Can You Feel the Randomness Tonight?
„VOOOI! Geh von mir runter, du Idiot!“
Die Stimme des Hais der Varia schallte durch das ganze Haus. Fran und Belphegor, die sich auf dem Flur vor der Tür des Aufenthaltsraumes befanden, aus dem der Schrei gekommen war, sahen sich an. Zumindest ging Fran davon aus, dass Bel ihn ansah. Es hätte auch sein können, dass Bel einfach nur den Kopf zu ihm gedreht hatte, dabei aber in eine völlig andere Richtung schaute. Oder dass seine Augen geschlossen waren. Oder dass er gar keine Augen hatte.
Fran hatte dies schon länger mal überprüfen wollen, hatte es aber bisher nicht geschafft, seinem Senpai unbemerkt KO-Tropfen in die Nahrung zu mischen, sodass er gefahrlos den Pony anheben konnte...
Wie auch immer. Squalo schien sich jedenfalls mit irgendjemandem im Aufenthaltsraum zu befinden und derjenige schien demzufolge... auf ihm drauf zu sein?
„Fuck, so kommen wir nicht weiter!“, regte sich Squalo hinter der Holztür auf. „Du bist sowas von unfähig...“
Jemand grummelte irgendetwas. Fran und Bel, nicht sicher, ob sie wirklich wissen wollten, was dort drinnen vor sich ging, näherten sich langsam und lautlos der Tür.
Squalo stöhnte auf. Genervt. Wahrscheinlich. „Lass mich mal ran, sonst wird das hier nie was... NEIN VERDAMMT, NICHT DAHIN! VOI!“
Ein Geräusch war zu hören, als ob jemand sich ziemlich heftig auf einem Sofa oder einer Matratze windet. Einige Sekunden war es fast still, nur eine merkwürdig fröhliche Melodie war zu hören, dann- „Du bist einfach zu dumm dazu, oder?! Lass mich das gefälligst erledigen!“
„Kommt nicht in Frage“, antwortete jetzt erstmals die zweite Stimme deutlich vernehmbar – und sowohl Frans als auch Belphegors Kinnladen klappten runter. Levi?!
Sie fassten sich jedoch schnell wieder.
„Shishishi, also jetzt bin ich schon neugierig, was die beiden da drinnen machen...“, murmelte Bel und stieß die Tür auf, bevor Fran ihn aufhalten oder sich abwenden konnte, um seinen unschuldigen Augen einen möglicherweise verstörenden Anblick zu ersparen.
Dieser bot sich allerdings hier und heute sowieso nicht. Jedenfalls war es nicht noch verstörender als sonst auch.
Leviathan saß auf dem Sofa vor dem Fernseher. Squalo, der so aussah, als wäre er gerade von dem Platz neben ihm aufgesprungen, starrte wütend zu ihm hinunter, hob aber dann den Blick und sah zur Tür. „Was wollt ihr?!“
„Pfannkuchen“, erwiderte Fran sofort.
Bel sah ihn verständnislos an, beschloss aber dann, den Kommentar einfach zu ignorieren. „Wir waren nur daran interessiert, was du und Levi alleine im Aufenthaltsraum tut...“, sagte er mit unverhohlenem Spott.
Squalo knurrte und fuhr zu Levi herum, als hätte der irgendetwas Falsches gesagt. Dieser erhob sich nun ebenfalls und wollte sich gerade rechtfertigen, als Bel ihn unterbrach: „Du weißt, dass du eine orange gefärbte Haarsträhne hast?“
Der Todesblick des Hais, den er auf Belphegor abschoss, hatte keinen Effekt.
„Stell dir vor, du Möchtegerngenie, das weiß ich!“
„Wer ist hier ein Möchtge-“, begann Bel, wurde jedoch von Fran unterbrochen. Man sollte meinen, dass, da in diesem Haus nur Männer lebten, eher wenig Wortwechsel stattfand. Aber tatsächlich kam kaum einer von ihnen jemals dazu, einen Satz zu beenden, weil stets ein anderer meinte, dazwischen reden zu müssen. Oder weil Gegenstände oder Menschen geworfen wurden.
„Hast du die etwa selbst gefärbt?“, fragte Fran in fast unschuldigem, sachlichem Ton.
