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Herzlos

Fuuma no Kojirou: Kirikaze One-shot
von

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One-Shot

„Kojirou benimmt sich genau so, wie du früher warst“, bemerkte Ryouma mit trockener Stimme, ohne Kirikaze dabei anzusehen, denn er saß mit dem Rücken zu ihm. Der etwas kleinere und vor allem schmächtigere Junge mit dem kurzen, dunkelbraunen Haaren wandte dem ältesten der Fuumas den Rücken zu und war drauf und dran zu gehen. Ryoumas Aussage hatte ihn getroffen. Wenn er kein Shinobi gewesen wäre, dann hätte er wohl heftig darauf reagiert. Shinobi gehörten zu einer Art Ninja; Menschen, mit ungeahnten Fähigkeiten, die normale Leute nicht beherrschten ausgestattet waren. Man konnte ihre Hilfe ersuchen, wenn man in Not war. Manche Clane taten es gegen ein gutes Endgeld, andere verbrachten die Zeit, die sie für einen Auftraggeber arbeiteten, lediglich unter dessen Dach um die Menschen besser kennen zu lernen. Shinobi waren Saboteure und Söldner, doch sie konnten auch als Meuchelmörder agieren. Diese Leute standen enger mit göttlichen Kräften in Verbindung, als die normalen Menschen in den Großstädten. Die Shinobi des Fuuma Clans gehörten zu jenen Ninjas, die ihre Lebensweise als Bestimmung anerkannten, für sie gab es kein Geld, nur eine Zeit, die sie unter den normalen Bürgern Japans verbringen konnten.

„Das ist ein schlechter Witz“, fügte Kirikaze noch hinzu, bevor er aus dem Zimmer schreiten wollte.

„Du gehst?“, Ryouma hielt seinen Kameraden auf, „Allein?“

„Ich fühle mich allein am wohlsten. Ich brauche niemanden an meiner Seite“, entgegnete Kirikaze und verließ ohne sich noch ein Mal zu dem großgewachsenen jungen Mann, mit der Augenklappe über dem linken Auge, umzudrehen.

Schweigend folgte der dunkel gekleidete Junge dem Gang der Residenz Yagyuu, in der die acht Mitglieder des Fuuma Clans für eine Weile wohnen durften, entlang um nach draußen zu gelangen. Im Moment war niemand im Haus, so dass sich Kirikaze unbemerkt aus hinausschleichen konnte. Von weitem konnte er schon das Treiben der anderen Shinobi auf dem Grundstück sehen, welches ein weitläufiger Hof war auf dem einige Grünpflanzen angesetzt waren, welche im Sommer angenehmen Schatten spendeten.

Kojirou war im Hof an einem Baum gefesselt und musste einen gemeinen Scherz von Kouu über sich ergehen lassen, Ryuuhou kontrollierte Reiras Putzarbeit und Kabutomaru fegte im Garten die gefallenen Blätter der Bäume bei Seite.

Kirikaze war zufrieden sich so unentdeckt davonstehlen zu können und so verließ der Junge die Residenz Yagyuu, um sich für eine Weile zurückzuziehen. Mit leichten Schritten, wie es für einen Shinobi üblich war, folgte er einem kleinen Trampelpfad der tief in den Wald hineinführte. Reira war begeistert gewesen, als er die Residenz Yagyuu zu sehen bekommen hatte. Es war ein abgeschiedener Ort, der von einem Wald umschlungen war und viel Schutz bot. Für Shinobi war dies der ideale Platz zum Trainieren, ohne die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen.

Kirikazes Augen verrieten ihm schnell, dass ihn schon jemand von seinem Clan, hinter dem nächsten Baum auf ihn wartete. Anscheinend hatte Ryuuhou die Arbeit seines kleineren Kameraden recht schnell überprüfen können und wollte nun Kirikaze behelligen. Ohne seinen Genossen eines Blickes zu würdigen, ging Kirikaze an ihm vorbei: „Was willst du?“

„Dich begleiten!“, entgegnete Ryuuhou, wobei er sich auch schon in Bewegung gesetzt hatte um Kirikaze sofort zu folgen.

„Das brauchst du nicht. Ich komme allein besser klar“, erklärte Kirikaze kurz und bündig, dabei klang seine Stimme unverändert monoton.

Ryuuhou zeigte ein leichtes Lächeln und schulterte sein Holzschwert: „Sag so was nicht. Zu zweit geht es viel schneller!“

„Dann tu, was du für richtig hältst!“

Das war alles, was der schmächtige Braunhaarige noch zu sagen hatte. Ryuuhou, der von wesentlich kräftigerer Statur war, folgte seinem Freund, der niemals zugeben würde, dass sie alle miteinander Freunde waren. Der Schwarzhaarige kannte dieses Spiel bereits, es lief jedes Mal nach dem selben Schema ab. Zunächst musste er sich an die Fersen des jungen Mannes heften, um ihn dann in ein kleines Gespräch verwickeln zu können nur um letzten Endes wieder allein zum momentanen Wohnort zurückzukehren, damit Kirikaze seine Ruhe hatte. Ruhe zum Nachdenken, um was auch immer er seine Gedanken kreisen lassen mochte.

Die beiden Shinobi folgten dem kleinen Pfad von der Residenz Yagyuu auf dem sie losgegangen waren, in den Wald hinein, bis sie in den dichtesten Büschen verschwanden. Die Zikaden zirpten in der Sommerwärme, die sich bald zu einer gewaltigen Mittagshitze anstauen würde und die Menschen in Japan ins Schwitzen brachte. Niemand von beiden sagte etwas bis sich der Pfad verflüchtigte und nur noch der bloße Waldboden unter ihren Füßen lag.

Vor ihnen erstreckte sich eine Mooslandschaft, die wie ein smaragdfarbener, weicher Teppich auf sie wirkte. Hier und dort gab es kleinere Büsche und einjährige Pflanzen, die hübsche kleine Blüten trugen. Hoch oben in den Nadelbäumen saßen Vögel und sangen ihre Lieder zum Sommer. Es drang kein einziger Laut von der Stadt in den Wald, nicht einmal der große Verkehrslärm von Tokio vermochte es, sich in diesen Wald zu flüchten. Die Idylle war perfekt, wenn Kirikaze sie nur hätte allein genießen können.

„Hey, Kirikaze“, begann Ryuuhou nach mindestens dreißig Minuten vollkommenen Schweigens.

„Hm?“, machte der Junge, sah seinen Begleiter allerdings nicht an. Es war seine Art jemandem zu sagen, dass er eigentlich an keinem Gespräch Interesse zeigte.

Diese Reaktion war ebenso typisch für Kirikaze, wie auch das plötzliche Verschwinden und das Alleinsein, welches er brauchte um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ryuuhou zeigte ein seichtes Lächeln. Früher waren sie beide immer zusammen gewesen, unzertrennliche Freunde die das Leben als geborene Shinobi genossen, vor allem waren sie schon immer auf der Jagd nach Abenteuern gewesen. Damals waren sie noch über Hügel gerannt und hatten zusammen mit den Holzschwertern geübt um eines Tages zwei der wichtigsten und mächtigsten Krieger des Clans zu werden, was ihnen auch gelungen war. Diese Zeiten waren nun allerdings vorbei. Man hörte kein lautes Lachen mehr von Kirikaze und er rannte auch keine grünen Heiden mehr entlang. Er war ernst, nachdenklich, er liebte die Einsamkeit und wirkte beinahe so als wäre er zu keinerlei Gefühlen mehr fähig.

„Du magst Kojirou, nicht wahr?“, wollte Ryuuhou nach wenigen Sekunden wissen. Als Antwort erhielt er zunächst nur ein Zucken mit den Schultern. Kirikaze überlegte, ob er dem etwas hinzufügen sollte, oder ob er seinen Freund mit einer so dürftigen Aussage abspeisen sollte. Eigentlich wollte er nun am liebsten allein sein. Ryuuhous Anwesenheit drückte ihm ohne jeden ersichtlichen Grund auf sein Gemüt. Kirikazes Brust fühlte sich schwer an, so als ob er massiges Gepäck darauf zu tragen hatte. Die Frage seines Freundes jedoch hallte in seinem Kopf wider.

