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Blood Deal

Even if saving you sends me to heaven
von

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Lebenslügen und schwere Lasten

Nathan

Kurz hatte Nathan Ragnar noch nachgesehen, bevor er seufzend zu seinem 'Termin' gefahren war. Wirklich, er liebte seine Eltern, aber warum mussten sie immer so kurzfristig nach New York kommen und dann ganz vehement danach verlangen ihn zu sehen? Ausgerechnet an einem Sonntag? Aber dafür war er eigentlich sehr gut gelaunt, denn schließlich hatte er eine unglaublich schöne und auch intensive Nacht hinter sich. Er fand Ragnar inzwischen nicht nur interessant, sondern vielmehr faszinierend und konnte sich durchaus vorstellen, dass sich daraus etwas Tiefergehendes entwickeln könnte. Nein, eigentlich setzte er sogar vielmehr darauf, denn dieser schöne Mann wuchs ihm schnell ans Herz. Vor allem dessen Art mit ihm herum zu plänkeln und die Begeisterung, die in den tollen dunklen Augen leuchtete, wenn sie sich über etwas unterhielten, das Ragnar interessierte, gefiel Nathan besonders. Er würde sich bald mal wieder bei ihm melden, soviel stand fest.
 

Das Essen mit seinen Eltern verlief wie immer sehr entspannt und in ruhiger Atmosphäre. Sie erkundigten sich nach seinem Geschäft, erzählten ihm von Filmen, die das Studio seines Vaters produzierte und auch über den Rest der doch recht weit verzweigten Familie gab es einiges zu hören. Was daran lag, dass sie nicht sehr häufig zusammenkamen seitdem Nathan selbstständig geworden war. Er flog nicht so gern zurück nach Hollywood und seine Eltern fanden New York nicht besonders anziehend. Was ihm in der einen Stadt fast erschlug, fehlte jenen in der anderen. Trotzdem zogen sie selbst in diesem piekfeinen Restaurant sämtliche Blicke auf sich. Nun, Ragnar scherzte nicht wenn er behauptete, sein Auftreten und Organisationstalent in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Seine Mutter war in ihren jungen Jahren eine ziemlich erfolgreiche Schauspielerin gewesen, die nach wie vor durch ihre natürliche Schönheit glänzte, während die Gestalt seines Vaters einfach nur beeindruckend und auch beherrschend wirkte. Abgesehen von der Größe und dem leicht dominant angehauchten Auftreten, war ihm der Rest seines Aussehens von seiner Mutter gegeben worden. Gerade die unglaublich hellen Augen und die makellose Haut. Das Organisationstalent kam von seinem Vater, der sich von klein auf bis an die Spitze gekämpft hatte.

Im Grunde könnte Nathan sich zurücklehnen, sich von vorne bis hinten bedienen lassen und eines Tages einmal mehr Geld erben als ein normaler Mensch ausgeben könnte. Doch das war nunmal nicht sein Stil, etwas das seine beiden Eltern mit nicht wenig Stolz erfüllte. Abgesehen von dem kurzen Bruch, den seine Homosexualität herbeigeführt hatte, gab es bei ihnen noch nie Schwierigkeiten und auch jene waren schnell überwunden worden. Er war ein Wunschkind und im Grunde liebten sie ihn beide, so wie er war. Egal wen er liebte, solange er nur liebte. Robin hatten sie nach kurzen Anlaufschwierigkeiten auch sehr bald ins Herz geschlossen.
 

Nach diesem Treffen zog Nathan sich auf seine Couch zurück und gönnte sich ein Glas Wein, bevor er sich einen seiner unzähligen Walt Disney Filme aus seiner Sammlung hervorzog und in den DVD-Player legte. Das tat er zumindest bis Ragnars SMS ankam. Ohne groß darüber nachzudenken sendete er diesem seine Antwort:

Meine Höhle steht dir weit offen, Mogli. Vielleicht können wir deinen schwarzen Tag zumindest in einen hellgrauen verwandeln und der Flügel steht bereit, um seine Dienste zu erfüllen. - Komm einfach her und lass dich ein bisschen von mir verwöhnen.
 


