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Kiss, kiss - bang, bang

Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.
von

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Das Rad des Schicksals

Das Rad des Schicksals: Es steht für äußere Umstände, die wir nicht ändern können und die unsere Pläne durchkreuzen. Aber es symbolisiert auch die Zeit, die voranschreitet, bis das Schicksal wieder günstiger auf unsere Vorhaben wirkt.
 

August 2007, Paris, Frankreich

Die Zeit war ein seltsames Ding.

In den Schulferien hatte Yuugi immer das Gefühl gehabt, drei Wochen gingen gar zu schnell herum. Auch in der Schulzeit war es nicht viel besser gewesen, denn da gab es so viel zu tun, dass auch hier die Zeit schneller verging, als er es bemerken konnte.

Doch nun konnte er nichts tun und die vergangenen drei Wochen waren ein einziger Albtraum gewesen. Yuugis‘ Erinnerungen daran waren schwach und lückenhaft, ein ständiger Kreislauf aus Wachen und Schlafen, ohne, dass etwas geschehen würde. Er stand früh morgens auf, schlang ohne Appetit und Hunger ein kleines Frühstück herunter und eilte dann zum Krankenhaus. Dort saß er Stunde um Stunde bis die Besucherzeit vorüber war und er sich schweren Schrittes zurück ins Hotel und ins Bett schleppte. Es änderte sich nichts. Er erinnerte sich nur an Bruchstücke dessen, was er selbst in dieser Zeit getan hatte, da waren blutverschmierte Kleider und Hände, die ihm gehörten und er war geschockt gewesen und hatte lange gebraucht zu begreifen, dass es Atemus‘ Blut war, welches auf seine Kleidung gekommen war, als er ihn gehalten hatte. So viel Blut… Auch waren da verschwommene Erinnerungen an einen Verband um seinen eigenen, linken Arm, aber Yuugi war zu besorgt um zu versuchen, zu ergründen, von wo diese Erinnerung kam, vor allem, da der Verband längst entschwunden war.

Atemu lag die ganze Zeit über vollkommen reglos in seinem Bett auf der Intensivstation. Der Krankenwagen war rasch dagewesen, man hatte Atemu so schnell es ging ins Krankenhaus gefahren, Yuugi hatte im Krankenwagen mitfahren dürfen, dann aber hatte er stundenlang vor dem OP warten müssen. Er war kein Familienangehöriger, deswegen hatten ihm die Ärzte nichts sagen dürfen. Das Warten in Unwissenheit war unerträglich für Yuugi gewesen, doch mittlerweile wusste er zu seinem Glück mehr. Aber dieses Wissen half ihm nicht viel weiter, denn er konnte ja doch nichts tun. Da Atemu auf der Intensivstation lag, musste Yuugi, damit er in sein Zimmer gehen durfte einen Kittel, Handschuhe, Schuhe, einen Mundschutz und eine Haube tragen, sodass ihm binnen weniger Minuten sehr warm wurde. Aber das hielt Yuugi niemals davon ab, den gesamten Tag bei Atemu zu verbringen. Es war furchtbar, ihn so zu sehen, angeschlossen an eine Unzahl von Maschinen und Schläuchen. In dem wuchtigen Krankenhausbett wirkte sogar Atemu klein und schutzlos. Zum ersten Mal sah er auch nicht angespannt aus sondern lag ruhig und scheinbar entspannt in den Kissen. Aber alleine das beständige Fiepen im Hintergrund ließ diese Illusion erst gar nicht aufkommen.

Nach drei Wochen in diesem Zustand hatte Yuugi zwar keine Angst mehr um Atemus‘ Leben, aber dennoch konnte er die Sorge nicht aus seinen Gedanken verbannen. Yuugi wusste mittlerweile immerhin, dass Atemu an einer traumatischen Pneumothorax litt – man hatte ihm erklären müssen, dass dies beutete, dass eine Verletzung der Lunge vorlag, des rechten Lungenflügels, in diesem Fall. Die Kugel war entfernt worden, das Blut aus der Lunge gepumpt und Atemu wurde seitdem künstlich beatmet und lag, zumindest war das Yuugis‘ Vermutung, seitdem im Fieberkoma. Soweit hatte man ihn dann doch nicht eingeweiht. Yuugi hatte bei Atemu Fieber fühlen wollen, es aber sehr schnell aufgegeben, als bei nur leichtem Druck auf Atemus‘ Brustkorb ein Knirschen zu hören gewesen war, ähnlich dem Geräusch, das entstand, wenn man einen Schneeball formte. Während er den reglos daliegenden Atemu beobachtete, fiel ihm das unregelmäßige Heben und Senken seines Brustkorbs auf, ein weiteres Zeichen der Verletzung, ebenso wie der durch die Maschinen hervorgerufene rasselnde Atem, welcher in ironischer Weise an Darth Vader erinnerte.

