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Lost and Found

Wenn dich die Vergangenheit einholt ...
von

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Hear me as I cry

„Komm da runter, Ga-chan! Oder willst du dir den Hals brechen?“

„Manchmal kannst du ein richtiger Spielverderber sein, weißt du das eigentlich?“

„Und du bist manchmal so ein Kind. Ich dachte du wärst sechzehn und nicht erst sechs, aber ich habe mich scheinbar getäuscht.“

„Lass nicht immer den Erwachsenen raushängen, nur weil du vier Monate älter bist als ich, Hi-chan.“ Meine Antwort wurde von einem Lachen begleitet, während ich tatsächlich von dem Klettergerüst herunterkam und mich zu meinem besten Freund gesellte, der nur ein paar Meter weiter auf einer Bank saß und mit seinen nackten Füßen Muster in den Sand malte. Ich ließ mich neben ihm auf die Bank fallen und rutschte so weit herunter, dass mein Kopf schließlich auf der Lehne auflag und mein Blick senkrecht nach oben gerichtet war.
 

Es war ein warmer Sommerabend Anfang August und die Dunkelheit brach gerade richtig herein. Es wurde langsam spät und das hieß, dass unsere gemeinsame Zeit bald vorbei sein würde. Wir kannten uns schon seit wir ganz klein waren, wir hatten nahezu jede freie Minute miteinander verbracht und wussten alles übereinander – wirklich alles. Er hatte mir erzählt, wenn es ihm gut ging, wenn es ihm schlecht ging. Er hatte mich um Rat gefragt, wenn er die Aufmerksamkeit eines Mädchens auf sich ziehen wollte, da er darin nie besonders gut war, ich aber schon. Ich hatte ihm ebenso alles anvertraut und stundenlang zusammen mit ihm über meinen Hausaufgaben gesessen, wenn ich sie nicht selbst hatte lösen können. Er war ein geduldiger Lehrer und gleichzeitig ein aufmerksamer Schüler. Meine Kindheit, die ich nie ohne Hideto verbracht hatte, war so glücklich gewesen, wie man es sich nur vorstellen konnte. Geradezu perfekt.

Und das sollte jetzt enden, von nun an, würden wir uns allein durch das Leben kämpfen müssen. Denn er zog weg – morgen schon – weil sein Vater einen neuen Job in den USA angenommen hatte. Ich hatte mich aufgeregt und geflucht und auch geheult, als Hideto es mir erzählt hatte. Wir beide hatten geheult. Doch es war alles umsonst gewesen. Selbst unsere halb ausgegorenen Pläne, dass Hideto doch hierbleiben und bei meiner Familie einziehen könnte. So hätte er weiter in seinem vertrauten Umfeld und vor allen Dingen bei mir sein können. Aber nein ... nichts.

Herrgott nochmal, Amerika! Eine Stadt auf der anderen Hälfte von Honshu hatte ja nicht ausgereicht, es musste unbedingt die andere Seite der Welt sein! So hätten wir wenigstens regelmäßig telefonieren und uns ab und zu besuchen können. Aber Amerika war so weit weg, dass es jedes Mal ein kleines Vermögen kosten würde, wenn wir einmal länger miteinander reden wollten. Von Besuchen ganz zu schweigen.
 

„Morgen ...“, seufzte ich und schloss die Augen.

„Du weißt, dass ich dich trotzdem nicht in Ruhe lassen werde?“

„Hm ...“

„Du wirkst schon wieder so betrübt. Wir können uns Briefe schreiben.“

„Ja, Briefe.“ Er hatte Recht, ich war betrübt. Aber war das wirklich so außergewöhnlich? Klar, Briefe waren eine Möglichkeit in Kontakt zu bleiben, aber sie waren nicht dasselbe. Wenn du eine Person dein Leben lang kennst und sie (bis auf ein paar klitzekleine Ausnahmen) täglich bei ihr bist, dann ist es nicht gerade leicht, wenn diese Person wegzieht und ihr euch auf einmal nicht mehr seht.

