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Weil Du es bist.

Seto Kaiba & Joey Wheeler
von

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Weil Du es bist.

As many times as I blink I'll think of you... tonight.

I'll think of you tonight.

When violet eyes get brighter,

And heavy wings grow lighter,

I'll taste the sky and feel alive again.

And I'll forget the world that I knew,

But I swear I won't forget you,

Oh if my voice could reach back through the past,

I'd whisper in your ear,

Oh darling I wish you were here.
 

Owl City ~ Vanilla Twilight
 

~*~+~*~
 


 

Immer dann, wenn Joey auf dem roten Ledersofa liegt und diese komplizierte Welt jenseits seiner Wände zu ignorieren versucht, überkommen ihn diese wirren Gefühle.
 

Diese Gefühle, die verrückt und fremd und zuckersüß sind und die er eigentlich nicht haben möchte.

Nie wollte. Schon seit Jahren nicht.
 

Jahre sind eine verdammt lange Zeit, weiß Joey.

Doch eigentlich hat sich nichts daran geändert. Nichts an der Situation, nichts an den Gefühlen, die inmitten des Alltags so einfach zu übergehen sind.

Joey atmet tief die stickige Luft ein und gibt sich vollends dieser samtigen Stille hin, die ihn umgibt.

Sie ist warm und einlullend und fast wäre er davongetrieben - hinein in diese treibende seichte Welt, in den seine Gefühle nicht halb so verrückt sind wie in der Realität.

Aber es wird ihm nicht gegönnt. Natürlich nicht, weil es genauso sinnlos ist wie diese Träumereien.
 

Joey hört, wie die Türe sich öffnet.

Leise, überhörbare Schritte auf dem Laminatboden. Ein leises Klacken, als der Haustürschlüssel auf dem kleinen Schrankkästchen neben der Türe gelegt wird.
 

Joey reißt die Augen auf. Die Sonne blendet ihn und er schiebt eine Hand zwischen sein Gesicht und das unbarmherzige Licht.

"Hey Kaiba, müsstest du jetzt eigentlich nicht irgendwo in London oder Los Angeles sein und die Welt regieren?" Es klingt müde und provokant.
 

"Wheeler. Dein Humor ist wieder einmal revolutionär."
 

Joey lacht leise und setzt sich ruckartig auf. Für einen unendlich langen Moment ist ihm schwindelig und alles besteht aus verschwommenen Farben und konturlosen Formen.

Seto Kaiba lehnt sich mit einer unverschämten Selbstverständlichkeit im Türrahmen und blickt Joey aus ausdruckslosen blauen Augen an. Alles an ihm spricht von Distanz und einem unübersehbaren Selbstbewusstsein.
 

"Du siehst übrigens beschissen aus, Kaiba", sagt Joey und lächelt. Aber es ist kein sehr fröhliches übliches Joey-Lächeln.

Vielleicht, weil Seto Kaiba aussieht wie eine wandelnde Leiche. Wie jedes Mal, wenn er sich wochenlang selbst mit Terminen, Messen und Sitzungen geißelt und sich nur von Kaffee und Tabletten ernährt.
 

"Deine Fürsorge ist wirklich rührend." Kaibas Stimme ist aalglatt. "Aber überflüssig."
 

Joey zuckt mit den Schultern und steht auf. Es ist sinnlos mit Kaiba über Dinge zu reden, die Kaiba nicht interessieren. Kaibas Gesundheit steht auf dieser Liste wohl sehr weit oben.

"Warum bist du eigentlich hier?" Joey stellt diese Frage, auf die er nie eine wirkliche Antwort bekommt.
 

Joey kennt den Grund, aber er weiß nicht was die Ursache dafür ist.

Vermutlich braucht Kaiba auch keine Ursache. Ein Kaiba hat kein Gewissen, das er mit sinnlosen Rechenschaften füttern müsste.
 

Warum aber Joey bei diesem Spiel mitmacht, weiß Joey längst nicht mehr. Er hat diese Tage hinter sich gelassen, in der er sich noch Hoffnungen auf irgendetwas gemacht hatte.

Und es wäre so einfach, die Türe hinter Kaiba zu schließen. Womöglich würde es Kaiba nicht einmal wirklich zur Kenntnis nehmen.
 

"Willst du Kaffee?", fragt Joey, um diese Stille zu unterbrechen. "Kekse? Gummibärchen? Chips?"
 

"Kaffee."
 

Kaiba betritt den Raum und sofort flackern seine Augen herum. Erfassen systematisch den Raum und fokussieren dann irgendeinen wahllosen Punkt. Er wirkt dabei so gelangweilt und deplaziert, als würde er feststellen, versehentlich in der falschen Wohnung gelandet zu sein.

Joey beobachtet dieses Schauspiel nur einen winzig kleinen Moment und schiebt dann Kaibas Tasse unter die vollautomatische Kaffeemaschine. Es ist eine schwarze Tasse mit einem weißen Drachen, die Joey mal als Werbegeschenk von Mokuba bekommen hat. Wahrscheinlich als Dankeschön, dass Joey seinen älteren Bruder für ein paar Stunden im Monat mal wieder vom Himmel der Allmächtigen auf die Erde hinabholt.

Die Kaffeemaschine gurgelt und sprudelt und Joey unterdrückt ein Gähnen. Es ist Dienstag und Dienstag ist sein freier Tag. Er möchte faulenzen und Soaps anschauen und mit Yugi telefonieren, der irgendwo in Ägypten Gräber und Mumien ausbuddelt und Museen damit befüllt.
 

"Wie waren die Sitzungen?", fragt Joey, während er Kaiba die Kaffeetasse in die Hand drückt.
 

"Wieso stellst du Fragen, deren Antworten dich nicht ansatzweise tangieren?" Kaiba nippt am Kaffee und lässt sich auf das knallrote Sofa sinken.
 

Joey lässt hilflos die Arme sinken. "Naja, ansonsten gibt es aber nicht viel, über das wir reden könnten."
 

"Dann halte die Klappe", ist die gnadenlose Antwort. "Ich bin den ganzen Tag gezwungen mit irgendwelchen unintelligenten Individuen zu reden. Die Götter wissen, wenn ich jemanden zum Reden bräuchte, wärst du die letzte Wahl, Wheeler."
 

Joeys Temperament schlägt Wogen. Sehr sehr große Wogen. Wie immer, wenn Kaiba und er länger als zwei Minuten in einem Raum sitzen.

"Hey, du Spaßkanone! Was glaubst du eigentlich, auf wessen Sofa du hier hockst?! Wenn dir etwas nicht passt, du weißt ja, wo die Türe ist, oder?!"
 

Kaiba verzieht keine Miene und trinkt seelenruhig weiter Kaffee. "Ich bitte dich, wenn die Frau von der Bank nicht regelmäßig die Klatschpresse lesen würde, hätten sie dir doch niemals den Kredit für dieses... Objekt gegeben."
 

Es sind diese Momente, in denen Joey sich ernsthaft fragt, warum er es sich antut. Warum er sich Kaiba antut. Sein Leben wäre ohne Kaiba nicht mal so schlecht. Wirklich. Er hat eine kleine Eisdiele in Domino aufgemacht, verdient sein Geld und zahlt vorbildlich die Raten für seine kleine Eigentumswohnung ab.

Kaibas Prophezeiungen, dass er als Straßenköter enden würde, sind schlussendlich nicht mehr als Schall und Rauch. Wider Erwarten ist Joey Wheeler ein braver und unbescholtener Bürger. Keine Schlägereien, keine Konfrontationen. Nichts. Außer Kaiba. Den ist er in den letzten acht Jahren nicht mehr losgeworden.
 

Wieso, weiß Joey selbst nicht.
 

Anfangs war es noch... prickelnd. Aufregend. Mit Seto Kaiba die abstrakte Abwandlung einer Beziehung zu führen. Zu Beginn war es noch mehr als interessant. Joey Wheeler, der Freund von Seto Kaiba. Sein einziger, den er wohlgemerkt jemals haben wird.

Und vielleicht hat Joey wirklich kurzzeitig irgendwo rosa Wolken am Himmel gesehen. Doch die Seifenblase, in der er geschwebt ist, ist schneller zerplatzt als Joey blinzeln konnte.
 

Und jetzt führen sie seit einer halben Ewigkeit etwas, was niemand wirklich definieren kann. Kaiba kommt und geht, wann er will. Es ist sein Spiel und seine Regeln und Joey hat vergessen, die Notbremse zu ziehen.

Er weiß eigentlich gar nicht, ob es jemals eine Notbremse gegeben hat.
 

"Kaiba", knurrt er ungehalten. "Wenn du nichts Besseres zu tun hast, als mich zu beleidigen - ich verpasse gerade eine Folge meiner Lieblingssoap. Es interessiert dich zwar eh nicht, aber du nervst. Zieh Leine, Alter!"
 

Kaibas Augenbrauen heben sich wenige Millimeter. "Ich dachte, du hast mich vermisst." Es klingt keineswegs freundlich. Eher belanglos.
 

"Der einzige Mensch, der dich vermisst, ist der Typ, der die Kündigungen deiner Angestellten schreibt. Der hat leider sehr wenig zu tun, wenn du nicht in der Firma hockst."
 

Kaiba schweigt. Auf Bosheiten über seine Firma reagiert er nicht. Joey atmet tief ein und krabbelt auf die andere Seite des knallroten Sofas und angelt nach der Fernbedienung.

Kaiba gibt den Hauch eines entrüsteten Schnaubens, als Joey seine Lieblingssoap herzappt. Weil die Soap wohl das Paradebeispiel einer normalen Beziehung bietet. Eine dieser Beziehungen, die Joey vermutlich niemals führen wird.

Sie schweigen, während die Charaktere in der Soap von einem Gefühlschaos ins nächste stürzen. Joey zieht die Knie an seinen Körper und starrt auf den Bildschirm.

Manchmal fragt er sich, ob Kaiba das nicht auch kann. Einmal... romantisch sein. Nett. Freundlich. Höflich. Überraschend. Und das erschreckende ist, dass Joey es sich irgendwie auch doch wieder nicht vorstellen kann. Ein romantischer Seto Kaiba ist irrational. Dumm.
 

Joey wirft einen knappen Seitenblick zu ihm. Kaiba schaut wirklich nicht gut aus. Nicht wie sonst eine weißgetünchte Wand, durch die absolut nichts dringt. Keine Reaktion, keine Gefühle. Weiß, fehlerlos, rein und perfekt.

Jetzt wirkt er ein bisschen angespannt. Seine Lippen sind verkniffen und die Haut unter seinen Augen ist gerötet. Seine Wangenknochen treten stärker als sonst hervor, er ist abgemagert und ohne jedes Quäntchen Entspannung.
 

Kaiba kann niemals loslassen.

Von seinem Abbild, hinter dem er sich jede Sekunde seines Daseins zurückgezogen hat. Früher ist Joey einfacher zu ihm durchgedrungen. Manchmal hat Kaiba sogar gelacht.

Aber mit jedem Tag, in dem Kaiba in der Firma hockt und in einer Liga spielt, die Joey sich mit seiner kleinen Eisdiele nicht mal ansatzweise vorstellen kann, verschwindet mehr und mehr jeder Funken Menschlichkeit.
 

"Wenn du mich ständig begutachtest, dürftest du nicht allzu viel davon mitbekommen", unterbricht Kaiba brüsk seine Gedanken. Er dreht minimal den Kopf und starrt Joey an.
 

Plötzlich weiß Joey nicht, ob er Kaiba heute wirklich vor die Türe setzen will. Zurück in seine Villa mit der ganzen Elektronik und den übervorsichtigen Hausangestellten schicken.
 

"Willst du hier bleiben?", plappert er los, noch während sein Verstand Kontra über Kontra gibt.
 

Kaiba reagiert lange nicht. Sein Blick wendet sich nicht ab, aber Joey sieht es hinter den blauen Augen arbeiten. Wahrscheinlich geht Kaiba seinen Terminkalender durch, ob da noch irgendein freies Plätzchen für Joey übrig ist.

Irgendwann nickt er sehr langsam und kaum sichtbar.
 

Und Joey mag das warme Gefühl, dass sich schlagartig in seinem Bauch ausbreitet, gar nicht. Wenn er es nicht immer bekommen würde, wenn Kaiba beschließt bei ihm zu bleiben, hätte er ihn dafür hassen können.

Stattdessen greift er nach einem lilanen Kissen und klemmt es zwischen die angezogenen Füße und seinen Oberkörper. Sogar das Kissen ist lebendiger als Seto Kaiba.
 

Und doch weiß Joey, wenn er nicht mehr da ist, besteht Kaibas Welt nur noch aus der Kaiba Corporation. Aus Maschinen und Gehorsam und Macht und Ignoranz und Falschheit.

