und Gründe
Ein Grund, warum er sie nicht mochte: Die Unterschiede.
Rose war halbblütig. Ihr Vater war ein Weasley - das sollte alles sagen - und ihre Mutter war eine Muggelstämige - das sollte sogar noch mehr sagen. Er hingegen war reinblütig. Man konnte in der Geschichte der Zauberei keine reinere Familie, als die seine finden. Vater und Mutter waren aus den besten und angesehensten Kreisen.
Sie war eine Spielverderberin. Immer nett zu Lehrern und hilfsbereit gegenüber Schülern jeder Altersklasse. Natürlich hatte sie es mit den Slytherins nicht so, aber das war selbstverständlich. Dennoch konnte man sie nicht zu den beliebtesten Schülern zählen. Am liebsten saß sie in der Bibliothek und lernte - den ganzen Tag. Sie ging nie auf Partys, ließ sich nie einfach so gehen. Es gab keinen Skandal über sie zu erzählen, dafür gab es aber auch keinen Streich, den sie nicht zu verhindern versuchte. Sie war schlicht langweilig.
Scorpius war ein Spieler und zudem noch ziemlich unfreundlich. Er war nicht unsympathisch, denn beliebt war er durchaus, nein, er war einfach nur nicht nett. Frech zu Lehrern und gemein zu den meisten Mitschülern. Er kümmerte sich nur um sich - und vielleicht gerade Mal ein bisschen auch um seinen besten Freund. Er liebte Partys, Streiche und Frauen. Natürlich musste all das mit viel Alkohol verknüpft werden. Es gab kaum einen Skandal, den er nicht hervorrief und keinen Streich, der nicht von ihm geplant wurde. Er war einfach aufsehenerregend.
Ein weiterer Grund, warum er sie nicht mochte: Ihre Gegenwart.
Bereits als er seinen besten Freund Albus kennengelernt hatte, traf er Rose zum ersten Mal. Sie beäugte ihn skeptisch und man konnte ihr ansehen, dass sie schon zu diesem Zeitpunkt wenig von ihm hielt. Natürlich war gerade die Weasley, die ihn am meisten in den Wahnsinn trieb, in seinem Jahrgang. Scorpius sah sie also jede Stunde und auch nach dem Unterricht, da sie viel Zeit mit Albus verbrachte, oder weil sie versuchte, ihn von einem Streich abzuhalten. Schlimmer wurde dieses, als sie Vertrauensschülerin wurde und es sich zu ihrer persönlichen Aufgabe machte, ihn zu stoppen.
Die ersten Ferien die Scorpius bei den Potters verbracht hatte war sie da gewesen. Und dann die zweiten, dritten und auch die letzten. Auch davor war sie irgendwie immer anwesend gewesen - wenn auch nicht körperlich, sondern mehr in seinen Gedanken, weil sein Vater ihn fragte, wieso er nicht besser sei als sie, weil er sich immer anhören konnte, dass es eine Schande war, von einer Weasley übertroffen zu würden.
Dann hatte das siebte Schuljahr begonnen und zur Freude seiner Mutter wurde er Schulsprecher. Mit ihm wurde es auch Rose, die er fortan jeden Tag noch öfter sah. Sie jeden Tag im Genick sitzen hatte, bis zum Schluss. Kurz gesagt - er wurde sie in seiner ganzen Hogwartszeit nicht los.
Und nun auch nicht, denn sie hatten das Glück in einem Büro zu arbeiten. Wunderbar, einfach nur wunderbar. Nun konnte er sagen, dass er schon wieder mit dem Menschen, den er am wenigsten mochte, zusammenarbeiten musste. Oder besser gesagt - nicht zu mögen schien. Da bestand ein heftiger Unterschied, wobei wir bei dem dritten und letzten seiner Gründe angekommen waren.
Ein weiterer Grund, warum er sie nicht mochte: Der Ehrlichkeit halber.
Auf eine seltsame Art und Weise mochte Scorpius sie nämlich doch schon immer ein wenig. Nicht so, dass man sagen konnte, sie war eine Freundin für ihn, aber ein bisschen war da schon. Rose hatte ihn beschimpft und einen kleinen Krieg mit ihm geführt. Sie war eben immer dagewesen und wenn es einmal darauf ankam, hatte sie ihm sogar geholfen. Dann, wenn es sein musste, hatte sie dem ungeachtet, auch ihren Zauberstab gegen ihn erhoben und dafür Nachsitzen kassiert.
