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Wolfsliebe

von

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Wiedersehen

Lugh Akhtar knurrte leise.

»Was tun wir jetzt?«, fragte Soul an seiner Seite und duckte sich noch tiefer.

»Ich weiß nicht… verdammt, warum sind sie nur so hartnäckig?«, fluchte der junge Zauberer und legte die Ohren an.

»Wir hatten sie doch schon abgehängt, wie konnten sie uns wieder einholen?« Soul schaute ihn fragend an.

»Ich weiß es nicht, aber ich glaube kaum, dass Rex ihnen verschwiegen hat, wie gerne wir Wolfsgestalt annehmen, sie werden uns also erkennen… und mein Fell stinkt immer noch verbrannt, auf einen neuen Kampf bin ich nicht besonders scharf.« Lugh Akhtar wirkte unschlüssig.

»Wollen wir doch umdrehen?« Soul schaute ihn fragend an.

»Wir müssen aber weiter hier entlang. Wenn wir den Weg verlieren finden wir ihn vielleicht nicht wieder«, überlegte der weiße Wolf.

»Aber das ist doch egal. Wir wissen, wo unser Ziel liegt, auf welchem Weg wir dorthin kommen ist doch einerlei«, fand Soul und wandte sich langsam um. Lugh Akhtar schwieg erst, nickte dann.

»Du hast recht. Wir fragen die Leute, die hier wohnen, wenn wir welche treffen«, stimmte er zu und drehte sich ebenfalls um. In diesem Moment scholl ein Ruf über die Ebene. Man hatte sie entdeckt.

Ohne eine Sekunde zu zögern, sprangen sie auf und liefen so schnell los, wie ihre Pfoten sie tragen mochten. Lugh Akhtar wurde dabei fast von Soul abgehängt, doch als sie dies merkte wurde sie langsamer. Sie hatten Glück, in dem hohen Gras verloren ihre Verfolger die Spur bald und sie konnten sich wieder unter irgendeinen Busch drücken, während die Zauberer die Gegend absuchten.

»Denkst du, die anderen sind entkommen?«, fragte Soul leise.

»Bestimmt. Wenn dieser vermaledeite Regen nicht gewesen wäre, hätten wir sie sicher schon gefunden. Nur um Hope mache ich mir ein wenig Sorgen«, antwortete Lugh Akhtar.

»Meinst du, sie suchen uns?«

»Wenn sie solche Schwierigkeiten haben wie wir, eher nicht. Wenn sie klug sind, sind sie alle schon auf dem Weg zum magielosen Ort. Dahin, wo wir uns auch hin verdrücken sollten, wenn wir die da endlich los sind.« Unruhig kratzte er über den Boden und schaute, in welche Richtung sie als nächstes flüchten konnten.

»Ich vermisse Ice«, flüsterte Soul leise. Lugh Akhtar schaute sie traurig an, dann leckte er ihr einmal über das Ohr und stupste sie tröstend an.

»Du wirst ihn wiedersehen. Er ist schlau, er wird auch dorthin ziehen«, prophezeite er leise. Mehr konnte er für den Moment nicht tun, im Gegenteil. Schon wieder sagten ihnen laute Rufe, dass man sie abermals entdeckt hatte. Durch das hohe Gras liefen sie davon, bis sie in der Ferne ein Haus entdeckten.

»Dorthin, dort finden wir vielleicht Unterschlupf!«, rief er ihr zu und gemeinsam bogen sie ab, während über ihnen der Donner rollte.

»Sie werden uns in dieser Gestalt fortjagen!«, gab Soul zu bedenken.

»Nur wenn sie uns entdecken! Dort scheint eine Art Stall zu sein, dort werden wir uns verstecken, vielleicht haben wir ja Glück!«, antwortete Lugh Akhtar.

Er war als erstes am Scheunentor, verwandelte sich binnen Sekunden zurück und stürzte hinein, Soul in ihrer Wolfsgestalt direkt auf den Fersen. Hinter sich drückte er die Tür zu und lehnte sich schwer atmend dagegen. Ein Wolf konnte weite Strecken laufen, aber nicht in dem Tempo das er eben vorgelegt hatte. Er war müde und er hoffte, dass sie beide eine Weile hier ausruhen konnten. Er lauschte gespannt, und auch Soul horchte nach draußen, doch sie hörten nichts.

