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With fairytale through the year

von

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Herbstmagie: August part 3


 

Erst kneten, dann backen.

Anonym
 

So leise sie konnte, schlich sich Alice im Dunklen ins Bad, um sich einen Sport-BH und Radler-Hose anzuziehen. In Zukunft musste sie einfach daran denken, sich ihre Trainingsklamotten am Abend vorher rauszulegen, wenn Albus bei ihr übernachtete. Rose hätte das getan, dachte sie, als sie sich in die Shorts zwängte.

Sie steckte sich das Haar hoch, zog Socken an und beschloss, die Schuhe lieber in der Hand zu tragen. Als sie behutsam die Tür öffnete, schrie sie erstickt auf. Im Schein der Nachttischlampe saß Albus auf der Bettkante.

„Sag mal, hast du ein Supergehör? Ich war ganz leise.“

„Ziemlich. Frühsport? Gute Idee. Ich hol mir ein paar Klamotten und mache mit.“

Da er nun ohnehin wach war, setzte Alice sich, um die Schuhe anzuziehen. „Nächstes Mal kannst du ein paar Sachen hierlassen.“

Albus lächelte fein. „Einige unserer Stammesangehörigen sind in der Hinsicht empfindlich.“

„Ich nicht.“

„Gut. Ich auch nicht. Das macht das Ganze einfacher.“ Bei einem Blick auf die Uhr zuckte er zusammen. „Größtenteils.“

„Du kannst ruhig weiterschlafen. Ich werde dir keinen Vorwurf daraus machen oder denken, du wärst ein Schlappschwanz. Oder ein Weichei. Oder ein Faulpelz.“

Albus blinzelte sie an. „Bis gleich im Fitnessraum.“

„Okay.“

Alice schlenderte hinaus und dachte sich, dass dies eine gute Art und Weise war, den Tag zu beginnen. Albus ein bisschen necken, dann eine Stunde im Fitnessraum einschieben, gefolgt von einer heißen Dusche, heißem Kaffee und einem arbeitsreichen Tag.

Im Grunde war das ziemlich perfekt.

Im Fitnessraum traf sie Rose an, die bereits auf dem Laufband lief und dabei CNN guckte.

„Morgen“, rief sie.

„Guten Morgen. Du siehst ziemlich aufgekratzt und putzmunter aus.“

„Genau so fühle ich mich auch.“ Alice holte sich eine Matte aus dem Regal und rollte sie auf dem Boden aus, um Dehnübungen zum Aufwärmen zu machen. „Albus kommt auch gleich.“

„Was erklärt, warum du so aufgekratzt und putzmunter bist. Wie war euer Essen?“

„Es war gut. Wirklich gut. Außer…“

„Was?“

Alice blickte zur Tür. „Ich weiß nicht, wie schnell er ist. Später.“ Während sie sich dehnte, musterte sie Rose Tank-Top und Caprihose. Die schokoladenbraune Hose und das Top mit dem Blumenmuster waren zugleich zweckmäßig und weiblich. „Ich sollte mir wohl auch mal ein paar neue Sportklamotten kaufen. Ich glaube, die meisten von meinen sind allmählich zerschlissen.“

Sie ging durch den Raum, um zum zweiten Laufband zu kommen. „Wie lange bist du schon hier?“

„Gerade eine halbe Stunde.“

„Dann sehe ich lieber zu, dass ich aufhole.“

„Keine Chance. Ich habe gleich fünf Kilometer, dann mache ich weiter mit Pilates. Vielleicht laufe ich auch sechs. Gestern Abend hab ich Soufflé gegessen.“

„War es den extra Kilometer wert?“

„Mehr als das. Die haben jetzt einen klasse Dessertchef im Willows.“

„Charles Baker.“

„Weißt du eigentlich alles?“

„Ja“, entgegnete Rose selbstzufrieden. „Und schon hab ich meine fünf.“ Sie wischte das Gerät ab und schaltete von den Nachrichten auf Musik um.

„Morgen, die Damen.“ In uralten Sweartshorts und einem verblichenen T-shirt kam Albus eine Flasche Wasser aus dem Kasten, dann noch eine für Alice, und steuerte auf Rose Gerät zu.

„Danke.“, sagte sie, als er ihr das Wasser in den Flaschenhalter steckte.

„Musst drauf achten, dass du genug trinkst. Wie viel hat sie gemacht?“

„Rose? Fünf. Ich will sechs machen.“

Albus stieg auf und stellte ein Programm ein. „Ich nehme mir acht vor, aber ich mache dir keinen Vorwrf, wenn du nur sechs schaffst. Ich denke auch nicht, dass du ein Weichei bist.“

„Acht?“ Alice nickte. „Ich bin dabei.“

Sie wetteifern miteinander, dachte Rose, als sie sich auf ihrer Matte ausstreckte, um mit dem Bauchmuskeltraining zu beginnen. Tja, das konnte sie keinem von beiden verdenken. Sie selbst liebte den Wettstreit und wünschte bereits, sie hätte ein paar extra Kilometer geschunden, nur, weil sie es auch taten.

Sie sahen so gut zusammen aus. Ob ihnen das bewusst war? Nicht nur äußerlich, dachte sie, während sie zu Beinschere überging. Sondern auch, wie sie sich bewegten, wie sie miteinander auskamen. Mehr noch, dass sie die Richtigen füreinander waren – das wollte sie so sehr, dass es beinahe wehtat.

Dieses Zusammenpassen mit dem Partner hatte sie Roxy und Dome auch gewüncht, aber das hier war mehr. Hier ging es um Albus – ihren Lieblingscousin, den sie wie ihren Bruder liebte – und um die Frau, die in jeder Hinsicht außer der Blutsverwandtschaft ihre Schwester war. Diese beiden gehörten zu den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, und sie wünschte ihnen so sehr, dass sie glücklich miteinander wurden. Das wäre für sie beinahe ebenso großes Geschenk wir für die beiden selbst.

Sie glaubte fest daran, dass es zu jedem Menschen, jedem Herzen, ein Gegenstück, einen Seelenverwandten gab. Eine Entsprechung. Daran hatte sie immer geglaubt, und dieser unerschüttliche Glaube war zweifellos ein Grund dafür, dass sie gut in dem war, was sie machte.

„Kilometer eins!“, verkündete Alice.

„Du hast vor mir angefangen.“

„Nicht mein Problem.“

„Na schön.“ Rose beobachtete, wie Albus sein Tempo steigerte. „Dann schone ich dich jetzt nicht mehr.“

Kopfschüttelnd begann sie mit einer neuen Reihe neuer Yogaübungen.

Sie hatten gerade fünf Kilometer geschafft, und Albus lag in Führung, als Roxy sich hereinschleppte.

„Das ist er.“ Zähnefletschend starrte sie den Gewichtheber an. „Der Feind.“ Sie warf Rose, die ihr Training mit ein paar Grundhaltungen zum Dehnen beendet, einen finsteren Blick zu. „Du bist schon fertig, oder? Das sehe ich an deiner selbstgefälligen Miene.“

Rose legte die Hände zusammen zur Gebetshandlung. „In meinem Gesicht spiegelt sich der tiefe Friede von Körper und Geist.“

„Leck mich, Rose. He, guck jetzt nicht hin, aber hier drin ist ein Mann.“

„Sie machen einen Acht-Kilometer-Wettrennen.“

„Bei Merlins Barte, warum denn das? Warum will jemand auf diesen Monster acht Kilometer schinden? Ach, übrigens, wie findest du das?“ Sie drehte sich einmal um sich selbst, um ihr Sport-Top und die dreiviertellange Yogahose vorzuführen. „Ich bin schwach geworden und hab mir ein paar Outfits gekauft, um mich ein bisschen aufzupeppen. Und um mich anzuspornen.“

„Hübsch und funktional. Steht dir gut.“ Rose schloss mit einem Handstand, bei dem Roxy den Hals reckte.

„Glaubst du, das kann ich auch, jetzt wo ich das neue Outfit habe?“

„Ich gebe dir Hilfestellung, wenn du es versuchen willst.“

„Nein, lieber nicht. Sonst tue ich mir weh, und ich soll Frank anrufen, damit wir zusammn schwimmen gehen, wenn ich mit meiner selbst auferlegten Folter fertig bin. Hast du ihn schon mal schwimmen sehen?“

„Hm.“ Rose grätschte im Handstand die Beine und richtete sich wieder auf. „Kann sein, dass ich ihn mal kurz gesehen habe, als ich auf die Terrasse rausgegangen bin. Natürlich habe ich nicht neugierig geglotzt.“

„Das Glotzen lohnt sich aber. In seinen Schwimmshorts sieht er echt süß aus. Aber vor allem steigt er ins Wasser und ich plötzlich die Grazie in Person, nicht mehr Professor Tollpatsch.“ Nachdem sie das Gerät eingestellt hatte, begann Roxy mit Bizeps-Curls. „Woran liegt das?“

„Vielleicht daran, dass er im Wasser nirgendwo gegen renn oder über nichts stolpern kann.“

„Hm, das könnte sein. Na, egal. Wenn ich mich hier fertig gequält habe, gehen Frank und ich eine Runde frühschwimmen. Schwimmen ist ein zivilisierter Sport. Vermutlich der einzige. Apropos echt süß.“, fügte sie hinzu und senkte die Stimme, während sie mit dem Kinn auf die Laufbänder deutete. „Das sind die beiden auch.“

Mit einem Nicken schlang Rose sich das Handtuch um den Hals, dann stürzte sie Wasser aus ihrer Flasche hinunter. „Das Gleiche hab ich vorhin auch gedacht.“ Sie schaute auf ihre Uhr. „Hm, ich hab gerade noch Zeit, selbst schnell eine Runde zu schwimmen, bevor die Arbeit ruft. Zehn Uhr Beratung, das ganze Team.“

„Verstanden.“

„Bis dann also. Ach, Roxy? Deine Schultern sind der Hammer.“

„Im Ernst?“ Roxys Miene hellte sich auf, erfreut und hoffnungsvoll. „Sagst du mir das nicht nur, weil du mich liebhast und ich so leide?“

„Der Hammer.“, wiederholte Rose und ging hinaus, um ihren Badeanzug zu holen.

„Der Hammer“, murmelte Roxy und wechselte zu ihren Trizeps-Übungen.

„Kilometer sieben.“ Albus schnappte sich sein Wasser und trank in großen Schlucken. „Ach, schau mal, du liegst zurück.“

„Ich spare meine Kräfte für den Endspurt.“ Alice wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Ausgeschlossen, dass sie ihn einnholte, dachte sie, aber er konnte sich für einen Sieg wenigstens anstrengen.

Sie schaute zu ihm rüber. Er hatte sein T-Shirt durchgeschwitzt; sie sah einen dunklen, V-förmigen Fleck, bei dem sich heftiges Begehren in ihr regte. Das nutzte sie, um sich noch ein bisschen mehr anzutreiben.

Sein Haar war an den Schläfen dunkler geworden, und durch die Feuchtigkeit kamen diese sexy Locken zum Vorschein. Seine Arme schimmerten; die Muskeln traten hervor.

Er würde salzig schmecken, dachte sie. Er würde glitisch sein unter ihren Händen. Diese Energie, diese Kraft und Ausdauer würden über ihr sein, unter ihr, rings um sie. In ihr.

Ihr Atem ging racher, nicht nur von der sportlichen Betätigung, und sie erreichte Kilometer sieben.

Albus schaute sie an, und sie sah in seinen Augen, was auch in ihr bebte. Dieses pulsierende, ursprünglichen Begehren. Ihr Puls hämmerte zur Musik, ihre Haut vibrierte mit den Maschinen. Ein schnelles rhythmisches Stampfen.

Langsam verzog sie den Mund zu einem Lächeln und sprach ganz atemlos. „Achtung, ich komme.“

„Du bist zu k.o., dafür reicht es dir nicht mehr.“

„Du bist außer Atem.“

„Du auch. Zum Schluss kann ich noch mal richtig loslegen. Und du?“

„Pass nur auf.“

Auf der anderen Seite des Fitnessraum verdrehte Roxy die Augen. Sie beschloss, dass es Dinge gab, bei denen nicht einmal die engsten Freundinnen Zeuge sein sollten, und schlüpfte hinaus.

Weder Alice noch Albus bemerkten es oder verschwendeten auch nur einen Gedanken an sie.

Albus drosselte sein Tempo, nur ein wenig, und Alice begriff, dass das Wettrennen vorbei war und der erotische Tanz, heiß und primitiv, begonnen hatte.

Sie würden gemeinsam ins Ziel kommen.

„Zeig mal, was du noch drauf hast“, forderte Albus sie auf.

„Willst du es sehen?“

„Ja, will ich.“

„Dann komm und hol´s dir.“ Alice sprintete los, legte sich voll ins Zeug, bis sie halb erstaunt, halb fasziniert merkte, wie sich in ihr die dunkle Lust steigerte. Als Albus erneut mit ihr in Gleichschritt fiel, hörte sie sich stönen.

Sie schloss die Augen und ließ es kommen, lies es durch sich hindurchwogen, all das heiße, marternde Begehren, aß die quälende Erwartung.

Sie kamen gemeinsam ins Ziel.

Während ihr Atem noch rasch und keuchend ging, schlug sie die Augen auf, um Albus anzusehen. In ihrer Kehle brannte ein Durst, den kein Wasser löschen konnte. Auf unsicheren Beinen stieg sie von ihrem Trainingsgerät.

„Das Yoga lasse ich ausfallen“, erklärte sie.

„Recht hast du.“ Albus hakte die Finger unter ihren Sport-BH und riss sie an sich.

Sein Mund war wie ein Fieber auf dem ihren, brennende Vernunft, taumelndes Delirium. Begehren und Hunger – in ihm ebenso verzweifelt wie in ihr, und das allein ließ sie erschauern. Eine neue heftige Glutwelle brach in ihr, so dass sie sich fragte, wie einer von ihnen ihr standhalten konnte.