Ob er Kojirou mochte?

Kojirou war zu wild, zu unbesonnen und leichtfertig. Er lebte nicht nach allen Gesetzen der Shinobi und er war in Kirikazes Augen definitiv zu laut. Schließlich wiederholte der Braunhaarige seine Schulterbewegung und antwortete: „Er ist Ryoumas jüngerer Bruder, laut und aufgeweckt. Ich habe nichts gegen ihn, er ist ein passabler Kämpfer.“

Ryuuhou klopfte seinem Freund auf die Schulter, zog an ihm vorbei und meinte während er seine nächsten Schritte tat: „Du weißt ganz genau, dass ich es anders gemeint habe. Bleib nicht zu lange weg, die andere werden sich sonst Sorgen machen.“

„Schon gut, ich bleibe schon nicht zu lange fern“, entgegnete Kirikaze, es war das erste Mal, dass er Ryuuhou an diesem Tage wirklich in die Augen blickte und es kam diesem so vor, als könnte er einen Funken Traurigkeit in seinen trüben, dunklen Augen erkennen. Der junge Shinobi nahm sein Holzschwert zur Hand und richtete die Spitze auf den Boden, konzentrierte sich auf diese und wartete kurz ab. Für den größeren Shinobi war dieses Handeln ebenfalls nichts Neues mehr. Ryuuhou blickte ebenfalls auf die Spitze des Holzschwertes hinab, aus der nun ein hauchzarter Schleier aus Nebel hervortrat. Nach wenigen Sekunden hatte sich der sanfte Dunst in einen dicken Deckmantel verwandelt, der jedem verbot Kirikaze zu erkennen. Ryuuhou blickte noch eine Weile in die Richtung, in der sein Kamerad verschwunden war. Er konnte sich nie erklären wieso er noch so lange, das ein ums andere Mal auf den dichten Nebel starrte, den Kirikaze erzeugt hatte um für einige Stunden aus der Welt zu verschwinden. Lediglich ein beklemmendes Gefühl ergriff ihn jedes Mal, wenn er sich in diesem dichten Nebel befand um allein nach dorthin zurückzukehren, wo auch immer sie lebten.

„Typisch für dich, Kirikaze...“, murmelte Ryuuhou, machte Kehrt um wieder in die Residenz zurück zu kehren. Der große, stämmige Shinobi war nicht besonders erwachsen, also konnte er das gesamte Gefühlsleben seiner Freunde oft nicht verstehen oder nachvollziehen. Das hinderte Ryuuhou aber nicht daran, seinen Freunden beizustehen, ob es nun gute Zeiten waren oder schlechte.
 

Kirikaze hatte sich ganz und gar in seinen Nebel gehüllt. Er selbst hatte kein Problem sich im dichten Nebel zurecht zu finden. Diese Verhüllung der Welt entsprach seinem Ideal. Sobald der Schleier sich über die Umgebung gelegt hatte, wo er sich befand, fühlte Kirikaze sich am wohlsten. Selbst seine Heimat, das Dorf der Fuuma wurde oft in Nebel versetzt, damit er sich ein wenig heimischer fühlte. Ein Nebeltag ging nicht selten von seinem Gefühlsleben aus und es störte ihn auch nicht, wenn andere ihm sagten, dass sie verärgert über seinen Nebel waren.

Der Weg führte Kirikaze zu einer entfernten Lichtung. Auch hier hätte ein normaler Mensch seine eigene Hand vor Augen nicht sehen können. Der junge Shinobi hatte das ganze Gebiet übernommen um nachzudenken. Von weitem konnte er einen Baumstumpf erkennen, der glatt abgeschnitten worden war. Vermutlich war ein Holzfäller unterwegs gewesen um sich einen Vorrat Feuerholz für den Winter zusammenzusuchen. Still schweigend setzte sich der Braunhaarige auf den toten Stumpf und sah auf den Boden. Plötzlich konnte man weder Zikaden noch Vögel singen hören, denn diese hatte Kirikaze gekonnt mit seiner Fähigkeit, Nebel zu erzeugen, vertrieben.

„Ryouma hat Recht“, sprach er vor sich hin, sich wohl bewusst, dass niemand außer ihm in die Worte vernehmen konnte, „Kojirou ist so, wie ich früher gewesen bin und dass... Das ist gefährlich für ihn...“

Sein Blick wanderte zu den Baumkronen hinauf. Dort wo er saß, befand sich nun ein Loch in der grünen Hülle des Waldes. Das Grün des Laubes und der Tannennadeln wirkte nun schal und kraftlos, zauberte Kirikaze allerdings ein kleines Lächeln auf die Lippen. Mit einer kleinen Handbewegung zeichnete er zwei Kanji in die Lüft. Die Zeichen für Wahrheit und Vergangenheit, die im Freien miteinander verschmolzen und die Form einer Seifenblase annahmen.

Zunächst noch verschwommen, doch dann immer deutlicher werdend, zeigte die Blase mehrere Bilder, die sich bewegten wie in einem Film. Sie zeigte das Dorf in dem Kirikaze zusammen mit Ryuuhou und den anderen Shinobi aufgewachsen war.

Das Dorf der Fuuma lag hoch oben in den japanischen Alpen, versteckt hinter den großen Gipfeln, tiefen Wäldern und freien, weiten Wiesen, dort lag die Siedlung aus kleinen Hütten, die man sonst nur in alten Samuraidörfern zu sehen bekam. Im Dorf der Fuuma lebte Kirikaze allein in einer kleinen Hütte. Früher hatte er viel Besuch gehabt, so dass es beinahe so wirkte, als hätte er eine weitläufige Verwandtschaft gehabt. Er war stolz darauf gewesen ein Shinobi zu sein, prahlte mit seinen besonderen Schwertkünsten und der Gabe, Illusionen seiner Selbst zu schaffen. Die meiste Zeit aber hatte er mit Ryuuhou verbracht, der aufgrund seines heiteren Gemüts das unstete Temperament Kirikazes gut tolerieren konnte. Damals war das Haar des Shinobi noch hüftlang gewesen und wies einige Wellen auf, doch heute waren sie kurzgeschnitten, glatt und reichten kaum mehr bis zu seinen Schultern hinunter.

Seine Hand wanderte zu seinen Augen hoch. Wie aus Reflex wischte er sich über sein Gesicht um für einen kurzen Moment von der Seifenblase gelöst zu werden. Eigentlich brauchte er sie nicht um sich an das Vergangene zu erinnern, allerdings ließ diese Seifenblase ihn die erlebten Ereignisse noch einmal bis ins kleinste Detail durchleben.

„Was damals geschehen ist...“
 

Kirikaze erkannte sich selbst als jüngeren Shinobi. In seiner Erinnerung war er kaum älter als Kojirou in der Gegenwart war. An jenem Tag hatte Kirikaze seine Zeit mit Ryuuhou im Wald zugetan, in dem sie sich zuvor verabredet hatten. Den ganzen Tag hatten sie miteinander Unsinn getrieben und einige Kreaturen zum Kampf herausgefordert um ihre Künste mit dem Holzschwert unter Beweis zu stellen. Übermütig war er mit Ryuuhou durch den Wald gelaufen, welcher sich in der Nähe des Dorfes befand. Ryuuhou war damals der Vorsichtigere von beiden gewesen, zum Teil auch durch den frühen Tod seines Vaters, der als ein stolzer Krieger aufgetreten war. Dadurch hatte er gelernt, dass man besser keine Risiken einging, wenn es nicht zwingend notwendig war. Davon wollte Kirikaze zu jener Zeit allerdings noch nichts wissen. Hitzig stürzte er sich von einen Kampf in den nächsten um seine Mugenjin Technik vorzuführen.