»Ich glaube, wir haben sie abgehängt«, seufzte Lugh Akhtar und schaute in die Scheune hinein. Erst jetzt gewahr er die beiden erschrockenen Gestalten, die ihre Heugabeln auf ihn richteten. Soul an seiner Seite knurrte laut.

»Ruhig, das sind Menschen«, flüsterte er ihr zu und legte seine Hand auf ihren Kopf.

»Wer bist du Fremder, und vor wem läufst du davon?«, fragte die größere Gestalt scharf. Es war seltsam, seine Stimme kam dem jungen Zauberer bekannt vor.

»Bitte entschuldige dass wir einfach so hereingestürzt sind, aber… Zauberer aus Altena verfolgen uns. Wir… sind ihnen unangenehm aufgefallen, da wir nicht mit den Bestimmungen des Meisters der Zauberergilde einverstanden waren. Aber wir wollen euch keine Probleme machen, wir gehen sofort wieder«, erklärte er wahrheitsgetreu und wollte sich schon wieder umwenden, da stürzte sich die kleinere Gestalt auf ihn. Er hatte die Heugabel beiseite geworfen und drang nun mit einem Messer auf ihn ein. Es war Soul zu verdanken, dass der Schatten nicht traf, denn sie rammte ihn und brachte ihn so aus dem Tritt.

»Chess, verdammt! Lass ihn in ruhe, er wollte doch schon wieder gehen!«, brüllte die andere Gestalt und werkte so lange im dunkeln herum, bis eine Lampe das Innere erleuchtete. Lugh Akhtar indes erwehrte sich seiner Haut, indem er die kleine Gestalt am Arm packte und ihn grob auf den Rücken drehte.

»Wir ziehen friedlich, wenn du uns friedlich gehen lässt«, erklärte er leise und der Junge nickte. So ließ Lugh Akhtar ihn los, schubste ihn grob in die Richtung des anderen Mannes und wandte sich abermals um.

»Warte!«, hielt ihn der ältere Mann nun zurück.

»Was ist noch?«, fragte Lugh Akhtar sanft, schaute ihn aber nicht an.

»Das ist ein Söldnerring an deiner Hand. Wenn du zu ihnen gehörst, dann ist es das gute Recht der Soldaten dich zu verfolgen, denn im ganzen Imperium von Lanta sind Söldner Vogelfreie. Nenn mir einen guten Grund, dich nicht zu verraten und eine Belohnung einzustreichen«, erklärte er hart. Lugh Akhtar lachte darauf leise.

»Ich bin kein Söldner, den Ring habe ich solch einem abgenommen. Ich trage ihn, um ihn nicht zu verlieren, denn obwohl ich den Söldner nicht sonderlich mag, bin ich doch kein Dieb. Er wird zu gegebener Zeit sein Eigentum wieder zurückerhalten«, erklärte er lächelnd.

»Das ist aber keine sehr glaubwürdige Geschichte«, bemerkte der Junge, vermutlich der Sohn und zückte angriffslustig ein Messer. Soul knurrte laut.

»Ich weiß, aber es ist die Wahrheit. Außerdem, wenn ich wirklich ein Söldner wäre, dann wärt ihr nach dieser Drohung alleine schon tot. Und zwar beide.« Lugh Akhtar wandte sich nun doch wieder um, einen geringschätziges Lächeln in den Mundwinkeln und einen kalten Blick in den Augen.

Er betrachtete den Jungen, nicht verächtlich, aber doch nahe dran. Als er jedoch den Vater genauer anschaute, da stockte er. Ungläubig starrte er ihn an, ließ das Feuer in der Lampe höher lodern, damit er mehr Licht hatte.

»Ich kenne dich…«, flüsterte er und starrte den Mann fassungslos an.

»Mich? Gewiss nicht, Zauberer«, spuckte der verächtlich aus. Im Gegensatz zu seinem Sohn hatte er gleich erkannt, dass es nur Magie sein konnte, was die Flammen so hoch lodern ließ.