 

Antonin

Antonin seufzte leise und schmiegte sich enger an Cole, diesen fast schwebenden Zustand noch eine Weile beibehalten wollend. Doch irgendwann ging ihm auf, dass scheinbar jeder Muskel in seinem Körper über etwas zu protestieren schien. Ganz besonders im Bauchbereich. Und noch während er sich langsam durch seine Müdigkeit kämpfte, fiel ihm wieder ein, was passiert war, was er getan hatte. Und noch schlimmer, was er noch tun müsste. Ruckartig öffnete er die Augen, sich tatsächlich Cole gegenüber wiederfindend. In ihrem Schlafzimmer. Moment.. ihrem? Und so gern sich Antonin mit so scheinbar unsinnigen Fragen beschäftigen wollte, so war ihm selbst jetzt mehr als bewusst, dass es nur eine Verdrängungstaktik wäre. Tief durchatmend schloss er seine Augen wieder und blieb ruhig liegen, einfach eine Weile auf den gleichmäßigen Atem des anderen Mannes lauschend. Scheinbar wurde ihm eine Konstante in seinem Leben immer direkt durch eine anderer ersetzt. Seine Mutter durch Nicholas. Nicholas durch Cole. Es blieb nur zu hoffen, dass es keine weiteren Ersetzungen mehr geben würde, denn noch eine würde er nicht überstehen. Heh… es war fraglich ob er diese so einfach überstehen würde.

Nicht nur hatte er zum zweiten Mal in seinem Leben mit seinen bloßen Händen ein anderes Leben ausgelöscht, es war mit jemandem passiert, von dem er gedacht hätte, ihn zu 100 Prozent immer an seiner Seite zu wissen. Es war mit einem Menschen passiert, der eine Familie zurückließ, die sich schon vorher immer auf ihn verlassen hatte. Er selbst hatte mit einer einzigen Handbewegung ein glückliches Familienleben in tausende von Scherben zerschmettert. Antonin fühlte sich wie ein Monster. Ein Monster, das man vielleicht lieber wegsperren und den Schlüssel zur Zelle wegwerfen sollte. Wie konnte jemand wie er, wirklich die Gefühle von jemandem wie Cole verdienen? Wie war jemand wie er so etwas wirklich wert? Jegliche Zuneigung, Zärtlichkeiten und Gefühle für ihn waren doch sowieso sinnlos. Es endete bisher immer in unglaublich viel Schmerz für denjenigen oder diejenigen. Oder wie man nun sah, sogar mit dem Tod.

Vorsichtig entwand er sich Cole und stand auf, um ins Bad zu gehen. Dort angekommen blickte er in den Spiegel, über den Schnitt an seiner Stirn streichelnd, sich selbst in die Augen blickend. Man würde es ihm wirklich nicht ansehen... nein, man sah es ihm nicht an. Niemand konnte sehen, wieviel Unglück und Verderben alleine seine Anwesenheit verbreitete. Obwohl er offenbar gewaschen und versorgt worden war, sehnte er sich nach einer Dusche. Doch der gesunde Menschenverstand sprach dagegen und wer wäre er schon, wenn er nicht wenigstens hin und wieder ein wenig davon zeigen könnte? Er schlich sich zurück ins Schlafzimmer, sich eine Jogginghose von Cole grabschend und überziehend, bevor er zur Kühlschrank ging. Ursprünglich hatte er heute vorgehabt für sie beide zu kochen und irgendwie sprach ihn der Gedanke alleine schon sehr an. Es war Ablenkung und eine Tätigkeit, die ihn schon häufiger beruhigt hatte.

So machte er sich daran, sich die Zutaten zurecht zu legen, das Gemüse zu waschen und es bereit zum Schneiden auf ein Brett zu geben. Sich ein Messer ergreifend, hielt er inne und starrte wie hypnotisiert auf die Klinge. Es wäre so leicht... und doch wäre es der feigste Weg aus allem heraus. Und Antonin war vieles, aber nicht feige. Es gab trotz all seiner Bedenken Menschen, die ihn brauchten. Menschen, die er brauchte. Und... war jetzt nicht eigentlich auch alles vorbei? Er würde weiterhin auf Cole aufpassen - haha, hier lachte ihn sein Unterbewusstsein aus vollem Hals heraus aus -, sich um Tayra und Tamara kümmern, sein Labor aufbauen und einfach vor sich hinleben können. Oder? Konnte er das wirklich? Stirnrunzelnd fing er mit langsamen Bewegungen an, das Gemüse klein zu schneiden. Vielleicht. Vielleicht könnte er es. Es klang zumindest verlockend. Jetzt noch. Doch was war, wenn er Tayra wirklich gegenüberstehen musste? Konnte er wirklich verbergen, dass er der Mörder ihres Mannes war? Konnte er das?