Zwei Tage nach der Operation hatte Yuugi sich noch mit Problemen der anderen Art herumschlagen müssen. Zu seiner damaligen großen Sorge um Atemus‘ Gesundheit, welche die Ärzte mittlerweile zerstreuen konnten, war die Erkenntnis gekommen, dass es Probleme mit sich brachte, einen Mann mit Schussverletzungen in ein Krankenhaus einzuliefern. Der Arzt hatte ihm ein wenig Zeit gelassen, um damit klar zu kommen, was mit Atemu geschehen war, dann hatte er ihn darauf hingewiesen, dass er die Polizei mit ihm sprechen wolle. Yuugi war entsetzt gewesen, denn auch wenn er selbst niemanden ermordet hatte, so war er sich doch der Tatsache bewusst, dass ihn eine Mitschuld traf, weil er Atemu nicht angezeigt hatte. Diese Erkenntnis hätte er eigentlich schon früher haben sollen, aber jetzt erst fiel es ihm auf und es erschreckte ihn, eine Mitschuld zu besitzen. Aber das war nicht der Grund, weshalb er so erschrocken gewesen war. Der wahre Grund war, dass er nicht wollte, dass Atemu ins Gefängnis kam – denn bei der Anzahl an Morden würde Atemu sicherlich lebenslang bekommen. So hatte Yuugi noch in Erwägung gezogen, den Arzt zu erpressen um Atemu und sich selbst das zu ersparen, aber das Problem war, dass Atemu mitten am Tag auf einem belebten Platz angeschossen worden war und es somit mehr Zeugen gab, als Yuugi Geld zur Erpressung zur Verfügung stand. Schließlich hatte er sich bei der Polizei eingefunden und seine Aussage gemacht. Er hatte noch nie eine Falschaussage gemacht – gut, er hatte überhaupt noch nie eine Aussage bei der Polizei gemacht, aber trotzdem – und er fühlte sich entsetzlich dabei, aber die ganze Zeit über hielt er sich die Konsequenzen vor Augen, welche die Wahrheit haben würde, was ihm das Lügen erleichterte und ihm zu einem überzeugenden Auftritt verhalf. Er hatte einen von Atemus‘ gefälschten Ausweisen benutzt, sowohl für sich als auch für Atemu selbst, und hatte den Polizisten erzählt, er würde Atemu eigentlich gar nicht kennen, er habe Urlaub hier gemacht, den Mann zufällig in einem Café getroffen und daraufhin ein wenig Zeit mit ihm verbracht. Aber da er ihn erst am Abend vor dem Angriff getroffen hatte, könne er der Polizei keine weiteren Informationen über ihn geben. Offenbar hatte die Polizei ihm geglaubt, denn sie hatten ihn ohne weiteres ziehen lassen und sich in den seither vergangenen zwei Wochen auch nicht mehr bei ihm gemeldet. Nur hin und wieder sah Yuugi einen Polizisten im Flur der Intensivstation, welcher sich danach erkundigte, ob Atemu bereits erwacht sei.

Aber all‘ das beschäftigte Yuugis‘ Gedanken nur noch sehr wenig, denn Atemu war ja nicht erwacht. Er saß nur noch jeden Tag an Atemus‘ Bett, hielt vorsichtig seine Hand, in der eine Kanüle steckte, und hoffte jede Sekunde darauf, dass er endlich die Augen öffnen würde.

Allein, er tat es nicht.
 