Joey weiß, dass Kaiba seine Realität niemals in Frage stellen wird. Aber es ist keine Realität, die Joey sehr mag.

Vielleicht führen sie deswegen eine Beziehung, die keine ist und reden sich die meiste Zeit mit Nachnamen an.
 

Die Soap flackert weiter über den Bildschirm und Joey denkt viel zu sehr nach, als wirklich darauf zu achten.

Irgendwann zerfällt Kaibas zur Schau gestellte Gleichgültigkeit zu einem Scherbenhaufen und man sieht ihm die Müdigkeit an. Er blinzelt öfters, um die Augen offen zu halten und seine völlig gerade Haltung sinkt in sich zusammen.

Ein müder Kaiba ist meistens nicht so schlagfertig wie seine wache Version.
 

"Was hältst du davon, wenn ich uns Spaghetti mache. Und Panna Cotta?"

Kaiba hasst Panna Cotta.
 

"Tu was du nicht lassen kannst", ist die träge Erwiderung.
 

Joey zögert noch einen Moment, doch dann kickt er das Kissen auf den Boden und er zieht Kaiba ohne Widerstand an sich. Gemeinsam liegen sie Arm in Arm auf dem knallroten Sofa da.

Schließlich ist Dienstag und Dienstag ist Joeys Faulenz-Tag. Und ausnahmsweise scheint selbst Kaiba nichts dagegen zu haben.
 

"Nur für einen Augenblick", murrt Kaiba leise.
 

"Jaja, jetzt sei still."
 

Und Seto Kaiba ist tatsächlich still.
 

*
 

Es ist irgendwann in der Nacht, als Joey Wheeler aus seinem Schlaf hochschreckt. Für einen Moment kracht seine Umgebung mit der Wucht einer Welle über ihm zusammen und es braucht unendlich lange, bis sein Verstand wieder die Oberhand gewinnt.
 

Es ist stockdunkel und Joey blinzelt nach oben.

Über seinem Bett spannt sich ein großes Dachfenster auf, das manchmal den Blick auf einen blasssilbernen Mond oder funkelnde Sterne bietet. Gerade jedoch trommeln schwere Regentropfen gegen das Glas.
 

Joey atmet tief aus. Und zuckt heftig zusammen, als ein Blitz die Finsternis des Zimmers zerfetzt. Sein Herzschlag beschleunigt sich so schnell, dass er sich zwingen muss, ruhig weiter zu atmen.
 

Es ist nur ein Sommergewitter. Eines von vielen in der letzten Zeit. Nichts Beunruhigendes. Doch er zuckt mit jedem weiteren Blitz und jedem weiteren Donnerschlag zusammen.
 

Und Seto Kaiba neben ihm atmet ruhig weiter. Zwischen ihnen ist genug Platz, dass Joey nichts spürt außer der angenehmen Kühle seiner Bettlaken, doch Kaibas Präsenz kann man nicht so einfach übertünchen.

Kaiba atmet zu tief, um wirklich zu schlafen. Er ist wach, hellwach wie Joey. Und er weiß, dass Joey das weiß.
 

Joey starrt ihn an. Seinen bleichen Rücken, der mit jedem Blitz weiß beleuchtet wird. Die Kratzer von Fingernägeln, die Joey zu tief in Kaibas Schulterblätter vergraben hat. Ein wirres Muster aus roten Striemen und blassblauen Flecken an seinem Hals, die Kaiba wieder unter Lagen von Stoff vor der Welt verbergen wird.
 

Der Kaiba, der neben ihm liegt, ist etwas, das nur Joey sieht. Niemand sonst. Dieser nackte Seto Kaiba, auf den Joey Spuren hinterlassen hat.

Pfotenabdrücke, wie Kaiba das einmal mit einer Spur von Wut in seiner Stimme betitelt hat.

Joey wälzt sich herum. Das Gewitter flaut ab, langsamer als üblich, und das monotone Prasseln von Regen dominiert die Geräuschkulisse des Raumes.
 

"Herrgott, Wheeler", knurrt Kaiba irgendwann mit leiser, stechend wacher Stimme. "Lieg endlich still."

Es ist ein Befehl. Befehle, die Kaiba immer jeder Person gibt, die etwas tut was ihn an den Nerven zerrt. Und Joey kennt diesen Tonfall zur Genüge. Mit Ausnahme, dass Joey nie das macht, was Kaiba will.
 

"Wieso soll ich still liegen, wenn ich wach bin?", ist die kühle Antwort und Joey prügelt ein bisschen auf sein Kissen ein. Er müsste nur die Hand ausstrecken, um Kaibas nackten Körper zu ertasten.
 

"Vermutlich, weil andere auch morgen in die Arbeit müssen und versuchen zu schlafen. Nicht jeder lebt dein Lotterleben, Wheeler."
 

Joey gähnt. "Ernsthaft, du schläfst nie, Kaiba." Außer heute auf dem Sofa, nah an Joeys Körper gepresst und absolut träge. Es hat Joey aus seinem Konzept gebracht, welches immer das auch sein mag.

Er kennt diese wundbaren Kaiba-Momente, doch er hält sich lieber damit zurück, ihm diese unter die Nase zu reiben. Kaiba kann darin sehr unangenehm werden.
 

"Allerdings, weil du nicht ruhig liegen kannst und sinnlose Debatten über genauso unsinnige Dinge führst."
 

"Du hast doch damit angefangen!"
 

Kaiba dreht sich so abrupt um, dass Joey zusammenzuckt. Obwohl der Raum in schattenhafte Finsternis getaucht ist, spürt Joey den stechenden Blick auf seinem Gesicht.

Kaiba beherrscht das auch perfekt in der Nacht.

Sein wütendes Gegenüber atmet tief und heftig aus. Der Stoff raschelt, als er sich bewegt und Joey rappelt sich ebenfalls ein bisschen auf. Er kann Kaibas Profil in der Finsternis erahnen. Das Gesicht, das so von Müdigkeit gezeichnet war. Aber Kaibas Geist ist immerzu in jeder Sekunde hellwach, als wittere er Verrat und Korruption in jeder Sekunde seines Daseins.
 

Es ist Seto Kaibas stärkste Waffe. Sein Verstand, seine Instinkte.
 

Joey hat morgen wieder einen Zwölf-Stunden-Tag vor sich. In der Eisdiele. Er muss wach sein. Er muss Wechselgeld holen und die Herstellung von neuen Eissorten ausprobieren. Er muss Massen von Kindern mit einem glücklichen zufriedenen Joey-Lächeln begrüßen.
 

Schlaflose Nächte kommen da nicht sehr gelegen.

Aber Joey ist sein harter Arbeitstag gerade so was von piepegal.
 

Er pustet blonde vorwitzige Haarsträhnen aus dem Gesicht und streckt seine Hand aus, die beinahe sofort auf warme Haut trifft.

Seltsam, wie nahe sie sich gerade gekommen sind.

Kaiba zuckt nicht zurück, als Joeys Finger über seine Haut fahren. Darunter die Spuren von Knochen, Rippen, nachfahren und in Joey die übliche Sorge wächst, dass Kaiba einfach für seine Größe viel zu mager ist.
 

"Warte nur, irgendwann stopfe ich dir soviel Eiscreme in dein vorlautes Mundwerk, dass du nen hochgradigen Kalorienschock kriegst, Kaiba!", hisst er ungehalten und seine Finger fahren in der Finsternis die Halslinie nach. Und seinen Fingerkuppen pulsiert der etwas zu hektische Puls von Seto Kaiba.
 

"Irgendwann bringe ich dich für dein vorlautes Mundwerk um. Und zwar höchstpersönlich." Es ist eine Ehre, persönlich von Kaiba vernichtet zu werden. Neuerdings überlässt er die Schmutzarbeit lieber anderen, die nichts Besseres zu tun haben.
 

Joey unterdrückt ein Grinsen. Seine Finger haben Kaibas Lippen erreicht. Sie sind viel wärmer als der Rest seines Körpers und schaudern leicht. Es ist ihr Vorspiel. Sich möglichst viele Beleidigungen an den Kopf werfen, während die Leidenschaft langsam und stetig in ihnen wächst.

Sie können gar nicht anders als so. Alles andere würde Gefühle vortäuschen, die sie beide nicht füreinander haben.

Es ist ein gehauchter Kuss, den Joey auf Kaibas Nasenspitze platziert.
 

"Wolltest du nicht lieber schlafen?" Es klingt provozierender als beabsichtigt.
 

"Wolltest du nicht lieber die Klappe halten?", ist die prompte Erwiderung. Kaiba beugt sich so weit über ihn, bis Joey die Wärme seines Atems auf seiner Haut spürt.
 

Kaibas Herzschlag direkt über seinem eigenen.
 

Er weiß, dass es nichts bedeutet. Niemals etwas bedeuten wird. Aber es fühlt sich in Ordnung an. Richtig. Und wenn das alles ist, was er erwarten kann, dann reicht es aus.
 

*
 

Seto Kaiba ist am nächsten Tag wieder der unbarmherzige Geschäftsmann. Die Spuren der Nacht verbirgt er unter Lagen von Stoff und alles an ihm ist gewohnt akkurat und maschinenähnlich.

Joey schlürft heiße Schokolade. Er sitzt auf der Arbeitsfläche seiner Küchenzeile und seine nackten Füße baumeln über dem Fußboden. Er fühlt sich übernächtigt und gerädert und doch hat er ein warmes Gefühl im Bauch.
 

Draußen ist es trüb und nass und bewölkt. Eigentlich kein guter Tag für einen Eisdielenbesitzer.

"Wann kommst du wieder?", fragt Joey belanglos.
 

Kaiba beachtet ihn nicht, trinkt stattdessen Kaffee und genehmigt sich die erste Tablette gegen Kopfschmerzen an diesem Tag.

Im Radio dudelt ein neuer Popsong. Es klingt nach Sommer und Joey mag ihn so sehr wie Kaiba moderne Musik verabscheut.

Kaiba klappt sein Mobiltelefon auf und herrscht ein paar knappe Befehle hinein. Seine Laune ist an diesem Morgen wieder bahnbrechend schlecht und Joey beobachtet ihn mit blonden hochgezogenen Augenbrauen.
 

"Mein Chauffeur holt mich in einer viertel Stunde ab", beginnt Kaiba neutral.
 

"Du hast meine Frage nicht beantwortet", stellt Joey fest.
 

"Eine Antwort erübrigt sich." Kaiba hat jede Spur von Verletzlichkeit, die er am Tag zuvor so widerwillig offenbart hat, ausgelöscht. Kaiba hat sich selbst zu einer Ikone gemacht. Eine Persönlichkeit, die jeder Mensch fürchten lernt.

Kaiba greift nach dem Schlüssel zu Joeys Wohnung, der auf der Kommode liegt. Für einen Moment zögert Kaiba, dann verschwindet der Schlüssel in seinem Aktenkoffer.

Ihr Abschied ist immer etwas merkwürdig. Beinahe befangen. Weil keiner etwas zu sagen hat.
 

"Also... bis demnächst."
 

Kaiba macht eine abfällige Handbewegung. Und geht. Joey wird vielleicht in zwei oder drei Wochen wieder von ihm hören. Weil es Kaibas Spiel ist und er darin nur die Rolle eines Statisten hat.
 

"Grüß Mokuba", sagt Joey noch, nur um irgendeinen Ton herauszukriegen.
 

Kaiba dreht sich um. Seine Bewegungen sind präzise und kontrolliert. "Mokuba ist in Südamerika. Das weißt du doch."
 

Joey zuckt mit den Schultern. Er möchte gerne sagen, dass er nicht wieder zwei Wochen auf Kaibas nächsten Besuch warten will. Dass er auch mal an Kaibas Leben teilhaben will, aber dieser Gedanke ist dumm, weil Kaiba kein anderes Leben besitzt.

Kaiba lässt die Wohnungstür ins Schloss fallen und ist verschwunden. Wieder einmal.

Und Joey ist von der vielen heißen Schokolade plötzlich übel.
 

*
 

"Wenn du weiterhin so ein Gesicht ziehst, trete ich dir gegen dein Schienbein."
 

Joey hantiert mit dem Löffel in einem Stahlkasten Eiscreme herum und sein Kopf zuckt herum. Seine Laune ist nach Kaibas unspektakulärem Abgang metertief gesackt. Er lässt seine Wut an der Weißen Schokolade-Eissorte aus.

"Hat dich jemand nach deiner Meinung gefragt, Göre?!"
 

"So schlagfertig heute, Joey?" Er hört sie gähnen.
 

