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Die Nebelhexe

Formori-Chroniken I
von

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Kohlrabenschwarz

Nachdem Phobos erkennbar widerstrebend eingeräumt hatte, dass der Óttar-Fluch eine potentielle Option darstellte, hatten er und Clancy sich an die Arbeit gemacht und versuchten nun seit ein paar Tagen einen Gegenfluch zu konstruieren. Ehrlich gesagt, war es Clancy immer noch schleierhaft, wie die Nebelhexe es geschafft hatte, den Fluch innerhalb weniger Sekunden zu weben, wenn sie jetzt schon mehrere Tage daran saßen. Er hoffte mittlerweile einfach nur, dass sie den Fluch bereits vorbereitet bei sich getragen und nur noch aktiviert hatte. Wenn nicht, dann jagte ihm allein die Vorstellung der Alternative, nämlich ihrer damaligen Macht und vor allem ihrer unglaublichen Intelligenz, kalte Schauer über den Rücken.

Als Phobos das Thema ihm gegenüber angesprochen hatte, war Clancy nicht genauer darauf eingegangen, da er wusste, was dem Fluch zugrunde lag. Es war ihm falsch erschienen, zu tief in Phobos‘ Gefühlswelt zu wandern, wenn dieser offenkundig nicht darauf angesprochen werden wollte. Als Phobos in seiner Geschichte von der Nebelhexe und ihrem gemeinsamen Hintergrund gesprochen hatte, hatte Clancy zwar den Verdacht gehabt, dass dort mehr auf der einen oder anderen Seite gewesen sein könnte, aber es ist immer etwas anderes, es quasi schwarz auf weiß und dann noch durch so einen Hinweis zu wissen. Aus diesem Grund blieb er auch so vage wie möglich, als seine Eltern und auch seine Tochter nachfragten, an was er und Phobos arbeiteten.

„An einer eventuell sehr weit hergeholten Idee, die wahrscheinlich gar nicht funktioniert“, hatte er nur immer wieder geantwortet und auch Phobos hatte das Thema nicht weiter ausgeführt.

Clancy hatte zwar Phobos‘ Gegenfluch den Vorrang gegeben, doch Constantin hätte ohnehin an keiner körperlichen Lektion teilnehmen können, auch wenn er versuchte auf Krücken durch das Haus zu humpeln, um den äußerst wachsamen Augen Sybilles und Bláthíns zu entkommen. Seine Selbstheilung schritt zwar ungewöhnlich rasch voran, doch waren die beiden Frauen – die sich überraschend gut verstanden – der Meinung er solle sich schonen und in Ruhe erholen. Clancy stimmte ihnen natürlich zu, doch er konnte es dem Jungen nicht verübeln, sich die Zeit vertreiben zu wollen, während Layla anderweitig beschäftigt war. Also war es zu einem Kompromiss gekommen, der Constantin erlaubt hatte, zumindest theoretische Heilertexte zu behandeln, die Bláthín aus ihrer mysteriösen Privatbibliothek herbeigezaubert hatte.

Laylas Umgang mit ihrer neuen Essenz hatte Clancy auf einer objektiven, nicht durch die Vaterbrille vernebelten Ebene ehrlich positiv überrascht. Lochan hatte ihr anfangs sehr einfache Aufgaben erteilt, um sie und die Essenz besser zu synchronisieren, ohne sie jedoch vollkommen an ihren Körper zu binden, und Layla machte beflügelt von neuem Tatendrang rasch Fortschritte, sodass Lochan ihr schon sehr schnell komplexere Aufgaben gegeben hatte und Clancy sich sicher war, dass sie in der Lage war, den richtigen Anstoß für den Gegenfluch zu liefern, wenn sie ihn benötigten. Während er selber mit seiner Tochter und seinem Vater verschiedene Impulse erprobt hatte, hatten sie Layla darauf getrimmt, ihre Essenz zu benutzen, ohne mit ihr im direkten Kontakt zu stehen. Zum einen, weil sie dieses Talent für den Gegenfluch benötigten, und zum anderen, weil sich diese Fähigkeit auch für Clancy selbst immer einmal wieder bewährt hatte. Die ganze Angelegenheit wurde natürlich auch dadurch wesentlich vereinfacht, dass die Essenz noch nicht an Laylas Körper gebunden war.