~*~*~*~
 

Es war ein Gefühl, als würde er aus einem sehr tiefen Schlaf erwachen, ohne, dass er sich nun ausgeschlafen und erfrischt fühlen würde. Sein Körper fühlte sich schwer an und am liebsten wäre er sofort in die Dunkelheit zurückgesunken, aus der er grade gekommen war, aber das ging nicht, auch, wenn er es mit jeder Sekunde, die verging, mehr wünschte, denn je länger er wach war, desto größer wurde der Schmerz. Der deutlichste und demnach stärkste war jener in seiner Brust. Jeder Atemzug schmerzte ihn so unerträglich, dass er ernsthaft erwog, das Atmen einfach einzustellen, aber auch das funktionierte nicht. Als er die Augen langsam öffnete erkannte er, dass es an der Beatmungsmaschine lag. Ein beständiges Piepen verursachte bei ihm heftige Kopfschmerzen und er versuchte irgendwie irgendwen darauf aufmerksam zu machen, dass er wach war und sie die Maschinen abstellen konnten, aber es war niemand da. Er konnte sich aber auch nicht bewegen, sodass er nur betrachten konnte, was sich in seinem Gesichtsfeld befand. Aus den Augenwinkeln konnte er die Maschinen sehen, rechts befand sich eine Tür und links ein Fenster. Hinter dem Fenster war es schwarz – es musste mitten in der Nacht sein. Atemu hätte geseufzt, wenn er es könnte. Stattdessen versuchte er zu ergründen, wie er ins Krankenhaus gekommen war und weswegen. Aber da waren nur sehr wenige Bruchstücke und wie Wasser zerrannen sie in seinen Händen sobald er versuchte, sie zu fassen. Nach einer Weile gab er auf, es hatte ihm nichts gebracht, außer, dass sein Kopfschmerz nun noch schlimmer geworden war. Es war eine Erlösung, als er merkte, wie die Dunkelheit zurückkehrte und er ließ sich willig zurück in jene sinken.
 

Als er sich zum zweiten Mal aus der Dunkelheit löste, war der Schmerz in seinem Brustkorb zwar nicht verschwunden, dafür aber der wummernde Kopfschmerz. Was nicht bedeutete, dass er sich viel besser gefühlt hätte. Zwar war sein Kopf klarer, aber richtig gehorchen wollte sein Körper ihm immer noch nicht. Dennoch gelang es ihm, unter Blinzeln die Augen zu öffnen. Es war hell, das war die erste Erkenntnis, so hell, dass er einige Weile brauchte, ehe seine Pupillen sich daran gewöhnt hatten und er wieder normal sehen konnte.

Noch ehe aber seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten und er wieder sehen konnte, spürte er eine Hand an seinem Arm und eine Stimme trief aufgeregt:„Atemu! Atemu, kannst du mich hören?“ Er wollte ja sagen, aber das ging nicht, er konnte immer noch nicht sprechen und er wusste auch nicht, wem die Stimme gehörte, aber sie rief angenehme Erinnerungen in ihm wach, ohne, dass da Bilder wären, da waren einfach nur diese warmen Gefühle nach Lachen im Schatten einer Wiese im Sommer. Dann klärte sich sein Blick und so viele Erinnerungen stürmten gleichzeitig auf ihn ein, dass ihm für eine Sekunde ganz schwindlig wurde. Aber dann sah er wieder klar und die Bruchstücke, die seine Erinnerungen bei seinem letzten Erwachen noch gewesen waren, fügten sich nahtlos zu einem Ganzen zusammen. Atemu verzog die Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln und sah Yuugi an, der sich über sein Bett beugte und Atemu hoffnungsvoll ansah. Als er bemerkte, dass Atemu wirklich wach war, strahlte er. Atemu musste alle seine Kraftreserven mobilisieren um Yuugis‘ Hand zu ergreifen und sanft zu drücken, aber das Lächeln, das er als Antwort erhielt, war die Mühe mehr als wert.