Sie. Rebecca Hawkins. Blond, neunmalklug und mit einem Ego, das es durchaus mit dem von Kaiba aufnehmen kann. Sie sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen da und hackt auf ihrem Laptop in metallic red herum. Sie trägt einen viel zu kurzen Jeansrock und ein Top mit der amerikanischen Flagge und schlürft seelenruhig Milchshake.
 

Joey mag sie nicht. Und noch weniger, da sie seit kurzem in der Kaiba Corporation mitspielt. Software für Kaiba schreibt sich innerhalb kurzer Zeit zu einer stellvertretenden Abteilungsleiterin gemausert hat.

Kaiba hat mal gesagt, er schätzt ihre Arbeit. Schnell, effizient und genial. Kaiba würde wahrscheinlich nicht mal auf Joeys Beerdigung erscheinen.
 

"Haben du ein dein Betthäschen euch etwa gestritten?", fragt Rebecca mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie schnappt sich einen Abrechnungsordner und blättert darin herum.
 

"Geht dich das vielleicht etwas an?!" Joey wirbelt herum. "Und rede nicht von solchen Dingen! Du bist viel zu jung dafür!"
 

"Ich bin 20, du Pappnase. Und ich will gar nicht wissen, was du mit 20 schon alles mit Kaiba getrieben hast. Und das, obwohl dein geistiges Niveau Etagen unter meinem ist."
 

Rebecca und Kaiba passen zueinander wie die Faust aufs Auge.
 

Und es sind diese Momente, in denen Joey die anderen vermisst. Yugi in Ägypten, Tristan auf Weltreise mit seinem Motorrad, Tea beschäftigt mit ihrem Job als Eventplanerin und Mokuba in Südamerika wegen seinem Studium.
 

Alles, was Joey noch hat, ist Kaiba und Rebecca. Es ist beinahe deprimierend.
 

"Fertig." Rebecca drückt Joey den Ordner in die Hand und steht auf.
 

"Danke", murmelt er widerwillig. Rebecca schaut ihn an und pustet sich ihre langen blonden Haare aus dem Gesicht.
 

"Ich tue das nicht für dich", sagt sie und wedelt mit ihren goldlackierten Fingernägeln vor seinem Gesicht herum. "Ich tue es, weil Yugi mich darum gebeten hat."
 

Und wahrscheinlich, weil sie kostenlos Milchshakes schlürfen darf. Tatsächlich es es Yugis Idee gewesen, ihm Rebecca Hawkins auf den Hals zu hetzen. Damit sie seine Buchführung macht. Und vielleicht auch nur deswegen, dass Joey nicht ganz alleine hier in Domino ist.
 

"Nun ja, meine Zeit ist begrenzt. Ich habe mit Kaiba ein Meeting in einer Stunde."
 

Joeys Augen wandern an Rebecca hinab. Er fragt sich, ob sie in diesem Minirock und dem fast bauchfreien Top zu Kaiba geht. Und ob Kaiba sich nicht vorstellt, dass Rebecca viel besser zu ihm passen würde als Joey. Joey mit seiner kleinen Eisdiele gegen Rebecca, die zu viel auf den Kasten hat und statt Rüschen und Teddybären jetzt knappe Klamotten trägt.
 

"Der Kerl hasst ja Unpünktlichkeit so dermaßen", redet Rebecca unbeirrt weiter. "Also Chef des Monats wird er wohl nie werden."
 

"Hm", gibt Joey nur von sich.
 

"Wann kommst du wieder?"

"Eine Antwort erübrigt sich.“
 

Rebecca hat wenigstens Meetings mit Kaiba. Eigentlich verbringt jeder mehr Zeit mit Kaiba als Joey. Und Joey ist der Typ, mit dem er schläft. Das Individuum, das er links liegen lässt.

Joey möchte Kaiba am liebsten dafür eine reinhauen. Als er es seinen Freunden erzählt hat, dass da was mit Kaiba läuft, gab es verständnislose Blicke.
 

Kaiba kann niemand leiden. Kaiba kann sich wahrscheinlich nicht mal selbst leiden.
 

"Hey Hawkins", ruft er Rebecca hinterher. "Sag diesem Vollidioten, dass ich ihn hasse."
 

Rebecca dreht sich langsam um. Ihr Blick ist sehr kritisch. "Joey", sagt sie fast sanft, "als ob er das nicht wissen würde. Du solltest aufsperren."
 

Und damit ist Rebecca wieder für eine Woche verschwunden. Um Meetings mit Kaiba zu halten. Joey wuselt sich die blonden Haare.

Es macht ihn verrückt, Kaiba zu sehen. Es macht ihn noch viel mehr verrückt, Kaiba nicht zu sehen.
 

Joey ist 25. Und doch ist und bleibt er in Kaibas Augen der hirnlose Vollidiot aus der Schule, mit dem er streiten konnte. Seit acht Jahren treten sie auf der Stelle.

Wäre sein Leben normal, könnte er jetzt eine Frau und vier Kinder haben. Er könnte eine Frau wie Mai haben. Aber immer wenn er in Kaibas blaue abschätzende Augen sieht, weiß er, warum er keine normale Beziehung will.
 

Warum es Kaiba sein muss. Kaiba, immer nur Kaiba.
 

*
 

Joey fühlt sich am Abend wie im falschen Film.

Er kann vor Müdigkeit kaum mehr die Augen offen halten, als er endlich die Eisdiele absperrt. Rebecca hat mal gemeint, er kann sich durchaus eine richtige Angestellte leisten.

Dienstags wirft Serenity den Laden, weil sie da nicht an die Universität muss. Es ist Joeys einziger freier Tag in der Woche. Aber er will gar keine Angestellten.
 

Weil Joey gar nicht weiß, was er sonst machen soll. Mit mehr Freizeit, wenn seine besten Freunde nicht da sind, um mit ihm irgendeinen Unfug anzustellen.

Joey hat nur seinen Alltag, mit dem er wirklich glücklich ist.
 

Er greift nach dem Musikplayer in der Tasche seiner Jeansjacke. Draußen ist es Nacht, kühle angenehme Nacht. Weit weit über ihm glänzen die Sterne.

Joey schaltet die Musik so laut, dass er seine eigenen Gedanken nicht mehr hören kann.
 

Die Eisdiele ist nicht weit entfernt von seiner Wohnung. Und draußen in den Straßencafés hocken unzählige Menschen, lachend und redend und die kühle Luft genießend.

Kaiba ist kein einziges Mal mit Joey irgendwo hin gegangen. Er wüsste auch nicht, worüber sie reden sollten.
 

Die Schnappschüsse, die von ihnen in der Presse herumgeistern, sind ihre einzigen gemeinsamen Fotos. Joey hat eines davon eingerahmt. Und dann ein paar Wochen später samt neuen Rahmen weggeworfen.
 

Joey unterdrückt ein Gähnen, als er nach seinem Haustürschlüssel greift. Er will nur noch ins Bett, die Decke über den Kopf ziehen und einschlafen.
 

Doch in seiner Wohnung empfängt ihn nicht die erwartete Finsternis.

Joey zerrt an den Ohrenstöpsel seines Musikplayers und atmet heftig ein, als er Seto Kaiba auf dem Sofa erkennt.
 

"Was machst du verdammt noch mal hier?!"
 

Kaiba bewegt sehr langsam den Kopf zu ihm. "Konversationen beginnen normalerweise mit einer Begrüßung, Wheeler."
 

"Ich pfeif auf Begrüßungen! Was tust du hier? Du warst doch erst gestern da!"
 

"Mein Gedächtnis funktioniert sehr gut, Wheeler."
 

Zwischen ihnen entsteht eine Stille. Und Joey wird nervös. Kaiba kommt nie öfters als zweimal im Monat zu ihm. Damit sie sich vorsagen können, dass es mehr eine flüchtige Bekanntschaft als eine Affäre oder was-auch-immer ist.

Kaibas Anwesenheit verunsichert Joey. Kaiba trägt noch einen Designeranzug. Er ist direkt aus der Firma hierher gekommen.
 

Joeys Müdigkeit ist durch Kaibas Erscheinen wie weggefegt. Er fühlt sich fast überdreht.

"Ähm", beginnt er langsam. "Wartest du schon lange?"
 

Kaiba nickt. Es ist ihm Antwort genug.
 

Und Joey dreht sich weg, damit er ihn nicht mehr ansehen muss. Er holt sich ein Glas Cola und bleibt vor der Küchenzeile stehen.

Und weil er plötzlich nicht mehr weiter weiß, dreht er den Wasserhahn auf und steckt den Kopf darunter. Die eisige Kälte holt seinen Verstand beachtlich schnell in die Realität zurück.

Joey atmet tief ein und aus. Er hasst es, wenn Kaiba die Regeln des Spieles so einfach ändert. Und er hasst es noch mehr, dass er vorher daran gedacht hat, dass es ihn wahnsinnig macht, Kaiba nicht sehen zu können. Dumme Gedanken.
 

"Herrgott Wheeler. Du bist eine wandelnde Katastrophe."
 

Kaiba steht plötzlich neben ihm. Und beobachtet ihn mit hochgezogenen Augenbrauen, während Joeys nasses Haar den Saum seines Shirts durchtränkt.
 

"Das ist ja wohl deine Schuld", murmelt Joey giftig.
 

Kaiba verschränkt die Arme. Er schaut viel besser als am Tag zuvor aus. So, wie Joey ihn kennt.
 

"Ich bin eher gespannt, wieso Hawkins der Ansicht ist, du massakrierst meinetwegen dein Speiseeis."
 

Joey fragt sich, ob er seine plötzlich hochroten Wangen auf die Kälte schieben kann. Er schaut weg.

"Das ist gar nicht wahr, Kaiba. Deine kleine blonde Freundin irrt sich. Ich massakriere das Eis, weil ich darauf Lust habe und weil es cremiger wird! Verstehst du neuerdings schon etwas von Eis?"
 

Kaiba atmet leise aus. "Manchmal kann ich nicht glauben, wie schwierig du bist, Wheeler. Und so kindisch. Mit 25."
 

"Wenn ich dir nicht passe, schnapp dir doch jemand anderen. Rebecca würde sehr gut zu dir passen!"
 

"Ich stehe nicht auf Blondinen, weißt du." Kaiba legt seinen Kopf schief.
 

"Oh. Dann hat ja künftig jeder von uns ein großes Problem weniger." Joey geht an Kaiba vorbei. Er ist einfach nicht darauf vorbereitet gewesen, Kaiba heute noch zu sehen. Er schwört sich, in Rebeccas nächsten Milchshake Gift zu mischen.
 

"Und nur, weil diese Göre meint, ich sei schlecht drauf, kommst du höchstpersönlich vorbei?" Joey wischt sich nasse Strähnen aus dem Gesicht. "Was ist los mit dir? Bist du high von den Schmerztabletten?"
 

"Ich mag es nicht, wenn man mich auf mein Privatleben anspricht. Wenn man mich darauf anspricht, weil dein Verhalten zu auffällig ist."
 

Joey dreht sich langsam um. Plötzlich ist er wieder müde. "Du hast kein Privatleben, Kaiba. Schick das nächste Mal Roland oder sonstwen vorbei. Sonst richten sie mir doch auch öfters mal deine Anweisungen aus."
 

In Kaibas Augen glimmt plötzlich etwas auf. Etwas eisig Kaltes. Immer wenn Joey die Nerven verliert, macht er Kaiba wütend. Er weiß immerhin, wie er Kaiba wütend machen kann.

Und das ist eine ungemeine Befriedigung.

"Überspann es nicht, Wheeler."
 

"Wieso? Liebst du mich sonst nicht mehr?"
 

Joey zerrt sich sein halbfeuchtes Shirt über den Kopf. Sie streiten sich viel zu häufig. Aber dieses Mal kann Joey nicht verhindern, dass der Streit persönlich wird.

Und eigentlich ist es ihm total egal. Er wird einfach nicht klug aus der Sache, die zwischen ihnen läuft. Er weiß nicht, wieso Kaiba immer wieder zu ihm kommt. Er weiß nicht, warum er Kaiba einen Schlüssel für die Wohnung gegeben hat. Es sind verdammt noch mal acht Jahre. Joeys Eltern waren nicht mal acht Jahre miteinander verheiratet.
 

Seltsamerweise folgt keine weitere bissige Bemerkung.
 

Stattdessen starrt Kaiba ihn mit analytischen Blicken an, als würde er ihn in seine Zellen zerlegen wollen. Und Kaiba grinst. So boshaft und übertrieben arrogant, dass die Wut in Joeys Bauch beinahe explodiert.
 

"Sag bloß, Wheeler, dass das dein Problem ist? Weil ich dich nicht liebe?" Er spricht das Wort mit offenem Ekel aus.
 

