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Lost and Found

Wenn dich die Vergangenheit einholt ...
von

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A vision out of my dreams

Auch der nächste Tag war für uns vollgepackt bis oben hin. Wir mussten ziemlich früh aufstehen, um alles zu schaffen, obwohl wir am gestrigen Abend noch eine ganze Weile in der Bar unseres Hotels gesessen und etwas getrunken hatten. Um sicher zu gehen, dass wir auch wirklich alle pünktlich aus den Federn kamen, hatte Hima-san mich extra angerufen.

„Morgen, Hima!“, begrüßte ich sie munter und klemmte mir das Handy zwischen Ohr und Schulter, um weiter Klamotten aus meinem Koffer holen zu können.

„Morgen, du bist also wach“, stellte sie fest.

„Wach, geduscht und schon halb angezogen.“

„Wundert mich nicht. Und die anderen?“

„Ju-Ken steht grad unter der Dusche, Chacha versucht seine Haare zu entwirren und You kämpft damit, Junji aus dem Bett zu bekommen“, berichtete ich und fand endlich das Oberteil, nach dem ich gesucht hatte.

„Hat er also gestern Abend doch zu viel getrunken?“

„Nein nein, der Jetlag macht sich nur langsam bemerkbar. Und er ist doch sowieso eine Schlafmütze.“

„Auch wahr. Seht jedenfalls zu, dass ihr um 10.30 Uhr bei der Generalprobe seid. Wenn es wieder so lange dauert, wie gestern, könnte es bis zum Mittagessen knapp werden.“

„Ja, ich weiß, aber danke für die Erinnerung.“

„Doppelt hält besser.“ Ich konnte das Lachen in ihrer Stimme hören. „Nun denn-“

„Ah, warte mal kurz“, fiel ich ihr ins Wort, ehe sie sich verabschieden und auflegen konnte.

„Ja?“, fragte sie.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“

„Worum geht es denn?“

„Um diese Band, die wir gestern gesehen haben. Sie waren schon weg, bevor ich mit ihnen reden konnte. Kannst du versuchen, etwas über sie herauszufinden? Wo sie unter Vertrag sind, ob wir sie irgendwie treffen können, in welchem Hotel sie übernachten und solche Dinge.“

„Ich kann es versuchen. Kennst du ihren Namen denn inzwischen? Sonst wird es schwierig.“

„Nein, leider nicht“, musste ich eingestehen, „aber ... was hatte der Kerl gestern gesagt? Sie haben letztes Jahr den Award für das beste Video gewonnen und eröffnen heute Abend die Show. Damit dürfte sich doch was machen lassen.“

„Ich werd sehen, was sich tun lässt.“

„Danke, Hima“, sagte ich und schmunzelte.

„Bitte sehr. Bei der Probe kommt ihr allein zurecht?“

„Klar, wir sind doch schon groß.“

„Na dann ... wir sehen uns beim Mittagessen.“

„Jep!“ Dann legte sie auf und ich tat es ihr gleich, um mich für die Generalprobe fertig anzuziehen. Während man gestern nur ausprobiert hatte, ob die Technik stimmte, wurde heute der komplette Auftritt geprobt. Also nicht nur Sound, sondern auch sämtliche Effekte; selbstverständlich gleich im Bühnenoutfit. Dabei war es von Vorteil, dass wir noch am Vormittag einen Slot bekommen hatten, da wir so gleich für das anschließende Mittagessen mit einer Plattenfirma, welche uns eventuell unter Vertrag nehmen wollte, gestylt waren. Danach würde es sofort zu einer Radioshow weitergehen und knapp vor der Preisverleihung ging es dann noch zum Abendessen mit einem anderen Label. Wirklich voller Plan also; alles musste glattlaufen, damit wir nicht in Verzug kamen. Und dazu gehörte auch das Aufstehen, wie es mir You in diesem Moment wieder einmal deutlich machte.

„Junji, jetzt komm endlich!“, knurrte er reichlich ungehalten, „oder willst du in Unterhosen zur Probe? In fünf Minuten geht’s los!“ Letzteres stimmte zwar nicht, aber wenn es half ... der Zweck heiligte manchmal eben doch die Mittel. Ich begab mich jetzt auch in den vorderen Raum, um dem Schauspiel beizuwohnen. Es versprach, interessant zu werden.