Dann aber trat Yuugi zurück um einem Arzt Platz zu machen, welcher nach ihm sah. Atemu hatte weder die Motivation noch die Kraft dazu, ihn davon abzuhalten, sodass er alles über sich ergehen ließ. Es war ja aber auch nicht weiter schlimm und das Gute daran war, dass der Arzt ihm nebenher erklärte, was ihm fehlte. Ermutigend war das zwar nicht unbedingt, aber immerhin hatte er das schlimmste überstanden. Nur die Schmerzen machten ihm zu schaffen, was aber nicht bedeutete, dass er sich darüber freute, dass der Arzt aus diesem Grund zu Morphium griff, denn dies umnebelte seine Sinne mehr, als ihm lieb war. Yuugi dagegen schien erleichtert, dass er weniger Schmerzen leiden musste, er stand mittlerweile auf der anderen Seite seines Krankenbettes und hatte Atemus‘ Hand mit einer Selbstverständlichkeit in die seine genommen, die Atemu sagte, dass er dies wohl schon häufiger getan hatte. Diese Erkenntnis rührte Atemu auf eine Weise, die er nicht kannte. Aber es war schön, zweifelsohne. Der Arzt bemerkte den Blickwechsel zwischen Atemu und Yuugi und lächelte Atemu zu:„Sie können Ihrem Freund wirklich dankbar sein. Sie hatten viel Blut verloren und bei Ihrer Blutgruppe hatten wir keine Konserven vorrätig. Ihr Freund hat für Sie Blut gespendet.“ Atemu öffnete den Mund, wollte etwas sagen, konnte es aber nicht und wusste auch nichts zu sagen, sodass er den Mund wieder schloss und dabei ein wenig wirkte, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Yuugi lächelte verschämt und wurde bis unter die Haarwurzeln rot. Der Arzt lachte gleichfalls, wünschte Atemu eine gute Besserung und ging.

Zurück blieb ein Atemu, der gar nicht wusste, was er sagen, wie er sich bedanken sollte. Er drückte Yuugis‘ Hand, lächelte und starrte immer wieder sturr die Decke an, damit Yuugi nicht bemerkte, wie sehr es ihn rührte, dass er das für ihn getan hatte. Das einzige Problem darin war, dass Yuugi Atemu dafür zu gut kannte und genau wusste, was er damit bezweckte. Aber das sagte Yuugi nicht, er lächelte nur.
 

Zwei Tage später ging es Atemu wesentlich besser. Er lag nicht mehr an der Beatmungsmaschine, was sich alleine psychisch positiv auf seine Genesung auswirkte. Das Sprechen fiel ihm nach wie vor schwer und zu mehr als ein paar Wörtern unter Halsschmerzen reichte es nicht, aber dennoch war es Atemu wichtig, diese paar Wörter, die er hatte, mit Yuugi zu wechseln. Und Yuugi hatte einiges zu erzählen, nachdem er einmal den Schock über Atemus‘ Verletzung ausreichend überwunden hatte und sein Gedächtnis somit wieder voll funktionsfähig war. So berichtete er Atemu von der Fahrt ins Krankenhaus, der Operation und unter Erröten auch von der Blutspende, die notwendig gewesen war, weil die Blutgruppe AB negativ so selten war, dass keine Konserven vorrätig gewesen waren. Des weiteren erzählte er von der Vernehmung durch die Polizei – hier war Atemu besonders interessiert, denn diese Vernehmung stand ihm noch bevor, da er bisher immer wegen Schmerzen die Vernehmung hinausgezögert hatte, und ihre Aussagen mussten unbedingt übereinstimmen. Was sie danach tun sollten, war noch nicht ganz heraus. Die Chance ihrer Entdeckung war um ein beträchtliches gestiegen, aber wenn es ihnen gelang, die Polizei lange genug zu täuschen, damit Atemu genesen konnte, würden sie vielleicht unbemerkt verschwinden können. Dieser Umstand ängstigte Yuugi so sehr, dass er nachts kaum mehr schlafen konnte, aber während er seine Zeit mit Atemu verbrachte gelang es ihm, diese Angst so weit von sich zu schieben, dass er jene Stunden an Atemus‘ Bett, welches mittlerweile auch nicht mehr auf der Intensivstation zu finden war, genießen konnte.