„Wir müssen uns beeilen. Schnell, schnell.“ Sie riss sich von ihm los und rang nach Luft. Für einen gespannten Moment sahen sie einander nur an. „Fang mich!“, Alice sprintete zur Tür, hörte, wie ihr nächster keuchender Atemzug in einem halb irren Lachen endete, als sie zu ihrem Zimmer stürzte.

Albus holte sie ein, wirbelte sie durch die Tür.

Immer noch lachend, drehte sie sich um die eigene Achse, drängte Albus heftig zurück gegen die Tür, um sie auf diese Weise zu schließen. Dann fiel sie über seinen Mund her.

„Merlin. O Merlin“, brachte sie hervor, riss sein T-Shirt hoch, schleuderte es beiseite. Strich dann mit den Händen über seine Brust. „Du bist ganz verschwitzt und glitschig und …“ Sie leckte über seine Haut. „Salzig. Das macht mich verrückt. Schnell“, verlangte sie und begann, seine Shorts runterzuziehen.

„Nicht ganz so schnell.“ Er tauschte mit ihr den Platz, drängte sie ihrerseits gegen die Tür. Er zog ihr den Sport-BH aus, warf ihn über die Schulter, umschloss ihre Brüste mit beiden Händen.

Ihr Kopf fiel in den Nacken, als er mit den Daumen über ihre Nippel strich. „Ich kann nicht.“

„Doch du kannst. Das Rennen ist noch nicht vorbei. Du weißt nicht, was du mit mir machst. Ich weiß es auch nicht. Aber ich will mehr. Ich will dich. Ich will mehr von dir.“

Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände, seinen Mund von diesem straffen, knackigen Körper, dieser zarten, heißen Haut fernhalten können? Sie presste sich an ihn, murmelte etwas an seinen Lippen, drängte ihn, zu machen, was er wollte, zu nehmen, was er brauchte.

Noch nie hatte eine Frau ihn so erregt, nicht so, dass er sein Blut regelrecht unter der Haut pulsieren fühlen konnte. Begehren war ein zu schlichter, zu sanfter Begriff für das, was sie in ihm auslöste, Leidenschaft ein zu simpler.

Er zog ihr die Arme über den Kopf, drückte sie gegen die Tür, während er sich über ihren Mund, ihren Hals hermachte. Dann wanderte er an ihrem Körper nach unten, schwelgte darin. Doch sein Hunger wurde nur noch größer.

Ihre Radlerhose saßen wie eine zweite Haut, umschlossen eng ihre Hüften, ihre Schenkel. Auf seinem Weg nach unten schälte er sie heraus, bis es seine Hände waren, die ihre Formen umschlossen. Bis nichts mehr seine Lippen, sein Zunge von dieser feuchten Glut trennte.

Der Orgasmus zerriss sie, verwirrte ihr die Sinne, verschleierte ihren Blick. Ihre Beine knickten ein, doch er hielt sie nur noch fester.

Er machte, was er wolllte. Nahm sich, was er brauchte.

Sie bekam kaum Luft in diesem reißenden Strom der Lust, fand ihre Balance nicht mehr in diesem unurchdrinlichen, sinnlichen Dunkel. Sie spürte nur den wahnsinnigen Schwall der Empfindungen, die ihren Körper vor dem nächsten Ansturm erzittern ließen.

Wieder hob er ihre Hände über den Kopf, hielt sie fest wie mit Handschellen. Und mit seinem Blick in ihrem drang er in sie ein.

Sie kam noch einmal, ein endloser Kontrollverlust, der sie bis ins Mark erschütterte. Als sie erbebte, stieß er erneut zu. Als sie erbebte, versenkte er sich in sie, bis ihre Lust sich, so unmöglich es schien, von neuem aufbaute.

Ihre Handgelenke lösten sich aus seinem Griff, und sie umklammerte seine Schultern, hielt sich fest, als sie merkte, wie ihm die Kontrolle entglitt. Sie sah zu, wie er sie ansah, als sie zum Endspurt ansetzten, Tempo aufnahmen, in Gleichschritt verfielen.

Und gemeinsam ins Ziel kamen.

Danach streckten sie sich auf dem Boden aus, beide zu schwach, zu gesättigt, um sich zu rühren. Als sie die Sprache wiederfand, seufzte Alice. „Wir werden reich.“

„Hm?“

„Oh, ich vergaß. Du bist ja schon reich. Also werde ich reich, und du wirst noch reicher.“

„Okay.“

„Ich meine es ernst. Wir haben gerade eine todsichere Motivation für körperliche Betätigung entdeckt. Heißen Dschungelsex. Wir werden reich wie Fugdes. Wir schreiben ein Buch. Dann folgen DVDs und Werbespots. Europa und dann die ganze Welt werden topfit und dazu sexuell befriedigt. Und das haben sie uns zu verdanken.“

„Werden auf den DVDs und in den Werbespots Beispiele für den Dschungelsex gezeigt?“

„In den Versionen für Erwachsene, ja – und mithilfte von Weichzeichner, geschickter Beleuchtung und Kameraperspektiven können wir das Ganze stilvoll halten.“

„Schätzchen, der Reiz an Dschungelsex ist aber, dass er gerade nicht stilvoll ist.“

„Nur für die Herstellung des Materials. Wir machen hier keine Pornos. Denk an die Millionen, Albus.“ Alice rollte sich auf den Bauch, damit sie ihm ins Gesicht schauen konnte. „Die Millionen untrainierter Körper, die dann unser Buch lesen, unsere DVD oder unseren Werbespot ancheuen und denken: Junge, Junge, so was kann ich kriegen, wenn ich regelmäßig ins Fitnessstudio gehe? Wir müssen den Longbottom-Potter-Motivations- und Fitnessclub gründen, einen sauberen Verein, in dem man bedenkenlos Mitglied werden kann. Dann gründen wir Franchise-Unternehmen. Die Leute werden zahlen, Al. O ja, dafür werde sie sogar gut zahlen.“

„Wie kommt es, dass dein Name in dem Motivations- und Fitnessclub an erster Stelle steht?“

„War meine Idee.“

„Das stimmt, aber du hättest die Idee nicht gehabt, wenn ich nicht gerade dein Welt ins Wanken gebracht hätte.“

„Ich deine auch.“

„Das hast du allerdings. Komm her.“ Er zog sie zu sich herüber, bis sie quer auf seiner Brust lag. „Meinetwegen steht dein Name an erster Stelle.“

„Gut. Das wäre also geklärt. Natürlich brauchen wir verschiedene DVDs für unterschiedliche Leistungsstufen. Wie Yoga für Anfänger und so. Anfänger, fortgeschrittene Anfänger und Fortgeschrittene. Wir wollen ja nicht, dass sich jemand verletzt.“

„Ich fange sofort mit dem Papierkram an.“

„Mach das. Merlin, acht Kilometer und Dschungelsex. Eigentlich müsste ich k.o. sein, aber ich hab das Gefühl, ich könnte das Ganze noch mal machen und dann … Oh, verdammt.“

„Was?“

„Die Zeit. Acht Kilometer und DS dauern länger als fünf Kilometer und Yoga. Ich muss in die Dusche.“

„Ich auch.“

Alice kniff ihn leicht in die Schulter. „Es wird aber nur geduscht. Ich bin spät dran.“

„Alice, jeder Mann hat seine Grenzen. Ich glaube, für heute Morgen habe ich meine erreicht.“

Alice stand auf und strich sich das Haar zurück. „Weichei“, sagte sie, dann stürmte sie in die Dusche.
 

Als sie ihr morgendliches Backprogramm absolviert hatte, war Alice wieder gut in der Zeit. Sie richtete für die Besprechung um zehn Uhr Kleingebäck auf einm hübschen Teller an, während über den Fernseher in der Küche Dialoge aus einer Seifenoper flimmerten.

Es duftete köstlich nach Zucker und aromatischem Kaffee, dazu nch Domes fröhlichen Sommermargeriten.

Gerade griff Alice nach hinten, um ihre Schürze aufzubinden, als Rose hereinkam.
 

„Oh, du bist fertig. Ich wollte dir gerade beim Anrichten helfen.“

„Fünf Minuten vorher? Das ist aber keine Rosezeit.“

„Die Kunden haben angerufen und die Beratung auf halb elf verschoben.“

Alice schloss die Augen. „Ich hab mir ein Bein ausgerissen, um es pünktlich zu schaffen. Du hättest mir Bescheid sagen können.“

„Sie haben gerde erst angerufen… okay, vor zwanzig Minuten. Ber so kommt wenigstens niemand zu spät.“

„Du hast es den anderen auch nicht gesagt.“

„Dieses Top ist echt toll“, sagte Rose betont fröhlich. „Es ist fast eine Schande, dass es größtenteils von der Kostümjacke bedeckt ist.“

„Solche Ablenkungsmanöver ziehen nur bei zerstreuten Kunden.“ Trotzdem griff Alice achselzuckend zu der Jacke, die sie vor den Backen aufgehängt hatte. „Aber das Top ist wirklich super.“

„Wir sind nicht zu spät!“ Roxy und Dome stürmten gemeinsam herein.

„Nein, aber die Kunden“, berichtete Alice. „Die fiese Weasley hat das für sich behalten.“

„Nur für zwanzig Minuten.“

„Meine Güte. Ich weiß gar nicht, ob ich sauer oder erleichtert sein soll. Ich brauch einen Kick.“ Roxy öffnete den Kühlschrank, um eine Limo herauszuholen. „Alos…“ Sie schraubte die Flasche auf und musterte Alice, während sie einen großen Schluck trank. „Ich wette, du bist ganz locker und entspannt.“

„Mir geht´s gut. Warum?“

„Oh, ich wette, dir geht´s um Längen besser als gut. Ich wette, dir geht´s so richtig zum die Welt umarmen und Musicalhits im Regen singen – nach dem Workout. Warte, lass mich das in imaginäre Gänsefüßchen setzen.“ Sie stellte ihre Flasche ab und tat genau das.

„Sag mal, hast du eine versteckte Kamera in meinem Zimmer angebracht?“

„So unhöflich würde ich nie sein – es sei denn, ich hätte die Idee als Erstes gehabt. Aber abgesehen davon, wozu eine versteckte Kamera? Ihr beiden habt vorhin so heftige erotische Signale ausgesendet, dass ich verduften musste, bevor ich noch über euch beide hergefallen wäre und wir einen flotten Dreier gehabt hätten.“

„Wirklich?“, fragte Rose gedehnt.

„Na ja, das mit dem flotten Dreier wahrscheinlich nicht. Alice ist nicht mein Typ. Ich würde eher auf dich abfahren, scharfe Braut.“ Sie zwinkerte Rose anzüglich zu.

„Ich dachte, ich wäre dein Typ“, sagte Dome.

„Ich bin so eine Schlampe. Aber egal, jedenfalls waren die beiden auf diesen Laufbändern und kamen ganz schön in Fahrt. Dann haben sie den Workout-Jargon als Code für ihr Sexgeflüster benutzt.“

„Haben wir nicht.“

„Oh, ich habe euren Code geknackt.“ Roxy zeigte mit dem Finger auf Alice. „`Achtung, ich komme. Zum Schluss kann ich noch mal richtig loslegen.` Schon bei der Erinnerung daran werde ich ganz scharf.“

„Du bist wirklich eine Schlampfe“, entschied Alice.

„Aber eine verlobte Schlampe, vergiss das nicht. Trotzdem sollte ich dir danken, weil ich meine unerwartete sexuelle Frustration nach unserem Schwimmen an Frank ausgelassen habe. Er lässt dir auch danken.“

„Gern geschehen.“

„Das ist alles sehr interessant, und das meine ich ernst. Aber…“ Rose tippte auf ihre Armbanduhr. „Wir müssen den Salon herrichten.“

„Warte.“ Dome hob die Hand wie ein Verkehrspolizist. „Nur noch eine Frage, weil ich die Blumen gleich rüberschweben lassen muss. Habt ihr nach eurem Workout wirklich noch genug Energie für Sex?“

„Lies das Buch. Schau dir den Werbespot an.“

„Was für ein Buch?“, wollte Dome wissen, als Alice das Gebäck aus der Küche trug. „Was für ein Werbespot?“

„Die Blumen“, sagte Rose, bevor sie mit dem Kaffeegeschirr verschwand. „Verdammt. Wehe, ihr redet über was Interessantes, ehe ich zurück bin. Und überhaupt, du musst mir helfen, die Blumen reinzuschleppen.“

„Aber ich will…“

Dome schnitt Roxy mit einem Zischen das Wort ab und hob warnend den Finger.

„Okay, okay.“

Im Salon stellten Alice und Rose die Erfrischungen bereit. „Und, ist jetzt später?“

„Später als was?“, erwiderte Alice.