Schwer schluckend legte er das Messer beiseite und machte sich wieder auf den Weg zum Schlafzimmer, am Bett stehenbleibend und auf Cole herabsehend. Und alleine diesen Mann zu sehen beruhigte ihn und seine aufgewühlten Gedanken wieder. Und auch wenn es ihm - schon wieder - nicht so vorkam als würde er so schnell wieder auf eigenen Beinen stehen können, so ahnte er doch, was für ein unglaublicher Glückspilz er war. Irgendwann in seinem Leben hatte er einmal etwas richtig gemacht und dadurch nicht nur einen Menschen an seiner Seite, der ihm wichtiger als die Luft zum atmen war, sonder der jemanden darstellte, der immer ein sicherer Hafen sein würde. Der immer ein Ausgangspunkt sein würde, wenn er zurückstürzte in die Schwärze, die in ihm schlummerte und sich momentan zum Angriff bereit machte.

Er war nicht alleine.
 


 

Ragnar

Mit einem seltsamen Gefühl betrat Ragnar seine Wohnung. Doch er achtete nicht weiter auf das Gefühl. Die Freude, gleich zu Nathan zu fahren, in seine Parallelwelt abzutauchen, war so groß, dass er keine Zeit hatte darüber nachzudenken, ob der Vorfall von heute etwas an seinem Wohlfühl-Gefühl in der Wohnung verändert hatte. Zielstrebig ging er ins Bad, streifte sich noch auf dem Weg dorthin die Kleider vom Körper und eilte sich unter der Dusche, um den ganzen Schweiß, den Schmutz wegzubekommen. Dann ging er ins Schlafzimmer und zog sich eine alte Jeans und ein schlichtes Achselshirt an. Es waren eher bequeme Sachen, aber er mochte sie einfach. Und er hatte keine rechte Lust sich irgendwie mehr in Schale zu werfen. Er wollte einfach nur raus aus diesem Tag und ein wenig Seelenbalsam bekommen. Schnell packte er sich seine Tabletten für morgen früh ein und blickte sich noch einmal kurz in dem absoluten Chaos um, das er hinterließ, bevor er Coles Wagenschlüssel nahm und bald darauf auf dem Weg zu jenem Haus war, das für ihn irgendwie zu einem Rückzugsort zu werden schien. Aber allein der Gedanke, gleich Nathan zu sehen und alles andere vergessen zu können, tat ihm unglaublich gut.

Er parkte den Vantage gegenüber des Hauses und beschloss morgen früh den Wagen durch die Innen- und Außenreinigung zu jagen. Dann stieg er aus und ging über die Straße. Er hatte die Antwort-SMS vor eineinhalb Stunden bekomme und Nathan geantwortet, dass er wohl noch eine Stunde brauchen würde. Gut, er war ein wenig drüber, aber er hoffte, dass Nathan deswegen nicht sauer sein würde. Als er klingelte fiel ihm auf, dass er mit gar nichts kam. Er kam letztlich nur, um zu nehmen, nicht um zu geben und irgendwie irritierte es ihn, es ärgerte ihn, dass er so verdammt selbstsüchtig gerade war. Nun, wenn es sich ergeben würde, würde er Nathan einfach bald mal zu irgendetwas einladen, oder ihm irgendeine andere Aufmerksamkeit zukommen lassen...

Als ihm die Tür geöffnet wurde stieg er in den Aufzug und mit einem Mal spürte er wieder dieses kindliche Bauchkribbeln, die berüchtigten Schmetterlinge. Er lächelte über sich selbst, aber es war ein trauriges Lächeln. Wie konnte er so kindisch sein, nach dem, was er heute erlebt hatte?

