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Der Stein des Anstoßes

von

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Reporter

Ein paar Tage nach dem Vorfall, hatte einer von Simons Arbeitskollegen Geburtstag. Zur Feier des Tages lud er alle in eine Gaststätte zu einem Gläschen ein, die sich etwa auf halber Strecke zwischen Simons Arbeitsplatz und Haus befand.

Marco war inzwischen wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden, und war ins Dorf zurückgekehrt, so das Simon eigentlich keinen Grund sah, an der Feier nicht teil zu nehmen.

Die Zeit war schon fortgeschritten und der Höhepunkt der Feier längst vorbei, als Simon Zeuge eines Gespräches wurde, das ihn aufhorchen ließ. Zwei ältere Männer, nach der Kluft zu schließen, waren sie aus einem Schützenverein, saßen schon seit geraumer Zeit an einem Tisch unweit von Simon. Sie hatten jeweils einen Humpen Bier vor sich stehen. Nicht die ersten an diesem Abend. Sie waren in ein Gespräch vertieft, das sie ziemlich zu erheitern schien. "...und der alte Klaus meint wirklich, das wir ihm diese Story glauben." Die beiden Männer fingen an zu lachen. "Drachen in unserem Wald. Wer`s glaubt." - "Hast du die Fahne gerochen. Klaus hat doch schon wieder vor und während seiner Wacht einen über den Durst getrunken. Als nächstes erzählt er uns, das Dinosaurier in der Schlucht hausen." Die beiden Männer lachten erneut.

Simon wollte sich schon zurücklehnen, als das Gespräch weiterging. "Nur dumm das der Klaus als Stadtförster so gut mit unserem Vorsitzenden kann." Der andere grunzte zustimmend und gemeinsam griffen sie nach ihren Bieren. "Der hat ihn solange zugeredet, bis der Vorsitzende doch tatsächlich für am Wochenende eine `Drachenjagd´ angesetzt hat." Die beiden Männer verdrehten die Augen und leerten ihre Bierhumpen in einem Zug. "Das wird eine schöne Blamage für diesen Klaus und ein Spaß für den Verein. Nur dumm, das uns dadurch ein freies Wochenende verloren geht." - "Ein bisschen Verlust ist halt immer. Dieser Klaus wird sich vor dem ganzen Verein furchtbar blamieren. Vielleicht werden wir ihn dann endlich los. Der geht mir ehrlich gesagt schon seit längerem auf die Nerven." Wieder lachten sie und bestellten sich Biernachschub. Simon lauschte noch etwas, aber die Männer sprachen nur noch über Vereinsdinge, die nicht mehr Tannin betrafen. Die Feier klang aus, und Simon fuhr nach hause, wo er von Tannin bereits erwartet wurde.
 

Die Woche war für Simons Begriffe diesmal viel zu schnell vorbei. Das Wochenende kam, und mit ihm der Schützenverein. Simon war grade auf dem Weg zum Einkaufen, als ihm ein langer Tross Autos entgegenkam, die alle den gleichen Aufkleber an der Heckscheibe trugen, die die Besitzer als Mitglieder des Schützenvereins auswies. Sie fuhren in den Wald, und als Simon vom Einkaufen zurückkehrte, standen sie für seinem Geschmack viel zu nah an seinem Haus. Außerdem schienen die hiesigen Medien von der Aktion Wind bekommen zu haben, denn es standen auch ein paar Wagen von Pressevertretern am Waldrand. Das schmeckte Simon noch weniger und er hoffte im Stillen, das diese die jetzige Aktion nicht durch Recherchen in Zusammenhang mit der Suchaktion nach Marco in Verbindung brachten.

Er lud die Einkäufe aus dem Wagen und betrat das Haus. Dort erwartete ihn eine weitere unangenehme Überraschung. Tannin war nicht da, und die Balkontür war offen. Simon fielen fast die Einkäufe aus der Hand. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Sachen abzustellen, ohne das sie dabei Schaden nahmen. Dann rannte er in den Garten, und rief Tannins Namen. Doch von diesem war weit und breit nichts zu sehen. Simon durchquerte den Garten, und näherte sich dem Wald. Immer wieder blickte er suchend zum Himmel und in den Wald, doch konnte er Tannin nicht entdecken.