»Doch, ich kenne dich.« Ein glückliches Lächeln umspielte Lugh Akhtars Lippen. »Ich dachte, dass ich dich niemals wieder sehen würde, aber hier bist du nun… Ich kenne dich.«

Da schlich sich ein Zögern in den kalten Blick des Mannes. Er durchforstete seine Gedanken, seine Erinnerungen nach jedem Gesicht, das er kannte, auf das eines passen mochte. Dann weiteten sich auch seine Augen voller Unglauben.

»Aber… ich kenne doch nur zwei Zauberer, und der eine ist so viel älter, als du es bist… Kann es wirklich sein? Fjodor…?«, fragte er leise.

»Tuwa!« Mit einem Schrei stürzte Lugh Akhtar zu dem Mann und umarmte ihn. Und auch der vermeintlich Fremde erwiderte diese Umarmung, Tränen der Freude liefen dabei über seine Wangen.

»Fjodor, mein guter Junge, wie habe ich dich vermisst! Was tust du nur in solch einer Gegend?«, rief er. So standen die beiden für eine Weile da, bis Soul ein Geräusch von sich gab, was einem Bellen so nahe kam, wie es irgendmöglich war. Erst da löste sich Lugh Akhtar aus Tuwas Umarmung, ignorierte sie aber völlig.

»Ist meine Mutter auch hier? Ist sie im Haus?«

»Natürlich! Oh sie wird sich so sehr freuen, dich wieder zu sehen! Wie groß du geworden bist, aber… was ist mit deinen Augen geschehen? Und dein Haar? Es ist so weiß wie Schnee.«

»Oh, diese Geschichte erzähle ich euch nur zu gerne«, lachte Lugh Akhtar. Gemeinsam verließen sie die Scheune, vorne weg Tuwa und Lugh Akhtar, hinten drein der verwirrte Junge und die verblüffte Wölfin.

»Channa, du wirst niemals glauben, wer so ganz unversehens in unsere Scheune gestolpert kam!«, rief der Ziehvater durch das Haus, kaum hatte er die Tür geöffnet.

»Hoffentlich nichts, was uns Schwierigkeiten bereitet«, antwortete die, doch als sie im Flur stand und ihren Sohn erblickte, da fiel ihr der Teller aus der Hand, den sie zuvor noch getrocknet hatte. Sie erkannte ihn sofort und stürzte hinzu, um ihn fest in ihre Arme zu nehmen.

»Oh Fjodor, mein gutes Kind!«, rief sie und schluchzte. Auch Lugh Akhtar umarmte sie fest. Es war Chess, der mit einem unwilligen Räuspern versuchte, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er blickte den jungen Zauberer fast schon feindselig an, als er sprach.

»Wolltest du uns nicht eine Geschichte erzählen, Hexenmeister?« Der bissige Unterton war dabei nicht zu überhören.

»Geh erst einmal in die Küche, setz dich ans Feuer! Du hast doch bestimmt hunger, wir wollten gerade zu Abend essen«, plapperte Channa drauf los, während sie ihn in die entsprechende Richtung drückte. Lugh Akhtar ließ es gerne geschehen, er lächelte dabei sogar.

So komplimentierte ihn die gute Frau in die Küche und auf die Bank, neben ein junges Mädchen, das dort schon saß und drückte ihm eine Schale heißer Suppe in die Hand, setzte sich dann zu der Familie dazu.

»Iss und erzähl, was dir widerfahren ist«, bat sie lächelnd.

»Gerne, aber solange ich esse, beginnt doch ihr«, bat Lugh Akhtar, während er als erstes Soul aus der Schüssel fressen ließ. Das wurde zwar mit einem Stirnrunzeln aufgenommen, aber nicht kommentiert.

»Unsere Geschichte ist weder lang noch besonders spannend«, wunk seine Mutter ab. Lugh Akhtar wollte eben widersprechen, als sich der genervte Junge wieder einmischte.

»Ist es nicht egal, wer anfängt? Ich meine, wer bist du überhaupt? Kommst her und bringst hier alles durcheinander, und hast nicht einmal den Anstand, dich vorzustellen«, machte er seinem sichtlichen Unmut Luft. Tuwa wollte ihn eben scharf zurechtweisen, da hob Lugh Akhtar die Hand, gebot damit Stille und lächelte bewundernd.

»Ich weiß zwar nicht, wer du bist, aber ich kenne nicht viele, die es wagen so mit einem Zauberer zu sprechen«, erklärte er.