„Heh Kirikaze! Lauf nicht so schnell“, keuchte Ryuuhou seinem kleineren Freund hinterher, „Wo willst du eigentlich hin, wir sollen nicht zu weit in den Wald, das weißt du doch!?“

„Ja, ja, ich weiß schon! Aber Ryouma hat gesagt, dass wir gut üben sollen!“, entgegnete Kirikaze mit einem breiten Grinsen.

„Das ist nicht richtig, Kirikaze, das weißt du!“, ermahnte der kräftige Junge und blieb plötzlich stehen um zu verschnaufen. Auch Kirikaze verlangsamte sein Tempo, bevor er ebenfalls zum Stehen kam. Mit einer genervten Handbewegung winkte er Ryuuhou zu sich, stemmte dann die Hände in seine Hüften und entgegnete ihm dann: „Mach dir nicht so viele Sorgen, wir sind Shinobi, richtig?“

„Ja schon... aber Ryouma An-chan...“, wandte Ryuuhou erneut ein, der die Warnungen dieses erfahrenen und viel älteren Shinobi kannte.

„Ryouma sollte langsam verstehen, dass wir alt genug sind um uns allein in der weiten Welt zurecht zu finden. Ich bin stark genug, wenn du es nicht bist, dann geh wieder nach Hause!“, ermahnte ihn Kirikaze, „Ich gehe in die Höhle der goldenen Schlange!“

„Die goldene Schlange?! Du bist ja lebensmüde, die Höhle gehört zum Reich der Yasha. Wenn du die Schlange aufweckst, dann wird sie uns garantiert angreifen und töten! Hast du die Legende nicht gehört? Die Yashas besitzen so ein ganz gemeines Schwert, das den Himmel in Scheiben schneiden kann...“, lamentierte der Größere und holte Kirikaze ein. Er sah seinem Freund in die Augen, dessen langes Haar sanft im Wind wehte. Er sah so stolz und stark aus, genau wie Ryouma. Wieder und wieder ermahnte Ryuuhou seinen Freund sich zu besinnen und mit ihm zurück zum Dorf zu gehen. Kirikaze schüttelte seinen Kopf, noch immer zeigte er ein breites, entschlossenes Grinsen, welches große Ähnlichkeit mit Kojirous Gesichtsausdrücken in der Gegenwart hatte: „Wer glaubt denn solche Ammenmärchen und Kindergeschichten? Es gibt keine göttlichen Schwerter in unserer Welt, Ryuuhou! Jetzt sei kein Frosch und komm mit!“

„Okay, okay, ich werde dich begleiten“, stimmte Ryuuhou nun endlich zu und folgte seinem Freund weiter, wobei er teilweise Mühe hatte und hier und da über einige Wurzeln stolperte. Der Tag war schon fortgeschritten, so dass Kirikaze sein Vorhaben schnell durchführen musste, bevor die Dunkelheit über das Land zog, denn sobald die Sonne den Horizont auch nur berührte, mussten die beiden schon wieder zu Hause sein. Kirikazes Eltern waren zwar nicht mehr lebten, allerdings kümmerten die anderen Shinobi sich rührend um ihn, behandelten ihn wie den Sohn des gesamten Dorfes, so dass er gar nicht das Gefühl bekommen konnte ein Waisenkind zu sein. Besonders Ryouma lag ihm am Herzen, denn dieser bildete ihn zu einem großen Kämpfer aus. Der Grund für Kirikazes momentaner Rebellion gegen den großen Shinobi war Ryoumas ständige Ermahnungen, dass er noch nicht bereit für wirklich große Kämpfe war.

Leise schritten die beiden Jungen voran. Ryuuhou mit einem Gefühl der Unsicherheit, während Kirikaze sich schon die Lippen nach dem neuen Gegner leckte. Der Wald wurde zunehmend dichter und das Unterholz bot einige Gelegenheiten sich in einer Fußangel zu verfangen. Die Höhle der goldenen Schlange lag oben auf einem Berg. Keiner der beiden Jungen hatte sich bisher in die Nähe gewagt, aber die Zwei wussten ganz genau, wo sie sich befand. Als Shinobi konnten sie einen Gegner in zehn Kilometern Entfernung erkennen, sie konnten endlose Strecken rennen ohne zu erschöpfen und ihre Ohren fingen jeden noch so kleinen Laut auf, selbst wenn es nur um eine Stecknadel handelte, die in einen Fluss fiel. Somit konnte Kirikaze ganz genau hören, wie sich die Schlange in ihrem Versteck bewegte, wobei sie im Augenblick zu schlafen schien, denn wenn er sich genau konzentrierte, dann meinte er den ruhigen Atem hören zu können.

„Ryuuhou, wenn du nicht mit rein willst, dann kannst du auch hier unten warten“, meinte Kirikaze, kämpfte sich weiter durch die Dornenranken der Brombeerbüsche und warf einen kleinen Blick über seine Schulter.

„Wenn du schon so fest entschlossen bist die Schlange zu töten, dann komme ich auch mit. Immerhin ist dieses Monster gefährlich, da bedarf es zwei Shinobi“, antwortete Ryuuhou, der weiterhin tapfer folgte und zumindest versuchte sich wie ein selbstbewusster Shinobi anzuhören. Ungefähr so, wie sich die Erwachsenen im Dorf von Zeit zu Zeit anhörten, wenn sie sich auf den Weg machten um eine Mission zu erfüllen.

Zufrieden mit der Antwort seines Freundes schritt Kirikaze voran, bis sie am Fuße des grauen Berges, auf dem viele kleine Bäume und Sträucher wuchsen, ankamen. Schnell hatte der Junge sich auch einen günstigen Weg mit den Augen gesucht, den sie nach oben klettern konnten. Der Anstieg würde unglaublich einfach werden, denn es führten einige schmale Wege nach oben, die zwar nicht angelegt worden waren, aber dennoch guten Halt boten. Vielleicht waren sie auch durch den Weg der Schlange geformt worden, doch dies hinterfragte niemand.

Ohne ein weiteres Wort mit Ryuuhou zu wechseln begann Kirikaze den kleinen Pfad entlang zu gehen, dabei machte sein Freund bereits ein ängstliches Gesicht, da er nicht genau vorhersehen konnte, was wohl dort oben geschehen würde. Es hieß, dass die goldene Schlange ein göttliches Schwert bewachte, welches ihr die goldene Farbe auf die schuppige Haut zauberte. Sie war damit beauftragt jeden Eindringling zu vertreiben, egal wie. Wahrscheinlich würde sie sich mit Vergnügen auf die beiden Kinder vom Fuuma Clan stürzen, denn wenn diese Schlange zum Yasha Clan gehörte, könnte sie die Arbeit der Shinobi des feindlichen Clans erledigen. Alle diese Tatsachen interessierten aber den Kleineren in keiner Weise, er hatte nur noch den Kampf im Kopf.

Nach einem ziemlich steilen Aufstieg, der immerhin sehr ruhig abgelaufen war, befanden sich die beiden nur noch wenige Meter von einer hünenhaften Höhle. Hin und wieder hatte Ryuuhou versucht ein neues Gespräch zu beginnen, doch sein Freund war ziemlich einsilbig geblieben. Er konzentrierte sich auf seine Umgebung, die Baumkronen kamen immer näher, die niedrigeren Büsche am Boden sahen aus der Höhe noch kleiner aus, als sie ohnehin schon waren. Für Kirikaze fühlte sich die Stille plötzlich schrecklich erdrückend an. Es bahnte sich ein Kampf an und dies reizte seine Nerven. Er war aufgeregt, sein Herz flatterte doppelt so schnell wie zuvor, während kochendes Blut mit schweren Schlägen durch seine Adern pumpte. Allerdings konnte er auch den wilden Herzschlag seines Begleiters spüren, dem diese ganze Sache viel weniger behagte.