Um später leichter abtauchen zu können, beauftragte Atemu Yuugi damit, eine kleine Wohnung für sie beide in Paris zu suchen, eine Aufgabe, die Yuugi nur ungerne annahm und die solange erfolglos blieb, bis Atemu seine Tante anrief und sie bat, sich darum zu kümmern. Yuugis‘ Proteste, dass er im Krankenhaus nicht telephonieren dürfe, ignorierte Atemu dabei gekonnt, da er ohnehin der Ansicht war, dass die Krankenhäuser dies nur verboten, um Geld an den Telephonautomaten zu bekommen. So hatten sie Anfang September eine kleine Wohnung in einem Dachgeschoss eines alten Hauses mitten in Paris. Die Wohnung war, so berichtete Yuugi, der dort bereits eingezogen war, sehr klein, hatte aber einen Balkon, von dem aus man einen wundervollen Blick über Paris inklusive Eiffelturm hatte. Tatsächlich schien Yuugi so in die Wohnung verliebt, dass Atemu sich bereits darum sorgte, wie sie dort wieder ausziehen sollten, denn es könnte nicht offenkundiger sein, dass dies Yuugi schwerfallen würde. Aber erst einmal gab es dringendere Sorgen.

Zwei Wochen nach Atemus‘ Erwachen aus dem Koma ging es ihm wieder so gut, dass er normal sprechen konnte und somit keine Ausrede mehr hatte, der Polizei länger aus dem Weg zu gehen. Die erste Septemberwoche war um, das Wetter war immer noch warm, aber windig, wie Atemu amüsiert feststellen konnte, wenn Yuugi mit Sturmfrisur sein Krankenzimmer betrat. Die Sonne schien immer noch zum Fenster herein, aber die Polizisten waren nicht so freundlich wie das Wetter. Vollkommen zurecht argwöhnten sie, dass Atemu doch wissen müsste, weshalb man versucht hatte, ihn zu töten, sodass es Atemu mehrere Stunden kostete, sie von seiner Unschuld und seiner Unwissenheit zu überzeugen. Als sie gingen waren sie immer noch nicht vollständig überzeugt, konnten Atemu aber auch nichts gegenteiliges nachweisen, sodass ihnen nichts anderes übrig blieb, als zu gehen. Yuugi, der die ganze Zeit über stumm auf der Fensterbank gesessen hatte, erhob sich und kam kopfschüttelnd auf Atemu zu. Er fragte sich, wie man derart überzeugend lügen konnte, ohne rot zu werden. Leise lächelnd setzte er sich an seinen mittlerweile angestammten Platz auf der rechten Seite von Atemus‘ Bett. Wenn Yuugi morgens Atemus‘ Zimmer betrat, lag Atemu bereits auf der linken Bettseite, damit Yuugi rechts Platz hatte. Und immer, wenn Yuugi dort auf Atemus‘ Bett saß, dann hielt er auch Atemus Hand. Es war zu einer den beiden lieb gewordenen Gewohnheit geworden, über die sie niemals sprachen oder nachdachten, denn sich damit auseinanderzusetzen, wäre vor allem für Atemu zu viel gewesen, aber dennoch wollte keiner von beiden die Hand des anderen missen. „Haben die Ärzte endlich was gesagt, wann du aus dem Krankenhaus kommst?“, fragte Yuugi hoffnungsvoll. Wenn Yuugi Atemu nach seinem Befinden fragte, so antwortet dieser immer, dass es ihm gut ginge, weshalb Yuugi der Ansicht war, dass er doch bald aus dem Krankenhaus kommen solle. Doch natürlich ging es Atemu nicht ganz so gut, wie er Yuugi glauben machte. Dennoch waren die Ärzte zuversichtlich, dass er in zwei bis drei Wochen würde gehen können – und das sagte Atemu auch Yuugi, der den Mund verzog, weil ihm das als so lang erschien.