„Später als vorhin, als du `später` gesagt hast.“

„Ja, es ist später.“ Alice zupfte an dem Serviettenfächer herum. „Wie viele Kunden?“

„Braut, BM, BV, Bräutigam, Stiefmutter des Bräutigams. Fünf.“

„Stimmt. Der Vater des Bräutigams ist ja Witwer. Kommt er nicht mit?“

„Ist gerade nicht im Land. Du musst es mir nicht erzählen. Ist schon okay. Nein, natürulich ist es nicht okay. Das sage ich, weil du meine Freundin bist, und ich will nicht, dass du dich mies fühlst.“

„Du bist echt ein Biest.“ Alice musste lachen. „Es ist nicht so, dass ich es dir nicht erzählen will. Schon gar nicht jetzt nach dem Dschungelsex.“

„Ihr hattet Dschungelsex?“, wollte Dome wissen. Sie ließ eine Kiste vor sich her schweben, die bis zum Bersten voll von Sternjochlilien war. „Was für ein Workout war das denn? Wie lange? Aber in allen Einzelheiten. Rose, mach Notizen.“

„Acht Kilometer auf dem Laufband.“

„Ach du meine Güte.“ Mit einem tiefen Seufzer begann Dome, die Vasen auszupacken und aufzustellen. „Vergiss es. Ich wäre tot nach acht Kilometern von irgendwas, und dann hätte Fred Dschungelsex mit einer anderen. Das würde mich nur auf die Palme bringen. Es gibt einfachere Wege, um an das DS zu gelangen.“

„Sagt mal“, begann Rose, „kann es sein, ist es vielleicht möglich, dass wir zurzeit alle ein bisschen sexbessen sind?“

„Das ist Alice Schuld.“ Roxy half Dome mit den Blumen. „Das würdest du verstehen, wenn du im Fitnessraum gewesen wärst und all die erotischen Schwingungen mitgekriegt hättest.“

„Wir reden doch gar nicht über Sex“, sagte Alice.

„Wann haben wir damit aufgehört?“, überlegte Dome.

„Bevor du reingekommen bist. Wir reden von was anderem.“

„Auch gut, da ich ohnehin keine acht Kilometer auf irgendeiner Höllenmaschine schinde. Was ist denn das andere, von dem ihr redet?“

„Es geht um das Abendessen gestern. Oder vielmehr um das, was vor dem Essen war. Ich war spät dran. Was deine Schuld war.“ Sie zeigte auf Roxy.

„Was ist konnte nichts dafür. Das Shooting im Studio hat länger gedauert, und ich konnte meine Schuhe nicht finden. Die ich unebdingt brauchte. Außerdem warst du fast gar nicht zu spät. Vielleicht zehn, fünfzehn Minuten.“

„Zeit genug für Deborah Manning, sich zu Albus an unseren Tisch zu setzen und ein Glas von unserem Wein zu trinken.“

„Ich dachte, Deborah Manning wäre in Spanien.“

„Du weißt also doch nicht alles.“ Alice schenkte Rose ein kleines Lächeln. „Sie ist offensichtlich nicht in Spanien, den sie hat ja mit Albus Wein getrunken.“

„Deborah interessiert ihn nicht.“

„Früher schon.“

„Das ist Jahre her, und sie waren nur ganz kurz zusammen.“

„Ich weiß.“ Alice hob die Hände, bevor Rose fortfahren konnte. „Ich weiß – das ist ja auch einer der Gründe dafür, dass ich mir dämlich vorkomme. Ich war nicht – bin nicht – eifersüchtig auf sie, nicht so. Sonst würde ich mir noch dämlicher vorkommen, weil Albus gan offensichtlich nicht so an ihr interessiert war. Ich glaube, umgekehrt auch nicht. Sie an ihm.“

„Was ist dann das Problem?“, fragte Dome.

„Es war einfach… als ich reinkam und sah, wie die beiden zusammen Wein tranken und lachten. Sie passten so gut zusammen.“

„Nein, das tun sie nicht.“ Rose schüttelte den Kopf.

„Du hast sie nicht gesehen. Sie sahen gut aus, schön und perfekt.“

„Nein. Gut und schön, okay. Aber perfekt und zusammenpassend, nein. Natürlich sehen sie attraktiv zusammen aus, weil sie beide attraktiv sind. Aber das ist nicht dasselbe wie gut zusammenpassen, zusammengehören.“

„Das ist tiefgründig. Wirklich tiefgründig“, entschied Roxy. „Und ich weiß, was du meinst. Manchmal fotografiere ich Paare und denke, das ist jetzt eine hübsche Aufnahme, sie sehen toll zusammen aus. Aber man sieht nicht, dass sie zusammengehören. Das kann ich auch ncht ändern, beheben, zurechtrücken. Man sieht es nicht, und damit basta.“

„Genau.“

„Okay, also, sie sahen gut zusammen aus. Bleiben wir dabei. Und für einen kurzen Augenblick war ich total verwirrt und fühlte mich außen vor. Das ist dämlich.“ Alice fuhr sich durchs Haar. „Es war, als würde ich durch eine Glasscheibe gucken, und als wäre ich auf meiner Seite und die beiden auf ihrer.“

„Das ist eine Beleidigung, für euch alle drei.“ Dome unterbrach ihre Arbeit mit den Blumen, um Alice in die Schulter zu knuffen. „Und das hat keinr von euch verdient. Deborah ist sehr nett.“

„Wer ist Deborah?“

„Du kennst sie eigenlich nicht“, erklärte Dome Roxanne. „Aber sie ist wirklich total nett.“

„Das habe ich ja gar nicht bestritten. Ich kenne sie eigentlich auch nicht. Ich sage nur, ich glaube nicht, dass sie jemals gekellnert oder in einer Restaurantküche geschuftet hat.“

„Das ist auf umgekehrte Weise versnobt.“

Alice sah Rose achselzuckend an. „Klar ist es das. Ich hab ja gesagt, ich komme mir dämlich vor. Und ich bin damit fertig geworden. Ehrlich. Ich weiß, es ist mein Problem, und es ist mir unangenehm. Aber so hab ich mich in dem Moment nun mal gefühlt. Vor allem, als Deborah gerafft hat, dass Albus mit mir zum Essen verabredet war, dass wir zusammen sind. Da hab ich ganz kurz so einen Ausdruck von `na und?` in ihrem Gesicht gesehen, bevor sie sich wieder im Griff hatte. Sie war wirklich sehr nett.“, wandte Alice sich an Dome. „Es war nicht ihre Schuld, dass ich so empfunden habe – was das Ganze noch schlimmer macht. Es kam einfach so über mich. Das passiert mir manchmal. Das Essen war dann sehr schön. Wirklich schön. Unter dem Teil von mir, der dieses schöne Essen genoss, fühlte sich also der andere Teil noch dämlicher wegen meiner Reaktion. Ich hasse es, wenn ich mir dämlich vorkomme.“

„Gut.“ Rose nickte. „Wenn du etwas hasst, hörst du nämlich auf damit.“

„Ich arbeite daran.“

„Dann – das müssen die Kunden sein“, sagte Rose, als es klingelte. „Mist, ich habe den Faden verloren. Dome, räum diese Kiste weg. Alice, du hast noch deine Küchenschuhe an.“

„Verdammt. Bin gleich wieder da.“ Alice sprintete aus dem salon, gefolgt von Dome mit den leeren Kisten.

Rose zog ihre Kostümjacke herunter. „Du warst so still.“

„Weil ich auch mal hinter dieser Glasscheibe war“, erklärte Roxy. „Ich weiß, wie Alice sich gefühlt hat. Es kostet einige Zeit und Mühe, die Scheibe einzuschlagen, aber das schafft sie schon.“

„Ich möchte nicht, dass zwischen uns irgendeine Art von Trennscheibe steht.“

„Zwischen uns niemals, Rose. Nicht zwischen uns vieren. Bei Albus ist das was anderes für sie, aber auch das wird sie schaffen.“

„Also gut. Aber du sagst mir, wenn du denkst, dass sie wieder dieses Gefühl hat.“

„Versprochen.“

„Also gut“, wiederholte Rose. „Showtime.“ Sie eilte hinaus, um die Tür zu öffnen.
 

Später in dieser Woche saß Alice zu ihrem großen Vergnügen mit Franks Cousine und deren Verlobtem zusammen. Shelly Maguire sprudelte wie der Champagner, den Alice kaltgestellt hatte, und war ebenso köstlich.

Von der ersten Besprechung zur Hochzeitsplanung an – dem Tag, an dem Frank für Nick eingesprungen war und seine Beziehung mit Roxy begonnen hatte – war „witzig“ der Schlüsselbegriff für die Hochzeit im Herbst gewesen. Alice wollte dafür sorgen, dass dies auch für die Torte galt.

„Ich bin so aufgeregt.“ Shelly hopste auf ihrem Platz herum. „Alles fügt sich so gut zusammen. Ich weiß gar nicht, was ich ohne Rose machen würde, ohne euch alle. Wahrscheinlich würde ich Nick wahnsinnig machen.“

„Ähm.“ Nick sah sie grinsend an. „Noch wahnsinniger.“

Lachend piekte sie ihn. „Ich spreche höchstens hundert Mal am Tag von der Hochzeit. Oh, meine Mama hat ihr Kleid gekauft. Es ist so hübsch! Bei sämtlichen Kostümen, die sie anprobiert hat und die so typisch nach Brautmutter aussahen, hab ich nur die Nase gerümpft.“ Sherry ließ wieder ihr anstreckendes Lachen raus. „Es ist rot. Ich meine, richtig knallig rot, mit glitzernden Trägern und schwingendem Rock, der auf der Tanzfläche bestimmt super aussieht. Meine Mama kann nämlich tanzen, und wie. Morgen ziehe ich mit Nicks Mama los, um ihr Kleid zu finden. Und sie wird nichts anziehen, womit sie matronenhaft im Hintergrundverschwindet. Ich kann es kaum erwarten, sie rumzukriegen.“

Fasziniert schüttelte Alice den Kopf. „Und manche Bräute haben Angst, dass ihnen jemand die Schau stiehlt.“

Sherry winkte kurz ab. „Bei unserer Hochzeit werden alle umwerfend aussehen. Ich passe bloß auf, dass ich am umwerfendsten aussehe.“

„Das geht ja gar nicht anders.“

Sherry drehte sich zu Nick um. „Ist es ein Wunder, dass ich so verrückt nach ihm bin?“

„Überhaupt nicht. Wie wär´s mit einem Glas Champagner?“, bot Alice an.

„Ich kann nicht, aber trotzdem danke.“, erwiderte Nick. „Ich hab heute Nachtdient.“

„Heiler mit Champagnerschwips sind in der Notaufnahme nicht so gern gesehen.“ Doch Sherry zappelte erwartungsvoll. „Aber ich hab keinen Nachtdienst, und fahren muss ich auch nicht, weil Nick mich auf dem Weg zur Klinik rauslässt.“

Alice schenkte ein Glas ein. „Kaffee?“, fragte sie Nick. „Perfekt.“

Sie schenkte auch ihm ein und lehnte sich zurück. „Ich muss einfach sagen, mit euch beiden und euren Familien zu arbeiten, hat uns allen bisher so viel Spaß gemacht. Ich glaube wirklich, wir freuen uns ebenso auf den September wie ihr.“

„Dann freut ihr euch aber ziemlich. Und dann habt ihr im Dezember die nächste Hochzeit.“ Sherry hopste erneut auf ihrem Stuhl herum. „Frank heiratet! Er und Roxy sind… Bist du nicht auch schon super aufgeregt? Dein Bruder heiratet!“

„Ich kenne Roxy von klein auf, und ich muss ehrlich sagen, sie war noch nie so glücklich. Dafür allein würde ich Frank schon lieben, aber dass er ist, wie er ist, gibt mir auch reichlich Gründe dafür. Und dass er mein Bruder ist … lass wir es gut sein.“

„Er ist echt der beste von uns.“ Sherry bekam feuchte Augen, und sie blinzelte kurz. „Wow, ein Schlückchen Champagner, und ich werde sentimental.“

„Dann reden wir mal über die Torte.“ Alice steckte sich das Haar hinter die Ohren, bevor sie sich ein Tasse Tee einchenkte. „Ich habe euch hier verschiedene Kostproben mitgebracht. Teil, Füllung, Glasuren. Im Hinblick auf eure Gästeliste würde ich fünf Etagen empfehlen, nach Größe abgestuft. Die einzelnen Schichten können unterschiedliche Arten von tEig und Füllung erhalten, oder wir nehmen das Gleiche für die ganze Torte. Ganz wie ihr wollt.“

„In der Hinsicht bin ich schrecklich, weil ich mich nie entscheiden kann. Bis wir hier fertig sind.“, warnte Sherry, „freut ihr euch nicht mehr auf die Hochzeit.“

„Das glaube ich nicht. Ich zeige euch einfach mal den Entwurf, der mir vorschwebt. Wenn er euch nicht gefällt, probieren wir etwas anderes, bis wir gefunden haben, was euch zusagt.“

Alice zeichnete nicht für alle Kunden einn Entwurf, doch Sherry gehörte ja jetzt zur Familie. Sie schlug ihr Skizzenbuch auf un reichte es den beiden.

„Oh, krass.“ Blinzelnd starrte Sherry auf die Zeichnung. „Die Teile – die Etagen – sind nicht rund. Sie sind – was sind sie denn?“

„Sechseckig.“, stellte Nick fest. „Echt cool.“

„Sie sehen aus wie Hutschachteln. Wie schicke Hutschachteln, mit all den Blumen dazwischen, und jede in einer anderen Farbe. Wie die Kleider der Brautjungfern. Nicht weiß und förmlich. Ich dachte, die Torte würde weiß und förmlich, also, schon schön, aber nicht so…“

„Witzig?“, schlug Alice vor.

„Ja! Ja. Das hier ist witzig, aber trotzdem schön. Was besonderes, schön und witzig. Und das hat du nur für uns entworfen?“

„Nur wenn es euch gefällt.“

„Und wie. Dir auch, oder?“, sagte Sherry zu Nick.

„Ich find´s super. Und, Merlin, das hier ist echt viel einfacher, als ich dachte.“

„Die Torte hat einen Fondant-Überzug. Zuerst dachte ich, das wäre vielleicht zu steif, aber als mir dann die Idee kam, jede Etage passend zu den Kleider deiner Brautjungfern einzufärben, fand ich, das kam schon besser, un es passt zu eurem Stil.“

Als Sherry einfach nur strahlend den Entwurf betrachtete, lehnte Alice sich zurück und schlug die Beine übereinader.