Liebe ist das Wort, das Joey vor sehr langer Zeit mental durchgestrichen hat. Trotz allem kann er nicht verhindern sich vorzustellen, wie es mit Kaiba wäre, wenn sie eine richtige Beziehung hätten. Eine mit allem Tamtam und Kitsch und Gefühlen.

Wie einer dieser schmachtenden Liebesfilme mit blinkenden Herzen und rosaroten flauschigen Wolken.

Nicht dieses funktionale Etwas zwischen ihnen. Dieses Spiel, von dem Joey weiß, dass er es nicht ewig spielen kann.
 

"Mach dich nicht lächerlich", sagt er bitter. "Als ob sich irgendein Mensch in ein Arschloch wie dich verlieben könnte."
 

Joeys Leben dreht sich nur um die zwei Mal im Monat, in denen Kaiba vorbeischaut. Er lebt von Dienstag zu Dienstag und wartet darauf, dass Kaiba wieder vor der Türe steht. Um ein paar Stunden später wieder zu verschwinden.
 

Kaibas Blick ist wie eine Betonwand. Sein arrogantes Grinsen ist verschwunden und er starrt Joey wieder reserviert wie immer an.

Und plötzlich hat Joey das Gefühl, dass seine Aussage Kaiba irgendwie getroffen hat. Ihn verletzt hat, obwohl der Gedanke natürlich dumm ist. Kaiba kann nichts verletzen.
 

"Bleibst du hier?" Joey stellt diese Frage nur, um irgendeine vertraute Reaktion auf Kaibas Gesicht zu sehen.
 

Sie sind wieder keinen Schritt weiter. Joey weiß nicht, warum Kaiba heute eigentlich gekommen ist. Kaiba weiß nicht, was Joeys eigentliches Problem ist.

Sie bewegen sich im Kreis, weil sie beide nicht fähig sind, dieses Spiel einfach abzubrechen.

Kaiba zögert die Antwort unnatürlich lange heraus. Sie starren sich einfach an und nur ihr leiser Atem ist zu hören.

Dann beginnt Kaiba langsam, die Knöpfe an seinem Jackett zu öffnen. Langsam, viel zu bedächtig und doch ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
 

Joey schließt die Augen. Das Problem ist... dass er Kaiba nicht mehr gehen lassen will. Weil er sich kein Leben ohne Kaiba vorstellen kann.

Und das ist sein Problem.
 

*
 

Seto Kaiba hat sich in den letzten acht Jahren sehr verändert. Er ist immer noch ein Unmensch. Eine Maschine, die Befehle gibt und die halbe Menschheit in Angst und Schrecken versetzt.

Aber damals, als Teenager, hat Kaiba sein Leben mehr geschätzt als jetzt. Er hat für Mokuba Freizeitparks gebaut. Er hat Turniere veranstaltet und höchst widerwillig jedes Mal geholfen, wenn irgendwelche Irre die Welt erobern wollten.
 

Doch Kaiba hat irgendwann aufgehört zu leben. Er ist jeden Tag in die Corporation gegangen und hat sich gegen die Mächtigen der Welt durchgesetzt. Er hat aufgehört, Karten zu sammeln. Er hat aufgehört, Turniere zu veranstalten.

Und irgendwann hat wohl auch Mokuba begriffen, dass sein Bruder Seto nicht mehr da ist. Dass die Kaiba Corporation das Leben, der Pulsschlag und das einzige Augenmerk seines Bruders geworden ist.

Am Schluss ist da nur noch Joey geblieben.
 

Doch Seto Kaibas braune Haare sind immer noch so weich wie früher. Seine Haut immer noch ständig kühl. Er hat immer noch einen Herzschlag und irgendwo tief in sich verspürt er immer noch den Hauch eines Gefühls.
 

Joey starrt ihn an. Kaibas Gesicht leuchtet im Licht des Vollmonds und er hat seine Augen geschlossen. Seine dunklen Wimpern ruhen auf der empfindlichen Haut unter den Augen und seine Lippen sind ein klein wenig geschwollen.
 

"Du Kaiba?", fragt Joey leise und dreht sich auf den Rücken.
 

"Mhm?", ist die gebrummte Erwiderung.
 

Joey verschränkt die Arme hinter dem Kopf und starrt durch das Dachfenster zu dem Sternenhimmel. Durch das helle Mondlicht sind die Sterne nur schwach flackernde bedeutungslose Lichter.
 

"Wie glaubst du ist das in zwanzig Jahren zwischen uns?"
 

Joey versucht sich vorzustellen, wie sie mit 45 Jahren sind. Joey wird seine kleine Eisdiele und seine Wohnung abbezahlt haben und Kaiba wird immer noch Leiter der Kaiba Corporation sein.

Sie können dann auf sehr viele Jahre Leben zurückblicken. Doch was ist es, was sie sehen werden?

Kaiba öffnet die Augen und der Stoff der Decke raschelt leise, als er sich im Bett aufsetzt. Er starrt Joey direkt in die Augen.
 

"Wahrscheinlich werde ich mit 45 Jahren tot sein", stellt Kaiba trocken fest. Völlig ruhig, als würde ihn diese Tatsache nicht ansatzweise erschrecken.
 

Joey weiß, dass Kaiba seinem Körper viel zu viel zumutet. Dass er sich mehrmals am Tag heftige Tabletten gegen Kopfschmerzen einwirft und er kaum isst und seine sportliche Aktivität eigentlich Null beträgt.

Kaiba kann seinen Körper völlig seinem Willen unterwerfen. Aber irgendwann wird sein Körper nicht mehr mit seinem Geist mithalten können.
 

Und Joey weiß nicht, wie er sich ein Leben ohne Kaiba vorstellen soll. Genauso wie sich Kaiba nicht vorstellen kann, noch zwanzig Jahre zu leben.

Joey schließt die Augen. Seine Finger fahren suchend über die kühlen Bettlaken, bis er Kaibas kalte Finger spürt. Er will die Finger fest umschließen, belässt es dann aber dabei.
 

"Glaubst du, dass du ein glückliches Leben gehabt hast?"
 

Kaiba lacht ganz leise auf. "Was sollen diese sentimentalen Fragen, Wheeler?"
 

"Einfach so."
 

"Welcher Mensch ist schon glücklich?", ist die neutrale Erwiderung. "Wir wollen alle etwas, was wir nicht bekommen. Ich habe alles, was ich je wollte. Und es reicht nicht."
 

"Dich haben sie als Kind auch nicht mit Optimismus gefüttert, was?"
 

"Wahrscheinlich bist du einfach zu doof, um nicht glücklich zu sein." Es klingt fast nett.
 

Joey setzt sich ebenfalls im Bett auf. Er streckt seine Hand aus und berührt Kaibas Nacken. Feste, völlig verspannte Muskeln. Joey drückt seine Finger ein bisschen tiefer in die Haut und Kaiba verzieht das Gesicht.
 

"Entspann dich", flüstert Joey und platziert einen Kuss auf Kaibas linkes Schulterblatt.
 

"Als ob ich mich in deiner Nähe jemals entspannen könnte", murrt Kaiba. "Die Angst vor Flöhen lebt mit, Köter."
 

Joey beißt ihm in die Haut und hinterlässt einen roten Ring Zahnabdrücke auf der weißen Haut. "Ich hasse dich, Mistkerl."
 

Kaibas Atem brennt auf seinem Gesicht. Wie glühendes, loderndes Feuer.

Das zwischen ihnen ist ohne jede Romantik. Ohne jede Perspektive. Vielleicht liegt gerade darin die Faszination.
 

Joey kann nie der Mensch werden, der sich mit jemanden wie Seto Kaiba auf Augenhöhe befinden wird. Joey ist nur ein Mensch von sehr sehr vielen Durchschnittsmenschen.

Joey macht so viele Fehler, dass er sie unmöglich zählen könnte. Es gibt so viele Dinge die er nicht kann und nicht versteht und wofür er nicht das Talent hat. Und doch ist er es, den Kaiba immer mal wieder besucht. Kaiba, der so übermenschlich ist, dass man Angst kriegen kann.
 

Wäre Joey Yugi, würde er das Ganze vielleicht Schicksal nennen.
 

In Wahrheit ist es nur Hass. Und ein bisschen Sehnsucht nach den Dingen, die ihnen nicht gehören werden. Niemals, zu keiner Zeit.
 

Wie zwei Puzzlestücke, die nicht ineinander passen und sich doch so sehr verankert haben, dass man sie nicht mehr entreißen kann, ohne die Puzzlestücke kaputt zu machen.
 

*
 

Vier Wochen vergehen, ohne dass Joey von Kaiba auch nur einen knappen Anruf bekommt. Zwischen ihnen herrscht wie immer diese tosende unruhige Stille und diese Distanz, wenn Kaiba die Befürchtung hegt, er ist Joey emotional ein bisschen zu nahe gekommen.
 

Joey geht völlig auf in seinem Alltagstrott. Irgendwann kann er sich sogar einreden, dass es ihm egal ist, ob Kaiba jemals wieder einen Fuß in sein Leben setzt. Diese Vorstellung ist absolut dämlich, aber es beruhigt Joey, dass er sich das noch einreden kann.
 

Und wie jede Woche ist Rebecca wieder da und macht seine Buchführung. Der Hochsommer neigt sich dem Ende zu und das unendliche Blau des Himmels wird mit Wolkenfeldern überzogen.
 

Joey streckt sich und kreiert eine neue Eissorte. Erst hat sie die Augenfarbe von Kaiba gehabt und Joey hat es irgendwann mit viel zu viel Mühe geschafft, die Farbe in ein Violett zu verwandeln. Er will kein Eis, dass die Augenfarbe von Kaiba hat.
 

Rebecca stützt ihren Kopf mit der Handfläche ab und beobachtet ihn analytisch mit hochgezogenen Augenbrauen. Joey fragt sich, ob sie manchmal Kaiba genauso beobachtet und dann ihre neunmal klugen Schlüsse daraus zieht.

Joey starrt sie an. Rebecca hat ihre langen blonden Haare zu Zöpfen geflochten und sie schaut auf einmal gar nicht mehr wie 20 aus, sondern wieder wie das kleine Mädchen, das mal nach Yugi verrückt war.
 

Sie ist ein sehr seltsamer Aufpasser und die Götter alleine wissen, warum Yugi sie ausgerechnet damit betraut hat, hin und wieder mal nach Joey zu sehen.
 

"Du hast vergessen, eine Rechnung zu begleichen, Joey", sagt sie neutral. "Du bist viel zu gedankenverloren. Einem Geschäftsmann passiert das nicht."
 

Joey seufzt auf. "Ich bin kein Geschäftsmann. Geschäftsmänner sind so wie Kaiba."
 

"Pass in Zukunft besser auf, Joey", erwidert sie ungnädig. "Mach mir noch einen Vanillemilchshake. Aber mit sehr viel Honig."
 

Joey zuckt mit den Schultern und beginnt, riesige Kugeln Vanilleeis in den Mixer zu befördern.
 

"Mokuba ist übrigens in Domino. Er hat Semesterferien und will bei Kaiba ein paar Millionen für ein Projekt lockermachen. Zisternen oder so etwas", redet Rebecca los. Sie hört sich sehr gerne selbst reden.

"Wusstest du, dass die Lebenserwartung in Sierra Leone bei Männern bei unter 48 Jahren liegt?"
 

Joey kippt Milch dazu und schaltet den Mixer an. Kaiba denkt nicht mal selbst, dass er so alt wird. "Kaiba interessiert sich nicht für die Menschen in seiner Umgebung, geschweige denn für die am anderen Ende der Welt."
 

Mokuba ist nicht wie Seto Kaiba. Mokuba hat sich vom kleinen, süßen und unschuldigen Jungen mit den großen Augen zu einem jungen Mann gemausert, der 15 hochkomplizierte Sachen auf einmal studiert und nebenbei die Welt retten will. Aber selbst Mokuba besitzt nicht mehr die Macht, in Kaiba einen Funken Menschlichkeit zu entflammen. Niemand schafft das.
 

Joey schiebt den Milchshake zu Rebecca hinüber.
 

"Ihr beide seid so seltsam. Ich frage mich ernsthaft, wieso ihr euch noch miteinander trefft, wenn ihr emotional eh schon am Ende seid."
 

Genau das fragt Joey sich auch. Als er das Gefühl gehabt hat, Kaiba einen halben Schritt näher gekommen zu sein, hat dieser wieder die Barrieren hochgezogen.

Vier Wochen ohne ein Sterbenswort sind verdammt lange. Sogar für Kaiba.

Jedes Wort von Kaiba befördert seinen Verstand in den Himmel, und der nachfolgende Absturz in die Realität ist jedes Mal umso schlimmer.

Und Joey ist es leid, so verdammt leid, in der Realität auf den nächsten Aufputsch gen Himmel zu warten.
 

