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Namenlos

.. im Schmerz
von

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Namenlos

„Arsch! Idiot! Schwein!“ anderes konnte ich nicht mehr denken. So sehr hatte er mir beteuert, es würde nie mehr vorkommen – und so sehr hatte ich ihm vertraut. Ich war überzeugt davon, dass es wirklich nur ein Fehltritt war, eine Versuchung in einem schwachen Moment des Alkohols. Also verzieh ich ihm. Blind vor Liebe, vor Naivität, vor Ignoranz… Wie auch immer man es nennen mag. Auf jeden Fall sah ich damals nicht, was ich hätte sehen sollen. Seine Arroganz, Selbstverliebtheit – seine Gier. Und nun hatte ich die Quittung dafür bekommen. „Heuchler! Mistkerl!“ Nichtsahnend bin ich heim gekommen,wie jeden Tag. Hatte er es mit Absicht so gelegt, dass ich es mitbekam? Dass ich es mit ansah? Er muss es doch gewusst haben …
 

Tränen liefen mir übers Gesicht, mein Blick war verschleiert von diesen Boten des Gefühls. Tränen waren eigentlich nicht unbedingt negativ, doch in letzter Zeit kamen sie nicht als Freunde, sondern als Zeugnis meines Schmerzes, meiner Verzweiflung. Hastig fuhr ich mit der Hand über die Wangen um sie wegzuwischen, vielleicht in der irrsinnigen Hoffnung, das Geschehene mit abzuwerfen. Lachhaft.
 

Ich befand mich auf dem Weg zu ihrem Haus. Sie würde mich verstehen und nicht mit kalten Augen anblicken und dem höhnischen Grinsen im Gesicht. Sie würde mich in den Arm nehmen, mir Mut zu sprechen und wiederholen, was sie mir schon so oft geraten hat: „Verlass ihn, er ist es nicht wert“ Aber jedes Mal bei diesen Worten zog sich etwas in mir zusammen. Ich liebe ihn doch, da kann ich ihn nicht verlassen! Und er liebt mich! Oder? Nein… Nach dem eben Erlebten wusste ich es nicht mehr. Meine innere Überzeugung war erschüttert, verwüstet, zerstört. Nicht mal meiner eigenen Gefühle war ich mir mehr sicher. Da war doch schon so lange … Nein!
 

Wie jedes Mal, wenn meine Gedanken in diese Richtung abdrifteten, verbot ich sie mir. Es durfte nicht sein und würde ja eh nie passieren. Ich will keinen Menschen verletzten, so wie er es tut. Auf diese Stufe werde ich mich nicht herablassen.

Ich bog ein in die nächste Straße. Wieder ihr etwas näher. Doch meine Gedanken glitten wieder zurück. Ja, ich will niemanden verletzen wie er, aber tat er es nicht nur aus einem Drang heraus? Egal ob seinem männlichen oder boshaften? Bei mir wäre es, wegen meinen ehrlichen, aufrichtigen Gefühlen… Ah – was denk ich hier? „Ehrliche, aufrichtige Gefühle“ So ein Stuss. Es geschähe aus purem Egoismus heraus – nichts weiter. Niemals darf ich ihr so etwas antun. Sie ist doch der eigentliche Sinn meines Lebens, meine Stütze, mein Halt, mein zweites Selbst ohne das ich schon so viele Male untergegangen wäre – meine beste Freundin eben. Wie konnte ich auch nur daran denken.
 

Noch ein paar Schritte – gleich da. Ich sah schon ihr Haus. Klein, rot und unglaublich gemütlich, dort fühlte ich mich zu Hause. Mehr als in der großen, kalten Wohnung, die so sehr wie er war. Beim Gedanken an ihn brachen erneut Tränen aus mir hervor und ich schluchzte jämmerlich. Wie hat es nur so weit kommen können. Ich habe mich so abhängig gemacht, von ihm und seinem Leben. Doch als er mir den Antrag gemacht hat fühlte ich mich glücklich, ich hatte das Gefühl angekommen zu sein, angekommen an dem Ziel, das ich schon immer verfolgt hatte ohne mir dem bewusst zu sein. Obwohl ich in diesem Moment einen Gedanken schnell wieder beiseiteschob. Doch das würde nie jemand erfahren.
 

Endlich, ich war angekommen – Zuhause?

Eilig klingelte ich und versuchte die neuen Tränen noch etwas zu trocknen. Und dann wurde die Tür geöffnet für mich – und der Mensch stand vor mir, den ich schon so oft aus meiner Gedankenwelt hatte verbannen müssen.

„Hallo“ begrüßte er mich und sah mich an und sah dabei doch aus, wie ein Engel – von Strahlen umgeben. Und erneut nahm das Gefühl in mir Oberhand und ich fühlte, wie meine Wangen erneut nass wurden. Waren es Tränen der Trauer, der Hilflosigkeit, des Glückes? Ich kann es nicht sagen.
 

„Um Himmelswillen! Was ist los mit dir?“ Er nahm meine Hand und führte mich rein in die vertraute Wohnung.
 