Nick hatte Recht. Das Ganze war viel einfacher als gedacht.

„Die Blumen bringen noch mehr Farbe ins Spiel, so dass die Torte bunt und fröhlich un alles andere als förmlich wirkt. Dome wird mit mir zusammenarbeiten, damit die Blumen zu denen passen, die sie für dich macht, und mit den gleichen Blumen schmücken wir auch den Desserttisch. Die Verzierungen habe ich in Gold gezeichnet – das kann ich aber ändern, wenn ihr was anderes wollt. Mir gefällt, wie es die Farben noch mehr zur Geltung bringt, und ich dachte, wir könnten eine goldene Decke auf den Desserttisch legen, damit die Torte richtig leuchtet. Aber…“

„Stopp!“ Sherrys Hand flog hoch. „Sag mir nicht, was alles noch möglich wäre. Mir gefällt das hier, alles daran. Es ist so typisch für uns. Ich meine, damit hast du es echt genau getroffen. Sieh dir nur unsere Wahnsinnstorte an.“ Sherry stieß mit ihrem Champagnerkelch an Nicks Kaffeetasse an.

„Okay, dann schaut, bitte, mal kurz weg, während ich mich höchst professionell benehme.“ Grinsend riss Alice beide Arme hoch. „Ja!“

Wieder ertönte Sherrys perlendes Lachen. „Wow, du bist ja echt mit Leib und Seele bei der Arbeit.“

„Stimmt. Aber ich muss euch sagen, diesen entwurf wollte ich wirklich für euch – und für mich. Ich bin ganz aufgeregt bei dem Gedankten, die Torte zu machen. Oh, Merlin.“ Alice rieb sich die Hände. „Okay, fertig. Und jetzt werden wir wieder professionell.“

„Ich mag dich echt gern“, sagte Sherry plötzlich. „Was ich sagen will … ich kannte – und kenne – dich einfach nicht so gut, wie man seine Cousine kennen sollte. Und seit Roxy und Frank zusammen sind, habe ich Roxanne richtig gut kennengelernt. Aber je besser ich dich kennenlernte, desto mehr mag ich dich.“

„Danke.“ Alice lächelte ihr zu. „Das beruht vollkommen auf Gegenseitigkeit. Und jetzt lasss uns ein bisschen Torte essen.“

„Das wird meine Lieblingsaufgabe.“ Nick griff zu einer Kostprobe.

Das Innenleben der Torte festzulegen, dauerte weitaus länger und erforderte wesenetlich mehr Diskussionen und Überlegungen als das Äußere. Alice dirigierte die beiden ganz behutsam, und am Ende entschieden sie sich für verschiedene Geschmacksrichtungen, die eine ebenso gelungene Kombination darstellten wie der Entwurf.

„Woher wissen wir, welche Etage wonach schmeckt?“, fragte Sherry, als sie sich zum Gehen wandten. „Also, in welcher Etage steckt der Apfelkuchen mit der Karamellfüllung und wo die Mokka-Gewürztorte mit der Aprikosenfülllung oder die…“

„Darum kümmere ich mich, und das Servicepersonal wird von jedem etwas anbieten, wenn sie die Torte an die Tische bringen. Wenn ihr euch noch irgendwas anders überlegt, braucht ihr mir nur Bescheid zu geben.“

„Sag das nicht.“, warnte Nick, und Sherry lachte erneut.

„Er hat Recht. Ich hasse das, aber er hat Recht. Es ist besser, wenn ich denke, dass die Entscheidung jetzt undverrückbar ist. Warte nur, bis Mom und Dad die Kostproben kriegen.“ Sie schwenkte die Schachtel, die Alice ihr gegeben hatte. „Danke, Alice. Danke für alles.“ Sie umarmte Alice stürmisch. „Wir sollten ganz schnell rüberlaufen und Frank und Roxy hallo zu sagen.“

„Ich glaube nicht, dass sie zu Hause sind.“ Alice schaute auf die Uhr. „Roxy hat ein Shooting irgendwo außerhalb und wollte Frank beim Coffee Shop rauslassen. Er trifft sich mit seinem Freund. Bob?“

„Oh. Na gut. Dann beim nächsten Mal.“

Alice ging mit hinaus, um den beiden zum Abschied zu winken, und entschied, dass dies eines ihrer befriedigendsten Beratungsgespräche gewesen war. Es würde ihr nicht nur Freude machen, diese Torte herzustellen, nein, die beiden waren auch so glücklich damit – und miteiannder, dachte sie, als ihr auffiel, wie sich sich auf dem Weg zum Auto zueinander beugten, um sich zu küssen.

„Im Einklang“, dachte sie. Das waren die beiden, auch wenn Sherrys Rhythmus oft wahnsinnig schnell war, Nicks dagegen bedächtiger und überlegter. Sie ergänzten einander, hatten einander, und was das Beste war, sie hatten offensichtlich so viele Freude aneinander.

Die Liebe war schön und gut, dachte sie, aber im Einklang miteinander waren. Vielleicht konnte man das nicht sagen, nicht mit Bestimmtheit, wenn man selbst betroffen war. Albus und sie hatten einander, überlegte sie, und sie hatten sicherlich viel Freude aneinander. Aber fanden sie auch einen Weg, um ihre verschiedenen Rhythmen in Einklang zu bringen?

„Jetzt habe ich sie verpasst.“ Rose stürzte auf ihren High Heels aus dem Haus, gerade als Nicks Wagen vom Beginn der Einfahrt auf die Straße bog. „Verdammt. Ich wurde am Telefon aufgehalten und …“

„Nein! Nicht möglich.“

„Ach, halt den Mund. Die Braut von Freitagabend hat gerade festgestellt, dass sie keine schwachen Nerven und auch keinen Magen-Darm-Infekt hat.“

„Schwanger.“

„Ja, allerdings. Jetzt hat sie leichte Panik, ist ein bisschen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Die beiden wollten zwar im Laufe des Jahres ohnehin anfangen, eine Familie zu gründen, aber das hier ist doch deutlich näher am Anfang als am Ende des Zeitfensters, das sie sich gesetzt haben.“

„Wie geht es ihm damit?“, erkundigte sich Alice, wohl wissend, dass die Braut Rose sicher alles haarklein erzählt hatte.

„Im ersten Moment war er sprachlos, so ? Jetzt ist er ganz aufgeregt. Und offenbar sehr führsorglich, wenn ihr morgens übel ist.“

„Es sagt viel über einen Typen aus, dass er dabeibleiben kann, wenn man kotzen muss.“

„In dem Punkt verdient er die Goldmedaille. Sie hat es ihren Eltern gesagt, er seinen auch, aber mehr nicht. Sie wollte meinen Rat – ob sie es ihrer EBJ sagen soll, dem TZ oder sonst jemandem. Und so weiter.“

„Und was hast du geraten?“, erkundigte sich Alice.

„Dasselbe was ich Dome geraten habe. Sie sollte die ersten drei Monate abwarten, bevor sie es öffentlich macht. Ihre EBJ und TZ sollten es jedoch wissen, da die beiden wohl auch die Paten von dem Kind werden.“, Rose kaute auf einem ihrer Fingernägel. Das tat sie nur, wenn sie sich unsicher fühlte.

„Das ist ein guter Rat, Rose. Nehmen wir uns mal die Fakten vor… In den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft kann so viel passieren. Was ist, wenn sie da Kind verliert? – Die mitleidigen Blicke würden sie verfolgen.“ Alice legte Rose eine Hand auf den Arm um sie zu beruhigen. „Dome hat es uns erzählt, weil wir ihre Trauzeugin, Cousine und beste Freundin sind – ihre Familie. Und, naja, wir müssen auch mehr planen dadurch.“

„Du?“, lachte Rose auf.

„Okay, Rose, du musst mehr planen. Ich helfe nur aus.“ Alice grinste.

„Na ja, aber jetzt zurück zu Nick und Sherry. Wie ist es gelaufen?“

„Besser hätte ich es mir nicht ausdenken können. Das ist so ein Moment, in dem du dir, wenn du fertig bist, einfach nicht vorstellen kannst, irgendeinen anderen Beruf auszuüben. Oder warum andere Leute irgendwas anderes machen wollen. Komm, lass uns reingehen, uns ein Glas von dem Schampus einschenken, den ich für Sherry aufgemacht hab, und darauf anstoßen, wie genial wir sind.“

„Würde ich gern – heb mir ein Glas auf. Ich hab einen Termin in Nash. Ich bin in zwei, drei Stunden zurück.“

„Okay. Ich bin fertig für heute. Vielleicht gehe ich noch eine Runde schwimmen und trinke dann den Schampus.“

„Jetzt willst du mich aber neidisch machen. Hat funktioniert.“

„Noch ein Erfolg für mich an diesem Tag.“

„Altes Biest.“

Amüsiert sah Alice zu, wie Rose in ihrem hübschen cremeweißen Sommerkostüm und den türkisen High heels zu ihrem Wagen ging.

Sie überlegte träge, ob Dome wohl für heute mit der Arbeit fertig war. Dann könnten sie zusammen schweimmen gehen und faul rumhängen, während Alice ihren Schampus trank und Dome Limonade genoss, bis Fred nach Hause kam. Sie hatte viel zu gute Laune, um allein zu sein.

Sie überlegte, ob sie in ihren hochhackigen Schuhen, in die sie sich für die Beratung geschmissen hatte, zum Gästehaus rüberstacksen sollte. Sie konnte auch ins Haus gehen und anrufen, doch wenn Dome noch nicht fertig war, würde sie die Freundin leichter überreden könnn, wenn sie ihr gegenüberstand. Also ging sie besser rein, wechselte die Schuhe und marschierte zu Dome, um sie mit Poolvergnügen und Limonade zu locken.

Sie ging hinein, zog ihre Küchenschuhe an und verließ das Haus durch die Hintertür.

Der heiße, schwüle Sommerabend schrie förmlich danach, dass man schwimmen ging, fand sie. Sie lauschte dem Summen der Bienen, die emsig durch den Garten flogen, sog den Duft des am Morgen frisch gemähten Grases und der Blumen ein, die in der Wärme matt wurden. All das fühlte sich so träge und unendlich an.

Morgen um diese Zeit würden sie alles für den Probelauf der Hochzeit am Freitag vorbereitet haben. Und dann würde es tagelang keinen Müßiggang mehr geben.

Also musste sie das jetzt auskosten. Die Blau- un Grüntöne des Sommers, die Gerüche und Geräusche, dazu das Gefühl, das alles awürde ewig dauern. Vielleicht sollte sie Albus anrufen, dachte sie, und fragen, ob er nicht herkommen wollte. Dann könnten sie alle zusammen was kochen, den Grill anfeuern, draußen sitzen und den Sommerabend mit Freunden genießen.

Später konnten sie sich lieben und dabei wegen der Schwüle die Terrassentüren offen lassen.Trotzdem würde sie noch Zeit haben, eine Erdbeerbiskuittorte zusammenzubasteln.

Der Gedanke gefiel ihr immer besser, als sie um das Haus herumging. Dort kam zuerst Roxys Studio in ihren Blick – und der flotte kleine Sportwagen, der davor geparkt war. Und im nächsten Moment die flotte Dunkelhaarige, die gerade einfach die Tür aufmachen wollte, die Roxy bestimmt nicht abgeschlossen hatte.

„Angelina!“, rief Alice scharf und freute sich diebisch, als die Frau zusammenzuckte. Dann wirbelte Angelina, die ein luftiges Sommerkleid und himmelhohe Riemchensandaletten trug, zu ihr herum.

Kurz fragte sich Alice, warum sowohl Rose als auch Angelina so lange auf so hohen Absätzen laufen konnten. Ihr selbst brannten die Füße bereits nach einer Stunde höllisch.

Der Anflug eines schlechtes Gewissens auf Angelinas Gesicht bereitete Alice erneut diebisches Vergnügen.

„Alice. Du hast mich zu Tode erschreckt.“ Angelina schüttelte ihr schwarzes, vom Wind zerzaustes Haar, so dass es ihr unbestreitbar hübsches Gesicht umrahmte.

Zu schade, dass Form und Inhalt nicht übereinstimmten, dachte Alice und eilte mit großen Schritten auf Roxannes Mutter zu.

„Ich bin vorhin aus New York nach London gekommen, um Freunde zu treffen, und jetzt wollte ich nur kurz bei Roxy reinchneien. Es ist ewig her.“

Sie trug eine gute Sonnenbräune zur Schau, die sie jedoch von Natur aus schon besaß und jetzt durch einen langen Sonnenurlaub auf irgendeiner Yacht ihres neuen Ehemanns aufgebessert hatte. Ihr Make-up war perfekt, woran Alice erkannte, dass sie sich die Zeit genommen hatte, anzuhalten und es aufzufrischen, bevor sie „reinschneite“.

