Liebe
Liebe
Kein Gefühl besitzt so viele Gesichter wie die Liebe. Sie kann die mächtigste Waffe der Welt sein, beflügelt die Menschen und verleiht ihnen ungeahnte Kräfte. Das schönste, dass man verspüren kann und das einem am Leben erhält.
Lautlos setzte er sich vor den Spiegel und betrachtete sich stumm in dem silbrig wirkenden Glas .Langsam fuhr er die Konturen seines Spiegelbildes nach, tastete jede kühle Linie seines Gesichtes ab. Als er zu den Lippen kam, stoppte er und legte seinen Finger auf Jenige seines Gegenstückes. Der Finger wirkte wie ein Schloss, das die Lippen verschliessen sollte. Ein kleines Lächel verirrte sich auf ihnen. Bald. Bald würde er endlich wieder richtig lächeln können. Bald würde er den Schlüssel zu dem Schloss in seinen Händen halten. Niemals wieder würde er es verschliessen.
Doch jede wunderschöne Rose hat ihre gut versteckten Dornen. Wer einmal von diesen Dornen gestochen wurde, kennt das tödliche Gift, das aus ihren sanft glitzernden Spitzen hervortritt. Schwarz wie die Nacht, kalt wie ein eisiger Blizzard und erstickend wie ein Wasserstrudel raubt es einem die Kraft um zu Atmen. Alles versinkt in Dunkelheit und wird einsam, leblos und düster. Wie kann man sich aus den Tiefen dieser Schwärze wieder retten? Kann man jemals wieder das Licht sehen und das Glück schmecken, dass das frühere Leben erfüllte?
Er erhob sich sachte aus dem samtenen Sessel. Seinem Spiegelbild blickte er weiterhin tief in die Augen. Einst kannte er den Menschen, den er hier vor sich sah. Einst konnte er ihm strahlend die Hand geben und ungezwungen in sein Gesicht lächeln. Doch schon so lange war er ihm fremd. Aber bald würde sich alles ändern. Er würde endlich wieder ohne Zwang lächeln können, ihn kennen, ihn mögen und das Leben hätte wieder einen kleinen Schimmer Hoffnung.
Der Grad zwischen Liebe und Hass ist der Schmalste, den es auf dieser Welt gibt. Wie schnell wechseln all die wunderschönen Gefühle in eine Spirale aus Dunkelheit und Trauer. Alles beginnt sich zu verändern. Die Welt. Das Leben. Man selber. Wer das Wertvollste der Welt besitz, kann dieses auch wieder verlieren. Doch nicht jeder ist fähig diesen Verlust zu überstehen. Was, wenn die Dunkelheit von einem besitz ergreift und da kein Engel ist, der das Gift wieder aus einem saugen kann? Dieser schmale Grad dürfte niemals überschritten werden.
Er schloss seine Augen. Bald würde der nie endende Alptraum vorbei sein und er konnte wieder ein Mensch werden. Er würde sich der Schmerzen entledigen und endlich würden sie fühlen, was er all die Jahre fühlen musste.
Liebe… die grösste Illusion, die sich die Menschheit machte. Endlich würde er es allen begreiflich machen und wieder frei Atmen können.
Langsam trat er auf ein kleines Glastischlein zu, auf dem eine gläserne Vase stand. In ihre eine einzelne Rose. Mit traurigem Blick nahm er die rote Blüte in seine Hand.
Trügerisch wie eine Rose.
Sanft wie ihre Blätter.
Er streichelte über die roten Blütenblätter, die seine Haut weich wie Seide umspielten. Auf einmal liess er die Blüte geschockt fallen. Er hatte einen stechenden Schmerz gespürt.langsam blickten die geschockten Augen auf die rote Blüte, die nun zu seinen Füssen lag. Was für ein passendes Bild... Seine Gedanken begannen abzuschweifen und abwesend betrachtete er seinen Finger, auf dem sich nach und nach ein einzelner Bluttropfen sammelte.
Doch leider sind Rosen ohne Dornen eine wahre Seltenheit. Viel zu oft wird eine reine Seele von ihrem Gift beschmutzt. Und viel zu oft wird die dünne Grenze überquert.
Bald. Ja, bald würde sich alles ändern. Und er würde endlich die Rache bekommen, die sein Herz so dringen brauchte um wieder ruhig schlagen zu können.
Lautlos viel der rote Bluttropfen zu Boden und perlte an den Blütenblättern der Rose ab.