Kennenlernen.
Als wir am Speisesaal ankamen saßen die Anderen bereits an den Tischen. Ich erkannte Tek, der an einem Ende von einem der beiden langen Tische saß. An der rechten Flanke hatten Nic und Korc Platz genommen und ihnen gegenüber saß Belavina.
Als Tek uns bemerkte winkte er und rief: „Nehmt euch etwas vom Buffet und setzt euch zu uns!“
Wir betraten den Saal und liefen zum gegenüber liegenden Buffet.
„Whoooa!“
Ein überraschter Ausruf hallte durch den Saal. Korc starrte mit großen Augen auf Maera, welche sich versuchte noch kleiner zu machen, als sie schon war.
„Einfach nicht beachten“, sagte Lyr, „Ich bin mir sicher, das Thema wird sich sowieso nicht vermeiden lassen.“
Das Buffet bot eine Vielzahl an Speisen. Von hellem und dunklem Brot mit entsprechenden Belagsvariationen über einige Salate bis hin zu einem Entenbraten.
„Nicht schlecht.“, staunte ich.
Nachdem ich mir etwas von der Ente und ein wenig Brot genommen hatte setzte ich mich neben Nic. Die Geschlechtertrennung nahm auch beim Rest ihren natürlichen Lauf, so dass sich neben mir noch Hien setzte. Mir gegenüber saß Lyr und zwischen ihr und Belavina saß Maera auf dem einzigen Stuhl ohne Lehne. Kiph saß auf dem Platz links neben Tek.
„Und?“, begann Tek munter, „habt ihr euch alle gut hier eingefunden?“
Alle schauten in die Runde und ein leichtes Raunen setzte ein. Dann erhob Korc die Stimme.
„Also ich find‘s hier klasse! Gutes Essen, riesige Zimmer und natürlich mein Gear. Was will ein Mann mehr?“
„Welches Zimmer hast du denn?“, fragte Hien.
„Ich, und Nic haben die ersten beiden Zimmer hier links, wenn du aus dem Saal gehst. Belavina hat sich das dritte Zimmer auf der anderen Seite genommen.“
„Huh? Dann sind wir Zimmernachbarn.“, sagte ich zu Belavina.
„Tek meinte, dass ich das Zimmer nehmen sollte. Mir war es relativ egal.“, winkte sie ab.
Ich warf Tek einen fragenden Blick zu, welchen er mit einem listigen Grinsen und einem viel zu auffälligen Zwinkern erwiderte.
„Wo habt ihr denn eure Zimmer?“, fragte Korc nun.
„Wir sind vor einer knappen Stunde erst angekommen und nach der langen Reise und der kurzen Einweisung schien uns etwas zu Essen erstmal sinnvoller als die Zimmerwahl.“, erklärte sich Hien in einem humorvollen Ton. „Wir werden dann nach dem Essen gucken wie wir uns verteilen.“
Neben mir fiel plötzlich eine Gabel auf den Boden.
„Verzeihung..“, erklang eine zaghafte Stimme.
Ich hob die Gabel auf und putzte sie mit der Serviette ab. „Hier, das sollte passen.“
„Danke...“
Nic nahm seine Gabel entgegen und aß weiter. Ich musterte den kleinen Jungen. Sein Körper war so zierlich und hager, wie man es von einem kleinen Jungen in dieser Zeit erwarten würde, doch dann erinnerte ich mich an unser Treffen. Er hielt eine riesige Keule in der Hand.
„Sag mal Nic, was genau ist denn dein Gear?“, fragte ich neugierig.
„Es ist eine Keule..“, begann er zu erklären, „Ein ‚Weapon-Type’ Gear.“
Ich schaute ihn verwundert an. „Also war diese riesige Keule wirklich dein Gear?“
„Sie ist leichter als sie aussieht. Allerdings kann man die Dichte des Kopfes regeln, so das sie laut Tek bis zu zweihundert Kilo wiegen kann.“
„Ah, das ist ja praktisch.“, warf Kiph ein.
„Wer sind Sie eigentlich?“, fragte Belavina.
„Mein Name ist Kiph und ich wurde zum Mentor von Hien und Maera bestimmt.“
Tek lachte. „Und ich dachte, dass du mir einfach mal wieder beim Essen Gesellschaft leisten wolltest.“
„Da wir grade dabei sind“, setzte Kiph an und klatschte seine Hände zusammen. „Nics ‚Mace’ kennen wir jetzt. Welche Gears haben wir denn noch so in der Runde?“
Ich schaute die Anderen interessiert an. Kiph bedeutete Hien anzufangen.
„Also gut, da meine Schwester und ich die einzigen mit einem anderen Mentor sind fangen wir an.“
Er stand auf und klopfte sich auf die Brust. „Verbinden wir das gleich mal mit einer allgemeinen Vorstellung. Mein Name ist Hien Correr und mein Gear nennt sich ‚Rise’. Ich würde es euch gerne zeigen, aber das geht leider nicht da es ein spezieller ‚Armor-Type’ ist, der sich an meinem Herzen und meinem Hirn befindet. Es reguliert spezielle Hormone und den Blutfluss um die Leistungsfähigkeit des Körpers kurzzeitig zu erhöhen.“
„Das ist schon ziemlich eklig, Alter.“, rief Korc.