„Roxy ist nicht zu Hause.“

„Oh, na ja. Dann sage ich Frank rasch hallo.“ Angelina wedelte gekonnt mit der Hand, so dass die Sonne die riesigen Diamanten in ihrem Verlobungsring und dem Ehering richtig funkeln ließ. „Mal sehen, was mein zukünftiger Schwiegersohn so treibt.“

„Er ist mit Roxy unterwegs. Es ist niemand da, bei dem Sie reinschneien könnten, Angelina. Sie sollten zurück nach New York fliegen.“

„Ich kann ein paar Minuten warten. Nein, wie… professionell du aussiehst“, sagte Angelina, während sie Alice rasch von oben bis unten musterte. „Interessante Schuhe.“

„Rose hat Ihnen sehr deutlich zu verstehen gegeben, Angelina, dass Sie hier nicht willkommen sind.“

„Ach, das was doch nur eine Laune.“ Angelina tat ihre Worte mit einem Achselzucken ab, doch ihr Blick wurde ungehaltener. „Das ist das Zuhause meiner Tochter.“

„Sehr richtig, und als Sie das letzte Mal hier waren, hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen verschwinden. Ich wüsste nicht, dass sie ihre Meinung geändert hat. Und Rose ganz sicher nicht.“

Angelina schniefte. „Ich warte einfach im Haus.“

„Wenn Sie versuchen, diese Tür zu öffnen, Angelina, sorge ich dafür, dass Sie mit dem Hintern im Dreck landen. Garantiert.“

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Du bist ein Nichts. Glaubst du wirklich, du kannst in deinem Billigkostüm von der Stange und deinen hässlichen Schuhen hier stehen und mir drohen?“

„Ich glaube, das habe ich schon.“

„Du bist doch nur hier, weil Rose sich dazu verpflichtet fühlt, dir Obdach zu gewähren. Du hast keinerlei Recht, mir zu befehlen, ob ich bleiben oder gehen soll.“

„Mit Rechten wird das nicht viel zu tun haben, wenn sie sich vom Boden aufrappeln. Fliegen Sie zurück nach New York und Ihrem neuesten Ehemann. Ich sage Roxanne, dass Sie hier waren. Wenn sie Sie sehen möchte, meldet sie sich.“

„Du warst schon immer kalt und gehässig, sogar als Kind.“

„Okay.“

„Kein Wunder bei dem verklemmten Vater. Er hat immer gern so getan, als wäre er was Besseres, sogar, als deine Mutter ihn betrogen hat. Und olala deine Mutter ist ordentlich rumgekommen.“ Angelina lächelte.

„Glauben Sie, es macht mir was aus, dass meine Mutter wie Sie es mit vielen Männern getrieben hat?“ Doch, das tat es, dachte Alice, als sich ihr Magen zusammenkrampfte. Das tat es.

„Deine Mutter und ich genießen halt das Leben.“

„Es ist und bleibt schmuddelig. Sie interessieren mich nicht, Angelina. Sie haben mich noch nie interessiert. Wir anderen drei haben Sie nur wegen Roxanne geduldet. Vielleicht auch etwas wegen Fred. Das brauchen wir jetzt nicht mehr. Also muss ich nachhelfen, damit Sie sie sich zu ihrem Wagen bewegen, oder möchten Sie lieber hingehen, ohne zu humpeln?“

„Glaubst du, nur weil du es geschafft hast, Albus Severus Potter in Bett zu kriegen, bist du nun eine von ihnen?“ Diesmal lachte Angelina, ein helles Trillern in der Sommerluft. „Oh, ich hab alles darüber gehört. Eine Menge Leute haben davon gehört, und sie lieben es, darüber zu reden.“

„Merlin, der neue Fisch an Ihrer Angel muss Sie ja schon ganz schön langweilen, wenn Sie Ihre Zeit damit verbringen, über mein Sexualleben zu reden.“

„Du?“ Angelinas Augen weiteten sich amüsiert, und sie schaute Alice gerade mitleidig genug an, dass es beleidigend war. „Für dich interessiert sich doch überhaupt niemand. Aber alle interessieren sich für einen Potter, vor allem, wenn er beschließt, mit dem Küchenmädchen zu spielen. Ehrlich gesagt bewundere ich dich für deinn Versuch. Diejenigen von uns, die weder über den Namen noch über das Geld verfügen, müssen eben zu allen Mitteln greifen, um dranzukommen.“

„Müssen wir das?“, entgegnete Alice kühl.

„Aber ein Mann wie Albus? Natürlich schläft er mit dir. Männer schlafen mit jeder Frau, die gut im Bett ist – das dürftest du von deiner Mutter geerbt haben. Aber wenn du denkst, er bleibt dir treu oder heiratet dich sogar, ist das nur erbärmlich. Ein Potter heiratet nur innerhalb der eigenen Klasse, Herzchen. Und du? Du hast überhaupt keine Klasse.“

„Also, zu Ihrem letzten Satz würde ich ja sagen, da haben wir was gemeinsam, aber … igitt.“ Ihre Knie zitterten. Sie musste sie durchdrücken, um gerade stehen zu bleiben. „Ich fordere Sie jetzt noch einmal auf, zu gehen, ansonsten zwingen ich Sie. Ich hoffe also wirklich, Sie hören nicht auf mich.“

„Hier gibt es nichts, was mich interessiert.“ Angelina schüttelte erneut ihr Haar, eilte zu ihrem Wagen und setzte sich ans Steuer. „Die Leute lachen über dich.“ Sie drehte den Schlüssel um, bis der Motor ansprang. „Sie werden noch lauter lachen, wenn Albus mit dir fertig ist.“ Sie ließ den Motor aufheulen und raste davon, dass ihr schwarzes Haar im Wind flatterte.

Alice war nicht mehr danach, schwimmen zu gehen oder Champagner zu trinken. Auch nicht mehr nach einem Grillabend mit Freunden. Sie bleib stehen, wo sie war, und passte genau auf, das Angelina tatsächlich weiterfuhr, auf die Straße bog und mit ihrem schicken Flitzer verschwand.

Sie hatte Kopfschmerzen bekommen, und ihr war irgendwie übel. Sie würde sich hinlegen und schlafen, bis es ihr besserging. Nichts, was diese Frau gesagt hatte, war von irgendeiner Bedeutung.

Verdammt.

Da sie merkte, dass sie kurz davor war, loszuheulen, versuchte sie sich zu beherrschen und machte sich auf den Weg zurück zum Haus. Sie war höchstens ein Dutzend Schritte gegangen, als Dome ihr einen Gruß zurief. Alice kniff die Augen fest zusammen und zwang sich, tief durchzuatmen in der Hoffnung, man würde nicht sehen, dass sie den Tränen nahe war.

„Merlin, ist das heiß! Ich liebe das.“ Schwungvoll breitete Dome die Arme aus. „Der Sommer ist mein Freund. Ich dachte schon, ich würde nie fertig, um draußen eine Pause machen zu können – was ist?“ Kaum sah Dome Alice Gesicht, als ihr Lächeln erstarb. Sie ging schneller und streckte Alice den Arm entgegen, um ihre Hand zu nehmen. „Was ist denn los?“

„Nichts. Bloß Kopfweh. Ich wollte gerade reingehen, einen Trank nehmen und mich hinlegen, bis es mir besser geht.“

„Nee, nee.“ Mit vor Besorgnis dunklen Augen musterte Dome die Freundin. „Ich kenne das Gesicht. Das ist nicht nur Kopfweh. Du bist aufgewühlt und genervt.“

„Ich bin genervt, weil ich Kopfweh hab.“

Dome drehte sich so, dass ihr Arm nun um Alices Taille lag. „Dann gehen wir jetzt zusammen zum Haus, und lasse dir keine Ruhe, bis du mir erzählst, wovon du solche Kopfschmerzen gekriegt hast.“

„Bei Merlins Barte, Dome, jeder hat mal Kopfschmerzen. Deshalb gibt es ja Kopfschmerzentränke. Geh und kümmere dich um deine Blumen, statt um mich. Du nervst.“

„Als ob das funktionieren würde.“ Dome ignorierte Alices missmutiges Achselzucken, ließ ihren Arm, wo er war, und passte ihren Schritt Alice Tempo an. „Hast du dich mit Albus gestritten?“

„Nein. Und meine Laune, mein Wohlergehen, meine Tage und Nächte, mein Leben dreht sich auch nicht ausschließlich und Albus Severus Potter.“

„Hm-hm, also ist es was anderes. Du kannst es mir ebenso gut sagen. Du weißt, dass ich dich vorher nicht in Ruhe lasse. Zwing mich nicht, dich zu verprügeln, um es aus dir rauszukriegen.“

Alice musste beinahe lachen. Stattdessen seufzte sie jedoch. Wenn Dome glaubte, einer Freundin gehe es schlecht, ließ sie sich einfach nicht abschütteln. „Ich bin bloß gerade Angelina, der Schrecklichen, über den Weg gelaufen. Davon würde jeder Kopfschmerzen kriegen.“

„Sie war hier?“ Dome blieb wie angewurzelt stehen und schaute zu Roxys Studio hinüber. „Roxy und Frank sind nicht da, oder?“

„Stimmt. Als ich Angelina entdeckt hab, sah es nicht so aus, als würde sie das daran hindern, einfach reinzumarschieren.“

„Natürlich nicht. Und sie hat wirklich die Dreistigkeit, herzukommen, nachdem Rose ihr das rundheraus verboten hat? Hat Rose…“

„Rose ist bei einer Besprechung.“

„Oh. Also warst nur du da. Ich wünschte, ich wäre früher rausgekommen, dann hätte sie den heiligen Zorn der Dominique kennengelernt.“

Der, wenn er erst einmal wütete, verheerend war, dache Alice – und wenn es nur war, weil das so selten vorkam. „Ich bin sie losgeworden.“

„Ja, aber es hat dich offenbar sehr aufgewühlt. Du setzt dich jetzt draußen auf die Terrasse in den Schatten, während ich dir den Kopfschmerztrank und was Kaltes zu trinken hole. Und dann erzählst du mir genau, was passiert ist.“

Sie konnte protestieren, doch das würde nicht nur zwecklos sein, sondern dem Ganzen auch eine größere Bedeutung verleihen, als es tatsächlich hatte. Oder haben sollte.

„Ich will in die Sonn.“

„Okay, dann setz dich eben in die Sonne. Mist, sind die Bauarbeiter noch da?“

„Nein, die sind schon vor einer Weile gegangen.“

„Gut, dann haben wir unsere Ruhe. Ich habe gar nicht zu schätzen gewusst, wie gut Roxy und Frank mit dem Leben auf einer Baustelle zurechtkamen, bis die Arbeit bei mir und in deinem Windfang losging. Deinem ehemaligen Windfan. Hier, setz dich.“

Alice gehorchte, während Dome ins Haus eilte. Wenn Dome sich um den Trank und Getränke kümmerte, hatte sie wenigstens etwas Zeit, sich wieder zu beruhigen. Sie sagte sich, sie müsse bedenken, wie Angelina von Natur aus war, dass soe mir zu gern Unfrieden stiftete, vor allem, wenn man ihren Pläne durchkreuzte.

Doch es halt nichts.

Sie saß da und brütete vor sich hin, als Dome mit einem hübschen Tablett herauskam, auf dem selbstgemachte Limonade und Kekse standen.

„Ich habe deine Vorräte geplündert“, erklärte sie. „Das hier schreit nach Keksen.“ Sie reichte Alice den Trank. „Nimm zwei Schlucke, und dann raus damit.“

„Ich hatte eine echt gute Beratung. Sherry und Nick.“

„Die beiden sind so süß zusammen.“

„Und so glücklich. Das hat mir richtig super Laune gemacht. Ich war gerade unterwegs zu dir, um dich zu fragen, ob wir zusammen schwimmen gehen und uns mit kühlen Getränken den Abend versüsen. Da sah ich Angelina, wie sie gerade Anstalten machte, bei Roxy reinzumarschieren.“

„Und weg war die super Laune – und mit ihr unser schöner Abend.“

„Ja. Sie fing an, wie sie es immer macht. Strahlendes Lächeln, die Unschuld in Person. Sie wollte doch mir kurz reinschneien, weil sie ohnehin aus New York gekommen war, um sich mit Freunden zu treffen.“ Alice nahm sich einen Keks und knabberte daran, bevor sie weitererzählte.

„Du hast ihr gesagt, du sorgst dafür, dass sie mit dem Hintern im Dreck landet?“, unterbrach Dome sie begeistert. „Oh, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Wirklich. Was hat sie geantwortet?“

„Im Wesentlichen, dass ich hier überhaupt nichts zu sagen hätte, dass ich nur hier wäre, weil Rose mich duldet…“

„Was für ein Quatsch.“

„Dann ist sie wegen meiner Eltern über mich hergezogen. Ich sei hart und kalt wie mein Vater, und deshalb hätte meine untreue Mutter mit so vielen Männern geschlafen. Unter anderem.“

„Ach, Liebes.“

„Ich hatte mir schon immer gedacht, dass die beiden gute Freundinnen …“

„Es tut weh“, murmelte Dome.

„Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob es wehtut. Ich glaube, es macht mich einfach wütend und enttäuscht. Was natürlich dämlich ist, wenn man es sich recht überlegt.“

„Aber so ist Linda.“

„Ja.“ Es gab doch nichts Besseres als eine Freundin, die einen genau verstand. „Ich hab das Thema abgewürfgt. Es sollte ihr keinesfalls gelinen, mich damit auf die Palme zu bringen. Also musste ich ihr Kontra geben und hab sie nochmals aufgefordert, zu verschwinden, oder ich würde sie dazu zwingen.“

„Gut gemacht.“

„Dann hat sie mich mit Albus fertiggemacht.“

„Wie meinst du das?“

„Wie alle Leute über mich und Albus reden und über mich lachen würden. Dass er es mit einer wie mir niemals ernst meinen könnte. Weil ich einfach ncht seiner Klasse angehöre, der Klasse der Potters.“

„Gemeines Biest.“ Dome ballte die Häne zu Fäusten. „Am liebsten würde ich ihr eine reinhauen. Du sagst mir jetzt nicht, dass du ihr ein Wort davon geglaubt hast – sonst muss ich dir eine reinhauen.“

„Jetzt habe ich aber Angst.“ Alice seufzte noch einmal. „Es geht nicht darum, ihr was zu glauben, Dome. Ich weiß, was für ein Mench sie ist, und so denkt sie eben. Selbst wenn sie nicht so denkt, würde sie es sagen, nur um mir eine reinzuwürgen. Aber Tatsache ist… er ist nun mal Albus Severus Potter, also reden die Leute und spekulieren, und manche lachen wahrscheinlich auch darüber.“

„Na und?“

„Ich weiß. Das sag ich mir ja auch.“ Alice hasste, hasste es, dass ihr wieder die Tränen kamen und sie sich diesmal nicht zurückhalten ließen. „Meistens, denke ich ganz genauso. Na und? Aber manchmal…“

„Es ist ebenso beleidigend für Albus wie für dich.“

„Vielleicht. Wir haben noch nie wirklich darüber gesprochen, ob es uns ernst miteinander ist oder ob aus dem, was zwischen uns ist, eine dauerhafte Beziheung werden soll. Es geht echt nur um den Augenblick. Meistens geht es mir auch gut damit, wunderbar, weil die Augenblicke wirklich schön sind. Aber manchmal…“

„Glaubst du, er ist nur mit dir zusammen, weil du leicht zu haben warst?“

„Nein.“ Ungeduldig wischte Alice sich die Tränen ab. „Nein, natürlich nicht.“

„Glaubst du, es geht ihm nur um den Sex?“

„Nein.“

„Oder glaubst du, er hat auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass dein Nachname nicht so wohlklingend ist wie seiner?“

Alice schüttelte den Kopf. „Dome, ich merke selbst, we ich mich albern benehme, aber das ich das merke, ändert auch nicht immer was daran. Ich wünschte weiß Merlin, ich hätte Angelina mit ihrem spitzen Pfeil nicht genau hienintreffen lassen. Aber so ist es nun mal.“

„Wir haben alle unsere Schwachstellen.“ Dome legte die Hand auf Alices. „Vor allem, wenn wir jemanden lieben. Deshalb brauchen wir ja Freudinnen.“

„Sie hat mich zum Weinen gebracht. Wie schwach ist das denn? Wenn du mich nicht aufgehalten hättest, wäre ich nach oben in mein Zimmer gegangen und hätte geheult. Wenn ich daran denke, wie wenig Verständnis ich für Roxy hatte, wenn sie sich von Angelina hat fertigmachen lassen.“ Alice stieß den Atem aus.

„Diese Frau ist Gift.“

„Allerdings. Aber wenigstens hab ich sie rausgeschmissen.“

„Nächstes Mal bin ich dran. Du, Rose und Roxy habt es alle schon gemacht. Jetzt will ich auch mal.“

„Das ist nur fair. Danke, Dome.“

„Geht´s dir besser?“

„Ja, auf jeden Fall.“

„Dann lass uns doch noch schwimmen gehen.“

„Okay.“ Alice nickte knapp. „Okay, ertränken wir mein Selbstmitleid.“
 

Später, als sie sich wieder gefangen hatte, setzte Alice sich in ihr Büro. Ihre Unterlagen konten noch mal ein wenig Aufmerksamkeit vertragen, un da sie etwas Zeit hatte, konnte sie sich ebenso gut daranbegeben.

Zur Musik von den Rockigen Kobolden heftete sie Akten ab, stellte Rechnungen, bezahlte andere. Dann wechselte sie den Platz, um die Webseiten einiger ihrer Lieferanten anzuschauen.

Sie brauchte neue Tüten und Schachteln für Kleingebäck, Tortenschachteln, vielleicht auch ein paar neue Dekor-Tortenbilder. Papierbackformen dachte sie, und Spitzendeckchen aus Papier. Nachdem sie bestellt hatte, was sie brauchte, befasste sie sich mit den Gerätschaften und Dekoartikeln, die sie nicht wirklich benötigte – mit denen herumzuspielen jedoch Spaß machen würde.

Das Budget von Icing würde ein paar Spielzeuge verkraften, entschied sie. Außerdem konnte sie ein paar neue „Crimper“ genannte Kniefer zum Verzieren gebrauchen, ein paar Schokoladenförmchen, und Merlin, diesen Pralinenschneider mit dem doppelten Schneidegitter wollte sie unbedingt haben.

Ihre praktisch denkende Seite zwang sie, sich zurückzulehnen und über den Preis nachzudenken. Doch wenn ihr zusätzlicher Lagerraum fertig war, hätte sie auch Platz für den größeren Pralinenschnider. Und er wäre echt praktisch. Damit könnte sie in dersleben Zeit doppelt so viele Petit Fours, Pralinen, Trüffel schneiden wie bisher. Außerdem hatte das Gerät vier Rahmen.

Ihren alten Pralinenschneider, den sie gebraucht gekauft hatte, konnte sie über HeliosGalleone anbieten.

Zum Kuckuck noch mal. Sie hatte das verdient. Doch gerade als sie „in den Warenkorb legen“ anklickte, zuckte sie schuldbewusst zusammen, weil sie Roxy ihren Namen sagen hörte.

„Merlin, schleich dich doch nicht so an, wenn ich gerade Geld für eigentlich überflüssige Dinge ausgebe.“

„Wofür? Oh.“ Roxy zuckte die Achseln, als sie die Seite mit den Konditoreizubehör sah. „Handwerkzeug, das brauchen wir alle mal. Hör mal, Alice…“

„Dome hat es dir erzählt.“ Alice stieß einen Seufzer aus. „Du bist doch wohl nicht gekommen, um dich für Linda zu entschuldigen.“

„Ich darf aber geknickt sein.“ Roxy stopfte die Hände in die Taschen. „Meine erste Reaktion war, sie anzurufen und zusammenzustauchen, aber das würde ihr nur weitere Aufmerksamkeit verschaffen. Wonach sie, abgesehen von Geld, am meisten verlangt. Also ignoriere ich sie; auf diese Weise bekommt sie gar nichts. Worüber sie ziemlich sauer sein wird. Stinksauer.“

„Gut.“

„Ja, aber da ich sie ignoriere, muss ich geknickt sein – und das musst du mir erlauben.“

„Okay, sei geknickt.“ Alice sah demonstrativ auf die Uhr zählte bis zehn. „Und jetzt hör wieder auf, geknickt zu sein.“

„Na gut. Weißt du, was ich mir wünschte? Ich wünschte, ich müsstesie nicht zur Hochzeit einladen. Aber ich muss.“

„Wir schaffen das.“

„Ich weiß. Vielleicht passiert ja ein Wunder, und sie nimmt sich. Ich weiß“, fügte Roxy mit einem halben Lachen hinzu, als Alice die Augen zur Decke verdrehte. „Aber als Braut darf ich Träume haben.“

„Sie wird dich nie verstehen, oder uns. Das ist ihr Problem.“

„Allerdings.“ Roxy beugte sich über Alice und küsste sie aufs Haar. „Bis später.“

Wenn noch Krümeö von ihrem Selbtmitleid übrig gewesen waren, wurden sie weggefegt, als Roxy ging.

Alles erledigt, dachte Alice und kaufte sich einen braundneuen Pralinenschneider mit doppeltem Schneidegitter.
 

Alice war sich nicht sicher, woher die Eingebung kam, doch sie folgte ihr bis zu Albus Anwaltskanzlei. Obwohl sie weder privat noch wengen Rechtsangelegenheiten häufig dort war, wusste sie, wie die Räumlichkeiten aussahen.

Durch die Eingangstür des ehrwürdigen alten Stadthauses gelangte man, wie es ihrer Meinung nach angemessen war, in ein gediegenes Foyer. Um die Ecke schloss sich ein hübscher Empfangsbereichan, mit Zimmerpflanzen in Kupferkübeln, antiken Tischen und üppigen Sesseln, das Ganze in gedämpften Farben, die im hereinfallenden Licht warm leuchteten.

Die Büros wahrten die Privatsphäre der Klienten dank dicker alter Türen, die liebevoll restauriert waren, und verblasste Teppiche unterstrichen die satten Farbtöne der breiten Bodendielen.

Sie wusste, dass Albus diese Mischung aus Gediegenheit und lässiger Gemütlichkeit schätzte.

Aus der brütenden Hitze trat sie in das kühle Foyer, wo Annie, mit der sie einst in Hogwarts zusammen die Schulbank gedrückt hatte, an ihrem Schreibtisch mit dem Computer saß.

Annie wandte sich zu ihr, und ihr geschäftsmäßiges Lächeln verwandelte sich in ein freundliches Grinsen. „Alice, hallo! Wie geht´s dir? Ich hab dich seit Monaten nicht mehr gesehen.“

„Sie ketten mich meistens an den Herd an. He, du hast dir die Haare abgeschnitten. Gefällt mir.“

Annie schüttelte ihre Frisur ein wenig. „Peppig?“

„Total.“

„Das Beste ist, dass ich dafür morgens nur zwei Minuten brauche.“

„Und wie geht´s dir sonst?“

„Super. Wir müssen bald mal zusammmen was trinken gehen un quatschen.“

„Gern. Ich hab was für Albus mitgebracht.“ Sie hielt eine Konditorschachtel hoch.

„Falls das so was ist wie die Torte, die du für Dara gemacht hast – schon vom Anschauen der Schachtel hab ich fünf Pfund zugenommen. Albus hat gerade einen Klienten da. Ich kann schnell …“

„Stör ihn nicht“, sagte Alice. „Ich lasse es einfach hier bei dir.“

„Ich weiß nicht, ob du mir trauen kannst.“

Lachend stellte Alice die Schachtel auf den Schreibtisch. „Es ist genug für alle da. Ich musste ohnehin in die Stadt also dachte ich, ich bringe das rasch vorbei, bevor ich …“

„Merk dir, was du sagen wolltest“, unterbrach Annie sie, als das Telfeon klingelte. „Guten Morgen, Potter und Partner.“

Während Annie das Gespräch führte, spazierte Alice durchs Foyer und betrachtete flüchtig die Kunstwerke an den Wänden. Sie wusste, dass es Originale waren, von regionalen Künstlern. Die Potters waren schon immer große Kunstmäzene gewesen und hattens ich für regionale Angelegenheiten interessiert.

Ihr fiel auf, dass sie nie groß darüber nachgedacht hatte, wie Albus seine Kanzlei eingerichtet hatte. Das war nach dem Tod seiner Eltern gewesen, erinnerte sie sich jetzt, und kurz bevor sie und ihre Freundinnen Farytales gegründet hatten. Wahrscheinlich hatten sie zu seinn ersten Klienten gezählt.

Damals hatte sie noch im Willows gearbeitet, um bei Kasse zu bleiben, während Farytales die ersten Veranstaltungen ausrichtete. Wahrscheinlich hatte sie einfach zu viel um die Ohren gehabt und war zu müde gewesen, um darüber nachzudenken, wie schwierig es für Albus gewesen sein musste, seine verschiedenen Verpflichtungen unter einen Hut zu birngen – die eigene Kanzlei, die noch in den Kinderschuhen steckte, die Einzelheiten bezüglich der Ländereien seiner Familie, die rechtlichen Angelegenheiten von Faytales als Geschäft und Personengesellschaft.

Sie alle hatten wie wild mit Plänen, Verpflichtungen, Testläufen und Teilzeitjobs zum Auffüllen der Kasse jongliert. Doch Albus hatte nie gehetzt gewirkt, oder?

Die Pottersche Coolness, vermutete sie. Ebenso wie dias scheinbar angeborene Vertrauen darauf, dass sie ins Auge gefasste Projekte auch erfolgreich in die Tat umsetzen würden.

Sie hatten zusammen getrauert. Das waren schwere, sehr schwere Zeiten gewesen. Doch der Kummer und die Schwere hatten wie eine Art Klebstoff funktioniert und sie noch wenger miteinaner verschweißt.

Dann war sie bei Rose eingezogen und hatte niemals ernsthaft zurückgeblickt. Und Albus war immer da gewesen und hatte sich um Details gekümmert, die an ihr einfach vorbeigeschwirrt waren. Das hatte sie begriffen, doch hatte sie ihm jemals Anerkennung dafür gezollt?

Sie blickte zur Tür, als jemand hereinkam. Das junge Paar hielt Händchen und sah glücklich aus. Die beiden kamen ihr irgendwie bekannt vor.

„Cassie?“ Im Frühjahr hatte sie ihre „Brautspitzen“-Torten für sie gemacht. „Hallo. Und…“ Mist, wie hieß noch der Bräutigam?

„Alice? Hallo!“ Cassie streckte ihr freundlich die Hand hin. „Wie schön, Sie zu sehen. Gerade gestern Abend habe Zack und ich ein paar Freunden unsere Hochzeitsfotos gezeigt und davon gesprochen, wie sehr ihr uns auf Frans und Michaels Hochzeit bei Ihnen freuen, in ein paar Monaten. Ich lann es kaum erwarten, zu sehen, was für eine Torte Sie für die beiden machen.“

Wenn sie Rose wäre, würde sie sich genau daran erinnern, wer Fran und Michael waren, und an sämtliche Details, die für diese Hochzeit bereits festgelegt worden waren.

Da sie jedoch nicht Rose war, lächelte Alice nur. „Ich hoffe, die zwei sind so glücklich, wie Sie beiden aussehen.“

„Ich weiß gar nicht, ob das geht, wir schweben nämlich echt auf Wolke sieben.“

„Wir sind gerade dabei, unser erstes Haus zu kaufen“, berichtete Zack.

„Gratuliere.“

„Es ist wundervoll und unheimlich, und, oh, Dara. Alle sind genau pünktlich.“

Alice vermutete, dass Annie Dara ein Zeichen gegeben hatte, und wandte sich ihr zu, um sie zu begrüßen.

„Oh, diese Torte.“ Lachend umarmte Dara Alice rasch. „Sie was so herzallerliebst – und so lecker.“

„Wie geht´s dem Baby?“

„Prima. Ich hab ein paar hundert Babyfotos, die ich Ihnen zeigen könnte, wenn Sie nicht schnell die Flucht ergreifen.“

„Ich würde gern Babyfotos angucken“, sagte Cassie. „Ich liebe Babys“, fügte sie mit einem sehnsüchtigen Blick zu Zack hinzu.