„Ich versprech's dir, Ga-chan. Ich werd den Kontakt nicht einschlafen lassen. Dazu bist du mir einfach zu wichtig.“ Als er dies sagte, nahm er meine Hand, die bisher locker auf meinem Bauch gelegen hatte, in seine und drückte sie leicht. „Vertrau mir.“

Ich öffnete die Augen wieder und drehte den Kopf etwas, um ihm ins Gesicht sehen zu können. In seinem Blick lag die gleiche Aufrichtigkeit, mit der er mich immer bedachte. Er hatte mich in meinem ganzen Leben nie enttäuscht und ließ mich ihm Glauben schenken.

„Ich vertraue dir, das weißt du.“ Ich würde ihm mein Leben anvertrauen.

„Danke.“ Er lächelte mich an und lehnte sich dann zur Seite, legte sich der Länge nach auf die Bank und bettete seinen Kopf in meinem Schoß, um ebenfalls nach oben in den Himmel zu schauen.
 

Wir blieben eine Weile so sitzen, sahen zu, wie nach und nach Sterne am Himmel sichtbar wurden, lauschten dem Rauschen des seichten Windes, der durch die Baumkronen um uns herum strich, und schwiegen ansonsten. Worte waren nicht nötig; wir verstanden uns auch so perfekt und ich wusste, dass Hideto unter all seinem Optimismus genauso traurig war wie ich.

Wir hätten wohl die ganze Nacht auf dieser Band verbracht – was nicht unbedingt schlimm gewesen wäre, da schließlich Hochsommer war – wenn nicht irgendwann gegen halb elf mein Handy geklingelt hätte. Ich wusste, dass es meine Mutter war, die wissen wollte, wo ich war und wie lange ich noch vorhatte wegzubleiben. Und genau aus diesem Grund wollte ich nicht rangehen. Sie würde verlangen, dass ich sofort nach Hause kam und das würde Abschied bedeuten. Abschied von Hideto und unserer gemeinsamen, glücklichen Zeit.

„Ga-chan, dein Handy“, machte mich Hideto nun auch noch darauf aufmerksam. Als ob der nervige Klingelton nicht schon ausgereicht hätte.

„Ich weiß. Ich will nicht.“

„Und wenn es wichtig ist?“

„Meine Mum ist mir egal; du bist heute das Wichtigste.“

„Du wirst Ärger kriegen, wenn du nicht rangehst. Sei vernünftig, Ga-chan.“

„Du schaffst mich echt noch. Also gut“, gab ich endlich nach und schob meine freie Hand in meine rechte Hosentasche, wo mein Handy fröhlich flötete. Als ich danach fischte, hoffte ich, dass der Anrufer aufgeben würde, bevor ich das Gerät in die Hand bekommen konnte. Wenn es tatsächlich meine Mutter war, dann konnte ich darauf allerdings lange hoffen. Womöglich stand sie gerade zu Hause in der Küche und schrieb den Einkaufszettel für die nächste Woche, während sie darauf wartete, dass ich abnahm. Sie beschäftigte sich immer mit solchen Kleinigkeiten, was ihr eine unglaubliche Ausdauer verlieh. Ich brachte es schließlich über mich und drückte den kleinen grünen Hörer, der direkt unter dem Display war und hielt mir das Telefon dann ans Ohr.

„Ja?“, meldete ich mich.

„Hallo Gackt, wo steckst du gerade?“ Jap, definitiv meine Mum.

„Ich bin noch mit Hideto unterwegs. Wir sitzen im Park beim Spielplatz.“

„So spät noch? Wann habt ihr das letzte Mal auf die Uhr gesehen? Hideto muss doch sicher auch bald nach Hause.“

„Ach, Muuuuum“, maulte ich und verdrehte die Augen, „er zieht morgen weg, das weißt du doch. Lass mich noch ein bisschen, ich bin schließlich kein kleines Kind mehr. Ich-“

„Lass nur, Ga-chan“, mischte Hideto sich dann auf einmal ein, richtete sich etwas auf und sah mich wieder direkt an, „es ist wirklich schon spät.“ Ich warf ihm einen empörten Blick zu.

