sie auch nicht besser. Es macht mir höchstens mein Versagen wieder klar - und ich will mir noch das letzte bisschen Würde bewahren und Karin in ihrer Feststellung, dass es meine Schuld sei, nicht bestätigen.
 

***
 

Es war dunkel hier. Dunkel und karg - wie es schon seit Zeiten der Fall war. Bleiche Felsen aus rauem Stein mit scharfen Kanten. Nirgends wuchsen Pflanzen. Was diesen am nächsten kam, waren die dunklen Gerippe verdorrter Bäume. Die Luft war heiß und trocken. Sie trug keinen Geschmack in sich. Nirgendwo gab es Schatten, um der Hitze zu entkommen. Nirgendwo gab es eine Regung in diesem Land, unter diesem rot-schwarzen Himmel.

Es war ein Ort, an dem es weder Licht noch Dunkel noch Dämmerung gab. Denn obwohl es dunkel war, war alles erkennbar, als wäre es lichter Tag.

Er stand da, auf einem dieser Felsen, gehüllt in einen Umhang und blickte über die Szenerie. Nichts, was er nicht schon endlose Male gesehen hätte; doch blieb ihm auch kaum etwas Anderes zu tun in diesem Exil.

In dieser Einsamkeit.

Dass diese jedoch gebrochen wurde, war ihm auch nicht recht. Das heißt, er hatte nichts dagegen, dass Gesellschaft auftauchte. Doch er hatte etwas gegen die Gesellschaft, die auftauchte. Es war ein Schmetterling - klein, flatternd und von einem zarten Violettton. Er hoffte inständig, das kleine Ding möge auf der Stelle in der Luft verdorren und zu Boden stürzen, damit er es anschließend zertreten könnte.

Leider tat das Tierchen ihm diesen Gefallen nicht. Stattdessen stand einen Moment später ein junger Mann vor ihm und grinste ihn an.

"Na, Bruder, wie geht es dir denn? Viel zu tun?"

Er wandte sich ab und versuchte den Ankömmling zu ignorieren.

"Was denn? Was denn? Du wirst doch nicht etwa deinen eigenen Bruder ignorieren? Nach all den Jahren? Wie lange ist es her? Ein, zwei Jahrhunderte?"

"Jahrtausende trifft es eher." Um ein Gespräch kam er wohl nicht herum. Dafür kannte er seinen Bruder zu gut. Bruder Schicksal arbeitete so lange, bis er sein Ziel auf die eine oder andere Weise erreicht hatte. ganz gleich, welchen Preis das forderte. Nur einmal - nur ein einziges Mal war es ihm nicht gelungen und das bekam er noch heute zu spüren. "Was willst du?"

"Nicht viel. Das Übliche. Spaß, Unterhaltung, deinen Platz und Kopf."

Eine Antwort, die zu erwarten war und deswegen keine Antwort benötigte. Und so legte sich Stille zwischen ihnen. Er starrte weiter über die Ödnis, während Bruder Schicksal sich auf einen der Felsen niederließ und begann ausgiebig seine Fingernägel zu begutachten. Beide verharrten in diesen Tätigkeiten und das war etwas, das neu für ihn war. Schicksal war niemand, der wartete. Er war jemand, der die Fäden in die Hand nahm und Dinge ins Rollen brachte. Warum also wartete er nun so geduldig auf eine Reaktion?

Die einzige Erklärung: Er hatte die Fäden in die Hand genommen und versprach sich von dieser Taktik mehr Erfolg, als wenn er seinen Bruder nerven würde. Und vermutlich würde es fruchten.

Die Hitze dauerte an. Doch zu ihr gesellten sich nun eiskalte Winde. Ein Zeichen, dass sie bereits länger verweilten als gedacht. Viele Stunden.

Um einem Nachgeben zu entgehen, wandte er sich um und entfernte sich schnellen Schrittes. Schicksal konnte nicht so schnell laufen - und als Schmetterling war er überaus angreifbar. Es war also eine gute Gelegenheit ihn loszuwerden - wenn auch nur für kurze Zeit. Doch erneut machte sein Bruder ihm einen Strich durch die Rechnung.

"Fürchtet sich der Tod etwa? Vor dem Schicksal? Obwohl der Tod das Ende ist, das das Schicksal besiegt? Welch Schmach, dass ich dir unterlegen war."

"Was willst du?" Dieses Mal klang die Frage nicht so gleichgültig, wie beim ersten Mal. Es war ein deutlicher Zorn zu hören.

"Spaß, Unterhaltung, deinen Platz und Kopf."