„Ryuuhou, du bist ein Angsthase!“, ermahnte Kirikaze mit einem eichten Grinsen.

„Das bin ich gar nicht, der Wind ist nur zu kalt!“, entgegnete der andere Junge und zog einen Schmollmund. Er hätte niemals zugegeben, dass ihm die Knie mit jedem Schritt weicher wurden, seine inneren Organe fühlten sich an als würden sie sich ineinander verknoten, so dass er das Gefühl bekam am liebsten wieder umzukehren.

Kirikaze schüttelte den Kopf: „Der Wind ist wie immer... und im Augenblick sowieso nur eine leichte Brise!“

Schweren Herzens folgte ihm Ryuuhou bis endlich der Eingang zur Höhle bedrohlich schwarz vor ihnen auftauchte. Ein modriger Geruch trat aus dem Versteck des großen Tieres heraus und stach den beiden Jungen in die Nasen. Zumindest Ryuuhou verzog sein Gesicht: „Oh Gott, kann man so stinken?“

„Du hast auch kein Rückrad oder?“, stichelte Kirikaze weiter, seine Augen waren fest auf die Grabe gerichtet und versuchte mit seinem geschärften Blick weiter in die pechschwarze Dunkelheit zu sehen.
 

Tatsächlich hob sich etwas Bräunliches in der Dunkelheit ab, etwas dass normale Menschen niemals erkannt hätten, da es im Unterschlupf der Schlange keine Lichtquelle gab. Kirikaze nickte sich selbst zu. Er wusste ganz genau, dass er von Anfang an zeigen musste was er konnte, ansonsten riskierte er bei diesem Kampf verletzt zu werden.

Das Holzschwert in seiner Hand wurde geschultert außerdem bereitete sich auch Ryuuhou geistig darauf vor, bald in einem Kampf zu stehen. Der kleinere Junge schlich sich an den Eingang heran, der Blick auf den Rücken der Schlange veranlasste ihn wieder dazu, ein überlegenes Grinsen zu zeigen.

„Komm zurück Kirikaze!“, zischte Ryuuhou leise durch seine Zähne, „Komm zurück so lange wir noch die Gelegenheit dazu haben, du hast gezeigt dass du mutig bist, jetzt komm schon!“

„Das kommt nicht in Frage! Jetzt sei kein Angsthase!“, ermahnte Kirikaze und stupste die Schlange mit seinem Schwert an. Stracks rührte sich die große Schlange in ihrer Höhle. Es kam äußerst selten vor, dass sie in ihrem Schlaf gestört wurde. Diejenigen die dies je gewagt hatten, lernten ihre giftigen Reißzähne kennen. Egal wer oder was sie nun störte, es würde nicht dabei bleiben. War es ein Lebewesen, dann würde sie es fressen. War es ein Ding, dann würde sie diesen Störenfried sofort beseitigen.

Ruckzuck hatte sich die Schlange den beiden Kinder zugewandt, bedrohlich zischte sie die beiden an und riss sogleich ihr großes Maul auf. Ryuuhou wich einige Schritte zurück, wobei er beinahe stolperte. Diese Kreatur war mindestens zwanzig Meter lang, ihr Kopf war ebenfalls viel größer als bei allen anderen Schlangen, die ihnen jemals unter die Augen gekommen waren und an den riesigen Zähnen tropfte widerlich stinkender Speichel herunter.

„Ki-...Kirikaze....“, brachte Ryuuhou mit einem leisen Stottern zu Stande. Nun hatte seine Angst entgültig gewonnen. Die Hautschuppen der Schlange leuchteten golden in der roten Abendsonne. Kirikaze war nicht minder überrascht, doch er schaffte es sich zu beherrschen. Er, der noch kleiner war als Ryuuhou, empfand das Geschöpf als noch größer, doch er wollte sich nichts anmerken lassen. Tatsache war allerdings, dass er nicht mit einem solchen Monstrum gerechnet hatte. Die Schlange war in seiner Vorstellung nicht einmal halb so groß gewesen wie diese hier vor ihm. Ein leichtes Zittern überkam nun auch Kirikaze, der sein Holzschwert auf die Schlange richtete, jedoch Probleme hatte es ruhig zu halten. Mit bebender Stimme forderte er sie zum Kampf auf: „Du wirst nie wieder die Gelegenheit bekommen, einem Menschen Angst einzujagen!“

Zur Antwort kam ein erbostes, aufgehetztes Zischen der großen Schlange, bevor sie sich auf Kirikaze hinunterstürzte. Erschrocken über den blitzschnellen Angriff sprang der kleine Junge zurück, wo auch Ryuuhou bibbernd auf dem Boden saß und sich vor dem monströsen Gegner fürchtete.

Ein kraftvoller Schrei wurde aus seiner Kehle entfesselt.

Ryuuhou kniff seine Augen vor Panik zusammen.

Kirikaze riss sein Holzschwert herum.

Vor seinen Augen herrschte plötzliche Dunkelheit.

Seine Stimme verstummte, bevor sie wieder zu keuchendem Atem anschwoll.

„Kirikaze!!“

Der junge Shinobi wusste nicht wie ihm geschah. Seine Hände zitterten zum ersten Mal, als er sein Schwert in Händen gehalten hatte. Bebend zitterte sein Körper obwohl er es nicht wollte. Die Augen erkannten, welche er nun endlich wieder aufgerissen hatte, die grünen Augen der Schlange, in dessen Mitte sich eine schlitzartige, schwarze Pupillen befanden.

Sie war nicht tot.

„Kirikaze, steh auf!!“

Das Holzschwert steckte in ihrem großen Schlund.

Noch immer wollte das wütende Gezischel nicht abklingen.

Bewegungsunfähig, sich schüttelnd vor Angst und panisch beobachteten Kirikazes Augen die große Schlange. Nie hätte der Junge erwartet, dass es so schnell gehen würde. Das Furcht sich so schnell in seinem Körper breit machen konnte. Normalerweise war sie chancenlos gegen ihn gewesen, schon immer hatte Kirikaze alle seine Ängste im Keim ersticken können.

Der gewaltige Kiefer der Schlange bewegte sich auf und ab, verhindert durch seine Waffe. Dabei konnte Kirikaze gut erkennen, dass sich sein Holzschwert unter der Kraft der Knochen immer weiter bog, als sei es aus Gummi. Er musste weglaufen!

„Kirikaze, jetzt komm!!!“, Ryuuhou schrie seinen Freund mit schriller, von Schrecken erfüllter Stimme an, doch seine Worte drangen kaum an das Ohr seines Freundes.

Im nächsten Moment spürte Kirikaze zwei stramme Arme unter seinen Achseln. Mit einem kraftvollen Ruck wurde er hochgerissen, wobei ein alarmierendes Krachen ertönte. Holzsplitter sausten durch die Gegend. Jetzt, da Kirikaze wieder festen Boden unter den Füßen spürte, begann er aus voller Kraft zu laufen. Dicht hinter ihm befand sich Ryuuhou, der angestoßen von seinem Selbsterhaltungstrieb gut mithielt, jedoch wusste er, dass diese Flucht besser nicht zu lange dauerte, ansonsten war auch Ryuuhou des Todes. Die Splitter des Holzes sausten noch weiter durch die Gegend, denn die Wucht, mit der das Schwert zerbarst, war heftiger als erwartet. Kirikaze spürte einen kalten Schmerz an seiner Wange, dann begann der kleine Schlitz in seiner Haut zu bluten.

„Ryuuhou schneller!“, rief ihm der Kleinere zu, als er über seine Schulter nach hinten gesehen hatte und erkennen konnte, dass die Schlange dicht hinter ihm war.

Plötzlich erschrak Kirikaze.