Er irrte einige Zeit herum, bis er plötzlich auf zwei Schützenbrüder und einen Reporter traf, die ihn etwas verwirrt ansahen. Als sich die Schützen von ihrem ersten Schreck erholt hatten, wollten sie wissen, was er hier zu suchen habe. Heute sei große Jagd, da sei es Leuten verboten in den Wald zu gehen, zu ihrer eigenen Sicherheit. Dies sei durch die Presse doch schon vor Tagen bekannt gegeben worden. Der Vertreter der Presse, ein blondhaariger, schmächtiger Typ mit blauen Augen und Brille sah Simon und die anderen bei den Worten gelangweilt an. Offenbar hatte er sich etwas mehr von der ganzen Sache versprochen, und machte keinen Hehl daraus seine Enttäuschung ganz offen zu zeigen. Die Schützen baten Simon, den Wald umgehend zu verlassen. So musste Simon wohl oder übel kehrt machen, und zurück zum Haus gehen. Er bemerkte nicht, wie der Reporter ihm nachsah.

Als er wieder den Garten betrat, kam ihm ein verschlafen dreinblickender Marco in einem seiner Schlafanzüge, der natürlich um einiges zu groß war, entgegen. „Morgen,“ gähnte er. Simon konnte sich gar nicht daran erinnern Marco gestern Abend gesehen zu haben. Er blieb ebenso wie Marco stehen. „Morgen, wie kommst DU denn hier her?“ Trotz seiner Müdigkeit grinste Marco schelmisch. „Na mit dem ersten Bus, der hier in die Gegend fuhr, und den Rest zu Fuß. Tannin war dann so nett, mich reinzulassen.“ - „Du weißt also, wo sich Tannin befindet?“ - „Klar doch. Bei mir. Oben auf dem Dachboden. Im Gästezimmer.“ Simon atmete erleichtert auf. „Ihr wisst ja gar nicht, was ihr mir für einen Schrecken eingejagt habt, und lass mich raten, dein Vater weis schon wieder nicht wo du steckst.“ Marco schien die Unschuld in Person, als er erwiderte: „Doch, diesmal schon. Ich hab ihm `nen Zettel auf den Tisch gelegt.“ - „Aha. Nun aber rein mit dir. Du kannst mir grade beim Einräumen der Einkäufe helfen." Marco verzog das Gesicht, so als habe er Schmerzen und fügte sich schließlich seinem Schicksal. Doch sie blieben bei ihrer Ausladeaktion nicht lange allein. Tannin kam die Treppe herab. Er schien nicht sonderlich besorgt zu sein. Guten Morgen. Er wanderte an Simon und Marco vorbei und lies sich wieder im Wohnzimmer nieder. Was meint ihr, werden sie etwas finden? Tannin schien erneut zu grinsen. Simon beschloss innerlich, das Tannin zuviel Zeit mit Marco verbrachte. Der setzte ihm wohlmöglich noch irgendwelche Flausen in den Kopf.
 

Sie waren grade beim zweiten Frühstück, als es an der Tür klingelte. Marco blieb mit Tannin in der Küche zurück, während Simon langsam zur Haustür schritt. Bevor er diese öffnete versicherte er sich noch einmal, das die Küchentür fest geschlossen war, erst danach machte er dem Wartenden auf.