„Was?!“, rief der Angesprochene darauf überrascht, „warum sagt mir das denn keiner?“

„Was denkst du wohl, was ich hier die ganze Zeit über mache?“

„Gah!“ Darauf fiel er nahezu aus dem Bett und eilte durch den Raum. „Hey, lasst mich ins Bad, ich muss duschen und ... Zähneputzen und ... ich bin noch nicht fertig!“

„Wir doch auch nicht“, meinte Chacha dazu, ohne seinen Blick von dem Spiegel, der in die Garderobe integriert war, abzuwenden.

„Huh?“, kam es fragend von unserem Drummer.

„You hat dich verarscht“, erklärte ich es ihm, „wir haben noch Zeit. Bist aber selber dran Schuld, wenn du auf sowas reinfällst.“

„Ihr seid schlimm.“

„Du auch!“
 

*
 

Anderthalb Stunden später standen wir geschlossen und in voller Montur auf der Bühne. Man hatte all unsere Instrumente haargenau so positioniert, wie wir es angegeben hatten, und auch die Effekttechnik stand bereit. Während gestern alle Beteiligten eine Einweisung in das Prozedere bekommen hatten, waren heute nur Künstler anwesend, die auch performen würden. Wir waren die letzten mit einem aufwändigen Set, da zu unserem Song literweise Wasser gehörte und man nach uns erst einmal eine Runde durchwischen musste.

Alles lief glatt, wir bekamen Komplimente (sowohl von Mitarbeitern als auch von anderen Bands und Sängern) und konnten die Probe mit einem sehr positiven Gefühl verlassen. Wenn wir das heute Abend genauso gut – wenn nicht gar besser – hinbekamen, dann würde das der perfekte Startschuss für unsere Promotour sein.
 

Sonderlich viel Zeit hatten wir dann auch nicht und eilten sofort weiter zu dem Restaurant, in dem wir zum Essen verabredet waren. Dort trafen wir auch Hima-san wieder, die sich allerdings etwas verspätete. Wir saßen alle schon und unterhielten uns angeregt mit dem Vertreter unseres potenziellen Plattenlabels über unsere bisherige Arbeit, unsere Pläne, was den amerikanischen Musikmarkt anging, und was wir alles geben würden, um auch hier erfolgreich zu werden.

„Alles natürlich“, antwortete You auf die letzte Frage, „wir sind sehr ehrgeizig und arbeiten hart, um unsere Ziele zu erreichen.“

„Davon gehe ich aus“, entgegnete unser Gegenüber, „aber damit sind Sie nicht die Einzigen. Zu was wären Sie bereit?“

Diesmal übernahm ich das Antworten: „Da wir unsere bisherigen Erfolge auf dem japanischen Musikmarkt erreicht haben, haben wir uns natürlich auf Texte in unserer Landessprache konzentriert, damit die Botschaften unserer Songs auch so ankommen, wie wir sie vermitteln wollen. Für Amerika wären wir selbstredend dazu bereit, die Texte ins Englische zu übertragen, um auch hier so verstanden zu werden.“ Wir hatten uns schon vorher alle möglichen und unmöglichen Antworten zurechtgelegt, um nur nicht so zu wirken, als könne man uns nach Gutdünken verbiegen. Gewisse Zugeständnisse mussten wir natürlich trotzdem machen, da kein Musikmarkt dieser Welt wie der andere war.

„Ihre Einstellung ist sehr löblich.“

„Wie You bereits sagte: Wir tun alles, was nötig ist, um erfolgreich zu sein. Und die Anpassung der Sprache ist eine ebenso große Notwendigkeit wie überhaupt erst den Schritt auf diese Seite der Musikwelt zu wagen. Wir möchten uns erweitern und an der Herausforderung wachsen und das ginge schlecht, wenn wir uns nur auf den asiatischen Markt beschränkten.“

„Ich verstehe ...“

Es ging noch eine Weile so weiter, bis der Herr uns scheinbar alles gefragt hatte, was er von uns wissen wollte, und ziemlich zufrieden wirkte. Das Essen auf Kosten des Labels beendete unsere Vorverhandlungen und als sich der Mann verabschiedete, waren wir erst einmal entlassen.
 

„Immer wieder anstrengend“, seufzte Chacha und lehnte sich zurück.