Squalo, der bestimmt lustig aussehen würde, wenn seine Haare lockig wären, was aber völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist, antwortete in dem beleidigendsten Ton, den er zustande brachte: „Nein, ein tollwütiges einbeiniges Kätzchen hat das gemacht!“
Schweigen. Die drei anderen wussten nicht, ob sie lachen oder besser einfach den Raum verlassen sollten.
Jetzt, da niemand redete oder brüllte, schien die fröhliche Melodie, die Belphegor und Fran schon zuvor gehört hatten, noch lauter zu sein. Sie drehten sich zum Fernseher um und als sie daraufhin wieder zu Levi und Squalo sahen und in deren Händen weiße Fernbedienungen erblickten, war ihnen alles klar.
Squalo und Leviathan spielten Super Mario Bros. auf der Wii.
(Wenn man das Spiel mit mehreren spielt, kann man seinem Mitspieler auf dem Kopf herumhüpfen. Macht Spaß. Jedenfalls war das der Grund, aus dem Squalo Levi aufforderte, 'von ihm runter zu gehen'. Jeder, der etwas anderes gedacht hat, sollte sich schämen.)
„Wir spielen mit“, entschied Belphegor abrupt, ging zur Wii, die neben dem Fernseher stand, und drückte den Reset-Knopf. Das fand Squalo gar nicht lustig. „VOOOI, wir hatten fast die zweite Welt durch!!“
„Nur?“ Frans Ton war eindeutig herablassend.
Squalo war drauf und dran, ihm die Wii-Fernbedienung in den Rachen zu stopfen, als der Frosch-Hut-Junge schon weitersprach, während er sich neben Levi niederließ. „Leviii! Du musst nach Candy Mountain gehen!“
Levi gab ein fragendes Grunzen von sich und sah den Kleineren irritiert an. „Was?“
Bel setzte sich jetzt auf dessen andere Seite. Squalo stellte währenddessen vor sich hinfluchend die Spieleranzahl ein. „Shishi, ja, Levi. Candy Mountain!“
„Candy Mountain, Levi!“, stimmte Fran zu.
„Hä?“
Fran blieb todernst. „Du musst nach Candy Mountain, Levi. Du bist der Bananenkönig!“
„Was zur-“ Aber wieder einmal wurde ein Varia-Mitglied von einem anderen unterbrochen, welches in diesem Fall Lussuria war, der gerade ins Zimmer geplatzt kam.
„Hallöchen, meine Lieben! Was macht ihr so?“
Aus irgendeinem Grund trug er Ohrringe mit Marienkäfern daran. Fran stand auf, Squalos wütenden Ruf („VOI, geh nicht weg, wenn das Spiel anfängt!!“) ignorierend. „Eh... leben die noch?“
Lussuria kicherte. „Die Marienkäfer? Ja. Und sie flüstern mir Dinge zu...“
Kurz starrten ihn alle an, dann ertönte aus den Fernsehlautsprechern eine heitere Stimme: „Let's go!“
„VOOOI, Fran! Jetzt spiel gefälligst vernünftig mit und halt uns nicht auf!!“
„Würd ich nie tun“, erwiderte er trocken und ließ den Pilz, der seine Spielfigur darstellte, loslaufen. Bei genauem Hinsehen schien das Viech eine Windel zu tragen... Fran beugte sich vor und versuchte zu erkennen, ob es tatsächlich so war. Dadurch allerdings sah er ein gegnerisches... Etwas zu spät und starb.
„DU NICHTSNUTZ! VOI!“
„Ey. Ich bin nicht irgendso'n Scheiß-Kanake, den man das Klo runterspülen kann!“, entgegnete Fran. (Wer errät, aus welchem Film das ist, darf Belphegors Rücken kraulen.) „Außerdem bin ich lange nicht so schlecht wie unser Bananenkönig hier...“
Sofort fingen er und Bel wieder an, Levi zu nerven. „Candy Mountain, Levi! Steck 'ne Banane in dein Ohr!“
Irgendwann, als er durch die Ablenkung zum fünften Mal in dem Spiel gestorben war, riss sein Geduldsfaden. Er wollte mit irgendetwas nach den beiden werfen, die inzwischen vor ihm herumtanzten, doch Squalo hatte ihnen allen die Fernbedienungen aus den Händen gerissen, weil sie ihn 'nur aufhielten'. Das Einzige, was Levi also parat hatte, war das Rührei in seiner Tasche, das er am Morgen vom Küchenboden aufgesammelt hatte, nachdem es beim Frühstück von Xanxus' Teller gefallen war.