Er konnte es nicht sehen, doch er war sich sicher, dass Schicksal sich wieder erhoben hatte und ihn mit Häme ansah.

"Du warst schon immer ein Schalk, Bruder", antwortete Tod.

"Ich mein es ernst. Wie lange ist es her, dass wir das letzte Mal gespielt haben? Schon eine Weile, nicht wahr? Es ist ja nicht so, dass geeignete Kandidaten an jeder Ecke lauern würden. Die Zeiten sind leider vorbei. Die Menschen opfern sich einfach nicht mehr so gerne wie früher. Ihr Leben ist leichter geworden. Es fehlt ihnen der Grund, sich der letzten Verzweiflung hinzugeben - und der Glaube. Aber ich - ich habe zwei gefunden. Zwei Figuren, mit denen wir spielen können. Sie werden einander schon bald begegnen. Was denkst du? Wollen wir nicht eine Partie wagen?"

Tod dachte nach. Doch die Antwort war für ihn simpel. "Wieso? Für uns ist das Spiel genauso sinnlos, wie für die Menschen. Nein, wahrscheinlich noch sinnloser. All die anderen Runden haben nichts erbracht. Warum also das Ganze?"

Damit wandte er sich wieder ab. Er verspürte wirklich keine Lust darauf.

"Mag sein", sprach Schicksal. "Mag sein, dass es unsere Situation nicht löst. Doch können wir die beiden Menschen leiden lassen. Oder zumindest einen von ihnen. Vergiss nicht - die Menschen tragen mit Schuld. Es ist also nur fair."

Mit diesen Worten trat Schicksal an Tod heran und hielt ihm zwei kleine Perlen entgegen. "Wähle!"

Tod reagierte nicht. Er stimmte seinem Bruder zu, dass die Menschen verdienten, was ihnen zustand, und er ergriff nur zu gerne die Gelegenheit, sie in ihre Schranken zu weisen - selbst, wenn seine Wirkensweise eingeschränkt war -, doch stand ihm der Sinn nicht danach seinen Bruder zu begnügen.

"Ich verzichte."

"Oh, nein. Das wirst du nicht." Schicksal wartete eine weitere Reaktion von Tod erst gar nicht ab, drückte ihm die rote Perle in die Hand und verschwand. Es ließ sich nur der Hauch eines Echos noch vernehmen. "Das Spiel hat begonnen."

Tod betrachtete die rote Perle. Sie symbolisierte die Figur, die er nun spielen würde.
 

***

Als ich aufwache, ist alles um mich herum noch dunkel. Etwas verwirrt taste ich nach meiner Uhr und, als ich sie finde, bin ich wenig erfreut festzustellen, dass es drei Uhr nachts ist. Gerädert lasse ich mich wieder in das Kissen sinken und lausche der Stille, in der Hoffnung schnell wieder Schlaf zu finden. Doch wie es in den meisten solcher Fälle ist, bleibt der Schlaf aus. Stattdessen gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Eine Eigenschaft, auf die ich im Moment gerne verzichtet hätte.

Frustriert drehe ich mich um und ich brauche noch einige Augenblicke, bis ich merke, dass noch etwas nicht stimmt. Die Stille ist zu still.

Ich setze mich wieder auf und blicke zu dem anderen Bett hinüber. Es ist noch unberührt. Karin ist noch nicht wieder zurückgekommen. Das ist ungewöhnlich. In all den anderen Nächten, in denen sie über mich frustriert das Zimmer verließ, war sie nie bis spät nachts fort - was auch nicht sehr sinnig ist, wenn man bedenkt, dass wir früh morgens weiter machen musste. Ich kann mir nicht erklären, wo sie heute Nacht bleibt.

Und gegen meinen Willen macht sich eine leichte Sorge in mir breit. Schließlich besteht durchaus die Möglichkeit, dass er etwas widerfahren ist. In ihrer emotionalen Verfassung ist das sogar sehr wahrscheinlich.

Ich stehe auf und gehe zum Fenster hinüber. Leise öffne ich es und versuche die Lage zu sondieren. Die Luft ist kühl und feucht. Es muss gerade erst aufgehört haben zu regnen, denn hin und wieder lässt sich das Fallen eines Tropfens vernehmen. In den Fenstern der umliegenden Häuser brennt kein Licht und auch die Wege und Straßen - soweit ich sie einsehen kann - liegen ruhig und verlassen da. Aus irgendeiner Gasse kann ich leises Gelächter hören.

Langsam mache ich mich bereit das zu prüfen, was ich nicht sehen kann, versteckte Gefahren, fremde Chakren. Doch auch dieser Versuch bleibt fruchtlos. Es ist keine Bedrohung in der Nähe; nur Karin ist verschwunden.