„Fall du mir doch nicht auch noch in den Rücken! Ich bin dabei, die Verhandlungen zu gewinnen.“

„Wie bitte, Verhandlungen?“, kam es nicht minder empört vom anderen Ende der Leitung, was ich erst einmal gekonnt ignorierte. Hier hatten jetzt andere Dinge Priorität.

„Bist du nicht und jetzt gib mal her.“ Dann nahm er mir einfach das Telefon aus der Hand, um selbst mit meiner Mutter zu sprechen. „Guten Abend, Camui-san. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, ich werde mich sofort mit Gackt auf den Weg machen. Er wird in zehn Minuten zu Hause sein.“ In dem Moment legte er mir seine Hand auf die Brust und hielt mich auf Abstand, weil ich verzweifelt versuchte, mein Handy zurückzuerobern. „Nein, das macht mir nichts aus, morgen ist ja auch noch ein Tag ... ja, danke sehr ... vielen Dank, ich richte es meinen Eltern aus ... okay, Ihnen auch. Auf Wiederhören.“ Dann legte er tatsächlich auf, ehe ich noch einmal die Gelegenheit bekam, noch ein wenig mehr Zeit herauszuschlagen.

„Wieso hast du das gemacht? Ich hatte sie fast so weit!“, wollte ich von ihm wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ach, Ga-chan, du weißt doch, wie streng deine Mutter ist, wenn es um die Uhrzeit geht. Wir haben es schon überzogen. Du kriegst nur unnötigen Ärger.“

Ich schnaubte: „Pfft, von wegen unnötig. Es geht hier schließlich um-“

„Mich, ich weiß.“ Er lächelte und strich mir mit der Zeigefingerspitze über den Nasenrücken. „Aber wir sehen uns doch morgen nochmal.“

„Ja, kurz bevor du fährst.“

„Du kannst auch gerne früher kommen und mir helfen, den Rest zusammenzupacken.“

„Noch früher als acht Uhr morgens?“

„Wenn du willst.“ Darauf lachte er sein unwiderstehliches Lachen, was einen einfach immer dazu verleitete, es ihm gleichzutun. Und auch dieses Mal war keine Ausnahme. Ich lachte mit ihm und kicherte und genoss es in vollen Zügen. Ich würde sein Lachen jetzt schließlich für eine lange Zeit nicht mehr hören.

„Dann schon um sieben?“, fragte ich nach ein paar Augenblicken.

„Gerne, dann kannst du auch gleich bei uns frühstücken.“

„Klingt gut.“

„Na dann ... gehen wir nach Hause, sonst kommst du noch später.“

„Okay“, stimmte ich – wieder einmal seufzend – zu. Hideto erhob sich gleich darauf, sodass auch ich aufstehen konnte. Allerdings musste ich noch etwas warten, bis er komplett fertig war, da er sich erst die Schuhe wieder anziehen und zubinden musste. Doch als auch das getan war, machten wir uns dann endgültig auf den Heimweg. Wir wohnten beide nicht weit weg von diesem Park ... zum Glück, muss ich sagen, denn sonst hätten wir uns wohl nie kennengelernt. Unsere Mütter waren damals oft mir uns hierher gekommen und irgendwann hatten wir uns dann gesehen; oder eher gefunden.
 

Heute war es Hideto, der mich bis vor die Haustür begleitete. Er machte das manchmal, wenn wir zusammen weggegangen waren. Manchmal brachte auch ich ihn nach Hause – eben so, wie es uns gerade einfiel.

„Also dann bis morgen früh, ne?“, fragte er, schob die Hände seine Hosentaschen und blickte mich milde lächelnd an.