Da Clancy und Phobos nicht sicher waren, inwiefern die Luftessenz der Nebelhexe in ihrer Rechnung eine Rolle spielte, hatten sie Liam gebeten ihnen zu helfen, wenn er ohnehin immer hier herumlungerte. Seine Luftessenz zeigte Reaktionen auf die bisher erprobten Impulse von Laylas Wasseressenz, sodass er schließlich versucht hatte, sich ihr anzupassen.

Clancy mochte seine Familie, doch er war insgeheim froh, dass sie die Berechnungen bereits in der vorangegangenen Nacht abgeschlossen hatten, da es sich doch recht viele Menschen im geräumigen Wohnzimmer seiner Eltern aufhielten. Unter Lochans gegrummelten Anweisungen versuchten Liam und Layla gerade sich zu synchronisieren, während Morana, Bláthín und Sybille sich leise über das Seherkonzil unterhielten. Constantin bemühte sich unterdessen angestrengt, sich auf seinen Text zu konzentrieren und Liam keine bitterbösen Blicke zuzuwerfen. Dummerweise versuchte zur selben Zeit Heptzibah seine Aufmerksamkeit zu erlangen und da der arme Kerl nicht unhöflich sein wollte – schon gar nicht vor seiner Tante – erntete er dennoch dann und wann einen frostigen Blick von Layla. Clancy musste zugegebener Maßen ein Schmunzeln unterdrücken, auch wenn er immer noch der Meinung war, dass seine Tochter frühestens mit 30 einen Freund haben sollte. Momentan würde er ihr sogar schon mit 35 erlauben, Händchen zu halten. Wenn das nicht zeigte, wie sehr er Constantin mochte, dann wusste er aber auch nicht weiter.

Wenn es nicht geregnet hätte, hätten sie versucht denen Gegenfluch draußen zu wirken, aber so fand sich Clancy dabei wieder, die Möbel seiner Eltern an den Rand des Zimmers zu schrieben, um auf die polierten Holzbohlen mit Kohle den äußerst komplexen Bannkreis mit seinen zig Einzelteilen zu zeichnen, der ihres Erachtens nach nun endlich die richtigen Komponenten beinhaltete. Aber das Gewitter hatte auch etwas Gutes an sich: Nichts war besser, um einen Fluch in Gange zu bringen, als ein klassischer Blitz.

Gerade zeichnete er die geschwungenen Linien der Rune für „Körper“ als Constantin langsam zu ihm herüberkam. Er blickte auf den fast fertigen Bannkreis und runzelte die Stirn als er zum Vergleich auf den Ring an seiner Hand sah.

„Gibt es mehrere Sorten von Runen?“, fragte er schließlich, als auch Layla neben ihn trat.

Clancy lächelte. „Ja und Nein. Die Runen, die zum Beispiel für deinen Ring verwendet wurden, sind Buchstaben oder Silben, die für sich alleine stehend keine wirkliche Bedeutung haben. Die Runen in dem Bannkreis hier haben aber alle eine oder auch mehrere Bedeutungen, wie zum Beispiel ‚Körper‘, ‚Verbinden‘ oder ‚Leben‘“, erklärte er und deutete auf die einzelnen Zeichen.

„Also vom Prinzip her, wie…“ Constantin sah skeptisch aus. „…wie Chinesisch?“

Clancy konnte seine Verwirrung verstehen - die Runen, die er in den Bannkreis gezeichnet hatte, hatten rein äußerlich nichts mit den chinesischen Hanzi gemein, dafür besaßen sie viel zu viele Schwünge, Bögen, Punkte und auch teilweise geometrische Formen.

„So in etwa, ja“, bestätigte Clancy nickend.

„Warum nimmt man denn nicht für alles die Wort-Runen-Teile?“, fragte Layla und betrachte auf dem Boden kniend eins der geschwungenen Symbole genauer.

„‘Wort-Runen-Teile‘, pff“, kam es von Liam, der nun neben Constantin stand. „Ausdruck: sieben, Miss McCambridge.“

„Mein Ausdruck kann dir egal sein, du bist nicht mein Lehrer. Zum Glück“, sagte Layla unbeeindruckt, doch Liam grinste trotzdem , während seine Schwester schon von weitem die Augen verdrehte.