Nach kurzem Überlegen beschließe ich sie zu suchen, ziehe mich rasch an und verlasse das Hotel. Selbst wenn ich sie nicht finden sollte, vielleicht wirkt ein kleiner Spaziergang an der Nachtluft ja Wunder.

Während ich durch die Gassen gehe und nach der anderen Frau Ausschau halte - ohne sie dabei zu entdecken -, schweifen meine Gedanken wieder zu unserer miserablen Situation ab. Ich weiß, dass ich den Erfolg geschmälert habe mit meinem Zögern. Dennoch macht es keinen Sinn, dass wir überhaupt nichts finden: keine Hinweise auf die Leichen, keine Hinweise auf das Mittel, keine Hinweise auf irgendwelche Täter. Es ist, als wären all diese Ereignisse nie geschehen. Als hätten wir uns all das nur eingebildet. Und das ist ein Umstand den ich nicht einsehen will.

Wenn wir also doch vorankommen wollen, müssen wir vielleicht unsere Vorgehensweise ändern. Vielleicht sollten wir zuerst überlegen, warum wir nichts finden können. Menschen lösen sich schließlich nicht einfach in Luft auf und sie kommen auch nicht aus dem Nichts. Wenn es also keine Zeichen gibt, woran liegt das?

Vielleicht erinnern sich die Leute wirklich alle nicht - weder an das Mittel noch an die Opfer. Doch bleibt in diesem Fall die Frage, wie das möglich ist, dass sich niemand erinnert. Die einfachste Erklärung wäre die Anwendung eines Jutsu - allerdings müsste es dann schon ein höherrangiges Jutsu sein, wenn es eine so starke Änderung des Gedächtnisses erlaubt. Ein Jutsu, wie es in bestimmten Abteilungen der Anbu angewandt wird.

Das Positive an dieser Möglichkeit: sie würde unsere Täterauswahl sehr einschränken; das Negative: die Täter dürften schwer zu finden und auch relativ gefährlich.

Also weiter, welche Möglichkeiten bestehen noch? Dass sich die Leute doch erinnern, aber nichts sagen?

Auch das können wir nicht mit Bestimmtheit ausschließen. Nur warum schweigen sie dann? Aus Angst? Weil sie selbst involviert sind? Keine besonders attraktive Aussicht. Um sichere Schlüsse in dieser Hinsicht zu ziehen, bräuchten wir eigentlich einen Spezialisten wie Ino.

Und so langsam macht sich in mir das Gefühl breit, dass diese Vorfälle viel größere Kreise schlagen, als wir bisher angenommen haben.

Mir wird kalt in der Nachtluft und ich kehre in die Herberge zurück. Als ich dort ankomme, fehlt von Karin noch immer jede Spur; doch meine Sorge um sie ist inzwischen verflogen.
 

***

Er war nicht lange fort gewesen - auch wenn man die Zeiten und den Zeitverlauf nicht vergleichen konnte.

Auf seine Krücke gestützt, kämpfte sich Sato die lange Treppe hinauf, die in zur Zentrale der Missionsverteilung führte. Er lächelte. Bisher war er sehr zufrieden mit der Form, die die Dinge annahmen. Er hatte nicht vor lange zu bleiben - das konnte er auch nicht, da er noch etwas Anderes sicherzustellen hatte. Er wollte nur etwas prüfen.

Am Eingang wurde er gleich von älteren Kollegen begrüßt - die er, wie es sich gehörte, respektvoll grüßte - und war erleichtert, dass er ihnen nicht weiter Rede und Antwort stehen musste. Sie waren vielleicht etwas erstaunt, ihn zu Nacht schlafender Zeit und außerhalb seiner Schicht hier zu sehen. Andererseits war er als sehr zuverlässig und sorgfältig bekannt und sie taten es wohl damit ab, dass er nur seinen Pflichten nachkommen wollte.

Der junge Mann durchquerte den Saal mit den Schreibtischen, die als Schalter dienten, und den Raum mit den Schreibtischen, an denen der Papierkram bearbeitet wurde, bis er endlich zum Registerarchiv kam. Es dauerte nicht lange und er hatte herausgefunden, wer die letzten Berichte der Mission von Karin und Haruno Sakura bearbeitet hatte. Mit diesem Wissen machte er sich auf zum Schreibtisch der besagten Person und fand diesen verlassen und unbeobachtet vor.

Leider war das auch der Punkt, an dem seine Glückssträhne endete, denn der Bericht enthielt nicht die Auskünfte, die er erhofft hatte.