Er wusste genau, dass sein Freund über eine überaus schlechte Kondition verfügte. Ryuuhous Stärke lag in seiner rohen Körperkraft und nicht im Geschick. Kirikaze bremste ab, wandte sich um und sprang der Bestie entgegen. Ryuuhous Augen weiteten sich, weniger vor Überraschung, dass Kirikaze offenbar mehr um sein eigenes Leben besorgt war, sondern viel mehr aus Schock darüber, dass der Junge sich einfach wieder auf die Schlange stürzte: „Kirikaze, lauf weiter! Dreh dich nicht um!!“

„Halt den Mund und lauf lieber! Schlag im Dorf Alarm und sag Ryouma An-chan bescheit!“, rief Kirikaze, als er der Schlange einen erneuten Schlag auf den Kopf versetzte. Der kräftigere Junge ließ sich nicht zwei Mal bitten. Anscheinend war sein Freund wieder zur Vernunft gekommen und jetzt da er Ryouma Bescheit geben sollte, würde sich auch alles wieder zum Guten wenden. Schnell machte sich Ryuuhou wieder auf den Weg zurück zum Dorf der Fuuma.
 

Der kleine Shinobi lieferte sich unterdessen einen kurzen Kampf von Angesicht zu Angesicht. Den Zähnen musste Kirikaze mit äußerster Geschicklichkeit ausweichen die, das riesige Reptil immer wieder aufs Neue auf den jungen Shinobi nieder sausen ließ. Nach jedem Sprung, den Kirikaze tat, spürte er das Adrenalin in seinem Körper. Das Blut, welches in seinen Ohren rauschte und pochte, aber mit diesem Kampf hatte sich auch Kirikazes Selbstvertrauen wieder aufgebaut. Seine Angst nagte nicht mehr so stark an ihm und so schlich sich wieder ein selbstsicheres Lächeln auf die Lippen: „Du lässt Ryuuhou in Ruhe und auch alle anderen Fuuma Shinobi. Friss doch mich... wenn du es schaffst!“

Er hatte keine Ahnung ob dieses gewaltige Tier seine Sprache verstand oder ob es im Allgemeinen auf die Worte die er sprach hitzig reagierte und immer wieder dieses rasende Zischen von sich gab. Während der Junge einer weiteren Attacke auswich, erschienen um ihn herum fünf oder sechs Kopien von ihm selbst. Ein breites Grinsen hatte sich nun auf sein Gesicht gestohlen und sechs identische Stimmen ertönten: „Fuuma Mugenjin!“

Mit diesem neu gewonnenen Vorteil begann Kirikaze zu laufen. Er rannte so schnell er konnte und jede Bewegung die er tat, amten die Illusionen ebenfalls nach. Sie machten sich selbstständig und tanzten der Schlange um den Kopf herum. Sie verwirrten das Tier, denn nun befanden sich sieben Opfer vor ihr. Sieben Gestalten, deren zartes Fleisch ihren Magen für eine Weile füllen konnten, das sagte ihr der tierische Instinkt jedenfalls. Mit einem weiteren Hieb ließ sie ihre Zähne auf eines der Vervielfältigungen herunterstoßen, doch anstatt einen schmackhaften Shinobi zwischen den Zähnen hängen zu haben, während dessen köstlich, warmes Blut in der Schlange Rachen tropfte, verdampften sie wie Rauch. Kirikaze konnte sich beim Anblick der vor Wut tobenden Schlange das Lachen nicht mehr verkneifen und lief noch schneller, mit schallendem Gelächter zurück zum Dorf. Er konnte schon das Ende des Waldes erblicken. Es dauerte nicht mehr lange, in nur ein paar Sekunden würden sich die anderen Shinobi des Fuuma Clans auf die Bestie des Yasha Clans stürzen.
 

Wie vorrausgeahnt tauchte zunächst Kirikaze aus den grünen Blattern der Büsche hervor, die wie ein kleiner Schutzwall am Rande des Waldes wuchsen. Die Illusionen, die er zuvor erschaffen hatte, verschwanden unmittelbar nachdem er die Sicht auf seine Kameraden bekam. Kirikaze bremste abrupt ab, verlor sein Gleichgewicht und rollte zwei Mal auf der saftigen Grasfläche, stieß sich dann vom Boden ab und landete wieder auf seinen Füßen.

„Die goldene Schlange aus der Höhle“, keuchte er nun entgültig außer Atem, „Sie ist gefährlich!“

Einer der Shinobi, die sich dem Kampf entgegenstellen wollten, trat aus der Menge hervor. Er war von großer, kräftiger Gestalt und ergriff sofort sein Holzschwert. Wenn man ihm in seine dunkelbraunen Augen sah, hatte man das Gefühl er würde den Betrachter mit seinen Blicken durchbohren können und somit an jede Information kommen, die er haben wollte. Sein langes, schwarzes Haar wehte leicht in der sanften Briese, die der Wald mit sich brachte. Das schwarze Oberteil, welches aus mehreren kleineren Teilen zusammengenäht worden war, so dass es den Eindruck einer dicken Drachenhaut machte, welches vom Sonnenlicht getroffen zu schimmern begann, verlieh diesem stolzen Shinobi die nötige Anmut. Es war auf dem ersten Blick zu erkennen, dass dieser Mann eine Respektsperson war, der man besser nicht widersprach, so stolz und stark wie er war.

„Geh zur Seite, Kirikaze“, befahl der Große mit dunkler, bestimmter Stimme. Der kleine Junge konnte sich gerade noch zusammenreißen um nicht zusammenzuzucken, nickte dann stumm vor Ehrfurcht, bevor er sich zu einer Antwort bewegen konnte: „Ryouma An-chan, sie hat einfach die Höhle verlassen und...“

„Komm zurück, Kirikaze, ich soll dich zu Ryuuhou ins Haus bringen!“, meinte ein weiterer, schwarzhaariger Shinobi, dessen Schopf so glatt gekämmt aussah, als habe er eine Kappe auf. Kirikaze warf dem jungen Mann einen stechenden Blick zu, er wollte nicht mit ihm gehen, er musste Ryoumas Kampf sehen, denn dieser war sein Lehrer und einer der stärksten im Dorf. Ryouma hatte sich bereits auf die Schlange gestürzt, mit gezogenem Schwert. Es war für den kleinen Jungen schwer zu folgen, denn Ryouma war ein unglaublich schneller Krieger, der begabt im Umgang mit dem Holzschwert war. Was seine persönliche Fähigkeit war, wusste damals noch keiner, wobei es auch fraglich war, ob Ryouma zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon eine besaß.

Also riss Kirikaze seine Hand wieder los, die der junge Mann in seine genommen hatte und starrte ihn trotzig an: „Auf keinen Fall, Rinpyou! Ich will Ryouma sehen!“

„Kirikaze!!“, rief ihm Rinpyou hinterher, doch der Kleine war schon wieder auf dem Weg zu seinem Lehrmeister und großen Vorbild, der sich einen harten Kampf mit der Bestie lieferte.

Zähne blitzten in der untergehenden Sonne. Das Holzschwert klapperte gegen den Kopf des Wesens. Zischen drang bis zu den Häusern des Dorfes hin, die in einigen Metern Entfernung standen. Ryoumas Kampfschreie waren bis in den tiefen Wald hin zu hören. Kirikaze beobachtete jede Bewegung, die seine Augen aufzufangen vermochten, fasziniert von jedem Schlag und jedem Schritt, den sein Meister tat.

Doch was dann geschah, hätte der kleine Shinobi nie erwartet.
 

Ein Ritsch.

Dann ein markerschütternder Schrei.

Kirikaze spürte einen Ruck, seine Füße verloren Bodenkontakt und ein harter Aufprall auf den Boden folgte. Den anderen Shinobi stockte der Atem, blitzartig war der Kampf vorbei. Der kleine Kirikaze saß auf seinen Knien, eine kleine Wunde unter diesem brannte leicht, welche durch einen kleinen Stein hervorgerufen wurde, der sich in sein Fleisch gebohrt hatte. Langsam öffnete Kirikaze seine Augen, als seine Ohren auch schon besorgte Rufe auffingen. Rufe, die kalt klangen, in Sorge, klagend vor Unglück. Schockiert fuhren seine Hände zum Mund, ihm stockte der Atem, wobei er glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Kirikaze konnte keinen Ton hervorbringen. Ryouma hatte das Tier enthauptet, doch blutete er stark aus seinem linken Auge. Besinnungslos am Boden liegend.

