Burning- Flackernde Erinnerung
Kapitel 1
Wer ich bin?
Mein Name ist Jane Audrianna Whitthers. Das ist die unglaubliche Geschichte meines Lebens.
Ich wurde am fünfzehnten März 1988 in Little Italy geboren. Doch meine Kindheit habe ich bis zum heutigen Tag erfolgreich verdrängt. Und das ist auch gut so.
Gerade hatte ich mein Journalismusstudium angefangen und freute mich auf ein ruhiges, lehrreiches Semester.
Schon immer war ich eine Person der ruhigeren Sorte gewesen, selten war ich aufgedreht oder allzu lebhaft, aber ich war verrückt. Auf meine eigene Art.
Mein Blick haftete am Fenster, der Regen prasselte gegen die Fensterscheibe. Mit Absicht hatte ich mir einen Platz am äußersten Rand des riesenhaften Hörsaales ausgesucht, denn im Gegensatz zum Großteil der Studenten liebte ich den Regen. Das war schon immer so gewesen. Er beruhigte mich und ließ mich nachdenken. Allerdings..lenkte er mich auch ab. Außerdem war ich so etwas abgeschiedener und häufig hatte ich gern meine Ruhe.
»Miss Whitthers? Die Antwort bitte.«, riss mich die Stimme von Professor Jameson aus den Gedanken. Ich starrte ihn zunächst an. »Ehm..wie war denn die Frage?«, wollte ich verlegen wissen. »Miss Whitthers, wenn sie kein Interesse an einem ernsthaften Studium haben und ihre Zeit lieber mit Träumereien verbringen wollen, dann hätten sie nicht nach Yale kommen sollen.«, sagte der Professor mit bissigem Sarkasmus in der Stimme. »Tut mir leid..«, gab ich ehrlich zurück. Na wenn das kein toller Start ins Semester war. Er widerholte die Frage und glücklicherweise konnte ich ihm sogar ausführlich antworten.
»Hey!«, ertönte es neben mir, als ich nach Ende der Stunde meine Bücher in der Tasche verstaute. Ich sah auf und blickte direkt ins sommersprossengesprenkelte Gesicht einer rothaarigen jungen Frau, deren Locken in alle Richtungen standen. »Hi.«, sagte ich freundich und sah sie abwartend an. »Ehm..deine Antwort, was die Rolle der Julia in der Literatur bedeutet, war echt toll. Du hast dem Prof echt die Sprache verschlagen«, grinste sie frech, » ich bin Charlie.« »Jane, sehr angenehm. Und danke. Das war nur meine Meinung.«, lächelte ich leicht und schulterte meine Tasche.
Den ganzen Weg über zum nächsten Kurs unterhielten wir uns. Überrascht stellten wir fest, dass wir einige literarische Vorlieben teilten. Charlie schien ziemlich verrückt und lebhaft zu sein, sie redete fast in einem durch. Ich mochte sie schon jetzt.
»Lass uns doch zusammen zur Einweihungsfeier gehen!«, grinste Charlie begeistert. »Gerne. Zuerst wollte ich ja gar nicht hin, alleine..aber so ist es natürlich was anderes.«, gab ich zu.
Der Tag verging so, wie er angefangen hatte. Zuerst wurde von jedem Professor eine kleine Rede vorgetragen, die im ungefähren das gleiche beeinhaltete wie die des Professors davor. Dann überprüften sie das Durchschnittsniveau der Teilnehmer. Es war ein wenig nervig, immer wieder das selbe zu hören, aber so war das nun mal. Das war in jeder Bildungsanstalt das selbe.
Als die Kurse zu Ende waren und ich ins Wohnheim zurückkehrte, war ich KO, aber ich fühlte mich dennoch gut. Meine zwei Zimmerkolleginnen saßen auf der Couch im Wohnzimmer und starrten in die Flimmerkiste.
Laura, etwas kleiner als ich, hatte rückenlanges, blondes Haar, welches immer komplett glatt war. Ich fragte mich, wie sie das hinbekam. Sie hatte ein sehr stark ausgeprägtes Temperament und war ziemlich bissig, das hatte ich schon gestern Abend bei meiner Ankunft bemerkt.
Belinda hingegen war einen Kopf größer als ich, sehr zart gebaut. Die schwarzen Haare umrandeten ihr hübsches ,stets etwas blasses Gesicht. Schneewittchen, dieser Ausdruck würde zu ihr passen. Sie war von noch ruhigerer Natur als ich selbst, ich hatte sie bisher nur ihren Namen sagen hören. Vielleicht war sie auch einfach nur schüchtern.
Beide blickten auf, als ich das Zimmer betrat. Laura kräuselte die Lippen, während Belinda schwach lächelte. Teufel und Engel, traf ich den passenden Vergleich. »Hi, ihr beiden. Wie war euer erster Tag?«, fragte ich ein wenig neugierig. »Wie soll er gewesen sein? Du warst doch selbst da.«, kam es fast fauchend von Laura. Ich verdrehte innerlich die Augen, blickte dann zu Belinda.
