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Tôshis Tagebuch

von

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• 4. März •

Dunkel kann ich mich daran erinnern, dass ich vor Kurzem den Entschluss gefasst hatte, es nicht darauf anzulegen, in den Kerkern zu landen. Trotzdem ist es passiert. Und ich musste am eigenen Leib erfahren, dass Hae mir in Bezug auf diese Strafe einiges verheimlicht hatte. Vermutlich war sie selbst nie dort gewesen... Jedenfalls hatte sie sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt und redete normal mit mir. Weiss der Henker, was vor einigen Tagen los war, ich werde nicht nachfragen. Da ich noch nicht wieder einsatzfähig bin, bekomme ich momentan keine Missionen und muss im Schloss bleiben. Aber ich konnte immer noch nicht in Erfahrung bringen, warum Fukai mich nicht verpfiffen hat...

Wie so oft in letzter Zeit erkundete ich das Anwesen, aber bis auf die verschlossenen Räume, deren Zutritt uns vermutlich nicht ohne Grund untersagt ist, gibt es hier keinen Winkel mehr, den ich nicht bereits kenne. Ich wollte mich im Innenhof auf eine der Bänke setzen und die frische Luft ein wenig genießen, als ich ein leises, wimmerndes Geräusch hörte. Ob nun aus Neugier oder Langeweile, ich folgte dem Geräusch. Erst dachte ich an ein Tier, aber den Gedanken verwarf ich schnell wieder. Wenn ein Shinobi die Barriere um das Schloss nicht ohne weiteres durchbrechen konnte, wie sollte es da ein Tier? Wenig später fand ich die Ursache.

Im Erdgeschoss des Südturms sah ich Hae. Sie verkroch sich im Schatten der Wendeltreppe, hatte sich eingeigelt und weinte. Sie weint auffällig oft. Aber diesmal nicht wegen einer Lappalie. "Hae." Ich ging vor ihr in die Hocke und sah sie nur an. Sie reagierte nicht. Zuerst sträubte ich mich dagegen und verharrte eine Zeit lang so, dann berührte ich sie aber doch leicht am Arm. Ein fataler Fehler. Plötzlich schrie sie, als hätte man ihr ein Messer in den Bauch gerammt, hörte gar nicht mehr auf damit. Sie schlug wie wild um sich, versuchte noch weiter ins Dunkel zu kriechen. "Hae!" Ich verstand nicht, was mit ihr los war. Schließlich packte ich sie am Arm und zog sie ins Licht, auch wenn sie sich dagegen wehrte. Und schnell sah ich, was Sache war...

Ich blickte in ihr blutverschmiertes Gesicht, das sie mit ihren kleinen Händen zu verdecken versuchte, registrierte dabei jeden Kratzer, jede Schwellung, jede noch so kleine Wunde an ihrem Körper. Auf die Frage, was mit ihr passiert sei, bekam ich keine Antwort, dafür aber einen Schlag ins Genick. Ich ging in die Knie, drei Männer hielten mich fest. "Was soll der Unfug?!" Auch auf diese Antwort musste ich vergeblich warten. Hae wimmerte nur vor sich hin und wurde schließlich weggebracht. Und plötzlich stand Tonbo vor mir...

"Was hat das arme Ding dir getan, dass du sie so zurichtest?", fragte er mich in aller Gelassenheit. Ich dachte, ich hätte mich verhört. ER steckte doch mit Sicherheit dahinter! Ich beteuerte meine Unschuld, auch wenn ich wusste, dass es nichts brachte. Sein Wort stand gegen meines.

Und so fand ich mich wenig später in den nach abgestandenem Wasser und modrigem Holz riechenden Kerkern wieder. Aber statt eingesperrt zu werden, nahm man mir erst meinen Mantel ab, was zuerst keinen rechten Sinn für mich ergab, und fesselte mich dann mit schweren Eisenketten an einen dicken Holzpfahl. Da ich mit dem Rücken zu Tonbo und den anderen Männern stand, konnte ich nicht sehen, was sie dort vorbereiteten. Doch einen Moment später konnte ich es spüren... Hartes Leder zog einen schwelenden Striemen über meinen Rücken. Immer und immer wieder. Fünfundzwanzig Hiebe. Jeder einzelne brannte wie Feuer. Ich konnte mich nur schwer auf den Beinen halten, denn auch von meinen Kniekehlen floss bereits Blut herab und versickerte in den Furchen des feuchten Steinbodens.