„Ja.“ Besonders wenn man souverän wirken wollte, indem man furchtbar gestelzte Formulierungen benutzte. Und heute Abend würden wir das ganze nochmal in grün durchmachen müssen, um uns mit einem weiteren Label gutzustellen, wenn uns dieses hier ablehnen würde.

„Gackt“, sprach mich Hima-san auf einmal an, „ich hab mich um diese Band gekümmert.“ Ah~ stimmte ja.

„Und?“, hakte ich nach.

„Sonderlich viel hab ich nicht rausfinden können. Die Leute hier sind so verschwiegen, als ob es um den Präsidenten persönlich ginge und wir spionieren wollten. Und der Rest weiß einfach nichts.“

„Und was hast du?“

„Allgemeine Informationen wie man sie auf jeder Fanpage im Internet findet: Die Band besteht aus zwei Leuten; alle anderen sind nur Supportmusiker, die regelmäßig wechseln. Sie machen seit sechs Jahren zusammen Musik, drei davon unter ihrem eigenen kleinen Label. Keine Ahnung, wo sie untergebracht sind und ob sie Zeit für uns hätten. Und selbst wenn wir das Hotel wüssten, würde uns das Personal sicher auch nichts sagen. Wäre ja auch noch schöner, wenn die ausplaudern, wer bei denen so ein- und ausgeht.“

„Schade ... kann man aber nichts machen.“

„Sicher sind sie auf der After-Show-Party“, klinkte sich You in unsere Unterhaltung ein, „alle werden da sein; sie also auch.“

„You hat Recht“, gab auch Junji seinen Kommentar dazu ab, „und zur Not haben wir noch morgen, um mit ihnen zu reden. Wir fahren doch erst am Nachmittag weiter.“

„Insofern sie dann noch da sind“, wandte ich ein, „abgesehen davon wird das nur was, wenn es heute Abend nicht zu spät wird. Bei keinem von uns.“

„Mal was anderes“, meldete sich schließlich auch noch Ju-Ken zu Wort, „wie heißen die Jungs eigentlich?“ In dem Moment, als er die Frage stellte, kam es mir auch endlich in den Sinn. Wir wussten ihren Namen überhaupt noch nicht. Ich drehte den Kopf zu Hima-san und war damit nicht der Einzige – alle anderen taten es mir gleich.

„Hatte ich das noch erwähnt?“, fragte sie überrascht. „Sie nennen sich VAMPS.“

„VAMPS?“ Junjis Frage. „Klingt eher wie eine Frauenband.“

„Eigentlich die Kurzform von 'Vampires'. Ich habe auch irgendwas von Frauen gelesen, aber das wirkte nicht so wichtig. Und ihr wisst, dass man weder dem Internet noch Rockmusikern alles glauben darf.“ Wobei sie damit Recht hatte.

VAMPS ...
 

*
 

Die Zeit war heran, in zwanzig Minuten würde die Verleihung beginnen und wir saßen nach einem Tag, wie er fast besser nicht hätte laufen können, auf unseren Plätzen im Saal des größten Casinos, das Las Vegas zu bieten hatte.
 

Nach dem Mittagessen waren wir in einer Radiosendung zu Gast gewesen. Der Moderator der Show hatte uns ungefähr dieselben Dinge gefragt, die auch der Kerl von dem Label, bei dem wir vorgesprochen hatten, hatte wissen wollen: Bisherige Karriere, Pläne, Ziele und so weiter. Im Gegensatz zu unserem Vorstellungsgespräch war aber alles sehr locker vonstatten gegangen und man hatte uns auch die ein oder andere persönliche Frage gestellt: Ob wir alle noch zu haben wären, unser persönlicher Musikgeschmack oder wer unsere Vorbilder waren zum Beispiel. Zwei Stunden hatten wir in dem Studio gesessen, ehe Hima-san uns mitgeteilt hatte, dass wir zum nächsten Termin mussten.

Der nächste Termin war ein verfrühtes Abendessen mit dem anderen Label gewesen. Es verlief ähnlich wie das erste Treffen: Ich hatte wieder das Wort übernommen (die Bürde, wenn man der Sänger und damit das Aushängeschild einer Band war), die anderen hatten mich unterstützt, wo sie sich passend hatten einbringen können und am Ende hatten wir abermals den Eindruck, dass wir uns recht gut verkauft hatten.