"Hey Hawkins. Was würdest du tun? Du bist doch immer so klug."
 

"Schleim nicht", nuschelt sie in den Strohhalm. "Ich würde logische Konsequenzen aus der jetzigen Situation ziehen und eine individuelle Entscheidung treffen."
 

"Huh?"
 

"Gott Wheeler, ich hoffe, sie finden irgendwann den Typen, der dir bei der Geburt das Hirn geklaut hat und sperren ihn lebenslang weg. Ehrlich."
 

Joey übergeht diese Bosheit. Er hat nicht über acht Jahre Kaiba ertragen, um dann Bosheiten von einer rotzfrechen Göre zu hören.
 

"Soll ich ihm sagen, dass er mich mal gern haben kann?"
 

Rebecca atmet sehr tief ein. "Joey. Nun lausche mal ganz genau den Worten einer Frau."
 

"Wo bist du denn eine Frau?"
 

"Halte die Klappe. Also. Joey, er würde nicht zu dir kommen, wenn er sich nicht irgendetwas davon erhoffen würde, oder?"
 

Es ist die Frage, die Joey sich schon sehr sehr lange Zeit immer und immer wieder selbst stellt. Der Sinn, den Kaiba in ihrem kleinen Spiel sieht. Vielleicht, weil Joey für ihn eine kleine Triumphfigur ist. Er hat seinen Stiefvater vernichtet, Pegasus überflügelt und führt ein abstruses Spiel mit der einzigen Person auf der Welt, die sich noch freiwillig mit ihm jedes Mal aufs Neue anlegt.

Kaiba sammelt sie auf, weil sie Herausforderungen waren und mit ihnen der Pfad zu seiner Perfektion gepflastert ist.
 

Rebecca hebt ihren Zeigefinger. "Du wickelst ihn scheinbar irgendwie immer und immer wieder um den kleinen Finger. Ich habe keine Ahnung, wieso der Kerl an einer solchen Geschmacksverirrung leidet oder wie du das schaffst, aber scheinbar funktioniert es."
 

Joeys Augen sind tellergroß. "Ich... wickle Kaiba nicht... um den kleinen Finger...", sagt er und klingt fast empört.
 

Rebeccas Grinsen ist unheimlich. Dabei ist sie ein Mädchen und 20 und sollte nicht unheimlich sein.
 

"Doch. Du tust es. Und wenn du klug bist, spielst du diesen Trumpf aus. Lass ihn wissen, dass du genauso gut spielen kannst wie er."
 

Vielleicht hätte sie an dieser Stelle erwähnen können, wie extrem Kaiba bei Herausforderungen reagiert, wenn es um seinen Machtanspruch geht.

Aber sie lächelt nur, abgrundtief süß und unschuldig, wie sie ist.
 

*
 

"Wer zur Hölle hat dich hier reingelassen?"

Kaibas Stimme ist schneidend und eiskalt. Er klappt den Monitor seines Laptops herunter und lehnt sich auf seinem exklusiven Bürosessel aus hellem Leder zurück.
 

"Seit wann trägst du denn eine Brille?", fragt Joey und fährt sich durch die Haare, die daraufhin noch unordentlicher und wirrer sind. "Wusste ich gar nicht."
 

Kaiba reagiert nicht auf diese Frage, sondern starrt Roland an, der wie immer ein Maß an Kompetenz ist und neben ihm steht und dessen Husten verdächtig danach klingt, sein Lachen zu tarnen.
 

"Wer hat dieses Individuum hereingelassen?!"
 

"Hey du alter Saftsack, wenn du mich noch mal Individuum nennst, bringe ich dich um!"
 

Roland und Kaiba ignorieren ihn.

"Sir", stellt Roland aalglatt fest. "Natürlich haben wir Ihren Befehl, Master Wheeler sofort eine Kugel in den Kopf zu jagen, zur Kenntnis genommen. Aber Mord um diese Uhrzeit in unserem Foyer wäre sicherlich ganz schlechte Publicity."
 

Kaiba rückt seine Lesebrille zurecht. Und Joey fühlt sich, als würde er Kaiba gleich mit seinen Fingernägeln das Gesicht zerkratzen wollen.

"Wie immer werde ich das wohl selbst erledigen müssen. Hinaus."
 

Roland nickt höflich. "Sir. Ich gehe davon aus, dass Sie bei der Sitzung später unpässlich sein werden?"

Kaiba nickt beinahe unmerklich. Und Roland verschwindet, die Diskretion in Person.
 

"Kugel in den Kopf jagen, ach ja?!", faucht Joey. Irgendwie ist es gut, dass zwischen ihnen ein Sicherheitsabstand in Form des Schreibtisches ist.
 

Es tut gut, Kaiba wieder zu sehen. Und es beruhigt Joey, dass Kaiba nicht halb so fertig aussieht wie bei einem seiner letzten Besuche. Er sieht wesentlich gesünder aus und hat wieder zu alter Form zurückgefunden.
 

Er ist wieder dasselbe Arschloch wie immer.
 

Kaiba steht auf und umrundet seinen Schreibtisch. Er bewegt sich übertrieben beherrscht und nimmt seine Lesebrille ab.
 

"Du verstößt gegen die Regeln, Wheeler."
 

Joey verschränkt die Arme und bleibt dicht vor ihm stehen. "Ich pfeif auf deine Regeln, Kaiba. Das ist mir so was von egal. Scheinbar scheinen auch deine Angestellten Klatschzeitungen zu lesen, huh?"
 

Tatsächlich hat Joey sich mental auf eine Horde von übereifrigen Security-Mitarbeitern eingestellt, als er die Kaiba Corporation betreten hat. Doch es ist ein Spaziergang gewesen. Alle haben ihn angesehen, mit unverblümt verwunderten Augen, dass die inoffizielle Affäre von Seto Kaiba mit gnadenloser Selbstverständlichkeit die Firma betreten hat.

Joey, mit ausgewaschener Jeans und ausgebleichtem Shirt und total zerlaufenen Turnschuhen.
 

"Vier Wochen, Kaiba, vier sehr verdammt lange Wochen", hisst er und er hasst es, dass er ein Stück kleiner ist als Kaiba.
 

Er hat keine Ahnung, wie er angeblich Kaiba um den kleinen Finger wickeln soll. Er weiß nicht mal, ob die Gründe für Kaibas immer-mal-wieder-Besuche überhaupt vorhanden sind.

Er weiß nur, dass ein Teil von ihm Kaiba in den letzten vier Wochen furchtbar vermisst hat. Und er ihn dafür hasst, wie immer, dass er ihn links liegen gelassen hat.
 

"Ich bin ein sehr vielbeschäftigter Mensch", sagt Kaiba, und seine Stimme klingt nicht ganz so standhaft wie sonst. "Und der Sex mit dir ist auch nicht so weltbewegend, dass ich dich öfters als einmal im Monat sehen müsste."
 

"Wie bitte?!"
 

Kaibas Lippen formen ein gehässiges Grinsen und er wendet sich so abrupt ab, dass Joey zusammenzuckt.
 

"Wenn du so versessen darauf bist, werde ich versuchen, diese Woche einen Abend für dich frei zu halten."
 

"Es reicht mir aber nicht!" Joey will mehr als das. Er will soviel mehr und kriegt es nicht und es treibt ihn in den Wahnsinn.
 

"Was du willst, steht hier nicht zur Debatte." Kaiba setzt sich wieder auf seinen Bürostuhl und klappt seinen Laptop auf. Er runzelt kurz die Stirn, als seine Augen über den Monitor wandern, und Joeys Existenz wird unbedeutend. "Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest. Und sieh zu, dass du hier nie wieder erscheinst. Ich dulde das nicht."
 

Joey senkt den Kopf. Kaibas Launen sind wie eine Achterbahn. Manchmal steht seine Welt so Kopf, dass er für einen Moment vergisst eine Maschine zu sein und so etwas Banales wie Schwäche zulässt.

Aber er hat keinen Funken Macht über Kaiba. Das hier ist Kaibas Spiel. Das ist die bittere Wahrheit.

Kaiba starrt auf seinen Computer und seine Finger fahren schwungvoll über die Tastatur. Ab und an wirft er einen knappen Seitenblick auf eine Akte, die neben ihm aufgeschlagen daliegt. Kaiba ignoriert ihn, als wäre er eine dieser penibel gepflegten Hydrokulturpflanzen.
 

Er ist Luft für ihn. Joey hat in seinem Leben soviel erreicht. So viele Träume erreicht. Vielleicht bleibt diese Sache, die er sich von Kaiba erhofft, nur ein Traum. Ein Traum, den er begraben muss. Einen Traum, der niemals Bestandteil von ihm hätte werden dürfen.
 

Kaiba geht seinen Weg. Hinein in die Selbstzerstörung. Er akzeptiert die Tatsache, dass seine Realität ihn mehr früher als später umbringen wird. Und es macht ihn nichts aus. Kaibas Welt funktioniert nicht so wie die von Joey. Sie fordert absolute Selbstaufgabe. Ein Leben, ohne einen einzigen Funken Licht.
 

"Schon kapiert", sagt Joey leise. "Ich hau ab."
 

Er dreht sich um und seine Schritte erklingen gedämpft in dem riesigen Raum.

Joeys Hände ertasten die vergoldete Türklinke. Er weiß, dass er hiermit Kaiba hinter sich lassen muss. Er weiß, dass er es beenden muss.

Es ist soviel klüger für Joey. Ohne Kaiba. Es ist die richtige Entscheidung. Joeys Kopf senkt sich so weit vor, bis er das Holz der Türe auf seiner Stirn fühlt.
 

Er atmet tief ein.
 

Joey ist Luft für Seto Kaiba. Aber jeder Mensch braucht Luft, um zu überleben. Und wenn er Kaibas Luft sein sollte, dann will er, dass Kaiba ohne ihn erstickt.
 

Seine Faust knallt mit einer solchen Wucht gegen die Holztüre, dass ein herber Schmerz sein Handgelenk durchzuckt und ein kehliges Kichern in Joey hochsteigt. Er lacht und lacht und lacht. Er kann nicht mehr damit aufhören und er spürt Kaibas irritierten Blick in seinem Rücken.

Kaiba kann ohne ihn nicht existieren. Weil er es auch nicht ohne ihn kann. Joey weiß, dass es falsch ist. Aber was interessieren ihn schon banale Konsequenzen?
 

Joey dreht sich um. Und läuft los. Er überbrückt die Distanz zwischen ihm und Kaiba und umrundet beinahe rennend Kaibas Schreibtisch.

Kaibas Augen sind so blau und beinahe ausdruckslos, als Joey vor ihm stehen bleibt. Kaiba schaut zu ihm hinauf und seine langen Finger verharren über der Tastatur.
 

"Wheeler. Du bist wirklich nicht ganz richtig im Kopf."
 

Joeys Atem überschlägt sich fast. Er ist angespannt bis in die Fingerspitzen und sein Blut zirkuliert viel zu schnell in seinem Körper.
 

"Halt die Klappe. Nur dieses eine Mal, halt einfach verdammt noch mal die Klappe!"
 

Kaiba grunzt und wendet den Kopf ab. Doch Joey sieht sein Zögern. Den kaum sichtbaren Hauch von Nervosität. Kaiba hasst es, wenn ein Mensch nicht so reagiert wie er es plant.
 

Joey hebt seine Hand. Seine Haut ist von der Sommersonne gebräunt und wirkt neben Kaibas stets blassem Gesicht wie Karamell. Karamellsahne. Eine von Joeys Lieblingseissorten.

Er zwingt Kaiba, sein Gesicht wieder zu ihm drehen. Und Joey hat das Gefühl, dass ihn ein endlos weiter blauer Himmel erdrücken will.
 

Blau, so furchtbar blau und monoton.
 

Und als er seine Lippen auf die von Seto Kaiba presst, fühlt es sich an als würde er mitten in diesen Himmel hinabfallen. Wie ein endlos langer freier Fall, der seinen Verstand in eine Wirklichkeit katapultiert, in der alles aus Kaibas Lippen zu bestehen scheint.

Kaiba erwidert den Kuss nicht. Sie haben sich noch nie auf diese Weise geküsst. Kaibas Lippen sind schmal und weich und zittern ein ganz klein wenig. Doch Joey spürt es und das Kitzeln von Kaibas braunem Haar auf seinem Gesicht.
 

Er will Kaiba soviel sagen. Aber er wird es nie können. Weil es sich erübrigt.
 

Und plötzlich spürt er Kaibas kalte Finger auf seinem Handgelenk. Direkt über seinem Puls und er hat Angst, dass Kaiba ihn wegdrängen will. Doch Kaibas Finger bleiben dort einfach liegen, als würde er das viel zu schnelle Pochen von Joeys Puls spüren wollen.
 