»Also hat Papa recht, und du bist wirklich einer von denen?«, wollte der Junge wissen.

»Ja… dein… Vater hat recht«, bestätigte der junge Zauberer und schaute dabei nachdenklich von einem zum anderen, schüttelte dann aber den Kopf.

»Es stimmt, es ist nicht recht, dass ich hierher komme und mich nicht einmal vorstelle. Ich bin der Bauernjunge Fjodor, der Zauberschüler Makani, der Prinzenfreund Tariq, der Zauberer Lugh Akhtar und der Winterssohn Lichterstern«, lächelte er und erntete darauf einen verblüfften Blick.

»Aber wie kannst du so viele Namen haben?«, wollte das Mädchen leise wissen.

»Indem ich nicht einer bin, sondern viele«, lächelte er geheimnisvoll, und deutete dann seiner Mutter, dass sie doch bitte anfangen mochte. Und Channa nickte.

»Wie gesagt, unsere Geschichte ist weder lang noch besonders spannend. Nachdem Nikolai dich mitnahm, lebten wir noch eine Weile in dem Dorf, aber der folgende Winter war kälter und härter als gewöhnlich, und als… sich dann Chess ankündigte beschlossen wir, dass wir den Hof aufgeben mochten. Wir zogen westwärts und fanden bei Tuwas Bruder Unterkunft, bis wir dieses Stück Land hier beziehen konnten. Hier kam dann noch Inaara zur Welt und… na ja, so lebten wir also.« Sie lächelte schüchtern.

Lugh Akhtar nickte. Die beiden waren also auf eine seltsame, schwer zu beschreibende Art und Weise seine Geschwister, und sie wussten es offensichtlich nicht einmal. Doch er lächelte, begann selbst zu erzählen. Dabei wandte er sich jedoch an die beiden Geschwister, nicht an ihre Eltern.

»Möchtet ihr auch meine Geschichte hören?«, fragte er sie freundlich.

»Nein. Die Geschichten eines Zauberers sind doch nur voller lug und trug«, antwortete der Junge, stand auf und verließ schlecht gelaunt den Raum, seine Schwester jedoch nickte. Man sah ihr nur allzu deutlich an, wie fasziniert sie von diesem Fremden war.

»Gut, dann erzähle ich sie dir. Es begann alles damit, dass ein einfacher Mann den Winter traf…«

Obwohl er mit jedem Wort die Wahrheit sprach, musste er selbst sich eingestehen, dass seine Geschichte, je länger er erzählte, immer seltsamer und bizarrer wurde. Doch er hörte nicht auf, er erzählte bis tief in die Nacht hinein davon, wie er als Schüler lebte, wie er Altena zerstörte, wie er zum Wolf wurde, wie Nea ihn rettete, wie er mit seinen Freunden zum Winter aufbrach, wie er Cinder und Soul kennenlernte, wie er dem Winter begegnete, wie der Krieg begann, wie sie den Sommer suchten und fanden und wie sie letzten Endes hier angelangten.

Er wurde dabei nicht ein einziges Mal unterbrochen, im Gegenteil. Er sah schon bald, wie sich Chess so neben die Tür setzte, dass er nicht ein Wort verpasste, er sah, wie Tuwa, Channa und Inaara den Atem anhielten und ihn aus großen Augen voller Sehnsucht anschauten. Er endete, als die Zauberer sie bis an die Scheunentore gejagt hatten.

»Diese Wölfin ist ein Mensch?«, wagte Inaara leise zu fragen, als sie alle eine Weile geschwiegen hatten.

»Ja, sie ist meine Schwester«, lächelte Lugh Akhtar und schaute Soul fragend an. Sie zögerte, denn sie wollte die Menschen nicht erschrecken, doch als ihr Bruder aufmunternd nickte, verwandelte sie sich langsam und auffällig umständlich zurück. Lugh Akhtar registrierte es mit einer gewissen Sorge in den Augen, aber er sagte nichts dazu.

»Ich wusste immer, dass du zu großem bestimmt bist«, lächelte Channa da und stand auf. »Ihr könnt gewiss Inaaras Bett haben um die Nacht hier zu verbringen.«

»Nur, wenn es keine Umstände macht«, antwortete Lugh Akhtar, während sich Soul zwischen ihn und Inaara setzte.

