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Des Jägers Beute

Kaname x Zero, Ichiru x Zero x Yuki
von

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Der Beginn des Winters

Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, der Schlüssel landete scheppernd im Regal. Reglos stand der schlanke Mann im Flur, eine Gestalt in den Armen haltend.

Endlich bewegte er sich und trat weiter in das Schlafzimmer. Dort legte er Zero behutsam auf das Bett. Dieser stöhnte leicht auf und warf den Kopf zur Seite, die Augen fest geschlossen. Ein Schaudern fuhr durch den Körper des Vampirs und ließ ihn zurückweichen. Als sich Kaname jedoch entfernen wollte, hielt Zero ihn am Saum des Mantels fest.

Zuerst stoppte der Vampir in seiner Bewegung und betrachtete den unruhigen Körper des Anderen, Zeros geschlossene Augen, das helle Haar, den Schwung seines Halses... doch dann befreite sich Kaname ruckartig. Eilig verließ er das Schlafzimmer, zog seinen Mantel aus und warf ihn achtlos über einen Stuhl.

Er sah sich um. Schließlich ging er zurück in den Flur, holte den Schlüssel aus dem Regal und schloss die Tür ab. Er durfte nicht riskieren, dass er vor Zero floh, sobald er Angst vor seiner eigenen Natur bekam.

Beim Schlafzimmer blieb Kaname wiederum stehen und spähte hinein.

Zero krümmte sich zitternd, als verspürte er einen tiefen Schmerz. Sein Atem ging schwer, er keuchte und seine Finger zerrten an der Decke. Anscheinend war ihm kalt. Er schien Fieber zu haben, Schüttelfrost vermutlich.

Kaname versuchte Klarheit in seine Gedanken zu bringen, doch sein Hass hatte sich unerwartet in eine unstillbare Gier verwandelt. Er stellte sich vor, wie jeder einzelne Atemzug, den er von Zeros Lippen vernahm, das Blut in dessen Adern pulsieren ließ. Wenn er nur ein einziges Mal davon kosten könnte...

Er wandte sich ab. Im Wohnzimmer fiel sein Blick auf die Uhr. Es war nach Mitternacht.

Das Fieber musste gesenkt werden. Immer wieder entglitten Kaname seine Gedanken. Was sollte er tun, wohin sollte er sich wenden? Er kannte sich kaum mit den Schwächen der Menschen aus. Es hatte ihn nie interessiert. Nun allerdings wurde seine Hilfe benötigt.

Doch konnte er es schaffen, sich zu zügeln? Gerade jetzt, in einem Moment, in dem sein Verlangen nur schwer zu bändigen war?

Einen Augenblick noch hielt er inne, bevor er ins Bad ging.

Mit einem feuchten Tuch in der Hand stand Kaname wieder in der Tür zum Schlafzimmer.

Zero wand sich auf dem Bett, wobei ihn die Decken umschlungen hielten, als wären es Fesseln. Langsam ging Kaname auf ihn zu und griff nach dem Stoff, um Zeros zitternden Körper zu enthüllen. Mit unsicheren Bewegungen kühlte er die Stirn des Fiebernden.

Zeros Brust hob und senkte sich, aber trotz des Fiebers war seine Haut trocken, was Kaname irritiert registrierte. Während Zero Fetzen unverständlicher Worte flüsterte, beobachtete ihn der Vampir und mahnte ihn eindringlich:

"Zero, beruhige dich."

Doch der junge Mann hörte ihn nicht. Er warf nur den Kopf von einer Seite auf die andere und verkrampfte dabei die Finger. Der Vampir konnte sich dieses Verhalten nicht erklären.

"Bist du im Fieberwahn?", fragte Kaname leise, erwartete darauf allerdings keine Antwort. "Nichts kann dich jetzt erreichen, Zero. Du würdest es nicht einmal vernehmen, wenn ich..."

Kaname schob diesen Gedanken zornig beiseite. Er konnte es sich nicht erlauben, denn ein einziger Tropfen des süßen Blutes würde ihn seiner Sinne berauben.