Kaibas Leidenschaft ist meistens so kühl wie ein Klotz aus gefrorenem Wasser. Er beharrt darauf, dass ihr Sex rein funktional ist. Ohne unnötige Berührungen, ohne gefühlsduselige Romantik.

Aber jetzt fühlt es sich an, als würde Kaibas sonstiges Regelwerk unter ihren Berührungen zerbrechen. In unzählige Splitter, die etwas freigeben, was Kaiba immer fest unter Verschluss gehalten hat.

Einen kleinen Teil seiner Persönlichkeit, die er in Ketten gelegt hat. Seine Sehnsucht, seine Obsessionen, sein Begehren. Alles, was weit entfernt ist von Beherrschtheit und Funktionalität.
 

"Hör auf damit, Joey", murmelt Kaiba gegen seine Lippen. Doch er stößt Joey nicht von sich. Er zieht seine Finger nicht zurück. Er beißt Joey nicht mal auf die Lippen, um ihn am küssen zu hindern.
 

"Nur wenn du damit aufhörst."
 

Joeys ultimativer freier Fall endet abrupt. Und es fühlt sich an, als würde er gegen eine Betonwand krachen.
 

Denn die Türe zu Kaibas Büro wird aufgerissen.
 

"Mr. Kaiba. Es tut mir furchtbar leid, Ihre kleine unnütze Interaktion mit Wheeler zu unterbrechen, aber wir haben hier ein winzigkleines Problemchen."
 

Rebecca Hawkins steht in der Türe. Sie wirkt in ihrem himmelblauen Kostüm und ihren hochgesteckten blonden Haaren beinahe souverän und geschäftsmäßig, aber ihr verhaltenes abwertendes Grinsen spricht eine ganz andere Sprache.
 

Sogar Kaiba braucht ein paar Sekunden, um Joey von sich wegzustoßen und seinen Bürostuhl wieder adäquat zu platzieren und so zu tun, als hätte er nicht beinahe gerade die Beherrschung verloren.
 

"Hawkins." Seine Stimme klingt so, als würde er sie verfluchen wollen. "Das hier ist kein Fastfood-Restaurant, in dem Sie unangemeldet ein und ausgehen können. Wir verfügen hier über genug Budget, uns eine Empfangsdame leisten zu können."
 

Rebecca lächelt honigsüß und ihr Blick wandert rasend schnell zwischen Joey und Kaiba hin und her. "Sir. Unser Budget geht gerade flöten. Den Bach hinunter. Verpufft. Ich weiß nicht, wie man das in Ihren Budget-Kreisen bezeichnet."
 

Kaibas Augenbrauen wandern ein paar Millimeter hinauf. "Was ist Ihr Problem, Hawkins?"
 

"Es ist eher Ihr Problem, Sir. Ihr Bruder überredet gerade den Aufsichtsrat, die kompletten Geschäftsgewinne der nächsten zwanzig Jahren in... Zisternen zu investieren."
 

Kaiba reagiert nicht.
 

"Zisternen?", entfährt es Joey und er versucht sich vorzustellen, wie viel Zisternen Mokuba von Kaibas Geschäftsgewinn bauen will. Ob dann überhaupt noch Platz für etwas anderes als Zisternen auf diesem Planeten ist.
 

"Sammelbehälter für Trinkwasser, Joey."
 

"Ich weiß, was Zisternen sind, neumalkluge Göre!", faucht Joey. Und dann blickt er wieder zu Kaiba, der immer noch vor sich hinstarrt. Kaibas Wangen haben immer noch ein bisschen Farbe von ihrer Knutscherei. "Ähhhm. Kaiba. Geht es dir gut? Wirst du ohnmächtig?"
 

Joey weiß ja nicht, wie Kaiba reagiert, dass sein kleiner Bruder gerade seinen Geschäftsgewinn in Zisternen investieren will.
 

"Mach dich bitte nicht lächerlich, Wheeler", antwortet Kaiba neutral. "Als ob mich solche Tatsachen noch schockieren könnten."
 

"Was gedenken Sie denn zu tun, Sir?", fragt Rebecca.
 

"Sagen Sie Mokuba, dass er 100 Millionen für dieses lächerliche Projekt haben kann."
 

"100 Millionen?!", entfährt es Joey. Es ist eine Zahl mit sehr vielen Nullen. Und Joeys Glück endet mit dem Kauf einer Eigentumswohnung, die nicht mal ein Zehntel davon gekostet hat. Kaiba denkt in anderen Dimensionen als der gefühlte Rest der Menschheit.
 

Rebecca klatscht sich in die Hände. "Wunderbar. Dann wäre das ja auch geklärt." Ihr Blick ruht einen Moment länger auf dem von Joey und irgendwie möchte sie ihm etwas sagen, das er nicht versteht. Sie schürzt die Lippen. "Ich will Sie nicht unnötig länger belästigen, Sir."
 

"Dann verschwinden Sie, Hawkins. Sie wissen ja, wo die Türe ist. Direkt hinter Ihnen."
 

"Sir. Ich wünsche Ihnen noch einen illustren Nachmittag mit Wheeler."
 

Mit diesen Worten ist sie so plötzlich verschwunden, wie sie gekommen ist.
 

"Es ist unglaublich, was ich mir von einer Person gefallen lassen muss, die auf Gartenzwerge steht", sagt Kaiba und massiert sich die Schläfen.
 

Joey beobachtet ihn sehr genau. Weil Kaiba irgendwo zwischen seinen Launen festhängt und sich scheinbar noch nicht entscheiden kann, ob er Joey umbringen oder wieder küssen soll.

Und vielleicht bringt Joey Kaiba tatsächlich ein bisschen aus dem Konzept. Nur ein ganz ganz klein wenig.

Kaiba schaut ihn nicht an, trommelt stattdessen auf der Tischplatte herum. Es ist, als würde er penibel genau darauf achten, Joey nicht ansehen zu müssen.
 

Joey kennt diese Phasen, die Kaiba manchmal hat, wenn Joey eine Grenze überschritten hat. Kaiba denkt nach. Zwischenmenschliche Beziehungen sind ja nicht so sein Ding und er braucht diese Minuten einfach, um darüber zu philosophieren, was andere Menschen einfach aus einem Instinkt heraus tun würden.
 

Und Joey begutachtet in dieser Zeit Kaibas Schreibtisch. Es befindet sich absolut nichts Persönliches darauf. Nicht mal ein gravierter Kugelschreiber, wo Joey doch gehört hat, dass das bei den Managern von heute der letzte Schrei wäre.
 

Sogar Mokubas Foto ist verschwunden, als würde Kaiba sich hier jeden Hauch von Privatleben untersagen.
 

"Vier Wochen. Wieso so lange?"
 

"Deswegen", antwortet Kaiba nur.
 

"Du weißt, ich werde dich so lange nerven, bis du mir sagst warum." Joey grinst. "Und ich kann furchtbar dolle nerven, Kaiba."
 

"Als ob ich das in acht Jahren nicht auch begriffen hätte, Wheeler."
 

"Wirst du es mir verraten?"
 

"Selbstverständlich nicht."
 

Für einen Moment starren sie sich an. Kämpferisch und überaus dominant. Und Joey fühlt noch immer Kaibas weiche Lippen auf den seinen, wie ein Feuer, das sich nicht so einfach löschen lässt.

Er will noch viel mehr von diesen Küssen. Er will sehen, dass er Kaiba aus dem Konzept bringen kann.
 

Und Joey gibt nicht auf. Niemals.
 

"Du wirst also keine Ruhe geben, Wheeler?"
 

"Du kennst mich, Kaiba. Besser als du eigentlich willst."
 

"Dann Montag nächste Woche. Abends. Ich werde kommen, wenn es das ist, was du hören willst."

Und Joey ist für den ersten Augenblick total perplex. Weil Kaiba sich in seinem Leben noch nie angekündigt hat.
 

Montag ist noch eine halbe Ewigkeit entfernt, aber Montag ist gut.
 

Und Kaiba scheint es auch nicht wirklich zu gefallen. Er schaut aus, als hätte er in eine bittere Zitrone beißen müssen.
 

"Wenn du Montag nicht kommst, dann werde ich deine kleinen Geheimnisse an jedes Klatschplatt verkaufen, das auf diesem Planeten existiert."
 

"Auf Wiedersehen, Wheeler. Und mach bitte nichts kaputt, wenn du raus gehst. Ich habe dir immer aus einem guten Grund untersagt, hier herumzutrampeln."
 

"Was meinst du denn bitte damit?!"
 

Joey wirbelt herum. Und sein Ellenbogen stößt gegen eine der perfekt zurechtgeschnittenen Hydrokultur-Topfpflanzen, die an der Wand entlang auf kleinen Designertischen stehen.
 

"Ach du verdammter Mist!"
 

Joey starrt auf das Meer aus Splittern und Hydrokulturkügelchen, die sich über den Boden verteilen.

Seto Kaiba beobachtet ihn mit hochgezogenen Augenbrauen und er kommt nicht umhin, seine furchtbar blauen Augen ein klein wenig zu verdrehen.
 

*
 

Wenn Joey auf den Rand des Brunnen auf dem Platz im Park, wo auch seine Eisdiele liegt, steigt und sich auf die Zehenspitzen stellt, kann er über die Baumkronen hinweg die Kaiba Corporation sehen.

Jetzt, in der Nacht, wirkt das Gebäude mit den unzähligen beleuchteten Büros ein bisschen futuristisch und befremdlich.

Joey liebt seine Eisdiele, die inmitten dieses Parks mit einem großen Spielplatz und lauter vorwitzigen Eichhörnchen liegt. Er mag es, wenn er die Kinder lachen hört, die Mütter vergnügt plaudern und ab und an jemand aus seinen vergangenen Schulzeiten vorbeikommt und ihn fragt, wie sein Leben so ist.
 

Es gibt ihm das irrwitzige Gefühl, dass die ganze Welt um ihn herum glücklich und zufrieden ist.
 

Doch wenn er die Kaiba Corporation ansieht, weiß er wie fern sein eigenes Leben dem von Kaiba ist.

Wenn er nach Hause geht, sieht er oft Angestellte mit Aktenkoffern durch die Gegend hetzen. Ein Ohr am Handy, um Aktienkäufe zu dirigieren und der Ehefrau wieder eine Lüge auftischend, warum er heute Nacht wieder nicht nach Hause kommt.
 

Alles um ihn herum versinkt in Hektik und Stress. Selbst an Joey nagt der ganze Alltag, der immer mehr über ihm zusammenstürzt.
 

Eigentlich will er nur ein glückliches Leben führen in einer Welt, die er sich viel sonniger vorstellt als sie vielleicht ist. Kaiba hält absolut nichts von Menschen, die ihr Leben so leben, wie Joey es tut.

Joey ist die Komponente, die niemals so funktioniert wie Kaiba es in seinem allmächtigen Plan vorgesehen hat und die er niemals korrigieren wird.
 

Und trotzdem hat Kaiba sich zu ihrem ersten Date heute Abend überreden lassen. Nicht, weil Kaiba es wollte, sondern weil Joey es so gewollt hat.
 

Joey hüpft vom Rand des Brunnens auf den Pflasterstein zurück. Sein Herz flattert unruhig und sein Magen fühlt sich an, als würde er mehrere Meter über dem Boden schweben.
 

Es ist Montag. Joey hat die Tage bis heute durchgestrichen und aus einer plötzlichen Laune heraus den Tag rot angestrichen. Sein vermutlich einziges Date mit Seto Kaiba, das er jemals haben wird.

Vielleicht sollte er längst zu Hause sein und Rosenblätter auf sein Bett streuen, Kerzen aufstellen und abwarten, wie lange Kaibas Laune bei triefenden kitschigen Liebesliedern auf einem verträglichen Niveau bleibt.
 

Aber eigentlich braucht er das gar nicht. Kaibas Versprechen, heute Abend zu ihm zu kommen, ist alles, was Joey haben wollte.
 

Da sind so viele Gefühle, die sonst am Rande seiner aus bunten Eissorten bestehenden Welt lauern. Plötzlich haben sie alle Namen und Joey weiß, dass durch sie alles nur noch viel komplizierter wird.

Kaiba zu mögen ist nicht gerade einfach. Er tut auch wirklich nichts dafür, dass es so ist. Und es ist furchtbar dumm, diese Gefühle für Kaiba an sich heranzulassen, aber in diesem Augenblick in der Firma, als sie sich geküsst haben, war plötzlich alles anders. Nicht funktional, nicht beherrscht und absolut nicht geplant.
 

Joey hat sich jeden Tag in der letzten Woche den Kopf darüber zerbrochen, wieso Kaiba ihn nicht weggestoßen hat, so wie er sogar letztlich seinen eigenen kleinen Bruder weggestoßen hat.
 