„Erst das Haus, dann ein Baby.“

„Beim ersten Teil ich Ihnen behilflich sein. Kommen Sie gleich mit nach hinten.“ Dara zwinkerte Alice zu und führte die Kunen davon.

Alice hörte, wie Annies Telefon erneut klingelte – viel los – und beschloss, sich einfach davonzustehlen. Nooch bevor sie zu Ende gedacht hatte, hörte sie Albus Stimme.

„Versuchen Sie, sich keine Sorgen zu machen. Sie haben alles richtig gemacht, und ich tue, was ich kann, um die Sache schnell zu klären.“

„Ich bin Ihnen so dankbar. Mr. Potter, ich weiß gar nicht, was ich ohne Ihre Hilfe tun würde. Es ist alles so…“ Die Stimme der Frau brach.

Obwohl Alice einen Schritt zurücktrat, erhaschte sie einen kurzen Blick auf Albus und seine Klientin – und darauf, wie Albus ihr den Arm um die Schultern legte, als sie mit den Tränen kämpfte.

„Tut mir leid. Ich dachte, in Ihrem Büro wäre schon ales rausgekommen.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Und jetzt möchte ich, dass Sie nach Hause gehen und versuchen, nicht mehr daran zu denken.“

Albus strich der Frau über den Arm. Die tröstende Geste hatte Alice schon unzählige Male von ihm gesehen – oder selbst gespürt.

„Konzentrieren Sie sich auf Ihre Familie, Carolyn, und den Rest überlassen Sie mir. Ich melde mich bald. Versprochen.“

„In Ordnung. Und danke, nochmals vielen Dank für alles.“

„Denken Sie nur daran, was ich Ihnen gesagt habe.“ Als Albus seine Klientin zur Tür brachte, entdeckte er Alice. Für einen Moment sah er überrascht aus, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der Frau, die er hinausgeleitete. Er murmelte etwas, worauf der Frau wieder die Tränen in die Augen stiegen, bevor sie nickte und ging.

„Ja, hallo.“, sagte er zu Alice.

„Ich störe hier nur. Entschuldige. Ich hab dir nur schnell was vorbeigebracht. Dann kam ein Pärchen herein, Klienten von Dara, die ich kannnte, also…“

„Zack und Cassie Reinquist. Ihr habt ihre Hochzeit gemacht.“

„Merlin, du und Rose habt echt Tabellenkalkulationsprogramme anstelle von Gehirnen. Das ist unheimlich. Na, jedenfalls räume ich jetzt das Feld, damit du…“

„Komm mit nach hinten. Vor meinen nächsten Termin hab ich noch ein paar Minuten. Was hast du mir mitgebracht?“

„Ich geb´s dir.“ Alice ging zurück nach vorn, um die Konditorschachte zu holen.

„Tut mir leid.“ Annie hielt den Hörer ein Stück von ihrem Mund weg. „Redeschwall.“

Alice machte eine Geste, die „kein Problem“ bedeutete, und nahm die Schachtel mit.

„Du hast mir eine Torte gebracht?“

„Nein.“ Alice ging mit Albus in sein Büro, in das durch hohe Fenster die Sonne schien. Auch hier standen glänzende antike Möbel, und der Raum wurde von dem Schreibtisch beherrscht, der schon Albus Vater und davor seinem Großvater gehört hatte. Er war einer der wenigen Stücke gewesen, die bei dem Angriff von Lord Voldemort auf die Familie Potter unversehrt geblieben waren.

Alice stellte die Schachtel ab und öffnete den Deckel. „Ich habe dir Cupcakes mitgebracht.“

„Cupcakes.“ Offenbar verwirrt spähte Albus in die Schachtel auf das Dutzend bunt glasierter kleiner Kuchen. „Sie sehen gut aus.“

„Sie sind Glücksnahrung.“

Prüfend schaute sie ihm ins Gesicht. Genau wie Dome es von ihrem behauptet hatte, kannte Alice dieses Gesicht. „Du siehst aus, als könntest du was vertragen, das glücklich macht.“

„Echt? Nun ja.“ Er beugte sich herab, um sie geistesabwesend zu küssen. „Das macht mich glücklich. Wie wär´s mit einem Kaffee zu den Cupcakes?“

Alice hatte gar nicht vorgehabt, zu bleiben – ihr Terminplan war ohnehin so verdammt eng. Aber, oh, Albus sah wirklich aus, als bräuchte er eine kleine Aufmunterung. „Klar. Deine Klientin sah ziemlich unglücklich aus“, begann sie, als er zur Kaffeemaschine ging. „Wahrscheinlich kannst du nicht darüber sprechen.“

„Nur allgemein. Ihre Mutter ist vor kurzen nach langer, schwerer Krankheit gestorben.“

„Das tut mir leid.“

„Sie hat größtenteils die Pflege übernommen, und als der Zustand ihrer Mutter einen höheren Pflegeaufwan erfoderte – und da es ihnen beiden wichtig war, dass die Mutter zu Hause stirbt -, hat sie sich eine längere Auszeit von ihren Job genommen, um sich Vollzeit um ihre Mutter kümmern zu können.“

„Das zeugt von großer Zuneigung und Hingabe.“

„Ja. Sie hat einen Bruder in Galway. Er ist ein paarmal gekommen und hat ein bisschen geholfen. Dann hat sie eine Schwester in Edingburgh, die offenbar zu beschäftigt war, um öfter als ein-, zweimal im Monat zu Besuch zu kommen oder zu helfen, wenn überhaupt.“

Albus reichte Alice den Kaffee und lehnte sich an seinen Schreibtisch. Er nahm einen Cupcake aus der Schachtel und betrachtete ihn.

„Nicht jeder ist zu Zuneigung und Hingabe fähig.“

„Nein, nicht jeder“, murmelte Albus. „Es gab natürlich eine Versicherung, aber die deckt nicht alles ab. Den Rest hat meine Klientin aus eigener Tasche bezahlt, bis ihre Mutter das herausgefunden und darauf bestanden hat, dass ihre Tochter die Vollmacht über ihr Bankschließfach erhält.“

„Auch dazu gehört Zuneigung, und Vertrauen.“

„Ja.“ Albus lächelte fein. „Genau.“

„Es klingt so, als hätten sie, bei allem Schrecklichen, das sie durchmache mussten, doch etwas Besonderes miteinander geteilt. Deine Klientin und ihre Mutter.“

„Ja, du hast Recht. Die Auszeit vom Job war eine finanzielle Belastung, doch meine Klientin und ihre Familie kamen damit klar. Ihr Mann und ihre Kinder sind eingesprungen, wo sie konnten.Weißt du, wie es sein muss, sich um Vater oder Mutter zu kümmern, die im Sterben liegen, die zum Schluss ans Bett gefesselt sind, inkontinent, und die Spezialnahrung und ständige Pflege benötigen?“

Er war nicht nur traurig, bemerkte Alice. Er war wütend. Sehr wütend. „Ich kann es nur erahnen. Es muss wahnsinnig anstrengend sein, körperlich und seelisch.“

„Zwei Jahre, davon die letzten sechs Monate rund um die Uhr. Sie hat ihre Mutter gebadet, umgezogen, hat ihre Wäsche gewaschen, sie gefüttert, sich um ihre Geldangelengenheiten gekümmert, das Haus geputzt, bei ihr gesessen, ihr vorgelesen. Ihre Mutter hat ihr Testament geändert und ihrer Tochter das Haus samt Einrichtung – bis auf wenige Ausnahmen – sowie den größten Teil ihres Grundbesitzes vermacht. Nun nach ihrem Tod und nachdem meine Klientin und ihr Bruder sich um sämtliche Bestattungsangelegenheiten gekümmert haben, ficht die Schwester das Testament an. Sie beschuldigt meine Klientin, die Mutter über Gebühr zu ihren Gunsten beeinflusst zu haben. Meine Klientin ist stocksauer und hat ihre Schwester im vertraulichen Gespräch beschuldigt, Geld, Schmuck und Einrichtungsgegenstände der Mutter entwendet zu haben und die sterbende Mutter so gegen sich aufgebracht zu haben.“

Als Alice schwieg, stellte Alice seinen Kaffee ab. „Ursprünglich wollte meine Klientin der Schwester die Sachen geben, ihr überlassen, was immer sie haben wollte. Bei all dem Kummer und Stress dachte sie einfach, mehr könne sie nicht verkraften. Doch ihr Mann und - das muss man ihm lassen – ihr Bruder sind strikt dagegen.“

„Also sind sie zu dir gekommen.“

„Die Schwester hat einen Anwalt hinzugezogen, der zu ihr passt wie angegossen. Aber ich werde ihnen zeigen, wo der Hammer hängt.“

„Ich setze auf dich.“

„Die Schwester hat ihre Chance gehabt. Sie wusste, dass die Mutter im Sterben lag. Aber sie hat die Zeit nicht genutzt, um bei ihr zu sein, sich zu verabschieden, um all die Dinge zu sagen, für die wohl die meisten Leute noch ewig Zeit zu haben glauben. Jetzt will sie ihren Anteil, und sie ist bereit, dafür ihr Verhältnis zu ihren Geschwistern – soweit vorhanden – zu zerstören und ihrer Schwester noch größeren Kummer zu bereiten. Und wofür? Für Geld. Ich verstehe nicht, wie… Entschuldige.“

„Das brauchst du nicht. Mit gefällt gerade auf, dass ich noch nie besonders darüber nachgedacht habe, was du beruflich machst. Ich dachte, na ja, eben Rechtskram.“

Albus brachte ein Lächeln zustande. „Ich mache auch Rechtskram. Das ist Rechtskram.“

„Nein, ich mine, nur solchen Rechtskram, den der Rest der Welt ziemlich nervig findet. Hier unterschreiben, dort was abheften – und das alles ist so kompliziert und in einer so lächerlichen Sprache geschrieben, dass es noch nerviger ist.“

„Und Anwälten gefällt unser >wohingegen<.“

„Aber ob mit oder ohne albernes >wohingegen<, es geht um Menschen. Deine Kundin trauert sicher immer noch, aber sie steht nicht mehr so unter Druck, weil sie weiß, dass du hinter ihr stehst. Deine Arbeit ist sehr wichtig, und darüber hab ich noch nie nachgedacht.“

Alice hob die Hand und legte sie an Albus Wange. „Iss mal einen Cupcake.“

Um ihr einen Gefallen zu tun – den Eindruck hatte sie jedenfalls -, biss er einmal ab. Und diesmal erreichte sein Lächeln auch seine Augen. „Das ist gut. Es hebt die Stimmung. Diese Sache ist mir echt unter die Haut gegangen. Ich glaube, ich habe gar nicht gemerkt, wie sehr, bis ich das alles bei dir abladen konnte.“

„Hast du daran auch gerstern Abend gearbeitet?“

„Überwiegend.“

„Und deshalb bist du heute so müde. Du siehst nur ganz selten müde aus. Ich könnte heute Abend bei dir vorbeikommen und dir was kochen.“

„Hast du nicht heute Abend einen Probelauf und morgen eine Veranstaltung?“

„Meine Termine heute Abend kann ich ein bisschen verschieben. Und morgen ist morgen.“

„Ich sollte öfter müde aussehen. Wie wär´s, wenn ich zu dir komme? Die ganzen letzten Tage war ich entweder hier oder zu Hause vergraben. Kleiner Ortswechsel könnte nicht schaden. Mit dir zusammen zu sein auch nicht. Ich hab dich vermisst.“

Ihr Herz schmolz dahin, und sie schmiegte sich in seine Arme für einen Kuss, der alles andere als geistesabwesend war. Als Albus die Wange an ihren Scheitel lehnte, piepste sein Telefon. „Der nächste Klient“, murmelte er.

„Ich haue ab. Teil die Cupcakes mit den anderen.“

„Vielleicht.“

„Wenn du das ganze Dutzend isst, wird dir schlecht – und du hast überhaupt keinen Platz mehr für das Essen heute Abend. Obwohl du vielleicht bedenken willst, dass ich besser backen als kochen kann.“

„Ich kann Pizza mitbringen“, rief er und hörte sie lachen, während sie ging.

Er nahm sich noch einen Moment Zeit mit seinem Kaffee und seinem Cupcake und den Gedanken an Alice. Das von der Klientin und ihrer Situation hatte er eigentlich gar nicht erzählen wollen. Noch war ihm klar gewesen, wie wütend er über diesen Fall war. Doch die Klientin bezahlte ihn nicht dafür, dass er wütend wurde, sondern dafür, dass er ihre Interessen vertrat.

Oder würde ihn bezahlen, sobald er dem Anwalt ihrer Schwester eine Abreibung verpasst hatte. Auf einen Vorschuss hatte er verzichtet. Das konnte er sich leisten, und es war einfach nicht gerechtfertigt, einer Frau etwas abzuknöpfen, die schon so viel durchgemacht hatte.

Das Wichtigste war jedoch, das ihm nicht bewusst gewesen war, wie sehr es half, jemanden zu haben, der sich anhörte, was aus ihm herausbrach, und der verstehen konnte, warum ihn speziell dieser Fall so mitnahm.

Alice brauchte er nichts zu erklären. Sie verstand ihn einfach.

Ein unbezahlbares Geschenk, dachte er.

Und da war etwas gewesen an der Art, wie sie sein Gesicht berührt hatte – diese schlichte, verständnisvolle Geste hatte in seinem tiefsten Inneren etwas verändert. Er war sich nicht sicher, was es war, was das bedeutete, oder was es bedeutete, dass er nun jedes Mal, wenn er sie ansah, etwas Neues, etwas anderes entdeckte.

Wie konnte es sein, dass man jemanden sein Leben lang kannte und immer noch etwas Neues an ihm endeckte?

Darüber musste er mal nachdenken. Er stellte die Schachtel mit den Glückskuchen neben seine Kaffeemaschine und verließ das Büro, um seinen nächsten Klienten zu begrüßen.
 