Nun hatten wir das aber erstmal hinter uns, das nächste Gespräch dieser Art würde erst nächste Woche stattfinden und wir konnten uns bis zu unserem eigenen Auftritt entspannen. Wobei 'Entspannung' in diesem Falle relativ war. Zwar waren wir nach über drei Jahren der gemeinsamen Arbeit mittlerweile sowas wie Profis, aber das auch nur bei uns zu Hause. Amerika war vollkommen neu, hier mussten wir fast bei Null anfangen und uns alles von Neuem erarbeiten. Und das machte uns alle – auch mich, der sonst mit Aufregung recht gut klarkam – nervös. Junji hatte auch schon wieder angefangen, auf seinen Beinen herumzutrommeln, obwohl wir ihm bereits mehrmals gesagt hatten, dass es das nicht besser machte.

„Junji“, zischte You, der neben ihm saß und deshalb die stärksten Nerven brauchte.

„Ich übe den Song“, flüsterte jener zurück.

„Das ist jetzt auch zu spät. Außerdem kannst du ihn doch auswendig.“

„Und wenn ich ihn plötzlich vergesse?“

„Das wirst du nicht.“

„Und wenn doch?“ Darauf gab You ein genervtes Geräusch von sich, wohl nicht mehr gewillt, darauf zu antworten.

„Dann kriegst du morgen nichts zu essen“, sagte Chacha stattdessen, „und jetzt hör auf damit. Wir sind alle nervös.“

„Gah-“
 

Und dann war es plötzlich so weit: Das Licht ging aus, die Scheinwerfer an und aller Aufmerksamkeit richtete sich auf die Bühne, die noch von einem weißen Vorhang verdeckt wurde. Auch dahinter gingen Lichter an, sodass riesengroße Schatten an das Tuch geworfen wurden.

Einzelne Gitarrenklänge ertönten, die sich schon bald zu einer sanften Melodie zusammenschlossen. Dann kam der Gesang hinzu – die männliche Stimme wisperte hauchzarte Worte ins Mikrophon, gerade laut genug, um das Instrument zu übertönen. Nur ein paar Verse, bevor auch die restlichen Mitglieder der Band einsetzten. Es wurde laut und rockig und mit der veränderten Atmosphäre des Songs fiel der Vorhang, gab den Blick auf die Künstler frei.

Sie steckten alle in einer seltsamen Mischung an Klamotten. Schon bei den gestrigen Proben hatte ich sie alle in schlabberigen Sachen gesehen, aber das hier schlug dem Styling-Fass den Boden aus: Einer trug ein ärmelloses Shirt und eine weite Dreiviertelhose in Kombination mit schweren Boots und einer halblangen Weste. Ein anderer – ihr Sänger – hatte sich tatsächlich für diesen Auftritt in einen langen Mantel mit Leopardenfellmuster geworfen und diesen auch noch zugeknöpft, sodass man nichts vom Rest sah. Der Mantel hing fast auf dem Boden, weil die Person darin nicht sonderlich groß zu sein schien. Beide hatten sie verspiegelte Sonnenbrillen auf, wie schon bei der Probe. Selbst wenn sie auf einem der beiden großen Screens, die links und rechts von der Bühne angebracht waren, gezeigt wurden, konnte man kaum etwas von ihren Gesichtern ausmachen.

Und dennoch strahlten sie so viel Energie aus, dass man wirklich spüren konnte, dass sie ihren Job mit Leidenschaft taten. All diese Energie schwappte förmlich über und selbst wenn die Worte komplett auf Englisch waren – was die Wirkung auf mich schon etwas dämmte, da ich mit schmückendem Englisch noch nicht so gut umgehen konnte – strömten sie in mich hinein, bis in jede Faser meines Körpers. Und es gab einen weiteren positiven Aspekt: Der Song hatte eine so einnehmende Wirkung, dass er uns ablenkte. Selbst Junji hatte aufgehört zu trommeln, was ich sehen konnte, als ich einen Blick auf meine Freunde und Kollegen warf.
 

Ein paar sehr kurze Minuten später endete die Performance dann auch schon mit erneuten sanften Gitarrenklängen und unter Danksagungen des Sängers von VAMPS. Dann verschwanden sie, von Applaus begleitet, und gaben die Bühne für die Moderatorin des heutigen Abends frei. Eine Frau, die sich in ein glitzerndes, cremefarbenes Cocktailkleid geworfen hatte und eine blassrosa Blume in ihrem dunklen Haar trug. Sie war sehr hübsch und ihr Lächeln machte sie nur noch hübscher. Als sie zu sprechen begann, könnte man ihre angenehme Stimme vernehmen. Auch ihr Lachen klang schön – hell und klar. Man musste einfach bezaubert sein, wenn man es hörte. Und man hörte es oft, denn sie führte das Publikum gut gelaunt durch das Programm.
 