»Es war ganz okay, denke ich.«, antwortete sie lächelnd. Wow, sie hatte gesprochen! »Finde ich super.«, grinste ich und machte mir etwas zu essen.
Die Küche war klein, eigentlich bestand sie aus einem winzigen Kühlschrank, einer einzelnen Kochplatte und einem Schrank für Geschirr. Das ganze eingequetscht in eine Ecke, die eben grad noch frei war. Trotzdem mochte ich sie. Einfachkeit war eben zeitlos.
Nachdem ich mir eine Dose Ravioli warmgemacht hatte, die ich nun im Stehen zu mir nahm, blickte ich wieder zu den beiden. »Geht ihr heute Abend eigentlich auch zur Party?«, fragte ich beiläufig, aufdringlich wollte ich ja nicht sein. Wie erwartet nickte Laura, während Belinda den Kopf schüttelte. Mein Blick war wohl fragend, denn sie antwortete, ohne dass ich nachgehakt hatte: »Ich möchte lernen.« Ich schmunzelte etwas. Gleich am Anfang hatte ich mir gedacht, dass sie sehr strebsam war. Ich nickte kurz, spülte den Teller, dann verzog ich mich ins Bad.
Das heiße Wasser fühlte sich gut an, als es auf meine Haut prasselte. Ich schloss die Augen und genoss dieses Gefühl. Ich nutzte die Zeit im Bad gern, um nachzudenken. Doch dieses Mal..war es ein Fehler.
Nur ein kurzer Gedanke brachte mein Herz panisch zum Rasen.
Feuer.
Ich keuchte auf und gewaltsam öffnete ich die Augen. Das Gefühl zu ersticken machte sich in mir breit, ich fühlte mich wie ein Fisch ohne Wasser. Hastig pumpte ich Luft in meine Lungen, doch diese schien nicht aufgenommen zu werden.
Feuer. Feuer.FEUER!!
Immer wieder hallte dieses eine Wort durch meine Kopf, verursachte immer mehr Panik. Ich rutschte an der Duschwand herunter, meine Beine konnten mich nicht mehr tragen. Ich winkelte die Knie an und umschlang diese mit den Armen.
Atmen. Beruhigen. Atmen. Beruhigen.
Es kostete mich sehr viel Mühe, die Bilder zu verdrängen, sie zwangen sich immer wieder auf. Als würde er gleich platzen, so sehr pochte mein Kopf.
Nach zehn Minuten, für mich eine gefühlte Ewigkeit, beruhigte es sich wieder. Der Kopfschmerz ließ nach. Dann folgte die typische Übelkeit. Mit zittrigen Schritten, mich an der Wand entlang tastend, bewegte ich mich zur Kloschüssel, über der sich mein Magen für die Erinnerung bedankte.
»Jane? Alles okay bei dir?«, kam Belindas besorgte Stimme gedämpft durch die Tür. Ich drehte den Wasserhahn ab und nach einem kurzen Seufzen antwortete ich ihr: »Ja..alles super.« Meine Stimme zitterte. Einen Moment lang Stille. »Okay.«, kam es schließlich von draußen, ihre Schritte entfernten sich.
Ich sprang schnell nochmal unter die Dusche. Die wiederkehrende Erinnerung hatte mich in kalten Schweiß ausbrechen lassen.
Als ich endlich, mit Handtuch umwickelt, ins Wohnzimmer trat, spürte ich die Blicke meiner Mitbewohnerinnen im Rücken. Dann sah ich auch warum. Ich war länger als eine Stunde im Badezimmer gewesen. »Alles gut, keine Sorge.«, versicherte ich ihnen, dann ging ich ins Schlafzimmer.
Justins Bild lachte mir vom Nachtkästchen entgegen. Ich ging hinüber und drehte es um. »Tut mir leid, es geht nicht anders.«, flüsterte ich leise.
Justin..er war für zwei Jahre die Sonne in meinem Leben gewesen. Hatte mir meine Einsamkeit genommen und mir geholfen, meine Vergangenheit zu vergessen. Ich war tatsächlich glücklich. Aber dieses Glück währte nicht lange. Das Schicksal spielte zu gern mit mir und meinem Herzen. Kurz nach der Aufnahmeprüfung für Yale, ließ er sein Leben. Starb an der spanischen Grippe, mit der er sich infiziert hatte, als ich mit ihm in den Urlaub fuhr. Dorthin, wo ich wollte.
Ich machte mir schlimme Vorwürfe. Wollte mir selbst das Leben nehmen. Doch zu meinem Pech hatte mein Lehrer das mitbekommen und mich in Therapie gesteckt. Ich hatte mich strikt geweigert, meine Vergangenheit aufleben zu lassen, aber versichert, dass ich mir nichts tun würde und nach zwei Wochen glaubten mir die Heiler. Mehr oder weniger.
Ich schüttelte die betrübten Gedanken ab und wühlte im Schrank nach Klamotten. Auf diese Party war ich wirklich gespannt..