Yo muero de tu mano
Leises Rascheln ließ ihn aufhorchen. Normalerweise entging ihm selbst im Schlaf nicht das geringste Geräusch, aber warum hatte er jetzt seine Tür überhört? Suchend und noch verschlafen sah er sich um. Eigentlich war alles so wie immer, aber trotzdem machte ihn irgendetwas nervös.
Wieder ein Rascheln. Es klang wie das Rascheln von Kleidung, wenn sich jemand bewegte. Plötzlich sah er einen Schatten, der sich an der Wand abzeichnete und sich auf ihn zu bewegte. Klein und schmal war er, leicht zu übersehen. Das fahle Licht des fortwährend scheinenden Mondes von Hueco Mundo, das durch sein Fenster fiel, zeichnete den Schatten immer deutlicher an die Wand, je näher der Unbekannte ihm kam.
Langsam begannen die Umrisse klarer zu werden. Ein schmaler Oberkörper, ebenso schmale Schultern. Eine weite Hose, die vermutlich das Geraschel verursacht hatte.
Als er den Umriss des Kopfes sah, stutzte er. Die eine Hälfte wirkte größer als die andere. Falls dies an der Maske lag, konnte das nur eins bedeuten:
Ulquiorra.
Jetzt war er hellwach. Rasch setzte er sich auf und fixierte den anderen Espada, der immer noch langsam auf ihn zu kam und schließlich vor seiner Bettkante stehen blieb.
Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Ulquiorra schließlich leise begann: „Grimmjow…Es tut mir Leid“
Verwirrt sah er ihn an: „Was tut dir Leid? Warum kommst du überhaupt mitten in der Nacht heimlich zu mir?“
Seine Verwirrung stieg noch mehr, als Ulquiorra gequält lächelte. Seit wann konnte Ulquiorra lächeln? Und seit wann fiel ihm auf, dass dem Cuarta ein richtiges Lächeln gut gestanden hätte?
In dem Blick des anderen konnte er mit einem mal Trauer und Schmerz sehen, als er antwortete: „Du wirst es früh genug erfahren. Aber gewähre mir eine Bitte.“
Er konnte nur noch nicken. Was auch immer es war, es würde ihn ja wohl nicht umbringen.
„Küss mich“, murmelte Ulquiorra. „Nur ein einziges Mal.“
Nach einigen Sekunden Schockzeit kam er der Aufforderung schließlich nach. Vorsichtig legte er eine Hand auf die blasse Wange, strich von dort aus die Haare bis zum Nacken zur Seite und zog ihn dann zu sich hinunter, versiegelte sanft die Lippen mit seinen eigenen. Entgegen aller Erwartungen waren Ulquiorras warm und weich. Wie berauscht von der ersten zaghaften, fast schon schüchternen Berührung wollte er mehr, hatte jedoch nicht mit seinem eigenen Atembedürfnis gerechnet und musste sich von ihm lösen.
„Schlaf jetzt weiter“, sagte Ulquiorra und wandte sie wieder zum gehen.
„Wa- “, setzte er an, als der Cuarta sich noch einmal umdrehte und ihn traurig ansah: „Ich habe dich geliebt, Grimmjow, vom ersten Moment an.“ Mit diesen Worten war er verschwunden.
Mittlerweile völligst verwirrt ließ er sich wieder in die Kissen zurück sinken. Doch ehe er weiter grübeln konnte, schlief er wieder ein.
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Als er am nächsten Morgen aufwache, kam es ihm wie ein Traum vor. Aber trotzdem war da dieses sehnsüchtige Gefühl…
Nachdem er sich erst einmal gereckt und gestreckt hatte, bemerkte er etwas Kühles neben seinem Arm. Er schlug die Decke zurück und fauchte laut auf.
Warum lag Ulquiorras Murciélago neben ihm? Dass es das Schwert das Cuarta war, daran bestand kein Zweifel: Der Griff war mit einem grünen Band umwickelt und das Stichblatt hatte die Form eines doppelten Tropfen mit feinen Verzierungen. Prüfend nahm er es in die Hand. Die Klinge war schmaler und das Schwert im Allgemeinen leichter als sein eigenes Pantera. Als er das Schwert musterte, begann es plötzlich, leise zu schwingen.
Hastig legte er es beiseite, fand dabei jedoch einen kleinen Zettel. Die fein geschwungene Handschrift gehörte ebenfalls zu Ulquiorra:
Grimmjow,
Ich konnte es dir nie sagen, aber: Ich liebe dich.
Du warst von Anfang an derjenige, dessen Respekt und Anerkennung ich mir gewünscht habe. Dessen alleinige, ungeteilte Aufmerksamkeit nur mir gehören sollte.
Respekt und Anerkennung suchte ich bei dir vergebens. Aber deine Aufmerksamkeit, selbst in Form sinnloser Streitereien, gewann ich für mich, wie es wollte.