Aber dann wurde er wieder ernster, denn es war an der Zeit, eine Frage zu stellen, die Yuugi schon seit einem Monat quälte:„Warum hat man dich überhaupt zu erschießen versucht?“ Atemu seufzte leise und sah aus dem Fenster. „Ich weiß es nicht genau. Es gäbe zwei Personen, die verantwortlich dafür sein könnten. Das eine wäre eine Dame namens Hina Sato, die wollte, dass ich für sie einen Auftrag ausführe, was ich aber abgelehnt habe. Der andere wäre Tsukasa-sama, der Oyabun der Yamaguchi-gumi, der, wie ich glaube, nicht begeistert darüber sein dürfte, dass ich sagte, dass ich aufhören würde, meinem Beruf weiterhin nachzugehen.“, erklärte er und konnte Yuugi aus irgendeinem Grund dabei nicht in die Augen sehen. Dieser sprang bei Atemus Worten auf, ohne dabei jedoch seine Hand loszulassen. „Warum?“, rief er, „Warum wolltest du aufhören?“ Atemu blinzelte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Yuugi derart darauf reagieren könne. Er zog Yuugi zurück zu sich auf das Bett, was dieser anstandslos mit sich machen ließ und sah ihm lange in die Augen, während er seine Antwort vorsichtig abwog. „Deinetwegen, Yuugi. Ich…“, seufzend brach Atemu ab, wusste selbst nicht, wie er das erklären sollte. Yuugi schüttelte ungläubig den Kopf und löste seine Finger aus Atemus‘ Griff. Er ging hinüber zum Fenster und starrte hinaus. Eine Weile herrschte Schweigen, draußen auf dem Gang hörte man eine Krankenschwester.

„Aber wie hast du dir das denn gedacht, Atemu? Du weißt doch gar nicht, was wird…“, murmelte Yuugi leise, aber dennoch verständlich. Es rührte ihn, dass Atemu seinen Beruf seinetwegen hatte aufgeben wollen, auch, wenn dazu keine Veranlassung bestand. Dass dies auch bedeutete, dass Atemu einkalkuliert hatte, dass sie eine längere Zeit zusammenbleiben würden war Yuugi bewusst, aber er wagte es nicht, Atemu darauf anzusprechen. Irgendwo tief in ihm befürchtete ein Teil von ihm, dass Atemu dann wiedersprechen würde. Es war der Teil in Yuugi, den er vor Wochen kennengelernt hatte und der ihm so neu war, dass er nicht wusste, wie er mit ihm umgehen sollte. Und den er nicht ausleben wollte, aus Angst, enttäuscht zu werden. Yuugi schob den Gedanken beiseite und wandte sich wieder Atemu zu, der ihn nachdenklich vom Bett aus ansah. „Ich weiß nicht. Ich habe den Gedanken nicht zu Ende gedacht. Es kam so über mich…“, murmelte er. Yuugi schüttelte den Kopf. Diese Unüberlegtheit wollte so gar nicht zu Atemu passen! Der unbekannte, neue Teil in Yuugis Gefühlswelt schlug einen Purzelbaum und machte sich plötzlich Hoffnungen. Yuugi starrte wieder aus dem Fenster, damit Atemu die feine Röte, die seine Wangen überzog, nicht bemerken konnte. Er schwieg eine Weile, denn er befürchtete, dass seine Stimme schwanken könne. Doch schließlich hatte er sein rasendes Herz beruhigt. „Das,“, sagte er dann, „war so dumm von dir! Du kannst dich doch nicht alleine gegen eine Horde mordlustiger Yakuza stellen! Und weswegen? Wir kennen uns doch kaum… und selbst wenn… es macht mir nichts aus!“ „Es macht dir nichts aus?“, kam es verblüfft vom Bett her, „Aber du sahst so entsetzt aus, als ich dir von meinem Leben erzählte!“ Yuugi seufzte leise:„Schon… aber ich habe mich damit arrangiert. Ich möchte nicht, dass du dein Leben meinetwegen änderst.“

„Das… das wusste ich nicht.“, murmelte Atemu und starrte die Decke an.

Yuugi nestelte an seinem Hemd herum.
 