Sato fluchte leise. Die Mission nahm eine Richtung an, die sie nicht annehmen sollte. Er musste handeln oder alle seine Mühen wären vergebens gewesen.
 

***

Karin hat Kopfschmerzen. Offensichtlich hat sie vergangene Nacht zu viel getrunken und ist erst vor wenigen Stunden zurückgekehrt. Dieser Umstand macht sie noch unerträglicher als gewöhnlich und ich entscheide mich sie nicht anzusprechen, während wir in dem dämmrigen Speiseraum ein mehr als nur bescheidenes Frühstück einnehmen - das heißt, ich tue es, Karin stiert nur genervt und übellaunig vor sich hin. Eigentlich sollten wir jetzt besprechen, wie unsere Tagesplanung, unser Vorgehen für heute aussieht; doch scheint das ins Wasser zu fallen. Schade, ich hätte Karin zu gerne hinsichtlich meiner nächtlichen Gedanken konsultiert. Nicht so sehr, um ihre Meinung zu hören oder ihr zu helfen, sondern nur, weil ich selbst davon letztendlich profitiere.

Ich sehe Karin an und überlege, ob ich das Risiko vielleicht doch eingehen solle, doch ihr tödlicher Blick lässt mich gleich verstummen.

Umso erstaunlicher ist es, dass sie in eben diesem Moment das Schweigen bricht.

"Wir bleiben heute noch hier und versuchen die Sache zum Abschluss zu bringen. Ich hab gestern Abend noch eine Nachricht nach Konoha geschickt. Wir dürften wohl bald den Befehl zur Rückkehr bekommen." Karin sieht gequält und unglücklich aus, als sie mir dies offenbart. "Mach, was du willst. In ein paar Tagen werden wir die Deppen des Dorfes sein. Ich geh schlafen."

Sie steht auf und geht davon.

Ich beiße mir auf die Lippen, das ist gar nicht gut. Wenn wir zurück beordert werden, müssen wir umkehren. Und wie es aussieht, bleiben uns bis dahin nur noch wenige Stunden. Nur noch wenige Stunden, um einen Fortschritt zu schaffen und das Ganze zu kippen. Und Karin lässt mich jetzt im Stich und gibt auf.

Ich kann keine Gedanken kontrollieren wie Ino, beherrsche keine Verhörtechnik und habe bereits alle Leute befragt. Ich weiß nicht einmal, ob sie lügen, etwas verschweigen oder nichts wissen. Wie soll ich es nur schaffen, so schnell eine Lösung zu finden.

Es scheint unmöglich, doch aufgeben will ich nicht. Nicht jetzt, wo mein Ehrgeiz wieder geweckt ist. Nicht jetzt.

Abrupt stehe ich auf und eile aus dem Gebäude. Ohne zu wissen, was ich tue lenke ich meine Schritte zum Tor, drehe dort und blicke in die Stadt. Das Tor ist der Eingang - es ist ein Anfang. Also beginne ich hier noch einmal. Ich muss etwas finden.

Ich muss irgendetwas finden!



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  fahnm
2013-05-30T21:45:56+00:00 30.05.2013 23:45
Spitzen Kapi^^
Von:  _Acchan_
2011-10-10T19:04:38+00:00 10.10.2011 21:04
Holá!
Wie auch Lioness habe ich vor lauter Langeweile neue FFs gesucht und bin beim durchklicken schließlich auf deine Gestoßen.

Ich finde deine Ansätze sehr interessant, vor allem wie du die Geschehnisse des Wanderers (ich geh doch mal sehr stark davon aus, dass es Madara ist) weitererzählst. Die meisten hätten den Krieg sicherlich anders gelöst und ihn entweder sterben lassen, oder aber als Weltherrscher dargestellt. Dass du hier so eine interessante Zwischenlösung gefunden hast ist wirklich erfrischend.

Ich muss sagen, Sakura tut mir ein bisschen leid, du bringst ihre Situation wirklich gut rüber. Wie sie sich abkapselt und auch ihre Lustlosigkeit sich in den früheren Kapitel zum Beispiel kurz bei Ino blicken zu lassen, wirkt sehr authentisch.