Er hat keine Ahnung. Aber plötzlich ist da die nackte Gewissheit, dass er noch mehr solche Küsse möchte. Dass er noch sehr viel mehr von Kaiba in seinem Leben will.
 

Joey will Kaiba beweisen, dass es einen Grund gibt, sich nicht mit 45 Jahren schon tot sehen zu wollen.
 

Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf und geht ein bisschen langsamer nach Hause als üblich. Unterwegs kauft er sich noch eine große Portion Pommes, an denen er bedächtig knabbert, während er aus seiner Jeansjacke seinen Schlüsselbund zieht.
 

Eigentlich erwartet er Kaiba nicht vor Mitternacht. Uneigentlich ist Kaiba selbstverständlich längst in seinem Wohnzimmer, als er die Wohnung betritt.
 

"Wheeler. Pünktlichkeit war wirklich noch nie deine Stärke."
 

"Hat dich der Nachtwächter nicht geschimpft, so früh aus dem Büro zu verschwinden?", entgegnet Joey und leckt sich ein bisschen Ketchup von der Fingerkuppe.
 

Kaiba sitzt auf dem Sofa, die Beine übereinander geschlagen und so souverän und arrogant, als wäre Joey ein Geschäftspartner, den er genüsslich auseinander zu nehmen gedenke. Trotzdem wirkt Kaiba anders. Vermutlich liegt es daran, dass er statt seinen üblichen Designeranzügen eine helle Baumwollhose und ein braunes Poloshirt trägt.
 

Joey hat Kaiba noch nie mit so legeren Klamotten gesehen und er findet, dass Kaiba damit wirklich ein bisschen sexy aussieht.
 

"Wo sind eigentlich meine Blumen?", fragt Joey und tritt langsam neben das Sofa.
 

"Blumen?", echot Kaiba bissig. "Soll ich dir dafür auch noch Blumen schenken, dass du mir seit Jahren permanent auf die Nerven gehst?"
 

"Es wäre romantisch, Kaibalein."
 

"Dein Sinn für Romantik kann mich mal", murrt Kaiba gelangweilt und verschränkt die Arme.
 

Joey lässt sich neben ihm auf das Sofa fallen und bietet Kaiba lauwarme Pommes an. Kaiba ignoriert es. Sie sitzen eine ganze Weile stumm nebeneinander und starren in unterschiedliche Richtungen.

Joey versucht, seine Nervosität abzuschütteln, aber er kann es nicht. Kaibas Körper ist viel zu nah und er spürt die Wärme auf seinen nackten Armen. Sie verursacht Gänsehaut und fühlt sich gleichermaßen aufregend neu und doch vertraut an.
 

"Du hast mir immer noch nicht verraten, warum du vier Wochen lang nicht bei mir gewesen bist", sagt Joey und es klingt penetrant.
 

Kaiba schaut nicht einmal zu ihm. "Wärst du unserer Muttersprache ansatzweise mächtig, hättest du verstanden, dass dich das nichts angeht."
 

"Es geht mich aber etwas an!" Joey rutscht ein Stückchen näher zu Kaiba, so dass sich ihre Beine berühren. Joey bemerkt, dass Kaiba nach Duschgel duftet und ein bisschen mehr Farbe als üblich im Gesicht hat.
 

Kaiba ist die personifizierte Logik und verhält sich geradezu unlogisch. Sie haben an dem Abend gestritten, bevor Kaiba die Türe für vier Wochen hinter sich geschlossen hat. Doch inmitten all ihrer Streitereien, die sie in ihrem Leben bereits geführt haben - und das sind verdammt viele - geht dieser Streit völlig in der Masse unter. Joey kann sich nicht daran erinnern und Kaibas Verhalten danach... war seltsam.
 

"Wäre ich nicht in deiner Firma aufgekreuzt, wärst du überhaupt jemals wieder gekommen?"
 

Kaiba dreht den Kopf zu Joey und das Blau ist völlig leer. Zwanghaft leer. "Wenn mir danach gewesen wäre, hätte ich es eventuell in Betracht gezogen. Dich haben meine Beweggründe nicht zu interessieren. Genauso wenig wie mich dein Leben auch nur ansatzweise interessiert."
 

Gleichgültigkeit ist schlimmer als Hass. Hass ist ein Gefühl, dass sich tief in die Seele eines Menschen graben kann. Manchmal wird Hass die einzige Motivation im Leben eines Menschen.

Vielleicht haben sie sich irgendwann früher einmal gehasst. Irgendwann.
 

Joeys Gefühle haben sich im Laufe der Jahre geändert. Je mehr er von Kaiba gesehen hat, je mehr er Kaibas selbstzerstörerische Art betrachtet hat, desto mehr ist dieser Hass etwas gewichen, was viel tiefer in ihn eingedrungen ist als es Hass jemals hätte tun können. Joey hat es anfangs selbst nicht bemerkt.
 

Aber irgendwann hat er bemerkt, dass er für Kaiba anders empfindet als für Serenity, für Tristan und sogar für Yugi.
 

Doch Kaiba hat in derselben Zeit eine abgrundtiefe Gleichgültigkeit entwickelt. Allem gegenüber, das ihm jemals nahe gestanden ist.
 

Bis auf Joey. Kaibas Beleidigungen sind Herausforderungen an Joey gewesen, darauf wie immer zu reagieren. Joey hat gewusst, dass Kaiba auf eine hitzige Erwiderung gewartet hat. Es ist Kaibas Spiel und dieses Spiel ist furchtbar kräfteraubend.

Joey will dieses Spiel nicht mehr weiterspielen. Er will Kaiba, aber nicht auf diese verletzende Art und Weise. Er will ihn, will ihm zeigen, dass das Leben nicht in der Kaiba Corporation endet.

Doch gerade jetzt, wo er sich dessen so verdammt sicher ist was er will, beginnt Kaiba damit, Joey mit scheinbar wachsender Gleichgültigkeit zu behandeln.

Der letzte Funke Leben, den er endgültig auslöschen will. Die letzte Tür zur Realität, die er losgelassen hat und teilnahmslos auf ihr Zufallen wartet.
 

"Du wirst mich nicht so einfach los, Kaiba! Verdammt, glaubst du ich lass so einfach locker?!"
 

Kaiba steht auf. Langsam und bedächtig. Er starrt zu Joey hinunter und Joey sieht, dass Kaiba kurz zögert. Genauso wie er bei ihrem Kuss gezögert hat.

"Wolltest du nicht, dass das hier eine Verabredung wird?", schnaubt Kaiba verächtlich.
 

"Ich will, dass du mir sagst, was los ist!"
 

Statt einer Antwort geht Kaiba zu der Kommode, wo er immer Joeys Wohnungsschlüssel hinlegt. Er greift ein Kuvert auf und legt es auf den Wohnzimmertisch.
 

"Was ist das?", fragt Joey vorsichtig. Der Umschlag ist blütenweiß und das Logo der Kaiba Corporation prangert darauf.
 

"Wenn du es öffnest, wirst du es sehen, Köter."
 

"Eine Art Geschenk für unser erstes Date?", lacht Joey und erschrickt, wie nervös er auf einmal klingt. Kaiba hat ihm noch nie irgendetwas gegeben. Er wollte ihn verdammt noch mal nicht mal bei seinen Turnieren dabei haben.
 

Joey reißt den Umschlag auf. Es ist ein einziges bedrucktes gestärktes Papier und Joey atmet plötzlich heftig ein, als er es liest.
 

Und seine Welt wird einmal mehr aus den Angeln gehoben. So heftig, dass Joey nur das Papier anschauen kann und er nicht weiß, ob ihm schlecht ist oder er Wut verspürt oder ob sein Herz überhaupt noch schlägt.
 

"Was... Was... zur Hölle soll... das sein?", krächzt er.
 

"Ein Bankscheck", antwortet Kaiba lapidar.
 

"Das sehe ich auch!", entfährt es Joey heftig und er springt auf. "Ich meine, was soll das?!"

Er spürt seinen Herzschlag wieder. Es pocht so heftig, dass sein Herz fast weh tut.
 

"Das sind 100 Millionen, Kaiba. 100 Millionen!"
 

Kaiba verschränkt die Arme. "Ich denke, es ist ein angemessener Deal, Wheeler", redet er ruhig los. "100 Millionen, mit denen du heiraten wirst. Meinetwegen baust du ein Imperium Eisdielen auf, heiratest und sicherst den nächsten Generationen von Wheeler-Kötern das Überleben."
 

Kaibas Worte durchdringen den Nebel in Joeys Kopf. Eine eiskalte, nackte Tatasche, die sich hinter diesem Fetzen Papier, das ein Vermögen wert ist, versteckt.
 

Joeys Ablösezahlung.
 

"Das ist nicht dein Ernst!"
 

Kaiba lächelt arrogant. "Ist es nicht das, was du dir von mir erhoffst? Dieses Geld ist mir egal, aber für dich bedeutet es ein Leben, so wie du es willst. Nach deinen Vorstellungen, wo du dir deine lächerlichen Träume erfüllen kannst. Ich gehe und du siehst mich nie wieder. Du wirst nie ein Wort über die letzten acht Jahre verlieren."
 

Joey hat diese Gefühle fast acht Jahre fest unter Verschluss gehalten. Jetzt erwachen sie urplötzlich zum Leben, und Kaibas eiskalte Worte kollidieren mit ihnen.
 

Joey starrt diese Summe an, mit denen er diese Gefühle in sich abtöten soll.

Mit denen er all die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Nächte, an ihre Streitereien und ihre wenigen Gespräche vergessen soll.
 

100 Millionen für eine Beziehung, die nicht mal wirklich eine ist.

Es ist so lächerlich und verrückt, und nur Kaibas Ernsthaftigkeit hindert Joey daran, haltlos loszulachen.
 

"Wieso tust du das?", fragt er leise. "Du magst mich nicht einmal."
 

"Ich tue es, um die Sache endlich hinter mich zu bringen. Betrachte das als Schweigegeld. Nicht, dass ich nicht zu anderen Mitteln hätte greifen können."
 

Joey stolpert ein paar Schritte zurück und sinkt auf das Sofa. Er mag Kaiba. Auf eine verdrehte und seltsame Art und Weise mag er ihn. Er hat gesehen, dass Kaiba selbst eine Rolle spielt, aber irgendwo hinter der Fassade noch ein Mensch steckt, den Seto Kaiba dort in seiner Kindheit unter der Fuchtel von seinem Stiefvater fest verborgen hat.
 

Und Joey hat geglaubt, dass er Kaiba irgendwie vor sich selbst retten kann. Und das ist jetzt Seto Kaibas große Endabrechnung.
 

Wie er Mokuba 100 Millionen gegeben hat, um Zisternen für Arme zu bauen. So verdammt einfach, wie er dieses Papier unterschrieben hat und den Schlussstrich ziehen will.

Joey hat immer mit vollster Euphorie für sein Leben gekämpft. Und jetzt wirft Kaiba ihm einfach so ein Leben ohne jeden Funken Sorgen vor die Füße, nur damit Joey seine Gefühle beerdigt.
 

"Haben wir einen Deal, Wheeler? Erspare uns beiden bitte diese dramatische Pause."

Joey fasst sich an seine Wangen und stellt nüchtern fest, dass sie feucht sind.
 

100 Millionen für seine Gefühle?
 

"Seto", beginnt er und seine Stimme klingt hohl, "ich hasse dich, du verdammtes Arschloch. Ich hasse dich!"
 

Seine Finger zittern nicht, als er das Papier zu zerreißen beginnt. Fetzen für Fetzen für Fetzen, bis sie alle in seiner Handfläche liegen.
 

Er hebt wieder seinen Kopf und starrt Kaiba fest in die Augen. Kaiba bewegt sich nicht, aber am Rande seiner blauen Augen flackern Emotionen auf.
 

"Denkst du, dass ich das will?! Dein Geld?!"
 

Kaiba reagiert nicht.
 

"Du kennst mich doch so gut, hast du gesagt, Kaiba?! Wieso machst du das dann?!"
 

Er schleudert Kaiba die Papierfetzen entgegen. Sie flattern durch die Luft und Joey atmet heftig.
 

"Glaubst du, damit ist es getan?! Ich streiche dich einfach so aus meinem Kopf?! Wenn du mir sagst, wie das geht, dann tue ich es! Ich wollte es nie!"
 

Joey wollte es nie. Er wollte nie, dass Kaiba plötzlich zum Mittelpunkt seiner Welt wird. Dass es Kaiba ist, der ihn nachts in den Träumen verfolgt und von dem er sich vorstellt, wie es zwischen ihnen wäre, wenn sie eine richtige Beziehung hätten.
 