Dann war da aber wieder die Sache, die ihn furchtbar nervte - mit Rose war einfach nichts anzufangen. Es war nicht so, dass sie nicht hübsch war, oder nicht wirklich beliebt sein könnte, wenn sie sich nur ein bisschen anstrengen würde. Er verstand nicht, dass sie lieber mit ein paar ihrer Freunde zusammen war, als sich in der Masse gehen zu lassen. Doch, wenn er ganz ehrlich war - aber das war er recht selten -, dann war er auch nicht abgeneigt einen ruhigen Abend nur mit seinen Freunden und einer Flasche Feuerwhiskey zu verbringen.
Wenn man es von dieser Seite aus betrachtete, waren sie also gar nicht einmal so verschieden.
Dafür hatten sie aber nicht dieselben Interessen. Das war es, was ihn wirklich störte. Zu den ganzen Dingen, die sie unterschieden zählten auch all die Dinge, die sie mochte - denn das waren die Dinge, die er nicht mochte.
Wie zum Beispiel Bücher. Gut, er las gerne, aber nur, wenn er keine andere Beschäftigung hatte. Zwar las er manchmal abends, einfach so aus reinem Interesse, aber das hieß ja nicht gleich, dass er den ganzen Tag nichts anderes tat. Obwohl man ihn manchmal auch schon nachmittags mit einem guten Buch erwischen konnte. Das widersprach sich gerade sehr.
Aber immerhin begeisterte er sich nicht für Geschichte der Zauberei. Sie hatte es geliebt. Dabei war Professor Binns‘ Unterricht einfach nur grauenhaft langweilig gewesen. Mit einem anderen Professor, hätte er das Fach vielleicht ebenso geliebt, aber so hatte es einfach keinen notwenigen Reiz gehabt. Irgendwie wurden Gegensätze bei ihm immer zu leichten Übereinstimmungen.
Dafür waren da aber immerhin noch ihre Freunde, die so gar nicht zu seinem Freundeskreis passten. Gut, er hatte einmal etwas mit einer ihrer besten Freundinnen und Cousinen gehabt - Dominique - und deren jetziger fester Freund Albus war sein bester Kumpel und Rose‘ Cousin, aber ansonsten hatten sie rein gar keine Freunde gemeinsam. Außer vielleicht Dominiques Bruder, wobei der aber auch eine Ausnahme war - für einen Ravenclaw wusste er verdammt gut, wie man eine Party schmiss. Und das Flint-Mädchen, wobei er mit der ja eigentlich nur befreundet war, weil ihr Bruder ein Slytherin war und er sich mit ihm gut verstand. Wie auch immer, es gab sicher einige Leute - welche ihm nun nur nicht einfielen -, die er von ihren Freunden nicht mochte.
Ein Punkt für Scorpius war Quidditch. Er liebte es zu fliegen und es gab kaum Spiele, die er und Albus nicht gewannen. Schon als er klein war, hatte sein Vater ihm einen Besen gekauft und sein erstes Buch war ›Quidditch im Wandel der Zeit‹ gewesen. Er ging auch zu jeder Meisterschaft und war immer bestens über alle Teams informiert. Und sie.. Sie saß bei den Meisterschaften neben ihm, hatte ihn schon einmal bei einem Spiel vom Besen geworfen und flog gar nicht mal so schlecht -
Ach, lassen wir das Thema.
Das waren doch alles nur Ausreden gewesen, mit denen er sich selbst davon abhalten wollte, sie zu mögen. Genauso wie all die Tatsachen, die er gerne an ihr kritisierte.
Eine Tatsache, die er oft an ihr bekrittelte: Ihre Schwäche.
Scorpius war noch nie der Mann von großen Worten gewesen. Er hatte auch noch nie wirklich etwas für eine andere Person empfunden, sodass es nie nötig war, irgendjemand seine Gefühle mitzuteilen. Er empfand es als Schwäche sich jemand in solch einer Art zu öffnen.
Rose dagegen, war die Person, die einem sofort sagte, was sie empfand. Egal, ob sie jemand mochte, liebte, oder hasste - die oder derjenige wusste es. Es nervte ihn, dass sie Albus immer mitteilen musste, was für ein wunderbarer Cousin er doch war und dass sie ihn lieb hatte. Wie sich das anhörte - als wäre sie ein kleines Mädchen. Genauso hatte sie die ganze Zeit auch bei ihm gehandelt - nur, dass sie Scorpius immerzu mitteilte, dass sie ihn kein bisschen ausstehen konnte.