»Nein nein, ich werde einfach bei Chess schlafen«, ereiferte die sich sogleich mit leuchtenden Augen.

»Wirst du?«, fragte der mit so deutlich gespielt-überlauniger Stimme, dass ihn keiner mehr ernst nahm. Doch es machte auch keiner den Fehler, ihn deswegen anzulächeln.

»Bitte.« Seine Schwester brachte einen solchen Welpenblick, dass wohl nur ein Mensch mit einem Herz aus Stein ihr diese Bitte hätte abschlagen können. Und so seufzte ihr Bruder auch nur.

»Oh danke!«, rief sie aus und stürzte ihm um den Hals.

Danach saßen sie noch eine Weile beisammen, bis sie sich schlafen legten. Es war schon fast morgen, als Lugh Akhtar durch ein leises Poltern geweckt wurde. Er brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen. Soul schlief noch tief und fest in seinen Armen, so löste er sich langsam von ihr und stand auf. Als er die Küche betrat, da war es Channa, die schon fleißig am Tun war.

»Oh, entschuldige, habe ich dich geweckt?«, fragte sie leise.

»Nein«, log er und setzte sich an den Tisch. »Stehst du immer so früh auf?«

»Nein, aber… ich konnte die halbe Nacht sowieso nicht schlafen«, erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Der junge Zauberer fragte nicht weiter nach, aber plötzlich fiel ihm etwas ein, was Channa ihm vielleicht beantworten konnte.

»Mam, ich… war in unserem alten Haus und dort habe ich einen Brief bekommen… ich habe versucht, ihn zu lesen, aber ich konnte es nicht…«, erklärte er und zog den schwarzen Brief hervor.

»Natürlich nicht, mein Dummerchen«, lachte sie leise.

»Aber wieso? Schwarzes Papier und Albenblut, Kanoa sagte, es verrät seine Geheimnisse an den Richtigen, und ich… habe gedacht, dass ich es wäre…«

»Bist du auch, mein Sohn. Aber Kanoa ist nicht irgendjemand. Weißt du… sein Schülername, er war…«

»Wintermond, ich weiß«, warf Lugh Akhtar ein, und da erst fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Natürlich. Das Winterkind kann erst beim Wintermond die wahren Geheimnisse erfahren.«

»Genau. Aber ein solch großes Geheimnis wird es gar nicht sein«, lächelte Channa.

»Wie meinst du das?«, fragte er verblüfft. »Weißt du etwa, was darin steht?«

»Ja. Und du auch. Aber ich werde es dir nicht verraten«, lächelte sie.

»Gut… Nun, der Winter ist ja nicht mehr so fern…«, nickte er.

»Das stimmt wohl.« Channa seufzte und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Lugh Akhtar saß eine Weile bei ihr, bis er aufstand und nach draußen ging. Er vermutete, dass die Vorbereitungen für den Winter schon in vollem Gange waren, und er hatte recht, als er um das Haus herumtrat, da wartete dort ein riesen Stoß Holz, der schon von Chess zerhackt wurde. Er beobachtete den Jungen für eine Weile.

»Guten Morgen«, sagte er irgendwann. Chess zuckte zusammen und schaute ihn ertappt an. Das entging Lugh Akhtar keineswegs, aber er sagte dazu nichts.

»Ich weiß nicht, wieso du mich nicht ausstehen kannst, aber ich möchte dir sagen, dass Soul und ich nicht mehr lange bleiben werden. Nach dem Frühstück werden wir gehen«, erklärte er und wollte wieder gehen, doch Chess hielt ihn zurück.

»Bitte entschuldige. Es war dumm von mir«, erklärte er.

»Was?«, erkundigte sich der junge Zauberer.

»Zu glauben, dass meine Eltern dich jetzt viel lieber haben würden… Immerhin bist du der heimgekehrte Sohn, ich nur ein Ersatz.« Er lächelte beschämt.

»Denkst du das wirklich?« Forschend schaute er in das beschämte Gesicht und las dort seine Antwort. »Ich denke das nicht. Du bist kein Ersatz, niemals gewesen. Man hat mich als Ersatz missbraucht. Für meinen wirklichen Vater, nicht für Tuwa. Aber trotzdem ein Ersatz… irgendwie. Und ein Ersatz wird nicht so liebevoll angesehen, wie Channa es bei dir tut.«

Er sprach kalt und abweisend, doch er sah in Chess Augen trotz allem die Dankbarkeit, als er mit einem Lächeln nickte.