„Jap, morgen früh um sieben“, bestätigte ich nickend. „Ich vermiss dich jetzt schon.“

„Ach, Ga-chan ... ich dich auch.“ Sein Lächeln zitterte und ich konnte sehen, dass er sich dazu zwingen musste, seine Mundwinkel obenzubehalten. Sie krümmten sich immer wieder nach unten.

„Hi-chan ...“

„Bitte ... nicht dieser Ton. Du siehst doch, dass ich gleich ...“ Und noch bevor er seinen Satz beenden konnte, war es mit seiner Beherrschung am Ende: Tränen quollen aus seinen Augen und rollten an seinen Wangen hinunter. Instinktiv trat ich einen Schritt näher und nahm ihn in den Arm. Sofort konnte ich spüren, wie seine Finger sich in den Stoff meines dünnen T-Shirts krallten, und dann waren auch schon leises Schluchzen von ihm zu hören.

„Ich will hierbleiben, Ga-chan. Ich will nicht nach ... nach A-amerika ziehen. M-mein Englisch ist doch auch ... g-gar nicht so g-gut.“ Seine Stimme zitterte, sein ganzer Körper zitterte, als er diesem Weinkrampf erlag und einfach nicht aufhören konnte. „Ich ... ich w-will ... bei dir bleiben ...“

„Ich weiß ... ich weiß es doch ...“ Ich kämpfte selbst mit den Tränen, während ich ihm diese Worte zuflüsterte und seinen Rücken streichelte. Es war schon fast ironisch, dass er nun so zusammenbrach, nachdem er mich doch bisher immer beruhigt hatte. Dass er nun scheinbar den Glauben und die Hoffnung verlor. Er litt definitiv genauso wie ich. „Pscht ... nicht weinen, Hi-chan, nicht weinen. Wir bleiben in Kontakt. Wir haben's versprochen.“

„Ja ... aber ...“ Wieder brach er in Tränen aus und ließ sich auch so schnell nicht beruhigen. Es dauerte ein ganze Weile und ich war so froh, dass in dieser Zeit keiner von meinen Eltern nach draußen kam oder noch einmal versuchte, mich anzurufen. Es hätte gestört und Hideto vermutlich nur wieder aufgewühlt.

„Wir haben's versprochen“, sagte ich noch einmal, ehe ich mich vorsichtig ein wenig von ihm löste, um ihn ansehen zu können. Seine Wangen waren tränenverschmiert und seine Augen ganz rot und geschwollen. Er schluckte und nickte dann, war wohl nicht fähig, noch etwas zu sagen.

„Ich ... ich muss dann“, krächzte er schließlich doch und rieb sich mit beiden Händen über das ganze Gesicht, um die Tränen wegzuwischen.

„Sicher?“ Ich wollte ihn so eigentlich nicht allein lassen, auch wenn sein zu Hause nur ein paar hundert Meter weit weg war.

„Ja, es ... es geht schon ... denke ich.“

„Du kannst auch hier übernachten, wenn du willst.“

„Danke.“ Mein Angebot ließ ein kurzes Lächeln über seine Lippen huschen. „Würde ich sehr gern, aber ... ich kann nicht. Ich will nochmal in meinem Zimmer schlafen, bevor ich gehe ...“

„Natürlich.“ Verständlich.

„Okay.

Dann schwiegen wir beide für ein paar Sekunden. Als ob sich keiner von uns beiden trauen würde, sich zu verabschieden. Gott, wenn das jetzt schon so schwer war, was würden wir dann erst morgen machen, wenn es endgültig wäre? Ich wusste es nicht, ich konnte es mir nicht vorstellen. Ich würde bis morgen warten müssen. Doch irgendwie mussten wir uns verabschieden.
 

Und dann war ich derjenige, der das in die Hand nahm, indem ich einem Impuls folgte, der just in diesem Moment in mir aufkam. Ich hielt Hideto immer noch in den Armen und zog ihn nun wieder näher an mich heran, um mich etwas zu ihm herunterzubeugen und ihn zu küssen.