Aber ich sehe auch, wie du hier vergehst, eingeengt und abgeschoben wirst. Deswegen werde ich den nächsten Schritt wagen. Ich werde Sosuke Aizen töten. Auch, weil ich endlich eingesehen habe, wie er uns für seine persönlichen Zwecke benutzt wie einfaches Werkzeug. Wir sind nichts für ihn und doch mächtiger, als er es jemals sein wird.
Falls ich scheitere, möchte ich durch deine Hand sterben. Ich werde Pantera mitnehmen. Aizen wird es als Ironie ansehen, mich mit deinem Schwert zu töten, ich hingegen werde es als Erlösung empfinden. Im Gegenzug vertraue ich dir Murciélago an. Mein Leben liegt bei dir.
Ich sterbe durch deine Hand.
Niemals hätte er erwartet, dass Ulquiorra zu etwas derartigem fähig sein könnte. Aber ohne Murciélago konnte er seine vollen Kräfte nicht entfalten, hatte er keine Chance.
Plötzlich begriff er. Ulquiorra wollte sterben und zuvor wenigstens noch etwas bewirken.
Aber um sich zu töten, konnte er sein eigenes Schwert nicht verwenden. Ein Arrancar konnte sich nicht durch sein eigenes Schwert töten. Es war wie ein Körperteil, dem die direkte Verbindung zum eigentlichen Körper fehlte. Das Schwert war ein Teil eines Arrancar, entstanden aus seiner eigenen, kontrollierten Kraft. Eben jene ließ es nicht zu, dass der Besitzer sich damit tötete.
Wie gebissen rannte er mittlerweile durch die verworrenen Gänge von Las Noches. Vielleicht war es noch nicht zu spät, vielleicht konnte er Ulquiorra noch davon abhalten, die einzige Dummheit seines Lebens zu begehen. Murciélago hielt er dabei fest an sich gedrückt.
Doch als er die Tür zum Thronsaal aufstieß, war es bereits zu spät. Der Verräter saß auf seinem Thron und auf seinen Knien lag Pantera. Die Klinge war voller Blut, jedoch war an Aizen nicht ein einziger Kratzer erkennbar. Es musste also Ulquiorras Blut sein, was bedeuten würde, dass der Cuarta Espada tot sei.
„Ich grüße dich, Grimmjow“, sagte der Shinigami gespielt freundlich und deutete auf Pantera. „Vermisst du etwas? Oder gar jemanden?“
Anstatt einer Antwort brüllte er wütend, stürmte auf den anderen los und entriss ihm Pantera. Er wollte es gerade freisetzen, als unsichtbare Fesseln ihn hielten.
„Ich glaube fast, unser Katerchen wird übermütig und braucht eine kleine Auszeit….“, meinte er süffisant.
Das nächste, was er sah, waren die weißen Mauern eine Zelle.
Wütend schlug er gegen die Wand, hinterließ ein großes Loch darin, das sich zu seiner Frustration innerhalb von Sekunden wieder schloss. Seine Wut steigerte sich immer weiter und weiter, erneut hieb er auf die Wände ein. Sinnlos. Unnütz.
Irgendwann blieb nur noch Leere in seinem Inneren. Leere, die nicht einmal der größte Hass auf Aizen mehr füllen konnte. Etwas fehlte. Jemand fehlte.
Er ließ sich an der Wand entlang nach unten auf den Boden gleiten.
Langsam verstand er. Es ging ihm ähnlich wie Ulquiorra. Er hatte die Aufmerksamkeit, die Anerkennung und den Respekt des Cuarta gewünscht. Doch anstatt zu erkennen, dass es genau das war, hatte er gedacht, er würde ihn hassen. Die Leere in seinem Inneren wurde immer größer, je deutlicher ihm diese Tatsache wurde.
Er hatte Ulquiorra ebenfalls geliebt, aber auf eine nicht erkennbare Weise. Und jetzt war es zu spät.
Etwas warmes, nasses bahnte sich vorsichtig den Weg über seine Wange. Hastig strich er die Träne weg.
Sein Blick fiel zu Seite, neben sich. Dort lagen friedlich nebeneinander Pantera und Murciélago.
Überlegen brauchte er nicht mehr.
Grimmjow nahm Murciélago, setzte es auf Höhe seiner Schlüsselbeine an und stieß zu.
„Ich sterbe durch deine Hand, Ulquiorra.“
Dann versagten ihm die Sinne und wohltuende Schwärze begrüßte ihn…
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Ich wollte schon länger etwas zu diesen beiden schreiben und irgendwann abends überkam mich dann diese Idee, nachdem ich irgendwo gelesen hatte, dass Arrancar nicht durch ihr eigenes Schwert sterben können.
Bitte verzeiht den Logikbruch, dass Ulquiorras Schwert sich bei seinem Tod nicht auch aufgelöst hat.
lg
Nightshroud