„Ist sie da?“ hörte ich mich sagen und es klang furchtbar, verheult, verzweifelt. So wie ich mich im Moment fühlte – einfach schwach. Aber so wollte ich nicht sein, nicht vor ihm.
 

„Nein“ antwortete er und ich fühlte diesen mitfühlenden Blick auf mir, denn ich traute mich nicht aufzuschauen und ihm in die Augen zu blicken. „Sie ist noch unterwegs. Setz dich“ Sanft und doch bestimmt drückte er mich aufs Sofa und setzte sich neben mich. Und dann, dann stockte mir der Atem. Er legte den Arm um mich und ich fühlte seine Wärme, wie sie mich selbst erwärmte – einen Körper der bis eben noch taub und kalt war. Und ich war so dankbar, dass in meinen Augen sich schon wieder Wasser ansammelte, bereit meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, doch ich war es nicht – bereit – nicht bei ihm.
 

„Sag doch, was ist passiert?“ die Worte klangen ganz leise in meinen Ohren und ich wusste nicht, ob ich sie mir nicht vielleicht nur einbildete, denn sie klangen zu schön. Zu schön für Jetzt, für Hier, für diese Situation, für Mich und für diese Welt.
 

ErEr – Ich kam in die Wohnung als er gerade“ meine Stimme versagte und ich musste abbrechen, aus Angst hässlich und unwürdig vor ihm zu wirken. Wie konnte es sein, dass während ich so erfüllt war von ihm, gleichzeitig immernoch diese Trauer, Wut, Verzweiflung spürte beim Gedanken an die Situation als er mir das Herz gebrochen hat. Liebte ich beide? Liebte ich keinen? Liebte ich nur einen? Fragen – und ich war überfordert. Ich wusste nur, dass er mich gerade in eine Umarmung zog. Hatte ich den letzten Teil meines Satzes doch noch ausgesprochen, ohne es selbst zu bemerken? Oder konnte er es ahnen? Schließlich zerbrach ich nicht zum ersten Mal an ihm.
 

„Es tut mir leid“ hörte ich nahe an meinem Gesicht, doch Worte sind zweitrangig. Wichtig war in diesem Moment nur er. Seine Wärme, seine Güte, sein Wesen, seine Ausstrahlung – alles das, was man nicht in Worte fassen konnte, denn sie sind so unbedeutend. Was er mit dem Klang seiner Stimme mir mitteilte war mehr wert, als jede Rede, die er hielt, oder jeden Roman, den er schrieb.
 

„Danke“ sagte ich, obwohl mir Worte doch nicht wichtig sind. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und jede seiner Bewegungen, seiner Berührungen in meinem Haar waren mehr Wert, als jede Erinnerung an ihn. Ja, nun wusste ich. Ich liebte keinen von beiden! Er ist jemand, den ich brauchte, als Ablenkung und zu dem ich mich hingezogen fühlte. Doch mehr war dort nie – zumindest sah ich das jetzt so. Bei ihm aber reichte Liebe nicht aus. Ich fühlte ihn und es war tausendmal mehr wert als die Worte „Ich liebe dich“. Es wiegt so unendlich viel mehr, als der Kniefall zum Antrag. Es ist das Glück, dass ich immer gesucht hatte. Und es nun fand – obwohl es mir weiterhin verwehrt bleiben wird.
 

Er schob mich leicht von sich und schaute mir in die Augen. Und ich merkte, wie ich versank, in diesen Tiefen ertrank, in Augen aus denen jedes seiner Gefühle sprach – Mitgefühl, Trauer und Liebe?
 

Er legte seine Stirn an meine und ich spürte, dass ich seinem Blick nicht mehr standhalten konnte, denn Tränen bahnten sich erneut ihren Weg und ich wollte nicht, dass er sie sah, denn nun wirkten sie auf mich, wie ein Eingeständnis der eigenen Schwäche. Und ich wusste, ließ ich diese jetzt zu würde mein Leben einstürzen, über mir zusammenbrechen wie ein Kartenhaus.
 

Ich spürte seine Finger meine Schwäche wegwischen und wagte doch nicht aufzuschauen oder zu atmen, denn beides würde zu meinem Untergang führen und ich wollte ihr doch nicht wehtun – niemals! Doch was sollte ich tun, wenn alles gegen mich arbeitete? Er – gegen mich arbeitete. Denn er näherte sich mir immer mehr und ich wollte es nicht. Eigentlich. Aber irgendwie ja schon. Was sollte ich tun – mich verraten, oder sie?
 

Die Entscheidung traf dann nicht ich, da er sie schon längst für mich getroffen hatte. Und ich fühlte in mir etwas, das ich schon verloren glaubte, Hoffnung, Glück, Freude. Schließlich scheinte er mich genauso zu brauchen, wie ich ihn. Er hatte ja alles zwischen uns beseitigt, jede Entfernung überwunden. Vielleicht wird alles gut, mit seinen Lippen auf meinen. Ich betete – zum ersten Mal in meinem Leben – dass es nicht enden würde.
 

Eine Tür geht auf – und eine schließt sich.
 

So wie nun.
 

Ich hörte schon fast ihren entsetzten Blick und ich fiel, denn ich wusste mein Leben war vorbei…



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