„Ryo- Ryouma... Ryouma!“, sagte Kirikaze leise.

Er erhob sich und lief zu den anderen, die den jungen Mann bereits aufgehoben hatten. Zwei weitere Shinobi kamen hinzu um ihren schweren Kameraden in sein Haus zu bringen, damit er dort medizinisch versorgt werden konnte. Kirikaze stand vor ihnen, er erkannte zwar, dass Ryouma nicht bei Bewusstsein war, doch sein Gefühl sagte ihm, dass er sofort etwas von sich geben musste: „Ryouma! ... Ryouma!!!“

„Geh aus dem Weg, Kirikaze, wir müssen Ryouma behandeln. Heute Nacht können wir sicher mehr sagen. Geh zu Rinpyou, der kümmert sich schon um dich!“, meinte einer der Fuuma, der Ryouma unter die Arme griff und ließ den Jungen einfach stehen, um den Versehrten in sein Haus zu bringen. Der kleine Braunhaarige blieb an genau der Stelle stehen, wo ihn der Andere zurückgelassen hatte, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden Rinpyou zu folgen.

Was sollte er bei Rinpyou?

Natürlich war auch er ein großer Shinobi, sehr begabt, flink und mit einer persönlichen Fähigkeit gesegnet. Allerdings war er nicht einmal halb so mächtig wie Ryouma. Was sollte Rinpyou ihm in dieser schweren Stunde schon bieten können?

Während Kirikaze noch immer unbewegt auf der Wiese stand, breitete sich ein Gefühl von Sorge und Schuld in seinem Herzen aus. Sein Blick fiel langsam auf die große Schlange, deren Kopf ungefähr zwei Meter von ihrem Körper entfernt lag.

Was sollte er tun, wenn Ryouma starb? Seine Verletzung sah übel aus, das viele Blut, welches sich auf dem Boden verteilt hatte, erfüllte Kirikaze mit Schrecken.

Ebenso viel des roten Lebenssaftes hatte die Schlange vergossen, die nun tot war.

Es trat unglaublicher Zorn in dem kleinen Jungen auf, angefangen in seinem brennenden Magen. Die unglaubliche Säure von Zorn kroch weiter hinauf, ergriff sein Herz, welches unglaublich Schnell zu schlagen begann und stieg dann seine Kehle hinauf. Ryoumas Holzschwert lag noch auf dem Boden. Langsam wanderte die kleine Hand des Jungen zu dem blutbesudelten Schwert und hob es auf. Es war ein dünnes, glattes Schwert ohne Makel und wenn es nicht gerade voller Blut war, trug das Holz eine helle Farbe. Mit Wut in den Augen und Zorn im Körper erhob er Ryoumas Holzschwert, schlug kraftvoll zu, zerhackte und rodete das Fleisch des riesigen Kadavers.

„Für jeden Hieb den du mit deinen ekelhaften Zähnen getan hast! Biest!!! Ich verabscheue dich!! Ich hasse euch Yashas!“, schrie der Junge mit schriller, hasserfüllter Stimme. Bei jedem neuen Schlag ließ Kirikaze einen verzweifelten Ruf verlauten, der Schweiß rann ihm von der Stirn herunter, wobei er im Mondlicht glitzerte, das kalt und fahl auf das Dorf herabschien. Kirikaze hatte kaum bemerkt, dass sich die Sonne entgültig zur Ruhe gelegt und der kühlen Nacht freie Hand gewährt hatte.

„Kirikaze?“

Er reagierte nicht auf seinen Namen. Der Junge schlug ganz einfach die kleinen, blutigen Fleischstückchen in noch kleinere, dabei spitzte immer wieder ein bisschen Blut auf seine Wangen.

„Kirikaze, sie ist tot! Ryouma hat sie getötet, ihr Zustand verschlechtert sich nicht weiter!“, bemerkte ein blutjunger Shinobi, der viel jünger war als Kirikaze.

Der Angesprochene ließ das Schwert sinken. Sein Atem ging schnell und stoßweise, er hatte kaum bemerkt, dass ihn die vielen Hiebe so verausgabten. Die kalte Nachtluft brannte ihm in Augen und in seinem Hals. Die Rage in ihm war immer noch nicht abgeebbt, doch er wollte dem Jüngeren nicht vor den kopf stoßen: „Ich weiß.“

„Ist alles okay mit dir?“, wollte der Kleine wissen.

„Mach dir keine Sorgen um mich, Kabutomaru“, antwortete Kirikaze heiser, „Es ist Ryouma, der wegen mir verletzt wurde.“

„Du bist nicht Schuld, Kirikaze! Das müsstest du wissen!“, ermahnte ihn der Kleine, „Ryouma ist ein Shinobi wie wir, wenn er einen Kampf beginnt, dann weiß er auch um das Risiko vielleicht verletzt zu werden.“

„Oder zu sterben!!“, tobte Kirikaze, „Ryouma kann sterben!!“
 

Kirikaze wandte seinen Blick von der Seifenblase ab, die sogleich verblasste. Hart biss sich der Junge auf die Unterlippe und stand vom Baumstumpf auf. Er hatte damals großes Unheil angerichtet, auch wenn ihm verziehen wurde so verspürte er noch heute ein tiefes Gefühl von Verletzbarkeit und Schuld.

Er atmete tief durch und ging weiter durch den Wald, der noch immer vollkommen in dichtem Nebel lag. Auch wenn er es Ryuuhou versprochen hatte, er würde doch länger im Nirgendwo verweilen. Die anderen kamen schon eine Weile ohne ihn aus, immerhin waren Kouu, Kabutomaru und Reira ebenfalls in der Yagyuu Residenz zu finden. Bald würden sicherlich auch Shouryuu und Rinpyou auftauchen, die auch eine gute Unterstützung während ihrer Mission darstellten, wenn sie endlich aus dem Dorf der Fuuma kamen.

Kirikaze blieb die nächsten zwei Tage im Wald zurück, bevor er den kleinen Pfad zur Residenz Yagyuu zurückkehrte.

Auch zwei Tage später war die Luft im Walde noch angenehm, da der dichte Forst der Sonne kaum eine Chance bot durch die Baumkronen hindurch zu dringen. Von Weitem erspähten die braunen Augen des Shinobi einen noch schmächtigeren Jungen, mit rotbraunem, zerzaustem Haar. Langsam schüttelte Kirikaze seinen Kopf, er kannte diesen Jungen gut. Kojirou, der in eine leichte schwarze Jacke, eine ebenso schwarze Hose, welche von einem haselnussbraunen Gürtel am Platz gehalten wurde, gekleidet war, stand am Wegrand. Kirikaze wusste nicht, was Ryoumas jüngerer Bruder dort tat. Er stand still, die Handflächen aneinander gelehnt als ob er betete. Kirikaze musste zugeben, dass er gern gewusst hätte was den sonst so frechen Kojirou dazu veranlasste sich so ruhig und still zu verhalten.

„Kojirou? Was machst du da?“, wollte der Shinobi unverzüglich wissen.