Vor der Tür stand Marcos Vater. Er sah Simon etwas unsicher an. "Morgen," murmelte er vor sich hin: "Ich habe gelesen, das ich meinen Sohn hier finden kann." Irgendwie war Simon die ganze Sache peinlich. Um es aber zu überspielen, bat er Marcos Vater erst mal herein. "Wo ist er?" - "In der Küche." Zügig schritt Georg zur Küchentür. Simon schloss die Haustür, nachdem er einen kurzen Blick nach draußen riskiert hatte. Noch bevor Simon ihm sagen konnte, das sich Tannin ebenfalls in der Küche befand, hatte er die Tür geöffnet und verharrte nun auf der Schwelle. Sein Gesichtsausdruck wurde leicht blass und er schluckte. Doch dann schien es, als habe er sich wieder gefangen. Georg machte einen Schritt in den Raum hinein. Simon folgte dichtauf. Zu Simons und auch Marcos Überraschung ging Georg sogar in Tannins Richtung, und blieb etwa zwei Schritt vor ihm stehen. Er fuhr sich kurz über seine Lippen, so als müsste er sie befeuchten. "Ich... Ich möchte mich bei dir bedanken, das du Marco gerettet hast." Im nächsten Moment blicke Marcos Vater ziemlich überrascht kurzzeitig ins Leere. Dann griff er nach dem nächsten Stuhl, und lies sich darauf nieder. Marco konnte sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen. Simon wüsste nur zu gern, ob Marco sich grade wieder mit Tannin ausgetauscht hatte. Doch keiner von beiden klärte ihn auf. So begnügte er sich erst mal damit eine Tasse aus dem Schrank zu nehmen, sie mit Kaffee zu füllen, und diese dann Georg anzubieten, der diese dankbar annahm. Er war noch immer sprachlos. Erst einige Schlucke aus der Tasse lösten seine Zunge wieder. Er wirkte leicht irritiert. „Was...war denn das?“ - „Keine Sorge Papa. Du gewöhnst dich recht schnell daran, und dann macht es irgendwann keinen Unterschied mehr.“ Das war das erste Mal, das Simon hörte, das Marco seinen Vater so nannte. Das passte irgendwie überhaupt nicht in das Bild, was er von Marco hatte. Innerlich begann er zu grinsen. Dann ging er noch mal zu den Küchenschränken herüber, und holte ein weiteres Gedeck daraus hervor. Sicherlich hatte Georg nichts gegen ein Frühstück einzuwenden.

Nachdem sie gegessen, und Marcos Vater sich nach und nach an die Anwesenheit von Tannin gewöhnt hatte, fingen sie an, Informationen über das, was nach der Rettungsaktion im Dorf geschehen war auszutauschen. Für Simon stellte sich die Situation nun so dar, das die Gruppe von Dorfbewohnern, die schon früher dafür gewesen waren, das Simon mit Tannin im Dorf hätten bleiben sollen, nach der Rettungsaktion starken Zulauf erhalten hatten. Deswegen wohl auch der Brief. Einerseits freute es Simon, aber er hatte nie vorgehabt, die Dorfgemeinschaft zu spalten. Grade dies hatte er mit seinem Auszug vermeiden wollen.

Je länger Simon mit Georg sprach, umso mehr bemerkte er, wie dieser sich entspannte und sogar nach und nach mit Tannin einige Worte wechselte.

Schließlich traten Simon und Georg in den Garten und sahen zum Wald hinüber. Sie konnten immer noch ab und zu Schützen zwischen den Bäumen ausmachen. "Was ist denn da drüben los? Soweit ich weis ist die eigentliche Jagdsaison noch gar nicht eröffnet." Simon sah etwas zerknirrscht drein. "Ich fürchte, das ist unsere Schuld." Georg sah Simon überrascht an. "Wieso?" Simon blickte sich vorsichtig um. "Am besten gehen wir rein. Da kann ich dir alles erzählen." Sie sahen noch einmal zum Wald und kehrten dann ins Wohnzimmer zurück. Grade, als Simon und Georg sich abwandten, trat der Reporter zwischen den Bäumen hervor und sah zum Haus, eh er den Schützen folgte. Er überlegte, irgendwie hatte er das Gefühl, diese Gesichter zu kennen.
 