"Wenn es nur möglich wäre, meinen Durst anders zu stillen, dann wäre ich nicht besser als deine Peiniger."

Seine schlanken Finger glitten weich durch das silberne Haar.

"Ich hätte mir dich schon längst genommen, Zero."

Zögernd neigte sich Kaname hinab und legte seine Lippen auf die erhitzte Stirn. Zeros Züge entspannten sich, da ihm die eiskalte Berührung Linderung verschaffte. Kaname strich die glühende Haut hinab und hielt den Vampirjäger an den Schultern fest, während sich alles in ihm, trotz der Anziehungskraft, gegen seinen eigentlichen Feind auflehnte. Allerdings ließ der Widerstreit jener beiden Emotionen dieses Mal nicht die Gegenwehr gewinnen, sondern das Verlangen.

Darum beugte sich Kaname tiefer hinab und küsste Zero. Er spürte, wie der Andere unkontrolliert nach Luft rang. Überraschend griff Zero nach Kanames Kragen und zog ihn näher zu sich, um den Kuss zu vertiefen. Dabei biss er leicht in die Unterlippe des Vampirs, als schien er von dessen Atem kosten zu wollen.

Unbewusst glitt Kaname mit der Hand zu Zeros Hals.

Voller Entsetzen machte er sich los und wich zurück. Wieso wehrte sich Zero nicht? Im Fieber war er viel zu verführerisch.

Der Vampir drehte sich um und verschwand im Flur. Mit schnellen Bewegungen drehte er den Schlüssel im Schloss und ließ ihn zu Boden fallen, bevor die Tür hinter ihm mit einem dumpfen Laut zuging.

Erschöpft und vor unterdrückter Gier zitternd lehnte sich Kaname gegen das Holz.

Hatte er die Kontrolle denn gänzlich verloren?
 

Wintersonnenwende.

Graue Wolken waberten in unregelmäßigen Fetzen über der Stadt. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, der kleine Punkte in den Schnee malte und ihn wie den Schatten eines Sternenhimmels aussehen ließ, bevor er ihn fortspülte. Auf den verwilderten Grünstreifen lag das Eis noch in weißen Flecken, doch am Straßenrand hatten die Reifen der vorbeirasenden Autos den Schnee mit einer matschig braunen Kruste überzogen.

Durch den Regen wirkten die Menschen auf den Fußwegen, vor den bunten Fenstern der Geschäfte, wie seltsame Lichtgestalten einer vergangenen Welt. Mit schnellen Schritten waren sie auf der Suche. Oberflächlich betrachtet wollten sie nur die restlichen Geschenke für das bevorstehende Weihnachtsfest besorgen.

Sie merkten es nicht, doch eigentlich waren sie auf der Flucht. Jeder Einzelne.

Wie lächerlich, dachte Zero.

Was ist nur aus den Menschen geworden? Seit wann war ihre Natur zu solch grotesken Schemen mutiert?

Er stand allein im Regen. Die Massen flossen in ungeöffneten Strömen um seinen Körper, doch niemand berührte ihn. Seine Hände hatte er tief in die Taschen gegraben. Er fühlte sich noch ein wenig unsicher vom Fieber und obwohl seine Temperatur weiterhin leicht erhöht war, hatte Zero sofort das Haus verlassen, als er die Kraft dazu fand. Er wusste ohnehin, woher diese Schwäche kam. Seine Zeit lief langsam ab.

Kaname war nicht mehr da.

Vor zwei oder drei Tagen hatte er ihn das letzte Mal gesehen. Zero war davon überzeugt, dass der Vampir ihn gerettet hatte.

...Gerettet? War er denn wirklich gerettet?

Sein Körper war noch immer geschwächt, doch das war nicht der Grund, weshalb er seine Beine nicht mehr zu spüren glaubte. Alles schien sich zu drehen und er hatte Angst. Eine unbestimmte Angst, die er nie zuvor verspürt hatte, und die ihm so gleichgültig vorkam, dass er sich nach Gefühlen verzehrte.

Sein Blick war verschwommen, undeutlich. Oder war es nur der Regen, der seine Sinne trübte?