Als sie mich wieder losmachten, dachte ich, es wäre vorbei und atmete tief durch. Aber falsch gedacht... Ich wurde in eine Zelle gebracht, an die Wand gekettet und musste dort stehen bleiben. Ja, STEHEN. Sobald ich mich auch nur ein Stück dem Boden näherte, um mich zu setzen, rieben die rostigen Ketten erbarmungslos an meinen Handgelenken. Still sah ich Tonbo durch die Gitterstäbe an, ignorierte seine Beleidigungen, dummen Sprüche und wie er sich über mich lustig machte. Damit hatte er mich sich zum Feind gemacht. Jeder Riss in meinem Körper pochte wie ein Hammerschlag, während ich Stunde um Stunde gegen die Schmerzen, die aufkommende Müdigkeit und den Drang mich zu setzen ankämpfte. Jedes Mal, wenn mein Rücken versehentlich die kalte, feuchte Steinwand hinter mir berührte, zuckte der Schmerz wie ein Blitz durch meinen Körper.

Bald schon hatte ich sowohl das Gefühl in meinen Armen und Beinen als auch das für die verstreichende Zeit verloren. Jede Minute, die ich dort verbrachte, beschäftigte mich die Frage, warum Hae nicht die Wahrheit sagte. Dass ich ihr nichts getan hatte. Die Antwort scheint mir die Folgende zu sein: Hier gibt es keine Gerechtigkeit. Kein Vertrauen, kein Zusammenhalt, keine Aufrichtigkeit. Keine Zukunft. Sondern nur Loyalität. Gehorsam. Unterwerfung. Das hier, diese ganze Gemeinschaft, ist nur Show. Neulinge werden so immer weiter mit hineingezogen, bis sie so tief in dem Sumpf stecken, dass es ganz und gar unmöglich ist, ihm wieder zu entkommen. Und mir ist das erst jetzt klar geworden... Ich dachte, ich wüsste, worauf ich mich bei dieser Mission einlasse. Aber ich habe Seijakus Macht und seine manipulativen Fähigkeiten bisher bei Weitem unterschätzt...

Ein leises Klacken holte mich aus diesen Gedanken heraus. Vor mir stand dieser Typ, der mir vor wenigen Tagen im Speisesaal aufgefallen war. "Sie können gehen.", sagte er, während er mich von den Ketten befreite. Dann reichte er mir meinen Mantel und musterte mich durch sein Monokel. "Hier, Ihr Mantel. Ich nehme an, Sie möchten nicht, dass jemand etwas davon erfährt." Damit verbeugte er sich und ging. Zögerlich machte ich einen Schritt, dann einen zweiten, um zu testen, ob ich es noch bis zu meinem Zimmer schaffen konnte. Langsam zog ich meinen Mantel wieder an, spürte aber bei jeder noch so kleinen Bewegung meinen aufgerissenen Rücken. Etwa eine halbe Stunde später konnte ich mich erfolgreich in mein Bett fallen lassen und schlief sofort ein.

Es war später Nachmittag, als ich wieder aufwachte. Etwas unbeholfen versuchte ich, meine Wunden zu säubern, was aber schon daran scheiterte, dass ich mir nicht einmal ohne Schmerzen das zerrissene und blutgetränkte Hemd ausziehen konnte. Für einen Schattendoppelgänger war ich zu erschöpft. Schließlich ließ ich es bleiben. Dieser Kerl vorhin hatte mit seiner Aussage Recht, ich will wirklich nicht, dass jemand etwas davon weiss. So läuft es wohl immer ab. Man will vor den anderen nicht als Schwächling dastehen, denn das ist gefundenes Fressen für diese brutale Meute. Darum lässt man sich nichts anmerken und spricht nicht darüber. Ein offenes Geheimnis also. Langsam erst macht sich bemerkbar, dass ich hier wirklich auf mich alleine gestellt bin. Das wird vermutlich jedem hier auf diese Art und Weise eingebläut, es gibt niemanden, der einem helfen würde, sich um die Wunden zu kümmern. Man erträgt es einfach und spricht nicht darüber.

Später dann schleppte ich mich in den Speisesaal und setzte mich wahllos an einen Tisch, beschloss, mich zusammenzureissen und dieses Spiel, das ich nicht gewinnen kann, mitzuspielen. Doch als Hane einen Moment später auftauchte und mir zur Begrüßung auf den Rücken klopfte, wäre ich ihm am Liebsten an die Kehle gesprungen... Aber erstens hätte er dann gewusst, was los war, und zweitens hatte ich dazu ohnehin nicht die nötige Kraft mehr.

"Hab dich gestern beim Abendessen vermisst." Gelassen setzte er sich mir gegenüber und grinste mich an. "Hae-chan auch. Habt ihr zwei etwa...?" Stumm sah ich mich nach dem Mädchen um. Sie war nicht hier. Verkriecht sie sich immer noch? Oder ist ihr etwas zugestoßen? Ich weiss nicht, warum ich mich überhaupt dafür interessiere. Jedenfalls redete Hane weiter auf mich ein, ich ignorierte ihn weitestgehend und verschwand so schnell wie möglich wieder in mein Zimmer. Ich fürchte, dass die Mission ab jetzt kein solcher "Spaziergang", wie sie es bisher war, mehr sein wird.



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