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Sagara

der Ozean
von

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C

~Drittens~
 


 

Ich schaffte den Bus gerade noch.

Aber nicht dank meines schnellen Rennens, sondern weil der Busfahrer – ein Mann mit Glatze mittleren Alters namens Wolfgang (ich habe keine Ahnung mehr wie ich seinen Namen erfahren habe)- den blauen Sari noch rechtzeitig im Rückspiegel gesehen hat. Die meisten Busfahrer der Linie 2 (die Linie, welche die ganzen westlich und nördlich gelegenen Bushaltestellen abklapperte) waren nämlich so freundlich zu warten, wenn sie mich, die einzige indisch aussehende der Stadt die in Saris herumlief, herannahen sahen.

Es gab nur einen Busfahrer der mir mit Freude die Tür vor der Nase zu machte, mit den Achseln zuckte um auszudrücken «wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! » und losfuhr.

„Na da hast aba Glück g’habt, Fräulein!“

„Ja. Vielen Dank das sie gewartet haben!“

„Keine Ursache. Bei dir bin ich’s ja g’wohnt“

Ich lächelte nur etwas verlegen, entwertete meine Streifenkarte und arbeitete mich schwankend bis zu einem freien Platz vor. Die Busfahrer hier haben nämlich die Angewohnheit Vollgas zu geben, selbst bei Straßenunebenheiten, wie sie in unserer Stadt häufig vorkamen.
 

Ich sah Basima schon von weitem. Ihre Haltung deutete eindeutig auf «ich bin sauer, dass du mich warten lässt» hin. Warum hatte sie nur diese Eigenart zu denken, jeder Mensch auf

Erden müsste der Uhr folgen?

Unwillig näherte ich mich ihr. Ich wollte heute keinen weiteren Streit haben.

Prompt entdeckte sie mich. Sie spuckte ihren Kaugummi in den Abfalleimer neben ihr und sah mich grimmig an.

„Eine Viertelstunde! Eine volle Viertelstunde hast du mich warten lassen! Wo warst du?“

„Im Krankenhaus. Sam hat einen Unfall gebaut.“

Sie schnaubte.

„Was für eine dumme Ausrede ist das denn, Baka!“

Ich seufzte. Spätestens jetzt war es nötig das Thema zu wechseln. Wenn Basima erstmal ihr liebstes Schimpfwort gebraucht, war mit ihr über kurz oder lang nicht mehr gut Kirschen essen.

Ich ging in auf die großen Flügeltüren des Einkaufszentrums zu und fragte sie beiläufig, wie sie sich das Kleid zum 3.jährigen Jubiläum ihrer Beziehung mit Walter vorstellte (Farbe, Schnitt, Preisverhältnis etc.). Es klappte.

„Etwas das meine Abstammung hervorhebt!“

„Du hast schwarzes Haar, wirst im Sommer schnell schokobraun und hast ein vollkommen orientalisches Gesicht. Wieso brauchst du extra noch ein Kleid, dass dies alles hervorhebt?“

„Ich bitte dich. Wir haben Anfang Juni unser dreijähriges. Im Juni kann jeder x-beliebige Deutsche mit schwarzen Haaren braungebrannt sein und auf den ersten Blick erkennt man das Gesicht schwer!“

Basima ist zwar Halbaraberin, wäre jedoch am liebsten multikultureller Abstammung und Herkunft.

Ich verstehe sie nicht. Meiner Meinung nach hat man schlechte Karten wenn man halb ist.
 

Die nächsten drei (!!!) Stunden verbrachten wir damit, das perfekte Kleid zu suchen.

Einmal war der Saum zu lang, ein anderes Mal passte der Schnitt nicht. Eines, das wir nach zwei dreiviertel Stunden gefunden hatten war grandios...leider kostete es zu viel…

„150 Kröten?! Ich muss doch noch das Geschenk für Schatzi bezahlen!“

Spätestens da hatte ich die schnauze voll und bot an ihr das Kleid zu nähen.

„und das machst du mir wirklich? Du bist so ein lieber, netter Schatz! Ich könnte dich küssen!“

„Bewahre den Kuss lieber für Walter auf! Du musst mir morgen nur noch die stoffe bringen aus denn ich das Kleid zaubern soll!“

„Kein Problem, meine Mami hat noch ganz viele schöne!“

„Etwa die, welche sie von deinem Vater geschenkt bekam…als er um sie warb?“

Basimas Vater Ali ist Araber und lebte in Saudi-Arabien bis zu seinem 22.Lebensjahr.

Damals traf er die 33jährige, blonde Adelstochter Erika von Hohenstein - ich weis, typisch hochgestochener Name. Eine ledige Rechtsanwältin. Das war vor 20 Jahren und um Ali zu zitieren «ich konnte meine Augen einfach nicht mehr von ihr abwenden, geschweige den ohne sie Leben».

Da er dachte Sie wäre eine Dame für jedermann fragte der vierte

Sohn eines Scheichs Erika ob sie ihn heiraten wolle. Die Antwort war eine Ohrfeige, denn Erika kam nun mal aus einem konservativen Adelsgeschlecht, in dessen Augen ein 1.66m kleiner, muslimischer, verwöhnter, arabischer Jüngling kein passabler Ehemann ist.

Also versuchte es Ali auf die alt bewerte Methode: Er warb um sie.

Zumindest insofern das sie zusagte, um noch mehr „Verlobungsgeschenken“, welche sie sehr peinlich fand, aus dem Weg zu gehen.

Außerdem dachte sie sich man könne sich immer noch scheiden lassen und wieder aus dem Islam austreten.

Na ja, das Ende vom Lied ist eine glückliche Ehe die seit 19 Jahren hält und aus der vier Kinder hervorgingen: ein Sohn namens Abbas-Finn (18 Jahre), die Zwillinge, die unterschiedlicher nicht sein könnten, Basima und Faizah (beide 17.) und die kleine Nachzüglerin Eva-Gadi (9 Jahre alt).

„Ja, genau diese Stoffe! Sie sind einfach zu bearbeiten, sehen trotzdem wunderschön aus!“

„Such dir einen passenden Stoff aus und bring ihn mir bitte morgen in die Schule mit!“

„Au ja das mach ich, also tschüss dann!“ Voller Übermut den richtigen Stoff zu finden, wollte sie sofort nach Hause stürmen.

Jedoch, brachte mich dieser eine Satz von einer Woge der Erfüllung, jemandem helfen zu können, auf den Grund der Tatsache zurück, dass ich nun auch nach Hause gehen müsste.

„Wollen wir nicht noch …Essen gehen?“

„Nein danke, aber mein Papi hat vor mir etwas zum Abendessen zu kochen. Und du weist doch wie gut er kocht!“

Oh ja, das wusste ich. Ali könnte durchaus Meisterkoch sein, wenn ihm seine Arbeit als Maskottchen nicht so gut gefallen würde.

„Und Kino?“

„Mein Papi meinte das Essen sei um sieben fertig. Außerdem läuft doch im Frühling nie etwas Gutes im Kino.“

„Eh...ja,…da hast du wohl Recht…“

Mir fiel keine Ausrede mehr ein.

Und somit verabschiedete sich Basima und ließ mich allein in dem großen Einkaufszentrum und dem riesigen Gefühlswirrwarr in meinem Inneren zurück.

Ich wollte nicht nach Hause gehen.

Ich konnte da einfach nicht hingehen.



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