Ohne dass es jemand vernahm, flüsterte Zero leise:

"Ich kann nicht mehr..."

Nichts verging, alles blieb, wie es war, und niemand merkte es. Die Menschen schrien, doch keiner hörte es.

Nur einer. Zero hörte ihre Schreie und verfluchte ihre Dummheit.

Man hatte ihm einmal geraten, das Fluchen zu unterlassen. Wann war das nur? Dann fiel es ihm ein: Kaname hatte das einst zu ihm gesagt. Damals klang es in Zeros Ohren wie eine Drohung.

Wo war Kaname nur? Und wo war er selbst? Zero wusste es nicht mehr.

Er wusste nicht, wieso der Vampir ihn verlassen hatte.

War er nicht seine einzige Chance gewesen, sein letzter Halt und der Rest dessen, was von Zero übrig geblieben war? Seine Lüge, hinter der er sich verborgen hatte, war zerstört, und er sah auf den nackten Kern dahinter. Ein trostloses, widerwärtiges Etwas, das er nun willenlos in Kanames Hände legen wollte. Zero hasste sich selbst für diesen Gedanken. Doch der Vampir war nun ohnehin verschwunden.

Mit unsicheren Schritten ging Zero weiter. Er wollte sich nicht aufgeben. Noch waren die Scherben seiner Maske vorhanden, vielleicht nicht ausreichend, um sie wieder aufzubauen, aber doch genug, um dahinter ein Versteck zu finden.

Er wollte frei sein.

Sein Weg führte ihn nicht nach Hause, träge wanderte er durch die Regennässe.

Freiheit, was bedeutete das schon?

Er wünschte sich jemanden, bei dem er ausruhen konnte.

Alle Menschen gingen weiter ihrer Wege und verlangten innerlich nach ihrer Erlösung, doch sie fanden nicht, was sie suchten.

Auch Zero war blind.
 

"Zero, komm rein."

Yuki öffnete vollständig die Tür und ließ den durchnässten, jungen Mann eintreten. Er entschuldigte sich kurz für seine triefenden Sachen.

"Ist doch egal", antwortete Yuki daraufhin.

Ja, es war egal...

Sie setzten sich ins Wohnzimmer und schauten dem Spiel der Regentropfen auf der Fensterscheibe zu. Allmählich wurde es dunkel. Yuki ergriff zuerst das Wort.

"Du weißt es, nicht wahr?"

"Ja." Er wandte sich nicht zu ihr um. "Schon von Anfang an."

Ein kurzes Schweigen trat ein. Unter anderen Umständen hätte Zero gefragt, wie Yuki es erfahren hatte, doch er war seltsam teilnahmslos. Dann dachte er an jene Nacht zurück. Die Nacht, in der er Shizuka wiedergesehen und in der sein eigener Bruder ihn in die Tiefe gerissen hatte. Wo war Yuki gewesen? Für einen Moment überkamen ihn Schuldgefühle, weil er nicht an sie gedacht hatte, aber auch jene Emotionen verschwanden augenblicklich wieder.

"Weißt du", begann Yuki zu sprechen, "ich glaube eigentlich nicht an solchen Unsinn... doch es steht außer Frage, dass Kaname nicht menschlich ist."

"Er ist menschlich."

"Dann ist er eben nicht sterblich. Was spielt das für eine Rolle?"

Sie seufzte und fuhr sich durch ihr halblanges Haar. Mit einem Mal erschien alles so einfach. Zero war ihr nicht mehr wichtig, auch wenn sie sich wegen dieser Tatsache schuldig fühlte.

"Wir haben uns verändert."

Zero sah bei diesen Worten auf und bedachte seine Freundin mit einem fragenden Blick. Yuki sprach vorsichtig weiter:

"Ich habe gesehen, was Kaname getan hat, und war verstört, aber auch fasziniert von seiner Brutalität. Du musst ihm wirklich wichtig sein..."

"Worauf willst du hinaus?"

"Wir machen Schluss, Zero."