»Wie gesagt, Soul und ich gehen bald. Ich weiß nicht, ob wir uns wiedersehen, denn ich weiß nicht, was uns noch erwartet…«, begann er und deutete zum Haus.

»Deine Geschichte gestern ist, wahr, oder?«, hielt ihn der Junge noch einmal auf.

»Ja. Jedes Wort«, nickte der junge Zauberer.

»Gut. Dann hoffe ich, dass du wiederkommst. Sie ist so wunderbar, dass ich… gerne mehr hören würde«, lächelte er. Und Lugh Akhtar lächelte zurück. Dann ging er wieder ins Haus. Der Abschied war kurz und schmerzlos, doch als sie weiterreisten, bemerkte Soul dennoch, dass Lugh Akhtar ausgesprochen guter Laune war. Allerdings erzählte er ihr nichts davon, egal wie sehr sie auch bat und bettelte.

So zogen sie gemeinsam weiter, bis sich eines Tages ganz selbstverständlich Sly anschloss. Er sagte weder woher er kam noch was geschehen war, er reiste einfach mit ihnen und sie fragten ihn nicht. Es gab einfach Dinge, die jemand anderen nichts anging. So wie der Ursprung von Lugh Akhtars guter Laune.

Und andere Dinge erklärten sich von selbst. So dauerte es nicht lange, bis der junge Zauberer endlich verstand, warum Soul solche Schwierigkeiten hatte, sich selbst in die Wölfin zu verwandeln. Ihr dicker Bauch verriet sie, schneller und zuverlässiger, als jedes Wort oder jedes Lächeln es hätten tun können.

Danach nahmen sie natürlich Rücksicht auf die werdende Mutter, sodass es schon Dezember war, als sie ihr Ziel erreichten. Sie waren als Wölfe gereist, denn so kamen sie schneller voran, und mit der Hilfe von Lugh Akhtar konnte sich Soul auch nach wie vor noch verwandeln. Sie hatte weit weniger Schwierigkeiten als Cinder, denn sie war stärker und zäher als ihre Schwester.

Sie standen gemeinsam am Abgrund, als sie meinten, vertraute Stimmen zu hören. Wortlos warfen sie sich einen fragenden Blick zu, bevor sie voller Freude in die entsprechende Richtung stürzten, denn sie hatten Cinder und Ice erkannt.

Sie hatten sich nicht getäuscht, als sie durch das Gestrüpp brachen, erkannten sie ihre Freunde und noch im Laufen verwandelten sie sich zurück. Wobei es eigentlich mehr Lugh Akhtar war, der sie verwandelte, doch das war in diesem Moment für sie einerlei. Soul stürzte sich in Ice’ Arme, während Sly fast Cinder zu Boden riss.

»Soul, was…?« Ice schien so verblüfft, dass er sich erst nicht einmal freute.

»Ice, ich hab dich so sehr vermisst!«, jauchzte Soul und drückte sich immer enger an ihn.

»Ich wusste es, ich habe gewusst, dass ihr noch lebt!«, freute sich dagegen Cinder nur ein paar Meter weiter und umarmte abwechselnd und stürmisch ihren Bruder und Sly.

»Wie habt ihr das Feuer überlebt?« Noch immer wirkte Ice einfach nur völlig perplex.

»Es hat uns gar nicht richtig erwischt. Hope hat es ausgelöst und ich habe es von uns ferngehalten, allerdings hat es nicht ganz so geklappt, wie wir hofften. Wir haben alle ein bisschen was abbekommen und sind zum Fluss gelaufen, und als wir wieder dort waren, fanden wir euch nicht mehr«, erzählte Lugh Akhtar kurz und knapp. Er war traurig, Nea war nicht hier. Er vermisste sie, mit jedem Tag war ihm das klarer geworden, er wusste nicht, wo sie war.

Ice schien dazu etwas sagen zu wollen, doch stattdessen drückte er Soul nur umso fester an sich. Sie redeten alle durcheinander, bis ein lauter Ruf ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.