Das öffnen der Fahrstuhltür ließ ihn erschrocken aus seinen Gedanken hochfahren. Wenn Nathan nicht in der Tür gestanden hätte, hätte er wohl genau in diesem Moment beschlossen, wieder zu gehen. Aber als er Nathan erblickte, wusste er, dass er es nun nicht mehr konnte. Zögernd trat er aus dem Fahrstuhl und trat auf Nathan zu. "Ich hoffe ich mache dir nicht zu viele Umstände, es war eine blöde Idee, dich zu stören. Und ich habe nicht einmal daran gedacht, dir irgendetwas mitzubringen. Es tut mir leid." Die schönen Augen des anderen zogen seine heute wohl sehr dunklen Augen fest auf sich. Wie konnte man nur so unglaublich schöne Augen haben? War das überhaupt erlaubt?

Ihm war heute im Laufe des Tages, als er mit Nicholas unterwegs gewesen war, kurz der Gedanke gekommen, dass Nicholas ihm ja auch hier hätte auflauern können, oder irgendwie anders im Beisein von Nathan bei ihm auftauchen können. Ob er jemals wollte, dass dieser schöne, in einer relativ heilen Welt lebende Mensch wusste, was sein eigentliches Leben ausmachte? Was er getan hatte? Womit er sein Geld verdiente? Was würde er dazu sagen? Würde er ihn nicht sofort rausschmeißen, die Polizei verständigen, ihn bis an sein Lebensende hassen? Eine Reaktion, die er nur zu gut verstehen könnte.
 


 

Cole

Es hatte nicht sehr lange gedauert, bis Cole eingeschlafen war. Er war einfach nur fix und fertig, so sehr, dass er sich das selbst sogar eingestand. Das heute war sehr heftig gewesen, heftiger, als so einiges, was er in seinem Leben schon erlebt hatte. Und mit dem wenigen Schlaf der vergangenen Nacht gerechnet war es kein Wunder, dass er schnell einschlief. Letztlich war das alles eine Nummer zu groß für ihn, so fühlte es sich zumindest an. Er hatte keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen würde, denn er wusste, dass es noch kein Ende hatte. Es würde abzuwarten bleiben, wie Antonin damit umgehen würde. Und es würde abzuwarten bleiben, welches Nachspiel die Aktion noch haben würde. Es war für ihn nicht abzusehen, was geschehen würde. Und dieses Gefühl machte ihm Angst. Er wusste gerne, was auf ihn zukam.

Doch das belastete ihn gerade jetzt, als er schlief nur geringfügig. Im Moment wollte er einfach nur seiner Erschöpfung nachgeben. Und diese war so groß, dass er nichts mehr mitbekam. Er merkte nicht, wie Antonin aufwachte, merkte nicht, wie jener aufstand, hörte nicht, wie jener in der Küche herumfuhrwerkte. Und er merkte nicht, wie Antonin neben ihm stand und auf ihn herabblickte.

Dafür glitt er in einen unruhiger werdenden Schlaf. Bilder des Tages verfolgten ihn darin, Bilder aus der Vergangenheit. Bilder, die er so schnell nicht vergessen konnte, Bilder die er dachte schon längst vergessen zu haben.

Und es war sein Handy, das ihn aus seinem schrecklichen Traum herauszog, als eben jener Klingelton ertönte, den er heute sicher nicht gerne hören wollte. Erschrocken blickte er sich um, blickte zu Antonin auf und lächelte unwillkürlich. Dann rieb er sich mit den Händen über das Gesicht, um Antonin noch einmal anzusehen. "Du bist wieder wach", stellte er mehr fest, als dass er fragte, und schlug die Decke zurück, um aufzustehen. Sein Kreislauf war noch nicht wirklich da, was ihn kurz schwanken ließ. Wann hatte er eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? Gestern? Wahrscheinlich. Sanft blickte in die sturmgrauen Augen, dann küsste er den anderen sanft. Costello würde er auch später noch zurückrufen können. Unschlüssig blickte er Antonin an. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. "Ich brauch dringend was zu trinken", murmelte er und wandte sich ab, um in die Küche zu gehen. Sein Blick glitt kurz über das von Antonin geschnittene Gemüse. Ob jener etwas hatte kochen wollen? Hatte er sich ablenken wollen, damit er nicht darüber nachdenken musste, was heute geschehen war? Cole nahm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und spürte, dass er sich scheute eine entscheidende Frage zu stellen. Er setzte die Flasche an und trank in langen Zügen, die Augen schließend, versuchend, sich zu entspannen.