Es war kein flüchtiger Kuss auf die Wange, nein. Ich legte meine Lippen direkt auf seine, schloss die Augen und verharrte so. Dies schien mir der einzige Weg zu sein, ihm mitzuteilen, was ich im Moment empfand. Mein Kummer, meine Traurigkeit, meine aufrichtigen Gefühle für ihn. Einfach alles.
 

Nach ein paar Sekunden löste ich mich wieder, schaute ihn an und sah in seine Augen, die weit geöffnet waren. Er stand einfach nur da und starrte mich an, total angespannt. Hatte ich es etwa verschlimmert?

„Hi-chan?“, fragte ich. Er reagiert nicht und ich fragte nochmal: „Hideto?“

Dann endlich kehrte er ins Hier und Jetzt zurück, schüttelte den Kopf und beeilte sich, mir zu antworten: „Wie? Äh ... entschuldige, ich ... uhm ... ich denke, ich muss ins Bett. Ist schon spät. Gute Nacht, Ga-chan. Wir sehen uns morgen früh und ... ja ... bis morgen.“ Gleich danach drehte er sich um und lief auf unser Gartentor zu.

„Hi-chan, warte!“, rief ich ihm hinterher. Aber er war schon draußen auf der Straße und blieb nicht noch einmal stehen, obwohl er mich gehört haben musste. Was ... war denn das? Warum war er so urplötzlich abgehauen? Wollte er nicht noch einmal so vor mir zusammenbrechen? Nein, das konnte es nicht sein, er hatte sich noch nie vor mir geschämt. Aber irgendetwas war falsch, so viel stand fest. Es war einfach nicht Hidetos Art, mich einfach stehen zu lassen oder auch nur etwas vor mir zu verheimlichen. Doch genau das war gerade geschehen und es verursachte ein flaues Gefühl in meiner Brust – genau da, wo das Herz saß. Ich würde es hoffentlich morgen aus ihm herausbekommen. Doch bis dahin war es noch lang; viel zu lang für meinen Geschmack.
 

*
 

Ich hatte die halbe Nacht kein Auge zugekriegt und war um drei Uhr morgens erst eingeschlafen. Sonderlich erholsam war es dennoch nicht gewesen und zu allem Überfluss konnte mein übermüdeter Körper den Schlaf nicht abschütteln, als um halb sieben mein Wecker klingelte. Das Resultat: Über eine Stunde später weckte mich meine Mutter mit der Frage, ob ich denn nicht noch einmal zu Hideto wollte, um ihn zu verabschieden. Ich schwöre, so schnell war ich noch nie aus dem Bett, in meinen Klamotten und draußen auf der Straße.

Scheiße! Verdammte Scheiße! Ich war eine knappe Stunde zu spät dran und das, obwohl ich versprochen hatte, so früh es ging bei ihm zu sein, um noch möglichst viel Zeit zusammen zu verbringen.

Ich sprintete die Straße runter, verlor dabei zweimal die losen Schuhe, in die ich in aller Eile geschlüpft war, und fluchte innerlich nur noch mehr. Keuchend und nach Luft schnappend kam ich schließlich vor der Tür der Takarais an und drückte den Klingelknopf.

Ich wartete, dass Hideto mir aufmachen würde, vielleicht ein wenig enttäuscht, dass ich so spät kam, aber dennoch froh über mein Kommen. Als sich jedoch nichts tat, drückte ich abermals auf die Klingel und wartete erneut. Vielleicht hatten sie mich nicht gehört. Beim dritten Versuch nach ich den Finger eine halbe Minute lang nicht vom Knopf, abermals erfolglos. Was ging hier vor sich?