Oft schon, hatte er gesagt, wie schwach sie das machte, dass man Gefühle auch gegen jemand verwenden konnte und dann hatte sie undefinierbar und manchmal auch traurig ausgesehen. Das waren die einzigen Momente in denen sie sich solch eine Schwäche erlaubte - normalerweise gab sie ihm immer Kontra, wobei wir wieder beim nächsten Punkt wären.
Die nächste vorzuhaltende Tatsache: Das Kennen.
Scorpius war kein offenes Buch für irgendjemand. Weder für Albus, noch für irgendein Mädchen - egal ob feste Freundin oder Bettgeschichte. Er sprach kaum aus, was er dachte, oder empfand. Im Gegensatz zu Rose konnte man ihn nicht kennen lernen, wenn er es nicht zuließ. Aber dennoch kannte Rose ihn. Sie wusste immer, was sie sagen musste, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie war - auch wenn er das niemals offen zugeben würde - die einzige, die es fertig brachte ihn sprachlos zu machen. Egal, ob durch Handlungen, oder Dinge die sie einfach so aussprach.
Rose war auch die einzige, die sich gegen ihn stellte. Man war entweder auf seiner Seite, oder man hielt besser den Mund - doch sie tat keines von beiden. Wusste sie doch, dass sie bei ihm so gut wie alles tun konnte und er ihr niemals ernsthaft etwas entgegenbringen würde. Im Gegensatz zu ihr, hatte er noch nie seinen Zauberstab in ihrer Gegenwart erhoben - und das nicht nur, weil er wusste, dass ihre Zaubersprüche ihm nie wirklichen Schaden zufügen würden.
Warum? Weil sie ihn kannte - ihn durchschaut hatte. Alles wusste.
Eine Tatsache, die damit verbunden war und ihm widerstrebe: Die Verbundenheit.
Scorpius kannte keinen Menschen so gut wie Albus Potter. Hatte er zumindest gedacht, bis er näher über Rose nachgedacht und festgestellt hatte, dass er ziemlich viel über sie wusste.
Er wusste, was sie mochte, oder nicht mochte. Wusste, dass sie ihre Augen verdrehte, wenn Professor Binns abschweifte, war sich sicher, sagen zu können, dass sie ihre Nase rümpfte, wenn Albus einmal wieder damit angab ein Potter zu sein. Er wusste, dass Rose es hasste zu versagen und deswegen immer und immer wieder versuchte, was sie nicht konnte. Wusste, dass sie Muggelkunde nur aus Liebe zu ihrer Mutter belegt hatte und dieses Fach eigentlich nicht mochte.
Sah ihr an, wenn sie traurig oder glücklich war. Konnte jede einzelne Stimmung durch einen einfachen und kurzen Blick in ihre strahlend blauen Augen ablesen. Wusste sogar wie ihr Parfüm roch. Und damit kam ein Gefühl der Verbundenheit und doch Unsicherheit auf.
Denn obwohl er all das wusste, war er sich einer Sache nicht sicher.
Der letzten Tatsache, nämlich dass er trotz all den Gründen gegen sie, doch mit ihr war.
Albus hatte ihm einmal gesagt, dass Liebe einfach sei. Das war schön gesagt, aber auf sie beide konnte es schon von der Logik her nicht zutreffen. Ihre verfeindeten Familien hatten sich von Anfang an gegen ihre Beziehung gestellt und einzig, weil ihre Mütter endlich ein Machtwort gesprochen hatten, allein deswegen waren sie vermutlich noch zusammen.
Nicht, weil er sie liebte, denn er glaubte dafür nicht stark genug zu sein. Man konnte ihm jede Herausforderung stellen - er würde sie sofort annehmen -, doch wenn es um die Unsicherheit, ob seine Gefühle auch wirklich echt waren, ging, dann wusste er nicht mehr, was er zu tun hatte.
Wie konnte er auch an etwas glauben, was er nicht sah, gar empfand. Er hatte keine Schmetterlinge im Bauch und bekam auch nicht das große Bauchkribbeln, wenn er sie sah. Meistens löste sie nur eine angenehme Freude und ein bisschen Wärme bei ihm aus.
Aber reichte das?