Der Andere fuhr leicht zusammen, er hatte seinen Kameraden nicht erwartet, doch wandte sich zu Kirikaze um und konnte ein wenig Reue nicht verbergen: „Ich habe Gräber für Kouu und Rinpyou errichtet.“

„Gräber!?“, wiederholte Kirikaze überrascht, „Du sagst das aber direkt. Du solltest wissen, dass es keinen Sinn macht einem Shinobi ein Grab zu errichten.“

„Ich weiß“, entgegnete Kojirou mit leiser, beschämter Stimme, „Aber... wenn ein Goldfisch stirbt, dann begräbt man ihn. Ein Hund, der stirbt wird begraben und ihm wird ein kleines Grab gebaut und Menschen die sterben erhalten auch Monumente. Für Menschen ist es eine ganz normale Handlung.“

„Shinobi sind aber keine Menschen. Wir sterben nie richtig, deshalb ist es sinnlos einem Shinobi ein Grab zu errichten. Wenn wir sterben, dann werden unsere Leben zu anderen weitergetragen. Durch die Geschichten der Überlebenden vergehen wir nicht. Ich werde erzählen wie Kouu und Rinpyou gelebt haben, du wirst anderen ebenfalls erzählen wie sie gelebt haben und wie sie diese Welt verlassen haben. So ist unser Leben, Kojirou, das solltest du verstehen. Sollte ich sterben, dann wirst du meine Geschichte an andere weitergeben“, erklärte Kirikaze, womit er Kojirou entsetzlich schroff schulmeisterte. Er hatte es schon oft getan, wollte Kojirou damit Tipps geben und ihm damit mitteilen, was richtig oder falsch war. Der Junge, der neben den kleinen selbst aufeinander gestapelten Steinchen stand nickte schließlich: „Ja. Ich weiß. Ich weiß es... Es ist nur... Wenn ich Trauer empfinde, dann möchte ich auch sagen, dass ich traurig bin.“

„Kojirou! Es ist sinnlos zu trauern! Wir sind Shinobi, wenn wir uns in einen Kampf stürzen, dann machen wir uns mit dem Gedanken vertraut dabei auch zu sterben. Du befolgst unsere Regeln nur halbherzig, das geht nicht Kojirou!“, ermahnte er den kleinen Bruder Ryoumas, worauf dieser ihn mit wütenden Blicken attackierte: „Soll das wirklich alles sein!? Ist es für einen Shinobi wirklich so großartig keine Reaktion zu zeigen? Keine Emotionen?! Ist das wirklich genug!?“

Einen Moment lang wurde es still zwischen den beiden. Kojirou sah Kirikaze mit wütendem Blick an, er hätte Kirikaze am liebsten mit diesen Eiszapfen gepfählt, ihm einfach sein eisiges Herz aus dem Leib gerissen. Der Brünette hingegen sah den jüngeren nur herablassend an: „Wie unreif du bist...“

Damit schob sich Kirikaze an Kojirou vorbei um zu den anderen Shinobi zurückzukehren. Was Kojirou den Rest des Tages machte, wusste Kirikaze nicht. Wenn er ehrlich war, wollte er auch nicht wissen, wie der jüngere seinen Tag verbrachte.
 

Schließlich fand Kirikaze zurück zu Ryuuhou und den anderen, die bereits den nächsten Auftrag von Himeko entgegennahmen. Das Synchronschwimmturnier stand an und die junge, stellvertretende Direktorin befürchtete, dass die Shinobi des Yasha Clans irgendeine Sabotageaktion starten wollten und so willigten die Shinobi des Fuuma Clans ein, für Ruhe zu sorgen. Es war Kirikaze, der letzten Endes dafür sorgte, dass die beiden Krieger des Yasha Clans, Anki und Raiden zunächst die Schwimmhalle verließen und kurze Zeit später auch ihr Leben beendeten.

Raiden stürzte eine Klippe hinunter, während Kirikaze den blinden Anki mit einem Trick verwirrte und dann durch einen Schlag mit seinem Holzschwert, welcher ihm direkt durchs Herz gestoßen wurde, tötete. Die letzten Worte seines Opfers klangen noch immer in seinen Ohren: „Du bist also doch nicht gesprungen, Kirikaze...“

„Manchmal kann der Nebel alles verbergen. Sogar, die Wirklichkeit!“, entgegnete Kirikaze mit kalter Stimme und zog sein Schwert wieder aus dem langsam dahinscheidenden Körper. Er machte sich noch nicht die Mühe, das warme Blut, welches von der Spitze seines Holzschwertes tropfte zu entfernen. Es war nicht Kirikazes erstes Opfer gewesen. Er begegnete seinen Gegnern mit Ignoranz, doch unterschätzte er sie nicht. Kirikaze machte sich auf den Weg, allerdings wollte er nicht sofort wieder zur Residenz zurück. Er wollte sich noch einige Dinge durch den Kopf gehen lassen. Vor allem was Kojirou anlangte, der sich zu sehr um alle anderen sorgte, aber gleichzeitig zu unbesonnen auf die Feinde losging.
 

Kirikaze erinnerte sich an die Auswirkungen seines leichtfertigen Angriffs auf die goldene Schlange. Ryoumas Wunde war sehr tief gewesen, so dass der Schamane des Fuuma Dorfes große Muhe hatte den großen Krieger zu pflegen. Die Schlange hatte starkes Gift in ihren Zähen gehabt, wodurch schnell klar war, dass das linke Auge des mächtigen Shinobi für immer verloren war. Weil er von zähem Naturell war, konnte der Schamane allerdings ausschließen, dass Ryouma durch den Angriff der Schlange in Lebensgefahr schwebte.

Tag und Nacht hatte der kleine Kirikaze an Ryoumas Bett gewacht um dem Schamanen zu helfen. Selbst wenn er tagelang nicht schlief, hatte es ihm nichts ausgemacht. Ganz im Gegenteil, es war ebenfalls ein hartes Ausdauertraining gewesen. Kirikaze konnte sich noch gut an die Freude erinnern, die er verspürt hatte, als Ryouma zum ersten Mal wieder die Augen öffnete: „Wie lange habe ich geschlafen?“

Eine Antwort hatte Ryouma nicht erhalten, denn Kirikaze schlief neben ihm. Sachte und gleichmäßig ging sein tiefer Atem. Er war erschöpft gewesen durch das lange, durchgehende Wachbleiben, so dass ihm letztendlich der Kopf auf Ryoumas Futon hinuntergesunken war und beinahe der Länge nach neben ihm lag. Der Blick des großen Shinobi wanderte nach unten, auf die Untermatte seines Futons. Ein unglaublich seltener Anblick hätte sich jedem geboten, wäre jemand dabei gewesen, denn auf Ryoumas Antlitz schlich sich ein seichtes Lächeln.

„Du hast die ganze Zeit über mich gewacht, Kirikaze“, sprach er leise vor sich hin, dabei streichelte er dem Jungen durchs braune Haar, „Wach auf Kirikaze.“

Langsam nur öffnete Kirikaze seine Augen, denn er spürte die sanften Berührungen seines Lehrers. Der Junge setzte sich verschlafen auf, rieb sich die Augen aus, wobei sich seine Sicht langsam besserte. Kirikaze konnte seinen Augen nicht trauen. Sein Lehrer war bei Bewusstsein. Freude flackerte wie kleine Schmetterlinge in seinen Augen auf und aufgeregt sowie ungehalten stieß er aufgeregte Rufe aus: „Ryouma!! Ryouma!!“

Vorsichtig setzte sich der Schwarzhaarige auf und sah in das Gesicht des kleinen Jungen. Er wuschelte ihm durchs Haar und zeigte ihm nun ein richtiges Lächeln: „Ganz ruhig Kirikaze. Es ist alles in Ordnung.“

„Nein! Nein das ist nicht wahr!“, entgegnete der kleine Shinobi mit Tränen in den Augen, die sich lösten und ihren Weg über seine Wangen fanden, „Ich habe die Schlange hierher geführt! Du hättest sterben können, Ryouma!! Dein Auge... wenn ich nicht... ich ... dein Auge!!“

„Das Auge ist kein großer Verlust, Kirikaze. Ich lebe; und selbst wenn ich gestorben wäre, hätte ich meine Freunde beschützt. Du musst verstehen, dass wir so leben. Tod und Leben sind eng miteinander verbunden und wenn ich wirklich gestorben wäre, dann hätte ich dennoch überlebt. In deinen Erzählungen werde ich immer weiter leben. Das stimmt doch?“, wollte Ryouma wissen.