Erst dann fiel mir der weiße Briefumschlag auf, der mit Klebeband an der ebenso weißen Tür befestigt war. Ein Briefumschlag in dessen unterer, rechter Ecke mein Name stand. Sofort erkannte ich Hidetos feine, säuberliche Schrift und das flaue Gefühl von gestern Abend kehrte zurück. Er schrieb mir einen Brief anstatt anzurufen. Zitternd streckte ich meine Hand aus und löste den Umschlag von der Tür, öffnete ihn und zog ein Blatt Papier heraus. Viel stand nicht darauf, aber es erklärte die Sache vollkommen:
 

Hey Ga-chan. Es tut mir leid, dass wir uns nicht mehr sehen konnten. Meine Eltern wollten früher los und so sind wir schon um kurz vor sieben gefahren. Es tut mir echt leid. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst. Bitte vermiss mich nicht zu sehr, es bringt mich ja sowieso nicht zurück. Hab lieber Spaß mit den anderen und lache und leb einfach weiter, ja?

Hideto
 

Automatisch drehte ich den Zettel um, nur um auf die leere Rückseite zu starren. Wie? Das war alles? Kein 'Ich schreib dir', 'Wir telefonieren mal' oder ... 'Ich vermisse dich'? Nicht einmal ein wirkliches Wort des Abschieds? Ich las den Brief noch einmal und merkte nun, wie flüchtig und gefühllos alles wirkte. Ich sollte Spaß mit anderen haben und ihn nicht zu sehr vermissen? Das meinte er nicht ernst! Das war nicht er.

Ich griff in meine Hosentasche und holte mein Handy, welches sich von gestern noch dort befand, heraus, drückte die Kurzwahltaste für Hidetos Nummer und hielt mir das Telefon ans Ohr, wartend. Als am anderen Ende abgenommen wurde, konnte ich zahlreiche Stimmen und viel Gewusel hören. Und dann auch seine Stimme: „Hallo?“

„Hi-chan, ich bin's.“

„Gackt!“ Es klang beinahe so, als wäre es ihm unangenehm, mit mir zu reden.

„Ja. Hör mal, ich hab heute Morgen verschlafen, deshalb konnte ich nicht pünktlich sein. Es tut mir wirklich leid.“

„Uhm ... schon gut, Ga-chan. Du hättest mich sowieso verpasst.“

„Hm. Aber wieso hast du denn nicht Bescheid gesagt? Ihr hättet doch bei uns anhalten können, ich wollte dich nochmal sehen und mich richtig von dir verabschieden ... und dich was fragen.“

„Du redest ja jetzt mit mir. Und was wolltest du fragen?“ Ich wollte nicht wissen, wie ich gerade aussah. Wahrscheinlich stand mir das Entsetzen, das ich empfand, während ich seinen Worten und seiner Stimme lauschte, ins Gesicht geschrieben. Er redete mit mir, als ob er nur kurz einkaufen wäre und gleich wiederkäme. Aber so war es nicht, verdammt! Er ging nach Amerika ... für immer!

„Ich ... uhm ...“ Ich war verwirrt; er brachte mich vollkommen aus dem Konzept, wenn er so war.

„Ja? Sorry, Ga-chan, aber ich muss mich beeilen, wir sind schon auf dem Flughafen.“

„Ich wollte wissen, wieso du gestern Abend so komisch warst, bevor du nach Hause gegangen bist.“

Für eine Sekunde herrschte Stille, dann räusperte er sich: „Ich ... es war nichts. Wirklich. Ich hatte nur so viel im Kopf ... wegen heute Morgen und so ... du weißt schon: Sachen packen und so.“

„Das glaub ich dir nicht.“

„Es ist aber so.“

„Nein, ist es nicht, ich weiß es.“

„Bitte, Ga-chan, glaub mir einfach. Wieso sollte ich dich anlügen? Das hab ich noch nie.“

„Nein, hast du nie.“

„Siehst du. Du, ich muss jetzt Schluss machen, wir müssen einchecken. Tschüss.“

„Warte-“ Zu spät, er hatte aufgelegt. Er hatte aufgelegt und mich einfach stehengelassen. Und was noch schlimmer war: Er hatte mich definitiv angelogen.
 