»Leute!« Es war Nea, die zu ihnen gelaufen kam. Sly begrüßte sie nur kurz, doch Lugh Akhtar fühlte sich, als würde endlich wieder die Sonne aufgehen, nach einer schier unendlichen Nacht.

»Nea, mein Herz, ich hab dich so vermisst!«, rief er voller Glück. Er war mit zwei Schritten bei ihr, doch sie wich vor ihm zurück. Er verstand es nicht, bis er Kenai gewahr, der mit einem selbstgefälligen Lächeln aus dem Dickicht trat, das Packpferd am Zügel.

»Immer noch da?«, fragte er leise, aber kalt.

»Ich bin nur nach Hause gekommen«, antwortete der Söldner mit einem Lächeln, das ihm der junge Zauberer nur zu gerne aus dem Gesicht gewischt hätte.

»Ist das jetzt nicht egal? Wir sind wieder alle beisammen, also hatten wir alle dieselbe Idee«, mischte sich Ice ein und drückte Soul dabei so sehr an sich, dass sie nur noch in kurzen Stößen atmen konnte, der zu erwartende Nachwuchs, den man ihr mittlerweile deutlich ansah, war vermutlich schon zerquetscht.

»Also lasst uns für heute Nacht ein Lager suchen und morgen gleich zum Herbst gehen«, stimmte Sly lachend zu und drückte Cinder noch enger an sich.

»Dann kommt mit, ich habe den perfekten Platz«, bot Kenai an und ging voran, ohne eine Antwort abzuwarten. Am liebsten hätte Lugh Akhtar etwas völlig anderes getan, doch Nea folgte ihm glücklich, und auch die anderen zögerten nur kurz. So fügte er sich mit einem kalten Blick, dem er den Söldner in den Rücken jagte und folgte als letzter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Cat-girl
2012-07-07T08:12:04+00:00 07.07.2012 10:12
Das war also das dritte Kapitel zu diesem Thema. So weiß ich was wer gemacht hat und wie es wem erging. Lughi war in dem Kapi echt süß, cool und umwerfend. Ich liebe ihn noch immer so sehr, wie zu Beginn. Ich fand seine Art cool, wie er sich gegeben hat und wie er Soul tröstete. Das war sowieso das spannenste Kapi der drei. Und dieses Mal haben sie auch nicht am leben der Freunde gezweifelt. Die sind ja immer wieder gefunden wurden konnten sich dann aber in eine Scheune retten, wo Lughi's Ziehvater war und dessen Sohn. Der war vielleicht unfreundlich... gut, einem Fremden würde ich auch nicht sofort trauen. Aber das war so schön, als die sich erkannt haben, ich hätte echt fast geweint. Und seine Ziehmutter Channa, so eine liebe Frau. Und die kleine Inaara, ein schöner Name und sicher ein hübsches Mädchen. Die Geschichte der beiden war trotzdem interessant und Lughi's Erzählung kam ja auch gut an, wenn selbst Chess, der ihn nicht mochte, sich leise beteiligt hat und ihm sogar gestand, die Geschichte schön gefunden zu haben. Sie konnte ja nicht ewig bleiben und so sind sie weiter gezogen. Der Weg hat so lange gedauert, weil ja Soul auch ein Junges erwartet... Lugh nimmt echt Rücksicht, was für ein guter Zauberer er doch ist. Und jetzt hat die Süße auch Schwierigkeiten bei der Verwandlung... na gut... Dass sie die stärkere von beiden ist, seltsam, wo doch Cinder eine Leitwölfin war... Und was mit Sly war, wüsste ich auch gern, aber wenn er das nicht Preis geben möchte, ist das auch okay... Schön, dass sie sich zum Ende hin doch alle wieder hatten und die haben sich ja fast zu tode gedrückt... Naja, schon bald erwartet sie der Herbst, und wenn der Winter wieder kommt, erfährt Lugh auch endlich den Briefinhalt, von dem ich schon glaubte, er wäre verloren gegangen.
Von:  Seelentraeumerin
2010-09-13T13:52:39+00:00 13.09.2010 15:52
Also das Lughi seine Zieheltern trifft hätte cih jetzt nciht erwarteto.O
Aber so konnte er mal wieder mit ihnen quatschenxD


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