„Aber gute Frage, Onkel Clancy“, fügte Hepzibah hinzu. „Mama benutzt kaum Runen, aber wenn, dann diese hier“ Sie deutete auf die Körper-Rune, die Clancys Schwester als Heilerin logischer Weise beherrschte. „Warum benutzt man dann überhaupt die anderen?“

Clancy räusperte sich, doch bevor er etwas sagen konnte, ertönte die Stimme seiner jüngeren Schwester aus dem hinteren Teil des Zimmers. „Passt auf, jetzt verfällt er gleich in seinen Lehrer-schwall-Modus!“

„Nur weil Geschichte dich nicht interessiert!“, konterte er, bevor er sich leiser wieder an seine vier beziehungsweise drei Zuhörer wandte. „Diese Runen hier“ – er deutete auf die im Bannkreis – „sind schon sehr alt; so alt, dass sie noch aus der Zeit stammen sollen, in der die Göttin der Dunkelheit noch auf dieser Welt wandelte. Zumindest laut Legende. Da sie ganze Wörter darstellen – sowie durch ihr enormes Alter – sind diese alten Runen sehr mächtig. Die neuen Runen, die ihr zum Beispiel in euren Ringen habt, oder auch die Futhark-Runen sind unter anderem aus den alten Runen hervorgegangen.“

„Wenn die alten Runen mächtiger sind“, wollte Constantin wissen, „warum hat man dann überhaupt die neuen erschaffen?“

„Die alten Runen sind leider nur noch in Fragmenten überliefert, sodass uns heute ein Großteil von ihnen verlorengegangen ist. Die wenigen, die wir noch haben, verwenden wir in Bannkreisen, komplexen Zaubern und dergleichen, obwohl auch hier wieder von den wenigsten der wahrer Name noch bekannt ist, sondern eigentlich nur noch ihre grobe Bedeutung.“

Während Clancy sprach, hatte Layla die Kette um ihren Hals gelöst und verglich gerade die Rune in ihrer Hand mit denen, die ihr Vater auf den Boden gezeichnet hatte.

„Die Runen hierdrauf sind auch alte Runen, oder?“, fragte sie und blickte den Knochenanhänger skeptisch an. Auch Constantins Hand war mittlerweile an seinen Hals gekrochen und er hielt höchst spekulativ seinen Runenstein in Händen.

„Ja“, nickte Clancy, sehr zufrieden mit den beiden.

„Also stehen diese höchst ästhetischen Schlängel für das Element ‚Wasser‘ beziehungsweise ‚Erde‘?“, hakte Constantin nach.

Aufgrund der Formulierung zog Clancy eine amüsierte Augenbraue hoch, aber sagte dennoch: „Genau.“

„Und für was steht dann meine? Wasser oder Luft? Schließlich steht hier nur ein Zeichen und keine zwei“, setzte Layla stirnrunzelnd nach, während Liam sich über ihre Schulter beugte und ebenfalls die Rune begutachtete.

„Beides. Diese Rune besteht quasi aus zwei einzelnen, die übereinander liegen“, entgegnete ihr Vater und nahm behelfsmäßig seinen Kohlestift zu Hand, um ihnen zu zeigen, was er meinte.

„Jetzt, wo du’s sagst…“, meinte Liam mit zusammengekniffenen Augen und betrachtete seinen blassblauen Runenstein, den er an einem Lederarmband trug.

„Ich dachte, du wärst Lehrer?“, meinte Constantin zu ihm.

„Ja, aber für Englisch und für Sport“, lachte Liam, „nicht für Runen! Das Meiste, was ich über Runen weiß und was immer noch wenig ist, haben mir Onkel Clancy und meine Eltern beigebracht.“

„Lernen wir die Runen auch noch?“, wandte sich seine Tochter wieder an Clancy. Der interessierte Ausdruck in ihren Augen amüsierte, aber freute ihn auch sehr.

„Wenn ihr das wollt, dann natürlich, aber alles zu seiner Zeit“, antwortete er.