„Und gefährlich“, fügte Kiph hinzu, „Vergiss niemals, dass sich dein Gear direkt auf deinen Körper auswirkt. Es ist eines der selbstzerstörerischsten Gears überhaupt.“
Hien winkte ab und setzte sich worauf Maera aufstand. Ihr glattes dunkles Haar fiel leicht über die Schulter. Sie strich ihre Haare alle hinter die Ohren und richtete sich ganz auf.
„Mein Name ist Maera Ala.“, begann sie und nickte kurz höflich in die Runde. „Mein Gear wurde ‚Valkyr’ getauft und uhm..“, sie brach ab und schaute verlegen zu Boden.
„Und wie ihr sicher unschwer erkennen könnt besteht es aus einem Paar riesigen Flügeln und einem ausfahrbaren Schwert und Schild an den Armen“, beendete Kiph ihren Satz.
„Wahnsinn! Kannst Sie mit den Dingern auch richtig fliegen?“, erkundigte sich Korc.
„Das wissen wir noch nicht“, lachte Kiph, „aber wir wissen, dass sie stabil sind.“
Maera setzte sich wieder und wurde hochrot.
„Wir hatten Glück, dass sie die letzte war, die ihr Gear empfangen hat“, erzählte Kiph munter weiter, „denn als sich ihre Flügel materialisierten hat sie unsere Gear-Kammer mit einer eindrucksvollen Demonstration ihrer Spannweite sauber in zwei Teile geteilt.“
Eine plötzliche Stille erfüllte den Raum und alle schauten auf Maera. Als einige peinliche Sekunden vergangen waren stand Lyr auf.
„Mein Name ist Lyr Sonido. Mein Gear ist ‚Wave’ und es erlaubt mir Schallwellen zu verstärken. Außerdem kann ich mit genug Konzentration auch die kleinsten Geräusche wahrnehmen.“
Kurz und bündig, wie wir es von Lyr gewohnt waren. Ich entschied mich gleich nach ihr zu sprechen und stand auf.
„Era Cadena ist mein Name. Mein Gear nennt sich ‚Chain’. Ich weiß noch nicht genau was es alles kann, aber ich kann diese Ketten an meinem Arm damit steuern.“
Ich setzte mich wieder und schaute zu Korc, der jetzt aufstand.
„Ich bin Korc Vacio und mein Gear ist das ‚Vacuum’. Wie der Name schon vermuten lässt ermöglicht mir dieser chice Armreif hier das Erzeugen eines Vakuums.“, erklärte er während er demonstrativ seinen Armreif zur Schau stellte. „Allerdings habe ich mir sagen lassen, dass das nur an anorganischen Orten funktioniert.“
„Genau“, bestätigte Tek seine Aussage mit einem lächeln auf den Lippen. „Ihr braucht also keine Angst haben, dass ihr irgendwann mal implodieren könntet.“
„Dann fehle wohl nur noch ich“, sagte Belavina und erhob sich.
Ihre Art zu stehen zeugte von einem Mix aus Grazie und Ego.
„Mein Name ist Belavina Clavar und mein Gear nennt sich ‚Stinger’ – Ein ‚Enhancement-Type’.“
Sie schob ihre Ärmel zurück bis ihr Unterarm komplett frei lag. Es sah aus als ob ihr kompletter Unterarm mit einer Metalllegierung bestrichen war. Ich beobachtete Belavina, die sich jetzt konzentrierte. Ein leises Surren erklang und die Legierung schien sich entlang des Armes in vier Teile zu teilen. Diese hoben sich durch eine Mechanik nach vorn, so dass die vier Platten nun über ihre Hand reichten. Der freie Raum, der noch frei blieb, weil die Platten vorher um ihren Arm bis zum Handgelenk gingen, schloss sich durch herausschnellende Metallteile, so dass es nun aussah, als hätte sie anstelle ihrer Hände jeweils einen großen Stachel.
„Und so sieht es aktiviert aus.“, beendete sie ihre Vorstellung.
„Beeindruckend.“, nickte Kiph zufrieden.
„Definitiv“, stimmte Tek zu, „Eine breite Variation. Ich bin schon auf die Trainingsstunden gespannt.“
„Wann geht es denn nun eigentlich los?“, fragte Lyr.
„Morgen habt ihr noch für euch. Schaut euch ein wenig um und gewöhnt euch an die Umgebung. Die nächsten vier Wochen werdet ihr hier wohl oder über verbringen müssen.“
Tek breitete die Arme aus und fügte grinsend hinzu: „Aber ich glaube Dank dem guten Essen und der vielen Gesellschaft werden ihr das schon überstehen.“
Nach dieser Kennenlernrunde widmeten wir uns wieder unserem Essen.
Durch das späte Abendbrot und die darauf folgende Trägheit entschlossen wir uns den Tag ruhig ausklingen zu lassen und gingen alle auf unsere Zimmer. Hien und Maera nahmen sich die Zimmer neben Nic, wobei Hien das Zimmer direkt neben ihm nahm und Maera das neben Hien. Ich legte mich auf mein Bett und stellte mir vor, wie die nächsten Wochen wohl werden würden.