Schließlich drehte er sich wieder zu Antonin, stellte die Falsche auf die Anrichte. Wenn er nicht stark war, wie sollte es denn dann Antonin sein? Und so ging er zu ihm, und umarmte ihn sanft. Einen Moment wiegte er den anderen einfach nur sanft in seiner Umarmung hin und her, selbst diese Nähe gerade einfach brauchend, dann löste er sich leicht und küsste Antonin in die Halsbeuge, bevor er sich von ihm löste und ihn ansah. "Wie geht es dir?", fragte er nun endlich.
 


 

Nathan

Nathan hörte sich diesen Schwachsinn gerade lange genug an, um Ragnar fertig sprechen zu lassen, bevor er diesen vorsichtig an der Hand ergriff und zu sich in die Wohnung zog. Die Tür hinter ihnen schließend, ging er dem Gefühl in sich nach und umarmte diesen unfassbar unsicheren Mann. Einen Arm locker um dessen Hüfte legend, hob er die andere und streichelte ihm sanft durch die Haare bevor es eine Art des Nackenkraulens wurde. "Du Dummkopf", murmelte er und lehnte seinen Kopf gegen den des anderen. "Du hast genügend mitgebracht, um dich ein bisschen von mir verwöhnen zu lassen: Dich selbst. Das ist vollkommen ausreichend und ich möchte nicht, dass du dich dafür noch einmal entschuldigst." Er löste sich weit genug, um Ragnar ins Gesicht blicken zu können. Nathans Ausdruck war sanft und ein leises Stimmchen flüsterte ihm zu, dass Ragnar jetzt ein bisschen Zärtlichkeit gut gebrauchen könnte. Und was für ein Glück für sie beide, denn er war nur zu gern bereit jene großzügig zu vergeben.

Er beugte sich vor, um Ragnar einen sanften Kuss zu geben und lächelte schließlich. "Dazu kommt, dass du mir keine Umstände machst. Welche denn auch? Habe in wenig Vertrauen in deine Anziehungskraft auf mich, Mogli", murmelte er und löste sich schließlich ganz von dem anderen, jedoch ohne dessen Hand loszulassen. Er selbst hatte sich nicht mehr wirklich in Schale geworfen, sondern trug nur seine bequeme Schlabberhose für zuhause und ein ziemlich weites, schwarzes T-Shirt. Nathan genierte sich nicht vor Ragnar. Wer wusste, wie er nackt aussah, der konnte auch wissen, wie er aussah, wenn er nicht mehr mit Besuch rechnete. Oder zumindest nicht mehr mit Besuch, für den er nach etwas Wichtigem aussehen musste. Im Wohnzimmer angekommen zog er Ragnar zu sich auf die Couch zwischen seine Beine, den anderen sofort wieder umarmend. Es lief leise Klassik im Hintergrund, da er seinen Film ausgeschalten hatte. Eine Weile schwieg er einfach nur, dem anderen immer wieder zärtliche Berührungen zukommen lassend, bis er das Gefühl bekam, dass dieser sich tatsächlich begann zu entspannen.

"Ich weiß, du hast dir gewünscht, dass ich für dich spiele, aber es wäre mir lieber das erst zu tun, wenn ich das Gefühl habe, dass es dir schon ein wenig besser geht", erklärte er schließlich leise und sah zu der Weinflasche, die auf dem Tisch stand. "Willst du etwas trinken oder essen?", fragte er dann doch, bevor er Ragnar ein paar Küsse auf den schönen Nacken gab und leicht Luft dagegen hauchte. "Ich könnte dir sogar ein Schaumbad anbieten. Zwar habe ich selbst die Massagefunktion noch nicht genutzt, aber sie soll nicht schlecht sein", flüsterte er gegen die warme Haut und lockerte seine Umarmung ein wenig.
 


 

Antonin

Antonin warf einen bösen Blick in die Richtung aus der das Klingeln kam. Zum einen, weil es ihn in seiner Betrachtung von Cole unterbrach, und zum anderen, weil er inzwischen sehr genau ahnte, wem dieser Klingelton gehörte. Es kostete ihn ein wenig Überwindungskraft wieder zu seinem Freund zu blicken, doch er erwiderte dessen Lächeln fast automatisch. Es freute ihn, jenen lächeln sehen zu können. Genau wie es ihn die letzten Minuten gefreut hatte, ihm einfach beim Schlafen und Atmen zuzusehen. Antonin wünschte sich, dass nicht nur das lange anhalten würde, sondern dass er auch nochmal das fröhliche Funkeln in den so geliebten grünen Augen sehen dürfte. Genau wie das seltene aber dafür umso anziehendere Lachen, das er noch häufiger hören wollte. Er nickte auf die Feststellung hin und beobachtete Cole, wie jener wohl ein wenig zu schnell aufstand und sogar kurz wankte. Der Tag hatte ihnen beiden viel abverlangt und es bereitete Antonin fast körperliche Schmerzen, den anderen schon wieder so zu sehen. Schon wieder wegen ihm.