Phobos tapste hinter einem Sessel hervor, betrachtete den Bannkreis und richtete schließlich seinen ernsten Blick auf Clancy. Er hatte seinen alten Freund in den letzten Tagen kaum wiedererkannt, so selten hatte er gegrinst oder irgendwelche Sprüche gerissen. Ein ernster Phobos war ein ganz anderer Mensch. Kater. Whatever.

„Sieht so aus, als wäre alles soweit vorbereitet“, sagte Phobos.

„Ist der Gegenfluch auch wieder in drei Komponenten eingeteilt, wie das Portal?“, wollte Layla wissen. „Also Medium, Tribut und Fokus?“

„Ja“, antwortete Phobos abwesend; wahrscheinlich ging er in Gedanken noch einmal die Berechnungen durch.

Layla zögerte. Es sah so aus, als würde sie gerne mehr Fragen stellen wollen, aber sich nicht sicher sein, ob sie Phobos und ihren Vater stören sollte. Zugegebenermaßen war Clancy auch nervöser als bei anderen Zaubern, Flüchen oder sonstigen magischen Aktivitäten. Sie hatten mehrere Tage an ihren Berechnungen gesessen und es bestand noch immer nur eine fünfzig-fünfzig-Chance, dass sie überhaupt den richtigen Weg eingeschlagen hatten, selbst wenn es sich um den Óttar-Fluch handelte. Alles war wesentlich ungewisser, als Clancy eigentlich lieb war.

Die größte Frage bei ihren Ausführungen war immer gewesen, welchen Ansatz die Nebelhexe wohl gewählt hatte: Ob sie die Basis zugunsten ihrer eigenen Affinitäten oder zugunsten Phobos‘ ausgelegt hatte. Sie hatten sich jetzt für Phobos entschieden und alles aufgrund eines Kohlebannkreises aufgebaut, aber wenn sie falsch lagen und die Nebelhexe es zugunsten ihrer eigenen Kräfte, Wasser und Luft, konstruiert hatte, hätten sie einen Salzbannkreis wählen müssen. Der Großteil ihres Erfolges hing schon an diesem Detail, aber sie hatten sich letztendlich doch für eine der beiden Varianten entscheiden müssen. Selbst wenn sie noch zehn Jahre gewartet hätten, wäre eine Rekonstruktion nicht einfacher gewesen. Bei Bannkreiszaubern konnte man den Aufbau mehrheitlich auf den Charakter des Druiden oder der Hexe zurückführen, aber Phobos hatte bereits früher bei der Nebelhexe falsch gelegen, sonst wäre er heute schließlich nicht in einem pelzigen, vierbeinigen Körper.

Clancy hoffte so sehr, dass sie sich für die richtige Basis entschieden hatten.

Er schenkte seiner Tochter ein schwaches Lächeln. Es würde ihren Vorhaben nicht im geringsten helfen, wenn er Layla jetzt auch noch mit der Aussage nervös machte, dass sie so gut wie keine Ahnung hatten, ob der Gegenfluch wirklich funktionierte, oder dass wenn sie einen Fehler gemacht hatten, mehr auf dem Spiel stand als verkohlter Pelz. Dennoch konnte er seine Tochter und auch Liam nicht vollkommen im Dunkeln lassen, wenn sie ihnen bei dem Gegenfluch helfen sollten.

„Wir haben alles so aufgebaut, dass es genau auf den Primären Fokus, Phobos selbst, passt“, begann Clancy grob zu erklären, „aber immer noch durch die Kräfte der Nebelhexe angetrieben wird.“

„Deswegen das kochende Wasser und die schwarzen Federn als Tribute für die Nebelhexe, die dann aber immer noch an Phobos durch Hitze und Dunkelheit angepasst sind?“, fragte Liam.

„Genau“, nickte Clancy.

„Und deswegen auch Kohle anstatt Salz als Medium?“, hakte Layla nach.

„Richtig. Für mich ist es nicht so wichtig, ob wir das Ganze jetzt auf einer Meerbasis, also mit Salz, oder auf einer Schatten- oder Feuerbasis, also mit Kohle, aufbauen; beides sind Produkte der Erde, sodass ich einen schnellen Zugang finde. Aber Phobos arbeitet mit Feuer- und Schattenmagien, sodass wir uns für dieses Medium entschieden haben.“

„Und meine Essenz?“, wollte sie wissen, als sie den kleinen Kristall in ihrer Hand begutachtete.