Die Zeit verging wie im Flug und nachdem Awards für Rock, Pop, Jazz, Hip Hop, R'n'B, das beste Live und das beste Album verliehen waren, waren wir an der Reihe. Es gab jetzt eine kleine Pause, in der die Zuschauer vor dem heimischen Fernseher Werbung sehen würden, und danach kam der Preis für den besten Newcomer. Wir mussten also genau jetzt in den Backstagebereich, damit man uns verkabeln und auch sonst noch fertigmachen konnte. Gleich danach gingen wir hinaus auf den Teil der Bühne, der noch von einer Trennwand verdeckt wurde und warteten darauf, dass die Laudatoren und Gewinner den vorderen Teil verlassen und Platz machen für uns würden.
 

Und dann ging es los. Das Licht wurde heruntergedreht und ein einzelner Scheinwerfer wurde auf die Moderatorin, die uns ankündigte, gerichtet. Ich bekam nicht genau mit, was sie sagte, denn ich war schon in unserer eigenen kleinen Welt, in die wir uns immer dann begaben, wenn wir auf der Bühne standen. Ich hörte nur noch unseren Namen, dann wurde es auch endgültig dunkel und die Trennwand fuhr zurück.

„Der Regen wäscht alles rein“, wisperte ich sanft ins Mikrophon, ohne aufzusehen, „Rain!“

Dann setzte die Musik leise ein und mit ihr auch die Beleuchtung. Langsam schalteten sich Scheinwerfer ein, tauchten uns in blaues Licht, das so seicht war wie meine Stimme, die ich kurz darauf erhob. Ich formte Worte in meiner Muttersprache, die ich so liebte und in der ich mich einfach am besten ausdrücken konnte. Wir hatten bereits eine Übersetzung erarbeitet und damit geprobt, aber es war mir so verzerrt und seltsam vorgekommen, dass wir uns im Endeffekt dazu entschieden hatten, den Song doch auf Japanisch vorzutragen. Die Übersetzung verwendeten wir trotzdem. Sie wurde auf den beiden Screens eingeblendet, genau auf mich abgestimmt, damit jeder verstehen konnte, wovon ich sang.

Die Atmosphäre war bezaubernd und ruhig ... solange bis auch Junjis Einsatz kam und er einen kräftigen Rhythmus auf dem Schlagzeug spielte. Ich sang lauter, emotionaler, ausdrucksvoller, streckte eine Hand aus, um in die Ferne zu greifen und doch nichts fassen zu können. Selbst wenn keiner im Publikum meine Sprache verstand oder die Übersetzung las, sollten sie von den Gefühlen in diesem Song erreicht werden.

Ich beugte mich nach vorn und legte die Hand auf meine Brust, sang wieder sanfte Worte ... nur ein paar Zeilen, um danach erneut auszubrechen. Es war ein Auf und Ab, ein Wechselspiel aus Kraft und Ruhe. Und dann begann es zu regnen. Ein Vorhang aus Wasser fiel vor uns herab und es sah gerade so aus, als ob wir mitten im Regen stehen würden. Die perfekte Kulisse.

Ich ließ mich auf die Knie sinken und sang weiter, ein Hauch von Schmerz in der Stimme. Ich krümmte mich, sah auf, versuchte Hoffnung zu schöpfen, wo keine mehr war. Ich schlug auf den Boden ein, drang tiefer und tiefer in den Abgrund der Gefühle vor, den ich für die Bühne kreiert hatte, bis ich selbst daran glaubte und der Illusion erlag. Es war verloren, alles verloren. Nirgendwo war mehr Rettung und dennoch wollte ich es nicht wahrhaben. Ich raffte mich hoch, brachte alle Kraft auf, die ich noch hatte, sehnte mich nach Erlösung, zog den Ton in die Länge. Und dann war es vorbei.

Ich lehnte mich nach hinten, in die unendliche Dunkelheit meiner verlorenen Welt starrend, während You die letzten Töne auf der Violine spielte. Den aufkommenden Applaus hörte ich kaum; Tränen liefen mir über die Wangen und den Hals, durchtränkten den Stoff meines Shirts.
 