Mit einem wütenden Brüllen holte er aus und warf es auf die beiden, die geschickt auswichen. Das Ei flog weiter und – kehrte zu seinem rechtmäßigen Besitzer zurück.
Xanxus betrat nämlich gerade in dieser Sekunde den Raum, sein Gesicht aus einem noch unbekannten Grund gerötet (so etwas hatte man noch nie gesehen!) und öffnete den Mund, um sie zusammen zu schreien, da landete die glibberige Masse in seinem Gesicht.
Das platschende Geräusch, mit dem das Zeug auf dem Boden aufkam, wirkte unnatürlich laut. Alle Varia-Mitglieder schwiegen. Mario rief: „Let's go!“
Xanxus brauchte nichts zu sagen. Sein Blick vermittelte seine Gedanken mehr als deutlich. Ihr seid tot. Erst die Sache mit seinem Whisky und dann... das.
Ohne Vorwarnung holte er seine Box hervor und befreite den Liger.
Die anderen ergriffen sofort die Flucht. Sie warfen sich aus dem Fenster oder stürzten zur Tür, rannten wortwörtlich um ihr Leben.
„Sah aus, als hätte er den Whisky getrunken“, kam es von Fran, während er und Bel nebeneinander durch den Flur flüchteten.
Bel wandte kurz den Kopf zu ihm. „Was meinst du?“
„Ich hab Chili-Pulver in seine Whisky-Flasche getan.“
„... Dann ist es deine Schuld, wenn wir sterben. Trottel.“
„Nein, es ist Levis. Trottel.“
„Du bist hier der Trottel!“
„Bel-Senpai, du hast wirklich ein schlechtes Timing. Muss das gerade jetzt sein, mich mit Messern zu bewerfen...?“
„Allerdings.“
Als sie schließlich hinaus in den Garten kamen, stürzte das Haus hinter ihnen in sich zusammen. Sie konnten Squalo über einen verlorenen Spielstand fluchen hören. Vorne in der Einfahrt für die zahlreichen Autos der Varia hockte eine Gestalt.
Von der Neugier getrieben gingen Bel und Fran, das verstörende Duett, auf sie zu und erkannten Levi.
„Was machst-“, begann Belphegor, unterbrach sich jedoch diesmal sogar selbst.
Levi hatte offenbar eine Packung Kirschsaft in der Hand, die er jetzt auskippte und beiseite warf. Anschließend drückte er sein Gesicht in die auf dem Boden entstandene Pfütze.
Bel und Fran gingen neben ihm in die Hocke und sahen zu, wie er sein Gesicht in den Matsch presste.
„Ehrlich... was tut er da?“, wiederholte Bel, nachdem Levi sie komplett ignorierte und sich weigerte, den Kopf zu heben.
Fran legte den Kopf schief. „Ich glaub, er versucht sich zu ertränken.“
„Shishishi... Amateur. Gib dir Mühe, Levi!“
„Ja, Levi. Immerhin bist du der Bananenkönig.“
Immer noch keine Reaktion. Leviathan schien entschlossen, hier zu sterben.
„Na los, mach schon... Shishi. Stirb.“
„Ja, stirb!“
Sie begannen einen Anfeuerungssingsang. „Stirb, stirb, stirb, stirb, stirb, stirb...!“
Aus dem Haus, das im Hintergrund in Trümmern lag, ertönte ein wütendes Brüllen.
„Wir sollten abhauen“, stellte Fran fest und stand auf. „Beeil dich, Levi!“
Und damit verschwanden er und Belphegor Richtung Wald.
Womit sie allerdings nicht gerechnet hatten, war das riesige rosarote Krokodil, das seit letzten Mittwoch dort lebte. Es fraß sie auf. Dann ging das Krokodil weiter und fraß auch Leviathan auf. Kurz darauf erwischte es Squalo. Es ging weiter und verschlang sogar Xanxus und seinen Liger.
Nur Lussuria bekam es nicht zu fassen, denn seine Marienkäfer hatten ihm rechtzeitig befohlen, zu fliehen. Allerdings lockten sie ihn in einen Hinterhalt und fraßen ihn dort auf. Es waren Marienkäfer OF DOOM!.
Und das war das Ende der Varia.
Später würde man von einer großen und blutigen Schlacht reden, von harten Kämpfen und den Männern der Varia, die stolz und aufrecht gestorben waren. Niemand würde je wissen, wie tragisch es wirklich war.