„Die Essenz bildet den Sekundären Fokus“, schaltete sich nun doch Phobos ein. „Dadurch, dass sich die Essenz mit mir zusammen im Bannkreis befindet, kommt es zu einer wechselseitigen Beziehung zwischen Innen und Außen. Du greifst zwar von außen auf die Essenz zu, aber die Essenz an sich befindet sich bereits innen, sodass du von innen auf den Tribut zugreifst.“

„Welcher sich dann von außen wieder nach innen wendet“, überlegte Layla.

„Genau“, stimmte Clancy ihr zu. „Durch diesen Kreislauf ist alles wesentlich stabiler, selbst wenn einer von euch zwischendurch schwächeln sollte, bricht nicht alles sofort zusammen und wir haben immer noch Zeit zu improvisieren oder abzubrechen.“

„Ein Fluch verstößt gegen die natürliche Ordnung, weil er etwas grundlegend verändert und braucht deswegen sehr viel Energie“, wandte Phobos ein. „Euch muss klar sein, dass ihr danach auf jeden Fall ausgelaugt sein werdet, egal ob es klappt oder nicht. Auch wenn ihr ‚nur‘ Wasser erhitzt beziehungsweise gefrieren oder Federn fliegen lasst, werdet ihr euch danach mindestens so fühlen, als hättet ihr einen Jahrhundertsturm herauf beschworen. Wollt ihr es immer noch teilnehmen?“

„Klar“, sagte Liam ohne zu Zögern.

„Natürlich!“, antwortete Layla vehement, als wäre es vollkommen abwegig, dass sie ihm nicht helfen würde. Der Geist eines Lächelns erschien auf Phobos‘ pelzigem Gesicht.

„So, jetzt aber husch!“, wies Clancy alle Anwesenden an. „Jeder, der nicht unmittelbar daran beteiligt ist, den Kater zu verfluchen, geht jetzt bitte ans andere Ende des Zimmers!“

Nach einigem Hin- und Herirren der einzelnen Parteien hatte jeder seinen zugeteilten Platz erreicht und Clancy forderte Layla und Liam dazu auf sich zu den ihnen zugehörigen Tributen zu stellen und ihre Essenzen, sofern noch korporal vorhanden, in die Mitte des Bannkreises zu legen. Sorgsam darum bemüht, nicht auf die Kohlezeichnung zu treten und sie so vielleicht noch zu verwischen, machte Layla einen weiten Schritt in den Bannkreis und legte ihre Essenz ab, bevor sie zu der Schüssel dampfenden Wassers zurücktrat. Da Liams Essenz an seinen Körper gebunden war, stellte er sich einfach nur zu den schwarzen Federn.

„Ich hoffe wirklich, dass die Kohlevariante funktioniert und wir nicht die Meerbasis hätten benutzen sollen“, meinte Clancy zu Phobos.

„Hoffe ich auch“, meinte Phobos, „sonst bin ich eine Weile ein sehr nackter Kater.“

Clancy konnte nicht verhindern, dass eine seiner Augenbrauen nicht an ihrem angestammten Platz bleiben wollte.

Dass du deinen Humor wiedergefunden hast, werte ich einfach als gutes Omen, mein Freund. Nacktheit wird dein letztes Problem sein, wenn das hier nicht funktioniert…

„Wir wollen ja nicht, dass du eine Lungenentzündung bekommst“, sagte er allerdings laut.

„Eben“, meinte Phobos grinsend und begab sich in die Mitte des Bannkreises, wo er sich fast geruhsam niederließ.

„Ach, falls du kein Fell mehr haben solltest, kann ich dir ja einen wollenen Strampler mit passender Mütze mit Löchern für die Ohren stricken!“, rief Morana vom hinteren Ende des Zimmers.

„Und wehe, wenn nicht!“, rief Phobos zurück.

Obwohl ein amüsiertes Kichern durch den Raum ging, wusste jeder Anwesende, der sich schon mal mit Flüchen auseinander gesetzt hatte, dass die Witzeleien nur dazu dienten, die Anspannung etwas zu lösen.