„Hey, G-kun, geht’s dir gut?“, drang Yous Stimme leise in mein Ohr. Ich nickte knapp, bewegte mich sonst aber immer noch nicht.

„Wir müssen von der Bühne, G-kun, die wollen weitermachen.“

„Okay“, bekam ich dann doch hervor, ließ mir von meinem Freund aufhelfen und von der Bühne geleiten; alle anderen waren schon vorausgegangen. Tränen brannten in meinen Augen und ich war immer noch gefangen in den Emotionen, die der Song ausgelöst hatte. Ich fühlte mich schwach und duselig; als wir die Treppe vom Bühnenaufgang heruntergingen sah ich sogar Dinge, die gar nicht da sein konnten. Dennoch blieb ich stehen und starrte auf die Person, die gerade auf dem Weg nach oben war.

Es ging nicht. Das war unmöglich. Ich hatte nicht erwartet, ihn jemals wiederzusehen. Im Grunde hatte ich ihn vergessen. Aber nun war er hier, stand klar und deutlich vor mir; diesmal ohne Sonnenbrille, die sein Gesicht halb verdeckte: Der Sänger von VAMPS und ...

„Hideto.“ Seine Augen weiteten sich, als ich dies murmelte. Sämtliche Zweifel zerstreuten sich von selbst und alles brach über mich herein.