Machte ihn das zu einem besseren Menschen - zu jemand Guten, den sie verdiente? Denn wenn er sie so neben sich liegen hatte, wie jetzt, dann war er sich nicht mehr sicher, ob das genug war. Rose war diejenige, die etwas Grundlegendes in ihm verändert hatte. Die, für die er gut sein wollte, auch, wenn er es vielleicht nicht schaffte.
Mit einer Hand zog er sie näher an sich, die andere streifte ihr Gesicht und strich ihr eine rote Haarsträhne hinters Ohr. Wohlig seufzte das Mädchen, ehe es ein paar Mal blinzelte und ihren Freund dann verschlafen und leicht perplex ansah. Wie seltsam es klang, wenn er sich als ihren Freund bezeichnete. Ungewohnt, komisch und doch gut.
»Guten Morgen«, murmelte sie heiser und er schenkte ihr ein kurzes Lächeln. »Bist du schon lange wach?«, fragte sie und richtete sich auf, um ihn besser ansehen zu können.
Scorpius strich ihr durchs Haar und antwortete dann in müdem Ton: »Nein, nur ein paar Minuten.« Oder vielleicht auch Stunden - aber wie vermochte er auch zu schlafen, wenn jemand wie sie neben ihm lag? Das schönste an ihren gemeinsamen Nächten, war die Zeit, die sie einfach nur zusammen verbrachten - in denen sie sprachen, er sie im Arm hielt und sie seine Hand mit ihrer umschlossen hielt. Das war sentimental, kitschig und untypisch für ihn - aber mittlerweile machte ihn all das nichts mehr aus.
»Weißt du was?«, fragte er, als sie im Badezimmer verschwunden war. »Nein, oder vielleicht doch, kann sein«, sagte sie und er hörte sie leicht lachen, so wie er es liebte.
»Es ist nicht mehr normal, was du mit mir anstellst, Weasley«, sagte er und im nächsten Moment stand sie im Türrahmen und sah ihn überrascht an. »Was hab ich jetzt schon wieder gemacht?«, fragte sie in gespielt hysterischem Ton und er lächelte, als er auf sie zuging. »Du machst einen besseren Menschen aus mir. Oder, sagen wir es so, ich mag dich so sehr, dass ich versuche für dich ein besserer Mensch zu sein«, murmelte er und küsste sie zärtlich.
»Das ist dumm, dann muss ich mir ja einen anderen Freund suchen«, sagte sie, als er sich von ihr löste und schmunzelte leicht. »Du weißt, ich steh auf die schlechten Kerle, die mir weiß machen wollen, dass Gefühle schwach machen und mich beleidigen, obwohl sie mich eigentlich gerne flachlegen würden«, erklärte sie ihre Aussage und küsste ihn lächelnd auf die Wange.
»Das heißt nicht, dass ich dich nicht trotzdem gerne flachlege und hin und wieder mit deiner Gefühlsduselei aufziehe, Wiesel«, gab er frech zurück und legte einen Arm um ihre Talje, damit er sie näher zu sich ziehen konnte.
»Mag sein, Malfoy«, sprach sie und betonte seinen Nachnamen. »Aber du wirst langsam schon mindestens genauso schlimm mit deiner Gefühlsduselei, wie ich. Wenn mir Leute wie mein Vater sagen, dass du einen furchtbar schlechten Einfluss auf mich hast, kann ich jetzt sagen, dass ich den eher auf dich habe«, gab sie in ebenso keckem Ton zurück.
»Kann schon sein, aber von dir lasse ich mich gern beeinflussen.« Seine Stimme war betörend und wieder trafen seine Lippen auf ihre und er küsste sie atemraubend, als könnte er ohne diese Berührungen nicht mehr leben. Das stimmte auch teilweise und als ihm das klar wurde, erkannte er auch, dass er sehr wohl um sie gekämpft hätte. Immer. Weil sie Sein war und auch immer sein sollte.
»Ich liebe dich«, murmelte er gegen ihre Lippen. Sie lächelte kurz. Süß, entzückt und ganz auf ihre Art.
»Ich liebe dich auch«, sagte sie lachend und außer Atem. »Jaja, ich weiß - wer nicht«, sagte er und küsste sie wieder. War erfreut, dass es der Wahrheit zu entsprechen schien, was er ihr eben gesagt hatte. Es war untypisch und doch normal es auszusprechen.
Aus gutem Grund. Basierend auf einer Tatsache. Aus reiner Liebe.