Doch der sanfte Blick lenkte ihn von diesen Gedanken ab und der sanfte Kuss brach direkt durch einige Wälle, von denen er keine Ahnung gehabt hatte, sie überhaupt aufgezogen zu haben. Das hier war Cole, verdammt! Er müsste sich nicht verstellen... Dem anderen nachsehend, hob er eine Hand und stieß ein wenig frustriert Luft aus, während er sich durch seine Haare fuhr. Irgendwie fühlte sich die Situation gerade sehr seltsam an, oder lag das vielleicht an ihm? Ein wenig unsicher folgte er Cole ein paar Schritte weit, blieb dann jedoch stehen. Wie mussten das geschnittene Gemüse und die anderen Zutaten wohl gerade auf diesen wirken? Vermutlich konnte jener sich schon denken was er getan hatte. Zumindest bis er nicht mehr alleine mit einem Messer in der Küche stehen wollte. Als sein Freund auf ihn zukam, nachdem er getrunken hatte, sah er diesen zwischen Unsicherheit und unzähligen unausgesprochenen Fragen schwankend an.

Die Umarmung tat gut. Sogar sehr gut. Wie von selbst hob er seine Arme und lehnte sich an den anderen. Erlaubte sich selbst den kurzen Luxus, sich in seinem freien Fall auffangen zu lassen und sich sicher fühlen zu können. Ja, die Nähe fühlte sich so fantastisch an. Ebenso wie der Kuss auf seiner Haut ein angenehmes Kribbeln auslöste. Doch der prüfende, fragenden Blick Coles und die dazu auftauchende Frage ließ ihn wieder erstarren. Innerlich wie äußerlich. Bis er sich zumindest äußerlich wieder lockerte, schweigend in sich hineinhorchte, ohne den Blickkontakt zu diesen doch ein wenig aufgewühlt wirkenden smaragdgrünen Augen zu unterbrechen. Er musste sich räuspern eher er antworten konnte: "Ich weiß es nicht genau..", flüsterte er und musste stark gegen das Bedürfnis ankämpfen, seine Augen nicht doch zu schließen. Unbewusst ließ er seine Hand über den Rücken des anderen streicheln. Ihnen damit wohl beiden ein wenig Halt gebend. Vor allem aber wohl gierig wie er wohl war, sich selbst. "Ein bisschen wie ein Monster, glaube ich", versuchte er seine Gedanken in Worte zu fassen. "Schmutzig irgendwie. Es fühlt sich an, als hätte ich kein Recht auf positive Gefühle. Da ist Schuld, aber auch Erleichterung. Ich habe dir vorher beim Schlafen zugesehen und da war nur Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass du noch lebst. Ich weiß nicht... Es ist schwer zu erklären, aber ich werde schon damit fertig vermute ich. Früher oder später wird es aufhören weh zu tun und ich werde wieder damit aufhören können, mich selbst zu verabscheuen." Damit war er schon wieder ehrlicher gewesen als er gewollt hatte. Aber im Großen und Ganzen hatte er es noch so harmlos wie möglich ausgedrückt. Ja, er würde sich selbst nicht erlauben komplett abzustürzen, denn er bekam das Gefühl, dass er diesmal nicht alleine unten aufkommen würde. Und niemals, absolut niemals würde er Cole freiwillig mit nach unten ziehen.
 