„Layla, Liam“, verschaffte sich Clancy die Aufmerksamkeit der Beiden. „Wenn ich euch das Zeichen gebe, dann kühlt bitte das Wasser ab und lasst die Federn schweben, wie wir vorhin besprochen haben. Lasst euch von nichts von dieser Aufgabe abbringen, egal wie sehr ihr von irgendetwas überrascht werdet. Das ist sehr wichtig. Konzertiert euch nur auf diese eine Aufgabe, auf nichts anders.“

Als die beiden ernst nickten, nahm Clancy einen tiefen Atemzug. Als er langsam ausatmete, entzündete er die vier roten Kerzen im Bannkreis und schloss den Kreislauf mit einem letzten Kohlestrich, der den Anfang und das Ende des Zirkels miteinander verband. Er setzte sich im Schneidersitz vor den Bannkreis und legte seine flachen Hände auf den Rand des Kreises, sodass seine Fingerspitzen die Körper-Rune berührten. Als er wieder aufblickte, nickte er seiner Tochter und seinem Neffen zu, die sich augenblicklich mit den ihnen zugeteilten Aufgaben beschäftigten. Die beiden Kreisläufe von Wasser und Luft bildeten zwei Strudel vor Clancys innerem Auge und genau an der Stelle, an der sich die beiden Strudel trafen, saß Phobos, seine grünen Augen unergründlich. Die Reibung der beiden Strudel verursachte Funken von roher Magie, die auf Phobos und von ihm auf den Bannkreis übersprangen, sodass die Kohlezeichnung unter Clancys Händen zu vibrieren, ja, regelrecht zu zucken begann.

Als Clancy auch Phobos zunickte, begann dieser von innerhalb des Bannkreises die Schatten zu sich zu rufen, während Clancy anfing die Gewitterwolken draußen zu seinem Vorteil zu nutzen. Durch die sich ausbreitende Dunkelheit und die kleinen elektrischen Ladungen, die den Bannkreis mittlerweile durchzuckten, konnte man kaum noch die brennenden Kerzen, geschweige denn den schwarzen Kater in der Mitte des Zirkels, erkennen.

Clancy wartete so angestrengt darauf, einen Blitz mit Laylas Erhitzungszyklus abzupassen, dass er fast die Verbindung verlor, als das Telefon seiner Eltern klingelte, so stark zuckte er zusammen. Er bekam nur sehr nebensächlich mit, wie seine Mutter leise fluchend in den Flur ging, er hatte musste sich auf andere Dinge konzentrieren.

Während er vor seinem inneren Auge den Bannkreis abging und die verschiedenen Energieströme, die bei jedem Kontakt mit einer Rune oder einem anderen Energiestrom noch stärker wurden, durch die Runen jagte, murmelte er die Namen der Runen, Berechnungen und die angestrebten Ziele des magischen Stroms. Ausformulierte Zauberformeln wurden überbewertet.

Sein Kopf war überladen mit Kalkulationen über Genetik und Magie und drohte beinahe zu platzen, während Clancy alles im Bannkreis fühlte.

Er fühlte, wie Layla sich angestrengt darauf konzentrierte, ihr verdampfendes Wasser nicht von dem magischen Sturm verwehen zu lassen.

Er fühlte, wie Liam um die Kontrolle seiner Federn kämpfte.

Er fühlte, wie die sich Schatten und die elektrischen Ladungen um Phobos‘ Körper legten.

Und er fühlte auch, wie jeder einzelne von Phobos‘ Knochen mit einem schmatzenden Geräusch brach, als er den Blitz aus dem Gewitter über ihren Köpfen in den Bannkreis lenkte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2011-08-08T18:50:16+00:00 08.08.2011 20:50
Uaaaaaaaahaaaaaa, wie fies! Q_____Q
Schreib sofort weiter!!! Ich will wissen, ob Phobos das überlebt hat! Das arme Tier! Wieso machst du an der entscheidenden Stelle ein Kapitelende?
Ja, äh, krasses Kapitel. Ich konnte zwar nur mit Mühe folgen, was da an verschiedenen Energien und Kreisläufen zuwerke ist, und wie das alles in Wechselwirkung steht, aber es klingt logisch. Ist das alles frei erdacht, oder hast du dich wirklich tiefgründiger mit Hexerei befasst? Das ist mir fast etwas zu realistisch für eine reine Fiktion.


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