Der September neigte sich dem Ende zu. Das Laub an den Bäumen färbte sich orange und die Franzosen packten ihre Schals und Mäntel aus. Und auch Atemu packte. Das Krankenhaus hatte ihn nun endlich entlassen, sodass er mit Yuugis‘ Hilfe seine Kleidungsstücke, welche Yuugi ihm ins Krankenhaus gebracht hatte, in eine ebenfalls von Yuugi mitgebrachte Tasche packte. Yuugi wuselte herum und nahm Atemu den größten Teil der Arbeit ab, denn er hatte Sorge, Atemu könne sich bei einer unbedachten Bewegung erneut verletzen und die frisch verheilte Wunde aufreißen. „Das ist mein Blut, dass durch deine Adern fließt und ich möchte es nicht umsonst gespendet haben!“, hatte er Atemu entschlossen erklärt und dabei mit dem Zeigefinger vor Atemus‘ Gesicht herumgefuchtelt. Anschließend hatte er Atemu aufs Bett gedrückt und dieser hatte zugeben müssen, dass Yuugi nicht ganz Unrecht hatte, weswegen er diese Behandlung über sich ergehen ließ. Aber ohnehin legte Atemu es nun wirklich nicht darauf an, die Wunde wieder aufzureißen, es wurmte ihn schon genug, dass er in den nächsten Wochen nach wie vor auf jegliche körperliche Anstrengung würde verzichten müssen – das würde ein hartes Stück Arbeit werden, wenn er wieder mit seinem sonst üblichen, täglichen Training beginnen würde.

Allerdings es würde ihn auch nicht daran hindern, Yuugi zu trainieren, wie er diesem bereits versichert hatte, zusammen mit dem Versprechen, bereits am nächsten Tag zu beginnen. Yuugi war sich nicht so sicher gewesen, wie Atemu sich das vorstellte, aber der hatte nur grinsend geantwortet, er würde es sich bequem machen und Yuugi dabei zuschauen, wie er sich verausgabte. Yuugi hatte unwillig gegrummelt, als Atemu es so charmant mit „Arbeit ist etwas herrliches, Yuugi! Ich könnte anderen stundenlang dabei zusehen!“ umschrieben hatte. Andererseits war es ja aber Yuugi gewesen, der darauf bestanden hatte, von Atemu in Selbstverteidigung unterwiesen zu werden, also sollte er sich wohl besser nicht beschweren.

Es war für beide eine große Erleichterung, als sie das Krankenhaus verließen und die klinische Luft hinter sich zurücklassen konnten. Yuugi, der darauf bestanden hatte, Atemus‘ Tasche zu tragen, lächelte unwillkürlich zu Atemu hoch – und gab ihm nächsten Augenblick ein überraschtes, aber schnell unterdrücktes, Fiepsen von sich, als Atemu ihn ohne Vorwarnung in seine Arme zog. Die Wärme seines Körpers hatte eine überaus beruhigende Wirkung auf Yuugi, dessen Herz wie wild zu schlagen begann. Gleichwohl bedauernd löste er sich rasch wieder von ihm und die beiden setzten ihren Weg fort. Mit der Métro waren sie schnell in ihrem neuen Heim, zu welchem Yuugi Atemu führte. Mit einem versteckten Lächeln registrierte Atemu den Stolz, welchen Yuugi ausstrahlte. Aber er verstand bald, warum. Die Wohnung, obgleich klein, war wirklich ein Prachtstück – Yuki hatte ganze Arbeit geleistet und Yuugi durchaus nicht zu viel versprochen.

„Ich weiß, es ist klein. Aber ich habe ein bisschen eingekauft und den Kühlschrank gefüllt. Und ein Radio habe ich auch erstanden, weil es doch sonst so still war…“, erklärte Yuugi mit stetig leiser werdender Stimme und sah Atemu abwartend an. Dieser lächelte:„Es ist perfekt!“, urteilte er und Yuugi lachte erleichtert. „Was hältst du davon, wenn ich uns etwas koche, du musst das Krankenhausessen doch ganz schön satt haben, oder?“, schlug er sogleich voller Elan vor und Atemu konnte nur zustimmen.