 

Ragnar

Ragnar atmete tief durch und lehnte sich leicht gegen Nathan, als er in die erste Umarmung gezogen wurde. Er musste an sich halten, den anderen nicht heftig zu umarmen, nicht seine Finger in dessen T-Shirt zu krallen, um sicher zu gehen, dass jener nicht mehr von ihm weichen würde. Als jener sich ein wenig löste und ihn ansah, spürte Ragnar wieder zu deutlich diese unglaublichen Schmetterlinge. Seit wann war er eigentlich so unglaublich ausgehungert nach Zärtlichkeiten? Er musste leicht lächeln bei dem Gedanken. Seitdem er sich damit herumschlug, Menschen zu töten? Drogen zu vertickern? Bandenkriege zu führen? Waffen zu handeln? Seit immer also? Ode sagen wir seit 15 Jahren?

Ragnar schüttelte leicht den Kopf, um den Sarkasmus zu vertreiben. Er war doch jetzt hier. Und hier würde er die Parallelwelt weglassen. Hier würde er einfach nur ein normaler junger Mann sein, einfach nur ein stinknormaler Mann. Auch die folgenden Worte des anderen brachten ihn weiter zum Lächeln. Wie schaffte es Nathan eigentlich, immer die richtigen Worte zu wählen?

Sanft erwiderte er den ersehnten Kuss und ließ sich dann gerne mit ins Wohnzimmer nehmen, gerne mit aufs Sofa ziehen. Er lehnte sich gegen den anderen, schloss die Augen und genoss die Zärtlichkeiten, die ihm Nathan zuteilwerden ließ. "Hm...", seufzte er die Augen geschlossen haltend. Und langsam spürte er, wie er sich mehr und mehr entspannte. Sein Kopf glitt leicht zur Seite, um dem anderen mehr Platz zu bieten, während seine Finger begannen, mit der Hand des anderen herumzuspielen, sie zu streicheln.

Als Nathan wieder das Sprechen begann öffnete er die Augen, führte die Hand an seinen Mund und küsste sie sanft, in seiner Position ja nicht an das Gesicht des anderen herankommend. und wieder berührten ihn die Worte des anderen tief in ihm. War er so leicht zu durchschauen? Oder war Nathan nur so ein unglaublich feinfühliger Beobachter? Sanft drehte er sich in der Umarmung und blickte Nathan warm an. Langsam wurden seine Augen auch wieder heller. Sacht küsste er den anderen. "Weißt du eigentlich, wie unglaublich wunderbar du bist?", wisperte er leise, ohne auf die Fragen des anderen zu antworten. Er lächelte und spürte, dass er nun doch verlegen wurde. "Ich würde gerne etwas trinken. Und eine Kleinigkeit zu essen wäre auch nicht schlecht. Ich habe seit dem Frühstück keine Zeit mehr dazu gehabt. Und was das Schaumbad betrifft, so habe ich grade erst geduscht. Aber ich werde es mir in jedem Fall merken und komme ein andermal darauf zurück." Er lächelte den anderen an und küsste ihn erneut. Dann stand er auf, wissend, dass sie wohl jetzt aufstehen würden, um in die Küche zu gehen. "Ich glaube, irgendwann muss ich mal für dich einkaufen gehen. Ich esse dir die Haare vom Kopf. Oder ich lade dich zum Essen ein oder so...", überlegte er auf dem Weg in die Küche. "Du solltest aufpassen, dass ich deine Liebenswürdigkeit nicht zu sehr ausnutze und mich bei dir durchfüttern lasse. Ich achte viel zu wenig auf meine Ernährung, obwohl mir der Arzt rät, besonders wegen der Medikation darauf zu achten." Er hatte sich an einen der Stühle gelehnt, die an der Theke beim Herd standen und sah Nathan zu, wie er etwas für sie aus dem Kühlschrank zauberte. Ja, dieser Mann war einfach nur wunderbar. In jeder nur erdenklichen Art und Weise. Ob er irgendwelche Kanten hatte? Irgendwelche Ecken, an denen er sich noch stoßen würde? Er war gespannt, sehr gespannt darauf. Denn egal was es wäre, es wäre sicher nichts Vergleichbares mit dem, was er noch mit sich herumtrug.
 