Sie hätte ihn Pizza mitbrinen lassen sollen, dachte Alice, als sie durch die Hauptküche wirbelte, um dort alles vorzubereiten. In ihrer eigenen Küche musste sie noch Torten und andere Desserts fertigstellen, und der Baulärm erreichte heute seinen Höhepunkt.

Dort konnte sie unmöglich ein Abendessen kochen.

„Ich könnte das für dich machen“, bemerkte Mrs Clarks.

„Aber das wäre Betrug. Ich höre genau, was Sie nicht aussprechen.“

„Du hörst, wovon du glaubst, dass ich es nicht ausspreche. Dabei spreche ich nur nicht aus, dass es Betrug wäre, wenn du so tun würdest, als hättest du gekocht.“

Alice hielt kurz inne. Das Angebort war wirklicht sehr verlockend. Sie konnte Albus einfach sagen, dass Mrs Clarks hätte gekocht, weil sie selbst doch zu beschäftgit gewesen sei. Es würde ihm nichts ausmachen, aber …

„Ich habe gesagt, ich mache das. Außerdem gehen Sie heute Abend mit Ihren Freundinnen aus.“ Alice seufzte. „Also, Wildkräutersalat mit einer schönen Balsamico-Vinaigrette, Linguine mit Meeresfrüchten und das Brot. Ganz einfach, oder?“

„Eigentlich ja. Aber du bist trotzdem ganz hibbelig deswegen. Und wegen ihm.“

„Es geht hier um Essen. Ich weiß, wie ich in der Hinsicht bin, aber ich kann nicht anders. Es muss perfekt sein, und das gilt auch für das Anrichten.“ Gedankenverloren rücktesie die Spange zurecht, mit der sie ihr Haar hochgesteckt hatte. „Wissen Sie, Mrs Clarks, wenn ich jemals Kinder habe, brauche ich wahrscheinlich zwanzig Minuten, um ein Brot mit Erdnussbutter und Marmelade herzurichten. Sie werden alle eine Therapie nötig haben.“

„Ich glaube, das bekommst du schon ganz gut hin.“

„Darüber habe ich noch nie richtig nachgedacht. Kinder zu haben, meine ich.“ Alice holte die Wildkräuter, die Kirschtomaten, die Karotten, die sie in dünne Streifen schneiden, waschen und trocknen wollte, bevor sie den Salat vorbereitete. „Es gab in der Gegenwart immer so viel zu tun, dass ich über das eines Tages nie viel nachgedacht habe.“

„Aber jetzt tust du es?“ Mrs Clarks begann, das Grünzeug abzutrocknen, das Alice wusch.

„Irgendwie geht es mir immer wieder durch den Kopf. Vielleicht hat das was mit der biologischen Uhr zu tun.“

„Vielleicht hat es was mit dem Verliebtsein zu tun.“

„Vielleicht. Aber dazu müssen zwei Leute verliebt sein und an eines Tages denken. Heute habe ich ein Pärchen gesehen, das letztes Frühjahr hier geheiratet hat.“ Während sie weiterarbeitete, schaute Alice aus dem Fenster ins Grüne und auf das Blau des Sommers. „Sie waren in Albus Büro, wegen irgendwelcher Rechtsfragen zu ihrem ersten Eigenheim. Dara war dafür zuständig, und dann kam die Sprache auf ihr Baby. Die Braut, oder vielmehr die Ehefrau, bekam beim Wort Baby einen ganz verklärten Blick, und er sagte: Erst das Haus, dann das Baby, oder so ähnlich. Was total vernünftigt ist.“

„Babys kommen nicht immer dann, wenn es vernünftigt ist. Sieh dir Dominique an. Sie wollte immer erst heiraten und dann ein Kind bekommen. Aber jetzt ist ihr erstes Kind bereits unterwegs und ihre und Freds Lebensplanung wurde verändert.“

„Ja, das hat die Braut von morgen auch festgestellt. Aber ich meine nur, es ist sinnvoll, die Schritte zu planen, sie in logischer Reihenfolge zu gehen. Geduld zu haben.“

„Die fehlt dir.“ Mrs Clarks strich Alice kurz über den Rücken.

„Manchmal, ein bisschen jedenfalls. Ich brauche das ganze Getue nicht, all die Einzelheiten, das Pipapo. Im Grunde all das, was wir hier machen. Dome braucht es, Rose wird es auch mal brauchen, und Merlin weiß, dass Roxy auch da reingeraten ist.“

„Stimmt, und ich glaube, das überrascht sie selbst.“

„Aber ich brauche das nicht. Ich brauche keinen Ring und kein Urkunde, auch kein tolles weißes Kleid. Aufs Heiraten kommt es gar ncht so sehr an, oder überhaupt nicht. Sondern auf das Versprechen. Auf das Wissen, dass jemand sein Leben mit mir teilen will. Dass mich jemand liebt, dass ich die Richtige für ihn bin. Das ist nicht nur genug, es ist alles.“

„Und mit wem sollte Albus deiner Meinung nach heute Abend zusammen sein wollen, wenn nicht mit dir?“

Alice zuckte die Achseln. „Kein Ahnung. Ich weiß, dass er gern mit mir zusammen sein wird. Das ist vielleicht nicht alles, aber es reicht.“ Die Eieruhr, die sie gestellte hatte, schrillte. „Mist. Ich muss zurück in meine Küche. Wehe, Sie kochen was.“

„Ich fungiere als Sous-Chefin, sonst nichts. Ich spüle das hier nur fertig, trockne es ab und räume es für dich weg. Das ist kein Betrug.“

„Da haben Sie Recht. Danke.“

Als Alice zu ihrer nächsten Aufgabe stürmte, fragte sich Mrs Clarks, warum das Mädel nicht auf den Gedanken kam, dass Albus vielleicht auch was von diesem „alles“ wollte.

„Die Liebe“, murmelte sie, während sie spülte. „Wenn man drinsteckt, weiß man einfach nicht, wie man damit umgehen soll.“
 

Nun war Alice einmal darauf angewiesen, dass eine Generalprobe glatt und schnell über die Bühne ging – und ausgerechnet dann artete das Ganze natürlich zu einm Zirkus aus. Eine weinerliche Braut – vermutlich die Hormone -, eine Bräutigamsmutter, der in der Hitze schwindelig wurde, und ein Trauzeuge, dem ebenfalls schwindelig war, allerdins vom etwas zu ausgiebigen Feiern vor der Probe. Dazu noch das Blumenmädchen und der Ringträger, Bruder und Schwester, die diese Gelegenheit nutzten, um zu demonstrieren, wie wenig sie einander ausstehen konnten.

Bei zwei schreiend umherrennenden Kindern, der Braut, die mit einem Heulkrampf in den Armen ihrer Mutter lag, und der Bräutigamsmutter, die sich im Schatten Luft zufächelte, konnte Alice unmöglich vorzeitig verduften, wie sie es vorgehabt hatte.

Rose managte die Situation, sie alle managten sie, doch Rose schien überall gleichzeitig zu sein. Sie nötigte die Mutter des Bräutigams zu einem Schluck Wasser und den Trauzeugen zu einem Iced Coffee, beaufsichtigte die Kinder und lenkte den besorgten Bräutigam ab.

Die EBJ – die erste Brautjungfer und Mutter der zankenden Geschwister – gab sich alle Mühe, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Aber, dachte Alice, während sie Eistee herumreichte, die Frau kämpfte auf verlorenen Posten.

„Wo ist der Vater?“, fragte sie Dome leise.

„Geschäftsreise. Flugzeug hat Verspätung. Er ist unterwegs. Ich schnappe mir jetzt die Kleine und schaue, ob ich sie dazu verleiten kann, schnell ein kleines Biedermeiersträußchen zu binden. Vielleicht könntest du den Jungen übernehmen…“

„Frank ist der Lehrer. Er sollte das machen.“

„Er hat mit dem angeschickerter Trauzeugen alle Hände voll zu tun. Ich glaube, die EBJ kann eine kleine Pause vertragen, und vielleicht kann sie zusammen mit der BM die Braut dazu bringen, sich zusammenreißen. Roxy und Rose können sich um den Rest kümmern.“

„Also gut.“ Alice überließ es Dome, zusammen mit der Mutter die Wogen zu glätten, stellte Eistee und Gläser auf den Tisch und ging auf den Jungen zu. „Komm mal mit.“

„Warum?“

„Weil.“

Diese Antwort schien er zu verstehen, auch wenn er finster die Stirn runzelte. Er trottete mit und warf seiner kleinen Schwester dabei rachsüchtige Blicke zu.

„Ich will keinen Smoking anziehen.“

„Ich auch nicht.“

Der Kleine schnaubte verächtlich. „Mädchen ziehen auch keine Smoking an.“

„Können sie schon, wenn sie wollen.“ Alice sah zu ihm runter. Ungefähr fünf, schätzte sie, und ziemlich goldig. Das wäre er zumindest, wenn er nicht übermüdet, überdreht und bockig wäre. „Aber morgen müssen alle Männer, die zur Hochzeit kommen, einen anziehen. Warte. Vielleicht bist du noch zu klein dafür.“

„Bin ich gar nicht!“ Was für eine Beleidigung. „Ich bin fünf.“

„Wow. Ein Glück“, sagte Alice, während sie mit dem Kleinen zum Teich hinunterging. „Es würde nämlich alles durcheinanderbringen, wenn wir bis morgen noch einen anderen Ringträger auftreiben müssten. Ohne Ringe können die beiden nicht heiraten.“

„Wieso?“

„Das geht einfach nicht. Wenn wir also noch jemanden anders finden müssten, wäre das total schwierig. Du hast einen echt wichtigen Job.“

„Wichtiger als Tissy?“

Tissy musste wohl die kleine Schwester sein. „Ihr Job ist auch sehr wichtig. Sie hat einen Mädchenjob, aber du hast einen Männerjob. Sie darf keinen Smoking anziehen.“

„Auch nicht, wenn sie will?“

„Nee, nicht mal dann. Guck mal“, sagte Alice und zeigte auf die Seerosenblätter. Nahe am Ufer diente eines davon einem dicken grünen Frosch als Floß.

Als Albus ankam, erspähte er Alice unten am Teich in der Nähe der überhängenden Zweige der Trauerweide. An der Hand hatte sie einen kleinen Jungen, der ebenso schwarzes Haar hatte wie sie selbst.

Im ersten Moment zuckte er zusammen, verspürte ein komisches Gefühl im Bauch. Er hatte Alice schon vorher mit Kindern gesehen. Bei Hochzeiten waren meistens ein paar dabei. Aber… Diese beiden gaben ein einzigartiges, vielleicht ein wenig verträumtes Bild ab – neben dem Teich, zu weit enfernt für ihn, um ihre Gesichter genau zu erkennen. Nur dieses dunkle Haar und die ininander verschränkten Hände.

Während er sie so beobachtete, machten sie sich auf den Rückweg. Der Junge schaute zu Alice auf, sie zu ihm hinunter.

„Hallo, Albus.“

Er riss sich von diesem eigenartigen, verträumten Bild los und drehte sich zu Frank um. „Hallo. Wie geht´s?“

„Jetzt wieder ganz okay, würde ich sagen. Vor zehn Minuten stand es auf der Kippe. Wir können gleich anfangen. Noch einmal.“

„Eine von der Sorte.“

„Allerdings. Ich glaube, Alice… da kommt sie.“

Alice blieb bei einer Frau mit einem kleinen Mädchen auf der Hüfte stehen, wechselte kurz ein Wort mit ihr, und beide lachten fröhlich. Dann beugte sie sich zu dem Jungen herab und raunte ihm etwas ins Ohr. Er grinste, als hätte sie ihm eine lebenslängliche Versorgung mit Keksen versprochen.

Albus ging ihr entgegen, um sie auf halbem Wege zu treffen. „Neuen Freund gefunden?“

„Sieht so aus. Wir sind nicht in der Zeit.“

„Hab ich schon gehört.“

„Rose bringt das wieder ins Lot“, sagte Alice, gerade als Rose alle aufforderte, ihre Plätze einzunehmen.

Albus und Frank gingen aus dem Weg, während Rose Anweisungen erteilte und die anderen drei Frauen die Gäste dirigierten und aufstellten.

Für Albus sah es aus, als liefe alles vollkommen glatt, und alle lächelten. Als er zur Pergola hinüberging, sah er, wie der Junge und Alice einander rasch angrinsten.

Wenige Augenblicke später gab sie Albus ein Zeichen und schlüpfte ins Haus.
 


 

Der Rechtsanwalt ist hochverehrlich,

obwohl die Kosten oft beschwerlich.

Wilhelm Busch
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  scater-fiffy
2015-02-15T10:08:03+00:00 15.02.2015 11:08
wieder mal ein herrliches Kapitel :)
besonders hat mir Alice in diesem Kapitel gefallen, eben weil sie so mit sich hadert in manchen Situationen, es macht die Geschichte spannend und man will dann unbedingt wissen was Albus denkt oder tun wird
Und auch das Mitwirken der drei anderen Mädels hat mir diesmal sehr gefallen, es zeigt sich wie sehr sie Alice unterstützen und wie stark ihre Verbindung untereinander ist
Angelinas Auftritt und die Auseinandersetzung mit Alice fand ich sehr gelungen, endlich hat man richtig lesen können wie Alice zu ihrer Mutter stand und wie sie in dieser Hinsicht empfindet
Bitte schreib noch irgendwann eine Auseinandersetzung zwischen Angelina und Dome, ich würde so gerne lesen wie Dome der Kuh einen Tritt in den Hintern gibt :D

Bitte mach weiter so, du hast einen wundervollen Schreibstil

alles liebe :) deine Beta-Fee fffy :)


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