„Hideto!“
 

tbc.
 

~~~ ** + ** ~~~
 

*hust*² Auch hier ein Sorry für den Bandnamen ... und/ oder die Tatsache, dass ich euch VAMPS als Hydes langjährige Band verkaufe. Macht sich aber besser so – weniger Leute, die ich unterbringen muss (mit dem JOB hab ich schon genug zu tun) :P Und ich wollte Laruku einfach nicht so darstellen, wie ich sie hätte darstellen müssen, wenn ich sie für die Fic benutzt hätte; aber das seht ihr später. Sie sind mir schließlich immer noch die Liebsten :3

Für den Song von VAMPS hab ich übrigens an 'Time goes by' gedacht, auch wenn der nich komplett englisch ist, und bei 'Rain' bitte nicht zu sehr auf die Lyrics/ Übersetzung achten – ich hab sie mir nur einmal durchgelesen und mich eher an mein Gefühl beim Hören gehalten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2010-05-13T21:59:58+00:00 13.05.2010 23:59
Wooooow *______*
Eigentlich spar ich mir mein kommi immer bis zum letzten Kaqpitel, aber hier hobt es so eine Stelle die ich unheimlich toll finde, das muss man ja mal sagen:

"Ich schlug auf den Boden ein, drang tiefer und tiefer in den Abgrund der Gefühle vor, den ich für die Bühne kreiert hatte, bis ich selbst daran glaubte und der Illusion erlag. Es war verloren, alles verloren. Nirgendwo war mehr Rettung und dennoch wollte ich es nicht wahrhaben. Ich raffte mich hoch, brachte alle Kraft auf, die ich noch hatte, sehnte mich nach Erlösung, zog den Ton in die Länge. Und dann war es vorbei."

Das ist wirklich genial geschrieben, ich frag mich wirklich wie man auf solche Formulierungen kommt.
Natürlich gefällt mir die Geschichte bis jetzt allgemein wirklich sehr gut, aber diese Stelle hat es mir irgendwie ganz besonders angetan. :)
Ich lehnte mich nach hinten, in die unendliche Dunkelheit meiner verlorenen Welt starrend, während You die letzten Töne auf der Violine spielte. Den aufkommenden Applaus hörte ich kaum; Tränen liefen mir über die Wangen und den Hals, durchtränkten den Stoff meines Shirts.
Von:  Ina-Tenshi
2010-04-10T09:55:56+00:00 10.04.2010 11:55
Du hast Gackts auftritt wirklich hammer beschrieben. so emotional. man musste den song gar nicht hören. ich hab ihn schon bei deiner beschreibung rausgehört. einfach TOLL!!!! ^///////////////^
ich find es sehr passend, das du vamps genommen hast und sie eben schon 6 jahre zusammen sind. es muss ja nicht alles stimmen. wenn es das tun würde, dann wüssten wir ja schon die hälfte, aber wenn etwas erfunden ist, dann macht das einfach die story viel interessanter. finde ich jeden falls.
es ist gerade ziemlich spannend, aber ich werd wohl erst morgen weiterlesen können. -_-;;;
aber ich freu mich schon ^-^
Von: abgemeldet
2010-04-05T19:57:58+00:00 05.04.2010 21:57
OMG!! Das war ja soooo schön. Wie du den Gesang von Gackt beschrieben hast. Unglaublich. Das so etwas überhaupt geht=)
Bitte schreib schnell weiter!!
*schnell.mal.die.beiden.Lieder.suchen*
Von:  snowdrop
2010-04-04T17:37:12+00:00 04.04.2010 19:37
Awww.. ich lag mit meiner Vermutung richtig!!(dass ich das noch miterleben darf) XD
Jip, wie Aka-chan schon gesagt hat, bei dem Auftritt von VAMPS musst ich auch sofort an den Auftritt von Paris denken (ich habs mir zwar nicht angeschaut, aber eine Freundin hat von dem 'Opening'-Auftritt erzählt x3).. und ich wäre auch nicht drauf gekommen, dass sie 'Time Goes By' gesungen haben. *lach* Hast aber ein tolles Lied ausgesucht.. einer meiner Lieblinge. <3
Und, und.. du hast Rain für Gackts Band ausgewählt.. ich war so glücklich drüber.. ich liebe Rain über alles, vor allem den Auftritt bei der 'Jougen no Tsuki'-Tour. <33 Ich könnt da jedesmal anfangen zu heulen. XD

Wieso musst du genau da aufhören.. bei so einer Stelle auszuhören ist böse. |D
Ich bin echt gespannt, wie Hideto reagieren wird. =) Ich hoffe nur, dass Hideto ihn nicht vergessen hat.. ;___;
Von:  Akai-chan
2010-04-04T15:51:07+00:00 04.04.2010 17:51
Oh, ich bin schon wieder die erste mit dem Kommentar? oo (1. Kapitel zählt nicht, weil ich das ewig nicht gelesen hatte... xD)
Na, egal. :3
Und ja, meine Vermutung - ich weiß nicht, woher sie kam, dass diese Band da VAMPS mit Hideto ist, hat sich bestätigt. Ich wundere mich nur ein wenig, dass Gackt nicht gleich nach dem Bandnamen gefragt hat. Also, schon als sie sie auf der Bühne gesehen hatten... Das wäre eine meiner ersten Fragen gewesen. oO Aber vielleicht war er doch nervöser, als er zugeben wollte? xD
Erm, ja... ich hab das Gefühl, beim Vamps-Auftritt hast du ein wenig von Paris geklaut. Mit dem Tuch, den Schatten und dass das Tuch dann fällt, wenn sich die Musik und die Stimmung ändern. War ja bei Get out from the shell auch so. Dass es Time goes by sein sollte, hätte ich ohne deinen Kommentar nicht erkannt. Aber es freut mich, dass du mein Lieblingslied ausgewählt hast. Höhö. xD
Rain... Ach ja, da gab es auch mal einen Gackt-Auftritt. Welche Tour war das nur? Hm, ich erinner mich nicht. x_x Aber ich denke, du hattest den da auch im Hinterkopf, nicht wahr? So herrlich, wenn er da so leidend auf dem Boden rumrobbt. xD' Ich weiß allerdings nicht, ob er mit seinem theatralischen Leiden auch bei der breiten Masse in den USA so ankommt. Ich habe da so meine Zweifel... *am Kopf kratz*
Und! Schade, dass das Kapitel an der Stelle aufhört. Nun will ich die Reaktionen der beiden wissen. =3= Wird Hideto abhauen? Wird er vorgeben, jemand anderer zu sein und ihn nicht zu kennen? Hat er ihn vielleicht sogar vergessen? Und Gackt? Wird er vor versammelter Mannschaft in Ohnmacht fallen? (Stell ich mir gerade sehr lustig vor. xD") Wird er in Tränen ausbrechen und sich an Hideto klammern, damit der bloß nicht wieder abhauen kann? Und werden sie überhaupt ein Wort miteinander reden oder eher so tun, als sei nie etwas gewesen? (Wäre vielleicht ein 'perfekter' Neuanfang... x_x) Fragen über Fragen... Und so viele Möglichkeiten. Hmmm...~ xD


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