„Ja“

„Siehst du? Deshalb würde ich auch jeder Zeit mein Leben für einen Freund geben“, erklärte Ryouma und streichelte seinem jungen Schüler über die Wange, „Das sind Dinge, die ich dir noch nicht beibringen konnte, Kirikaze, aber ich bin mir sicher, dass du es bald verstehen wirst.“

Das Schluchzen und Schniefen des Kleinen war damals noch lange nicht verstummt, Tränen der Freude rollten über seine Wangen, er war so erleichtert gewesen, dass Ryouma nichts Schlimmeres widerfahren war. Noch nie hatte sich der Junge solche Vorwürfe gemacht. Auf Knien saß er neben Ryoumas Futon, unfähig etwas zu sagen oder klar zu denken. In diesem Augenblick erschien zum ersten Mal Nebel um Kirikaze herum, er verschlang zunächst den Jungen, dann das ganze Zimmer bis er aus dem Haus herausquoll und das Dorf in einer weißen Hülle zu verstecken. Dies war der beginn seiner persönlichen Technik, die nur er richtig verstand. Auch Ryouma war überrascht gewesen: „Kirikaze. Nebel?“

„Ich weiß nicht“, entgegnete er wahrheitsgemäß, „Aber es fühlt sich richtig an.“

„Dann ist es das auch“, stimmte der großgewachsene zu, doch behielt er den Rest seiner Gedanken für sich.
 

Plötzlich erwachte Kirikaze wieder aus seiner Trance. Er hatte gar nicht richtig realisiert, dass er sich auf den Weg zurück zur Residenz gemacht hatte. Nun stand er wieder neben den Gräbern, die Kojirou zu Ehren von Rinpyou und Kouu, angelegt hatte. Kirikaze blieb stehen ohne etwas zu sagen. Er betrachtete einfach die beiden aufgetürmten Steinhaufen, wohl wissend, dass er seine beiden Kameraden nie wieder sehen würde. Rinpyou kannte er schon lange, er war oft an seiner Seite gewesen auch wenn er ihn als Kind nicht sonderlich respektiert hatte. Kouu hatte immer ein so heiteres Gemüt gehabt, dass man ihn einfach mögen musste. Selbst wenn seine Scherze oft zu weit gingen, vor allem wenn er Kojirou Streiche spielte, den er so lieb gehabt hatte, wie seinen richtigen Bruder.

Kirikaze hatte seinen beiden Kameraden und Freunden niemals die Zuneigung zeigen können, die er für sie empfand. Vielleicht hätte er es tun können, wenn sein Herz so ehrlich sein könnte, wie Kojirous, doch damit hätte er sich eingestanden, dass auch er Schmerz empfand.

Schritte zogen seine Aufmerksamkeit von den Gräbern weg. Es war lange her, dass ihn etwas rühren konnte, doch hielt dies zu Kirikazes Glück nicht lange an. Er konnte sich von seinen melancholischen Gefühlen losreißen, als er die Person erblickte, zu der die Schritte gehörten. Kojirou kam mit einem Blumenstrauß zurück, doch blieb er abrupt stehen, als er Kirikaze bemerkte. Sofort veränderte sich seine Miene zu einem dunklen, beinahe schmollenden Gesicht, er befürchtete wieder irgendeinen missbilligenden Kommentar seitens des viel erfahreneren Shinobis und so rief er Kirikaze zu: „Was denn...!? Willst du mir schon wieder einen Vortrag halten?“

Kirikaze sah den Ryoumas kleinen Bruder nicht an. Sein Blick war fest auf die beiden Totenmale gerichtet, aber er antwortete ihm nicht. Eine Weile blieb es ganz und gar still, nur das Sommerlied der Vögel und Zikaden im Wald waren zu hören. Wahrscheinlich war es Kirikazes Schweigen, welches Kojirou dazu veranlasste wieder einen milderen Ton anzuschlagen: „Hei Kirikaze! Sag, ist es wirklich okay für einen Shinobi herzlos zu sein?“

Geistesabwesend wandte der Braunhaarige sich zu Kojirou um, hielt die Spitze seines Holzschwertes auf die Grabstätten ihrer Kameraden und ließ den dichten, weißen Nebel wieder hervortreten. Ohne zu antworten drehte Kirikaze dem jüngeren den Rücken zu und verschwand erneut in der dicken Nebelfront. Kojirous leise gemurmelten Worte erreichten ihn dennoch: „Das bedeutet wohl, dass er viel reifer ist als ich...“
 

„Der Nebel ist ein Schleier des Schutzes und umhüllt mein Herz, meine Seele. Ich habe einen Fehler gemacht, doch daraus gelernt. Ich wollte nie wieder jemandem so nahe kommen, dass ich seinetwegen leiden muss. Ich will niemandem mehr schaden, deshalb halte ich mich von anderen Menschen fern. Jetzt habe ich erkannt, dass es so nicht geht. Kouu und Rinpyou sind tot. Sie hinterlassen nicht nur in dir eine große Lücke, sondern auch in mir. Der Nebel verschleiert mein Herz, aber er ist auch ein Ausdruck meiner Gefühle!“
 

Dies waren die Worte gewesen, die Kirikaze dem jungen Kojirou gern gesagt hätte. Er hatte sich nur nicht dazu durchgerungen. Es war sowieso viel besser für Kirikaze, wenn Kojirou eine schlechte Meinung über ihn hatte, denn so würden sie sich nie zu nahe kommen und Kirikaze wäre über Verluste weniger deprimiert.

Kirikaze war viel lieber herzlos.
 

Ende
 

A/N:

Hallo liebe Leser

Vielen Dank, dass ihr euch diesen One-Shot durchgelesen habt. Dies ist nun meine zweite Fanfiction zu Fuuma no Kojirou, die ich zu Ende gebracht habe und eigentlich ist es die erste, die ich überhaupt begonnen habe zu schreiben. Durch vieles Hin und Her allerdings schrieb ich mit großem Elan an dem One-Shot „Das Versprechen“ und brachte es innerhalb von einigen Stunden fertig.

„Herzlos“, die Kurzgeschichte zu Kirikaze hat um einiges länger gedauert als die andere Geschichte. Das lag nicht nur an der Länge, sondern auch daran, dass ich mir viele Dinge zwei Mal überlegen musste, bevor ich es schreibe. Es hat wieder sehr viel Spaß gemacht die Geschichte zu schreiben, auch wenn ich sagen muss, dass ich nicht so sehr zufrieden mit dem Ergebnis bin L Die Charaktere habe ich wieder so dargestellt, wie sie in der Serie erscheinen, allerdings habe ich Kirikaze als kleinen Jungen in der Manga bzw. Animeversion geschildert. Sein Haar ist eigentlich nicht braun, sondern gräulich-grün und viel länger als das Haar vom Schauspieler Furukawa Yuuta.

Kirikaze ist übrigens auch einer meiner Lieblingscharaktere der Serie. Gerade weil er so kalt ist obwohl er dennoch Gefühle hat. Der Nebel ist nicht nur eine großartige Waffe, sondern auch ein tiefer Ausdruck seiner Gefühle, deshalb wollte ich das in einer Fanfiction schreiben. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das der Zeichner auch so gedacht hatte, aber es wirkt auf mich so. Als ich die vierte Folge sah und Ryouma meinte, dass Kirikaze mal so gewesen sein soll, wie Kojirou musste ich irgendwie schon lachen, denn das hielt ich auch für eher unwahrscheinlich. Ich mochte aber diese Version vom Beginn des Sinneswandels.

So, das war es Mal wieder von mir J

Wie immer würde ich mich sehr über jegliche Kritik als auch Lob, also haltet euch nicht zurück :D

Vielleicht lesen wir uns ja schon in der nächsten Geschichte :D

Eure Ruky



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