Simon hatte die Tür geschlossen und die Vorhänge vorgezogen, so das Marco mit Tannin ins Wohnzimmer kommen konnten. Obwohl es Tannin immer noch sichtlich peinlich war, übernahm er nachdem Simon ihm ermutigend zunickte den ersten Part der Erzählung. Simon fügte hinzu, was nach der Entdeckung passiert, und wie er versucht hatte die ganze Sache zu vertuschen. Marco hatte bei seiner geistigen Vorstellung sichtlich sehr viel Spaß. Sein Vater grübelte indes vor sich hin. „Das ganze sieht gar nicht so gut für euch aus. Wenn ihr Glück habt, werden sie nichts finden, doch sie sind nun sicherlich misstrauisch und werden die Augen offen halten.“ Georg sah Simon mit teilweise mitfühlendem Blick an. „Wenn sich diese ganze Sache noch weiter verbreitet, wie du sagtest sind die Pressefritzen da, die werden schon dafür sorgen, werden sicher Schaulustige und Pseudoforscher anreisen. Damit dürften für Tannin die Ausflüge in den Wald gelaufen sein. Eine Entdeckung ist dann viel zu wahrscheinlich, und du kannst dir dann sicher vorstellen, was dann hier erst passieren wird.“ Simon musste Georg recht geben, er hatte sich selbst Gedanken gemacht, und war zu dem gleichen Ergebnis gelangt. Selbst wenn er es nicht gewollt hätte, zu Tannins Sicherheit war er nun erneut gezwungen seinen Aufenthaltsort zu ändern. Hier würden sie wohl keine Ruhe mehr finden.

Mit einem Seufzen ließ er sich auf seinem Sessel zurücksinken. Irgendwie war alles so viel komplizierter geworden. „Was ist denn das hier?“ Simon drehte seinen Kopf träge zu Marco. Dieser hatte sich den Brief geschnappt, den Simon nicht weggeräumt hatte, und las ihn durch. „Schon mal was von Briefgeheimnis gehört. Leg das wieder hin.“ Georg musterte seinen Sohn mit strengem Blick. Doch dieser lies sich davon nicht einschüchtern, und starrte auf die Buchstaben. Dann hielt er ihm seinen Vater hin. „Hier lies mal.“ Georg protestierte. „Ich lese doch nicht Simons Post.“ - „Ist schon gut. Bei dem Brief ist das kein Problem für mich.“ Simon winkte ab. Er wusste ja schließlich schon was drinstand. Georg sog hörbar die Luft ein, als er die Zeilen hinablas. „Donnerwetter, ich wusste gar nicht, das sogar der Bürgermeister zu den Befürwortern steht. Das sollte die Sache für dich doch viel einfacher machen, und bei DEM Angebot. Also ich an deiner Stelle würde nicht zögern.“ Simon sah Georg nachdenklich an. Er konnte sich noch zu gut an die Zeit erinnern, wo dieser ihn aus dem Dorf vertrieben hatte. Einerseits aus Angst um die Kinder, andererseits aber auch aus der eigener Angst vor dem Unbekannten. Und jetzt, einige Monate später saß dieser Mann und Vater bei ihm daheim, und unterhielt sich mit Tannin. Simon seufzte. Wenn doch nur die anderen Dorfbewohner auch so zu überzeugen wären. Noch immer zögerte er, das Angebot anzunehmen, auch aus Angst davor, von denjenigen die Tannin immer noch ablehnten, negatives zu spüren zu bekommen.

Georg und Marco sahen, wie Simon mit sich am kämpfen war, und sahen sich an. "Hätte nie daran gedacht, das ich das mal tun würde," murmelte Georg leise vor sich hin. "Das mit den Andern lass mal meine Sorge sein. Schau du lieber, wie du dich hier unauffällig und möglichst schnell aus der Gegend verabschieden kannst." Georg sah Simon auffordernd an. "Und für dich Bürrschen gibt es heute noch genug daheim zu tun, und so weit ich weis schreibt ihr übermorgen eine Klassenarbeit." Marco stöhnte bei dem Gedanken.

Georg erhob sich, und blickte seinen Sohn herausfordernd an, der natürlich überhaupt nicht vor hatte Tannin und Simon so früh schon wieder zu verlassen, und erst recht nicht für Schulaufgaben, doch alles protestieren half nichts. So war Simon recht schnell wieder allein. Draußen liefen die Schützen und Reporter immer noch durch den Wald, bis ein plötzlich einsetzender Regen die meisten von ihnen vertrieb.



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