Aber diese Gefühle lodern in ihm. Stark und mächtig und selbst jetzt sind sie da. Sie verbrennen Joeys Innerstes, jetzt, da Kaiba sie so gekonnt mit Füßen getreten hat.
 

Und Kaiba tut etwas, womit Joey nicht gerechnet hätte.
 

Er wendet seinen Kopf ab. Starrt auf den Fußboden und beißt sich auf seine schmalen Lippen, so fest, dass es unter dem strahlend weißen Zahn rot aufblitzt.

Kaiba wirkt plötzlich angespannt und ein wenig verwirrt. Als wäre Joeys Reaktion keinesfalls so, wie er es sich erhofft hätte.
 

Und die Wahrheit prallt auf Joeys Verstand. So heftig, dass Joey tief ausatmet.
 

Plötzlich wird ihm klar, was Kaiba ihm damit sagen will. Die Erinnerung an ihren Streit von damals schwappen hoch wie Magensäure.
 

"Als ob sich irgendein Mensch in ein Arschloch wie dich verlieben könnte."
 

Joeys eigene Worte, als Kaiba den wunden Punkt in ihm getroffen hat. Voller Verachtung und Wut.
 

Es ist drei Jahre her, als Mokuba Kaiba am Flughafen stand und aufgegeben hat. Als jugendliche Bewunderung irgendwann in müder Resignation geendet und Seto Kaiba den Abschied beinahe deplaziert zur Kenntnis genommen hat.
 

Als Yugi, der Junge, in dem Kaiba seinen Meister gefunden hat, von dannen zog um Ägypten nach Mumien zu durchforsten.
 

Sie haben um Kaiba gekämpft. Und sind gescheitert. Und Kaiba hat es erwartet.
 

Dass auch Joey den Scheck annehmen wird und genau das tut, was Kaiba vorausgesehen hat.
 

„Joey, er würde nicht zu dir kommen, wenn er sich nicht irgendetwas davon erhoffen würde, oder?"
 

Kaiba hat acht Jahre das Spiel gespielt, um Joey zu beweisen, dass er irgendwann auch aufgeben wird.

Doch er hat sich an Kaiba festgeklammert, mit diesen wirren Gefühlen in seinem Bauch. Er hat Kaiba am Ziel geglaubt und hat es nicht einmal selbst bemerkt.
 

Er hat Kaiba Eingeständnisse machen lassen, die Kaiba niemals geben wollte. Kaiba wollte Joeys Küsse nicht, diese Verabredung nicht.
 

Und Kaiba hat zum finalen Schlag ausgeholt.

Und hat sich verrechnet.
 

"Du bist so ein Dummkopf, Wheeler", sagt Kaiba leise und erschöpft.
 

"Ich will dein Geld nicht, Kaiba! Ich wollte es nie! Du bist doch sonst immer so intelligent, wieso hast du es dieses eine verdammte Mal nicht gesehen?!"
 

"Dein Verhalten glänzt nicht gerade durch Logik, Köter."
 

"Dein Verhalten glänzt auch nicht gerade durch Menschlichkeit!"
 

"Und was gedenkst du jetzt zu tun? Mir weiter auf den Nerven liegen?", fragt Kaiba ruhig.
 

Joey grinst gehässig. "Bis zum bitteren Ende, Kaiba."
 

"Entzückender Gedanke." Kaiba verzieht das Gesicht und atmet ein paar Mal tief ein. "Wieso hast du diese Chance nicht ergriffen, Joey?" Es ist die erste ehrliche Frage, die Kaiba Joey jemals gestellt hat.
 

"Wozu? Ich bin glücklich. Ich habe meine Eisdiele, meine Wohnung, eine nervende Göre als Aufpasser. Und dich. Wenn auch nur alle zwei Wochen."
 

"Glücklich?", fragt Kaiba gedehnt. Es hört sich fremd an.
 

Joey erinnert sich daran, wie Kaiba gesagt hat, dass er alles hat was er je gewollt hat und es trotzdem nicht reicht.
 

"Glück, Kaiba. Wenn man das Gefühl hat, dass das so gelaufen ist wie man wollte und man damit zufrieden ist, wie es ist."
 

Kaiba lächelt schwach. "Aha. Glück. Berauschendes Gefühl."
 

Joey tritt über die Fetzen des Schecks hinweg zu Kaiba. Langsam hebt er einen Finger und legt ihn auf Kaibas Unterlippe. Joey weiß, dass er nach acht Jahren Sex mit Kaiba nicht dieses Gefühl von Intimität spüren sollte. Aber er tut es.
 

"Deine Unterlippe blutet."
 

So etwas wie Humor blitzt in Kaibas Augen auf. "Ich wusste immer, dass ich irgendwann für dich bluten werde."
 

Die Stimmung zwischen ihnen ist seltsam. Einfach nicht greifbar.
 

"Seto?", beginnt Joey und er steht so nahe an Kaiba, dass er dessen warmen Atem auf seinen Lippen spüren kann. "Hast du wirklich geglaubt, dass ich es annehme?"
 

"Mir hätte klar sein müssen, dass du den saftigen Knochen nicht willst, den ich dir vor die Füße werfe, Köter", beginnt Kaiba ruhig.
 

Joey grinst und beugt sich so weit vor, dass ihre Nasenspitzen sich berühren. Kaiba ist auch eine Art von Eiscreme. So eiskalt, dass es im ersten Moment wie ein Schock ist, doch dann prickelt es bis in die Nervenenden.
 

Und Kaiba zu küssen ist, als würde er ein Eis mit einer völlig neuen Geschmacksrichtung entdecken, eine, die süß und zart und bitter und herb und metallisch und sinnlich und verführerisch ist und süchtig macht.

Kaibas Lippen sind warm und weich und der Kuss hat etwas Zaghaftes an sich.
 

Und Seto Kaiba tut etwas, was er eigentlich nie freiwillig macht.

Er schließt die Augen und irgendwann berühren Kaibas kalte Finger Joeys Wange und es ist so, als würde er um keinen Preis der Welt diesen Kuss unterbrechen wollen.
 

Acht Jahre, in denen Joey diese Gefühle, die ihn gerade durchströmen, nicht gewollt hat. Er hat sie gehasst, verabscheut, ignoriert, verborgen und jetzt weiß er, dass diese Gefühle einfach ein Teil von ihm sind.
 

Vielleicht sind sie nicht so, wie sie sein sollten.
 

Er wird sie niemals in Worte fassen und Kaiba wird es auch nicht tun.

Aber Seto Kaiba ist der Grund, warum er jeden Morgen aufwacht und weiß, dass es das Leben ist, das er sich immer gewünscht hat.
 

"Oh", murmelt Joey und genießt das leichte Zittern von Kaibas Lippen, "vielleicht hätte ich doch Rosenblätter übers Bett streuen sollen."
 

"Halt die Klappe, Wheeler", brummt Kaiba und kurz bevor sich ihre Lippen wieder aufeinander pressen, murmelt er einen Satz in Joeys Ohr.

So leise, dass diese Worte nur alleine für Joey bestimmt sind.
 

Ich hoffe für dich, dass du mich in fünfzig Jahren immer noch nervst…
 


 

~*~+~*~
 

Vielen Dank fürs Lesen

Kritik ist wie immer sehr gerne gesehen <3



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Kommentare zu diesem Kapitel (26)
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Von:  lilac
2015-12-12T20:55:36+00:00 12.12.2015 21:55
PERFEKT ..... es ist einfach perfekt.
Von:  Kemet
2014-09-15T06:45:32+00:00 15.09.2014 08:45
Wenn auch schon eine Weile her, aber dennoch muss das Kommentar sein.
In den Vorangegangenen wurde die Entwicklung von Setos Charakter gerühmt. Dem stimme ich komplett zu, ebenso, dass Beide zu 100% wieder zu erkennen sind; Mit all ihren Facetten und Fehlern.
Ihre Beziehung war, so wie ich es rausgelesen habe, ein sachliches Aufeinandertreffen zum Druckabbau. Dass eine tatsächlich greifbare Entwicklung folgt, war nicht abzusehen.
Im Streit sagt man vieles, was man nicht so meint. Sehr schön rübergebracht also.
Dass Du aus der grundlegenden Melancholie der Geschichte noch ein Happy-Ende, im Sinne von: Unsere Kommunikation war für die letzten acht Jahre unsäglich schlecht - gebaut hast, ist wahrlich faszinierend. Diese gesamte düstere Grunstimmung, hat absolut meinen Nerv getroffen. Wirklich ein sehr gelungener OS.
Aber... Einen kleinen Kritikpunkt habe ich, welcher aber Deinen Schreibstil betrifft. Er ist zwar schön tiefgängig und durch seine Art sehr flüssig zu lesen, aber mich störten die ständigen Wortwiederholungen etwas. In nahezu jedem Satz Kaiba, Joey, Köter oder andere Worte, welche man hätte auch umschreiben können. Am Ende hat sich das etwas gegeben, aber zu Anfang war es doch frappierend.

Genug des Geschätzes. Dennoch ist dies eine der Storys, die mir im Gedächtnis haften bleiben werden.
Von:  Sternenschwester
2013-11-29T15:14:36+00:00 29.11.2013 16:14
Salute,
Der ganze Os hat mir sehr gut gefallen, vor allem das es mehere Jahre nach der Serie spielt. Das dargestellte Wechselbad der Gefühle hast echt gut umgesetzt, wie auch die Zerissenheit der Charaktere.
Lg, Sternenschwester
Von:  Sternenschwester
2013-11-29T15:14:35+00:00 29.11.2013 16:14
Salute,
Der ganze Os hat mir sehr gut gefallen, vor allem das es mehere Jahre nach der Serie spielt. Das dargestellte Wechselbad der Gefühle hast echt gut umgesetzt, wie auch die Zerissenheit der Charaktere.
Lg, Sternenschwester
Von:  Sternenschwester
2013-11-29T15:14:06+00:00 29.11.2013 16:14
Salute,
Der ganze Os hat mir sehr gut gefallen, vor allem das es mehere Jahre nach der Serie spielt. Das dargestellte Wechselbad der Gefühle hast echt gut umgesetzt, wie auch die Zerissenheit der Charaktere.
Lg, Sternenschwester
Von:  Sternenschwester
2013-11-29T15:14:06+00:00 29.11.2013 16:14
Salute,
Der ganze Os hat mir sehr gut gefallen, vor allem das es mehere Jahre nach der Serie spielt. Das dargestellte Wechselbad der Gefühle hast echt gut umgesetzt, wie auch die Zerissenheit der Charaktere.
Lg, Sternenschwester
Von:  Aoneal
2012-12-17T09:00:45+00:00 17.12.2012 10:00
HiHo!

Ich muss sagen, mir wurde beim lesen schon etwas flau im Magen, aber das ist was Gutes! Du schaffst es wirklich hervorragend, die Stimmung einzufangen und gezielt wieder zu geben. Es freut mich auch, dass das Ende so schön ohne Kitsch ist! (leider bekomm ich das nie hin >.<)
Ich mag eher solche Storys nicht, weil sie mich so mitreißen. Aber! Es hat sich gelohnt, einfach weil sie so gut ist.

Bis die Tage
Dat Aoni
Von:  Zeckchen
2010-12-25T17:25:23+00:00 25.12.2010 18:25
Eine wirklich tolle geschichte, genau mein geschmack^.^weiter so^.^
Von: abgemeldet
2010-10-05T13:53:19+00:00 05.10.2010 15:53
Wow, eine wunderbare Geschichte. Sehr, sehr stimmig und fernab von allem Kitsch.
Ich mag deine Schreibweise sehr und auch deine Charakterdarstellung. Wirkt alles sehr real und nachvollziehbar und der Höhepunkt ist wirklich stark.
Mit eine der besten Stories, die ich zu dem Thema gelesen habe.
Von:  Eisenprinzessin
2010-08-18T13:15:31+00:00 18.08.2010 15:15
Wow. Erstmal, einfach nur Wow!

Ich liebe diese Geschichte. Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen - ich habe schon viele JxS-FF gelesen aber sowas ist mir noch selten über den Weg gelaufen. Mich freut vorallem, dass es irgendwie ein "gutes" Ende nimmt.
Beide Joey und Kaiba sind so im Arsch... Und du hast sie sehr schön dargestellt!
Einziger Kritikpunkt: Der letzte Satz ist mir zu "offen" von Kaiba. Ich meine, das ist ja fast ne 180 Graddrehung...
Aber das macht mir die Sache kein Stück madig xD. Du hast einfach klasse geschrieben. Gibts davon noch mehr?
Übrigens das Titelbild was du für die FF ausgewählt hast ist ja so herrlich unpassend!
<3
Danke fürs Schreiben!


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