Während Yuugi sich also voller Eifer an die Arbeit machte, zog Atemu sich einen Stuhl auf den Balkon und ließ die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf sein Gesicht scheinen. Von unten erklangen fröhliche Stimmen und aus der Wohnung hörte man das Klappern der Töpfe. Aus dem Radio drangen die Klänge von „Aux champs Elysées“ und während Atemu mit sich und der Welt zufrieden die Augen schloss und stumm genoss, ahnte er ebenso wenig wie Yuugi, dass ihnen noch lange keine Ruhe vergönnt sein sollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Anuugi
2010-11-16T16:04:56+00:00 16.11.2010 17:04
OHHH GOTT ich habe so mit yuugi gelitten es ist so wunderschön wie du es beschrieben hast wie er gelitten hat, stehts an atemus seite war ihn alles gegeben hat was er konnte und sei es blos seine hand zu halten.
Das mit dem blutspenden war unheimlich süß, so süß und.. goll die beiden sind so wunderbar zusammen.
Es kommt einen schon vor wie ein päächen nur die beiden wissen es noch nicht.
Auch wenn zumindest Yuugi es sich wünscht.
Doch auch wenn Atemu davor vielleicht angst hat so will er es auch da bin ich mir sicher.
Und mit iherer kleinen wohnung könnte es dich ein guter start sein für eine beziehung auch wennn sie noch lange keine ruhe haben werden was mir klar ist.
Ich frage mich ob sie jemals ruhe finden werden.

Aber deine ff beweist eines.
Sie sind so unterschiedlich und doch könte es Harmonischer gar nicht zwischen ihnen sein.
Unheimlich süß.
Es steckz viel romantik in deinen kapteln. in kleinen gesten, blicken oer einem lächeln.
Und dieses prikeln wenn man flirtet. Denn das tun sie...
Einfach soo schön.

*weiterles*
Von:  lucifersangel87
2010-09-11T15:48:06+00:00 11.09.2010 17:48
Hi,

erstmal Danke für die ENS. Bin aber leider erst jetzt zum lesen gekommen.
Die Bedeutung der Karten ist mir teilweise bewusst und bei der Karte der Tod meinte ich eigentlich eine Veränderung und das loslassen von Altem. Bei den Liebenden meinet ich auch eher die Erkenntnis und das zulassen von Gefühlen. Ist aber auch nicht so wichtig, wollte es nur erwähnen.
Das Kapitel selbst war gut. Am besten gefiel mir wie Yugi sich so um Atemu kümmert und sorgt. Auch ganz gut war das Atemu nun etwas…vertrauen? Yugi gegenüber zeigt und ihm gesagt hat was der Grund war.
Freu mich auf alle Fälle schon aufs nächste Kapitel.

Ggl
lucifersangel87
Von: abgemeldet
2010-09-05T17:27:50+00:00 05.09.2010 19:27
Ohhh....
Man leidet richtig mit dem armen Yuugi mit, der wochenlang bei Atemu am Bett sitzt und um sein Leben bangt!! Das mit der Blutspende war eine gute Idee von dir. Damit hat Yuugi Atemu das Leben gerettet und Atemu steht somit ja in Yuugis Schuld.

Ein tolles Kapitel, toll geschrieben und das beste finde ich, dass die beiden ihre erste, gemeinsame Wohnung haben *g*

Aber da du ja am Ende geschrieben hast, dass sie noch lange Zeit keine Ruhe haben werden, bin ich gespannt, wohin es sie als nächstes verschlägt.

Schnell weiter schreiben, sonst bekomme ich wieder Entzug^^

Grüß und Kuss
Deine Yami-chan
Von: abgemeldet
2010-09-05T12:29:46+00:00 05.09.2010 14:29
„Das… das wusste ich nicht.“

"Caaarl, das tötet Leute!" "Oh,das...das wusste ich nicht."

xD tut mir leid aber das fiel mir so spontan mit der Stimme ein und ich musste so lachen
genauso mit Darth Vader wuahahh <___>

Naja also eigeneartig also ich kann mir nicht vorstellen wie man es so lange mit jemanden so aushalten kann wennman jeden Tag so fast gar nichts macht, ich meine da sind ja Monate vergangen und so und auch mit dem Krankenhaus also wenn ich Yugi wäre da wäre es mir viel zu langweilig jeden Tag da den ganzen Tag rumzusitzen, na klar Liebe und so , aber man muss ja mal realistisch denken, wenn man sich zb. 3 Stunden starr vor einem Fenster setzt dann schafft man das doch acuh nru so eine Woche vll dann dreht man doch durch oder? Yugi hat da schon sehr viel Ausdauer würde ich sagen lol

Der Arzt ist mir unsymphatisch, Yugi hätte ihn nicht erpressen, sondern gleich erschießen sollen xDDDD"

<- ja ich rede heut nur Wirrwarr
aber hey, ich rede was :D


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