Meine Kritikpunkte sind größtenteil die Lioness', auch wenn ich die Punkte alle nicht ganz so eng sehe :-)

Nun...du hast gefragt, wie Sakura ihren Sohn nennen würde.....das ist gar nicht mal so einfach, denn in Namensgebung bin ich grundsätzlich eher schlecht, vor allem bei Jungen. Ich denke sie könnte ihn Kazuki nennen, was entweder "Angenehmer Frieden" oder "Erster einer neuen Generation" bedeutet. Je nach dem mit wem sie das Kind bekommt, würde dann natürlich die zweite Bedeutung besser passen^^

Lg Hana
Von:  Lionness
2011-09-08T19:55:52+00:00 08.09.2011 21:55
Hey,
jupp ich bin neu und ich gebe zu, ich habe aus Langweile begonnen zu lesen. Tja, dass klingt nicht grad nach einem Kompliment, ist allerdings wahr und zum Trost, es wird besser. lol

Zur Story,
deine Geschichte hat mich wirklich überrascht. Zuallererst mal das Sakura so ein riesiger Fehler unterlaufen ist, die darauffolgende Strafe -die nur verständlich war- weiter das es mal nicht Naruto oder Sasuke waren die dran glauben mussten. All dies hat mich vorweg schon mal neugierig gemacht. Sowieso scheinst du sehr von den Klischee´s abzuweichen und das mag ich.

So, weiter im Text. Deine Sätze sind gut sturkturiert, ich mag deine wirklich gute Wortwahl und deine Umschreibungen. Du machst es einem sehr leicht in die Figuren und ihre Beweggründe zu schlüpfen.

Zum Kap.
Das letzte Kap lässt einen ja richtig neugierig werden lassen. Von jemandem manipuliert zu werden ist gar nicht gut und ich glaube Sakura wird noch ernste Schwierigkeiten kriegen.

Sie tat mir auch zu Anfang furchtbar Leid, das mit Kiba war vielleicht ein Unfall aber zu verkraften ist das sicher nicht leicht. Karin und Saku finde ich ziemlich unterhaltsam zusammen und ich denke das die Beiden noch für einiges zum Lachen sorgen werden. Die Mission an sich wird auch spannend bleiben. Vor allem will ich wissen wer der Mörder ist und der Typ aus dem Dorf, Fragen über Fragen. Oder sind sie eine Person? Kann ja nicht, der eine ist alt, vielleicht ist das Madara. Nun es bleibt abzuwarten.

Kritikpunkte.

Ich habe zwei

1. Du musst ganz dringend mehr Absätze reinmachen, viel öfter, es ist für den Leser unglaublich schwer zu folgen wenn sich Zeile an Zeile reiht. Versuch mehr Pausen dazwischen zu schieben. Man sucht sich wirklich dusselig und vor allem schmerzen einen die Augen, was verdammt schade ist weil du echt gut schreibst.

2. Nur ne kleine Warnung, aus persönlicher Erfahrung *lol*, du solltest darauf achten das deine Sätze nicht zu lang werden. Ich selber arbeite auch gern mit Komma usw, einfach weil es sich so flüssig schreiben lässt und irgendwie immer schön zusammen passt Aber irgendwann wird es einfach zu lang und man erinnert sich nicht mehr an den Anfang.

Ich hoffe du nimmst meine Tipps nicht böse auf, es ist wirklich nur nett gemeint. Deine Story kommt jedenfalls auf meine Favo-liste und ich wünsche dir noch einen schönen Abend.

liebe Grüße Lionness
Von:  Schatten_des_Lichts
2011-09-08T13:28:07+00:00 08.09.2011 15:28
Das Kapitel war wirklich gut, lang und hat viele Fragen beantwortet, natürlich auch viele Fragen auf geworfen, wer z.B. Sato genau ist.
Wie Sakura ihren Sohn nennen würde? hm, gute Frage...
LG
Von:  Schatten_des_Lichts
2011-07-12T19:26:01+00:00 12.07.2011 21:26
Die Geschichte hört sich wirklich interessant an, ich werde sie jedenfalls weiter verfolgen. Ob Sakura wohl das Geheimnis um die Kräuter heraus findet, ob sie es alleine schafft oder über ihren Schatten springt und Karin fragt ob ihr noch etwas aufgefallen ist?
Vor allen Dingen interessiert es mich was mit Kiba passiert ist und warum ihr nicht mehr getraut wird.
lg
Von:  DevilsDaughter
2011-06-02T15:17:45+00:00 02.06.2011 17:17
Tolles Kapitel!
Ich finde deinen Schreibstil wirklich außergewöhnlich. Und das natürlich im positiven Sinn^^
Ich hoffe es geht bald weiter und man erfährt, was Sakura getan hat, dass Kiba sterben musste.. Der Arme ;(
lg
Von:  fahnm
2010-11-21T20:49:12+00:00 21.11.2010 21:49
Super Kapi!^^
Freue michs chon aufs nächste.^^
Von:  fahnm
2010-11-21T20:46:08+00:00 21.11.2010 21:46
Hört sich interesant an.
Bin mal auf das erste Kapi gespannt.^^


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