"...Was?" Fast unmerklich schlich sich das Entsetzen in seinen Körper und durchdrang ihn mit höhnischem Gelächter. Immer wieder schien es in seinem Inneren zu rufen. Nun hatte er nichts mehr. Er besaß keine Kontrolle mehr und hatte sie nie besessen. Niemals.

Zero stand auf und ging zu seiner Freundin, während sie noch immer sitzen blieb und fragend zu ihm aufschaute.

Niemals. Er hatte nie die Kontrolle.

Zero streckte die Hände aus und presste das Mädchen mit den Schultern in den Sessel. Yuki machte keine Anstalten, sich zu wehren, und so beugte er sich zu ihr hinab und drückte seine Lippen auf ihre.

Er hatte nicht einmal die Kontrolle über sein eigenes Leben. Wie erbärmlich.

Mit anfänglicher Sehnsucht küsste Zero seine Freundin, doch nach und nach verwandelte sich seine Sanftheit in Gier. Der Kuss wurde fordernder, rücksichtsloser. Yuki ließ es geschehen, auch wenn Zero ihr wehtat. Doch als er sie biss und sie dabei verletzte, spürte sie etwas, das ihr den Schrecken in alle Glieder trieb.

Sofort stieß sie ihre Hände gegen Zeros Brust. Dieser gab ohne Zögern nach, löste sich von ihr und drehte sich weg.

"Du..." Yukis Stimme versagte fast. "Du auch?"

Sie folgte Zero mit ihrem Blick, wie er rastlos im Zimmer auf und ab ging, die Bewegungen verspannt. Flüsternd verfluchte er immer wieder die Situation, bis Yuki sich erneut einschaltete. Diesmal war ihre Stimme halb tröstend, halb distanziert.

"Diese Wahrheit quält dich, nicht wahr?"

Eine Woge der Leere lähmte Zero und er blieb vor dem Fenster stehen. Gezähmt von einer unbekannten Macht beruhigte er sich und hörte unaufmerksam zu.

"Zero, rede mit Kaname."

"Er ist nicht mehr da."

"Was?" Yuki warf ihm einen verwirrten Blick zu und fuhr dann nachdenklich fort. "Ich habe noch den Schlüssel zu deiner Wohnung. Vielleicht..."

"Behalte ihn."

"Ich kann ihm den Schlüssel geben. Vielleicht kommt er dann zurück. Seit wann ist Kaname denn verschwunden?"

Zero antwortete ihr nicht. Der Regen prasselte in unruhigem Rhythmus gegen das Fenster, die Wege verschwammen in einem dunstigen Nebel und schattenhafte Umrisse von Menschen flüchteten vor dem auffrischenden Wetter.

"Hast du denn schon nach ihm gesucht?"

"Ja." Zeros Stimme klang tonlos und gelangweilt.

"Wo denn? Im N8? Möglicherweise arbeitet er immer noch dort."

"Was spielt das für eine Rolle? Nein... ich war nicht im N8."

Yuki seufzte. Obwohl Zero nicht mehr ihr Problem war, machte sie sich dennoch Sorgen. Sie musste ihm noch ein letztes Mal helfen, doch davon sollte er besser nichts mitbekommen.

"Zero, uns fehlt wohl noch die nötige Klarheit. Ich denke, wir beide müssen sie woanders suchen."

Als Zero sich umdrehte, lächelte er. Es war ein ehrliches Lächeln. Auch Yuki lächelte.

Ohne ein weiteres Wort verließ Zero daraufhin die Wohnung.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tsuki14
2009-12-15T22:15:18+00:00 15.12.2009 23:15
Klasse Kapitel!
Ich freu mich auf das nächste was ich morgen sofort lesen werde...
Muss jetzt leider ins Bett -.-
Okay, bin eigentlich aich Müde *Gähn*
Drum, ich freu mich auf morgen und auf das nächste Kapitel!

Gute Nacht =)

VLG, Tsuki14♥
Von:  xXDracoXx
2009-11-29T20:43:26+00:00 29.11.2009 21:43
Wieder sehr stimmig und schön geschrieben. Freue mich auf das nächste Kapitel.

Deine treue Leserin
Kiryu-kun


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