tbc.
 

~~~ ** + ** ~~~
 

Meine Fresse ... das sollte eigentlich nur ein Prolog werden. Knapp, einleitend und die Vergangenheit etwas beleuchtend, damit man nen Eindruck bekommt. Nu hat's über 3000 Worte und konnte das ganze Vorgeplänkel trotzdem noch nich vollständig abdecken xD

Und – vielleicht hat man's gemerkt, wenn nich isses umso besser – ich hatte keinen Betaleser; lediglich einen Alphaleser (a.k.a. me). Diesmal wird auch keine Beta nachgereicht, hat persönliche Gründe. Nehmt mir meine Tippfehler also bitte nicht allzu übel ^^'



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Akai-chan
2010-03-25T17:57:07+00:00 25.03.2010 18:57
Tja, also für nen Prolog ist es definitiv zu lang, da hast du recht. xD"
Was kann ich dazu sagen? Ich persönlich habe irgendwie das Gefühl, dass es mit Tetsuya statt Gackt irgendwie besser passen würde... weil beste Freunde und so. Aber es ist ja ne AU, ne? *vor Schlägen in Sicherheit bring* ;_;

Aber mal ernsthaft. Ich hab so das dumpfe Gefühl, dass Gackt ihn nicht hätte küssen sollen. Wahrscheinlich hat er damit alles irgendwie kaputt gemacht. Zumindest ist das nun meine Vermutung. Vielleicht war/ist Hideto ja auch in ihn verliebt und als er geküsst wurde, wurde ihm klar, dass alles noch schmerzhafter werden würde, wenn sie den Kontakt hielten? *rumphilosophier* Du musst mir übrigens nicht sagen, ob ich recht habe. Ich werde es ja eh sehen. xD
An sich ist es aber für beste Freunde bzw wenn man miteinander aufgewachsen ist, wirklich grausam, so auseinander gerissen zu werden. Dafür muss man sich noch nicht einmal verliebt haben. Natürlich ist man da traurig etc. Mal sehen, wie es weiter geht.
Von:  Ina-Tenshi
2010-03-21T09:50:47+00:00 21.03.2010 10:50
So, habs endlich geschafft und darüber bin ich sehr froh. ^^
ich bin schon sehr gespannt wie es weiter geht, und was in hideto so vor sich geht.
ich fand einige stellen echt fies traurig, weil man wirklich total mitfühlen konnte. so ein abschied ist nunmal traurig und wähhh ich musste mich zusammenreißen nicht mit zu heulen.
ich hoffe die nächsten kapitel kommen bald... ja?
bald
bald
bald... bitte...

Von:  Kimiko02
2010-03-18T22:16:40+00:00 18.03.2010 23:16
*schnief*
Hideto ist echt fies, Gackt tut mir wirklich Leid >_<
Und dann meldet der sich einfach nimmer T__T
Würde mich ja schon interessieren, was dem so im Kopf rumgeht >_>
Konnte wie gesagt sehr gut mit Gackt mitfühlen und bin dann mal gespannt, wie es weiter geht ^^
Fehler hab ich nur wenige gefunden, bist also ein guter Alpha-Leser ;)
Bitte lad das nächste Kapitel bald hoch *bettel*
Von:  snowdrop
2010-03-17T19:11:46+00:00 17.03.2010 20:11
Awww.. ich mag das erste Kapi total. x33
Ich bin echt gespannt, wie es weiter geht.
Und ehrlich gesagt, ich hätte angefangen zu heulen, wenn ich Gackt wäre *Heulsuse desu*.. es ist bestimmt schlimm, wenn der beste Freund dann so 'normal' (sry, mir will jetzt i-wie kein anderes Wort einfallen .__.) mit einen am Telefon spricht, als wenn er in ein paar Stunden wieder zu Hause ist. Oki Hideto hat bestimmt seine Gründe (100%ig sogar) aber trotzdem.. armes Ga-chan. *pat*
Hmm.. was gibt es noch zu sagen.. achja, und dass du keine Betaleserin hast, merkt man eig gar nicht.. zumindest hab ich keine (schlimmen) Fehler gesehen.
Also weiter so und ich bin schon auf das nächste Kapitel gespannt. <33


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