 

Cole

Cole spürte eine unglaubliche Erleichterung, als er Antonins ehrliche Worte vernahm. Es beruhigte ihn unglaublich, dass er wirklich aufrichtig zu ihm war, dass er nichts wirklich beschönigte, dass er nichts leugnete, dass er sich nicht von ihm zurückzog, dass er ihm nicht irgendwelche Ausflüchte auftischte. Sanft küsste er den anderen erneut. "Ich kann gut nachvollziehen, dass du dich wie ein 'Monster' fühlst, oder auch schmutzig. Aber du solltest bei deiner Selbstbetrachtung auch den anderen Blick nicht vergessen. Den Blick von außen, der sowohl deine Tat betrachtet, als auch die Taten der anderen: meine, Nicholas, die der anderen Männer, die dir das Leben zur Hölle gemacht haben. Und dann ist deine Tat auch schon wieder relativiert. Und du darfst noch einen Blick nicht vergessen: Was wäre gewesen, wenn du ihm seinen Wunsch nicht erfüllt hättest? Wie wäre es dann weitergegangen? Wäre dann nicht Russland gekommen und hätte ihn eliminiert? Wäre dann nicht auch Tayra unter Umständen in die Schusslinie geraten? Ich habe keine Ahnung, es ist nur das, was ich vermute, aber du solltest nicht nur darüber nachdenken, was du getan hast, sondern auch das Drumherum betrachten, die Umstände, die Vorgeschichte." Cole atmete tief ein. "Und wenn du mir etwas anderes erzählen möchtest, als dass er dich angefleht hat, das zu tun, dann werde ich dir nicht glauben. Denn seine Augen waren eindeutig gewesen. Mehr als eindeutig." Cole hob die Hand und strich Antonin sanft über die Wange. "Du hattest keine Alternative." Er küsste Antonin erneut und genoss die streichelnde Hand an seinem Rücken. "Und nicht du wirst damit fertig, sondern wir, ok?" Er lächelte den anderen an. "Und jetzt muss ich etwas essen, sonst kippe ich heute doch noch um, und wenn ich es recht gesehen habe, dann hast du schon begonnen, etwas zu kochen."

Cole war bewusst, dass damit das Thema noch lange nicht gegessen war, aber er hoffte, dass Antonin klar war, dass er sich jederzeit auf ihn verlassen konnte. Er wollte mit ihm zusammen solche Dinge klären, nicht ausgeschlossen werden.

"Ich werde kurz telefonieren, dann bin ich gleich bei dir.“ Sacht löste er sich von Antonin und ging zu seinem Handy, dass er zum Laden an die Steckdose angeschlossen hatte. Nun ging er damit auf den Balkon, rief Costello zurück. Jener hatte ihn heute sprechen wollen. Doch Cole konnte ihn überzeugen, dass das auch bis morgen Zeit hatte. Er spürte das offene Misstrauen, das ihm jener entgegenbrachte, aber das war ihm heute vollkommen egal. Costello konnte ihn mal, wenn es um Antonin ging. Kurz rief er noch Ragnar an, der aber offenbar gerade nicht wirklich reden wollte und ihm nur mitteilte, dass sich Kieran um das Problem gekümmert habe. Nun, wenn er mehr wissen musste, würde er diesen anrufen, aber nicht jetzt.

Als er zu Antonin in die Küche zurückkehrte, war dieser wieder am Werkeln. Er lehnte sich an den Herd und betrachtete seinen Freund eine Weile. "Sag mir, womit ich dir helfen kann", sagte er schließlich.
 


 

Nathan

Nur zu gern ließ er sich von Ragnar küssen, grinste dann jedoch schelmisch. "Ja, hin und wieder wurde mir das durchaus schon gesagt. Wobei es aus deinen Mund natürlich mehr Gewicht für mich erhält", zog er den anderen auf und nickte dann nur. Wenn Ragnar etwas wollte, müsste er eigentlich nur fragen, aber das bekäme dieser schon mit der Zeit mit. Nach dem zweiten Kuss erhob er sich ebenfalls und lachte dann belustigt. "Du müsstest dich in ein schwarzes Loch verwandeln, um mir wirklich die Haare vom Kopf zu essen, aber wenn es dich besser fühlen lässt, habe ich gar kein Problem damit, mich zum Essen einladen zu lassen. Nur mit dem Einkaufen wird es problematisch, da müsstest du dich mit meiner Haushälterin auseinandersetzen." Er öffnete seinen Kühlschrank und holte einiges hervor, aus dem er gedacht eine kleine Mahlzeit für sie zu zaubern. Zudem es mit seinen Zauberkünsten was die Kochkunst betraf sowieso nicht sehr weit reichte. Ein Glas und eine Flasche Wasser nehmend, stellte er beides vor Ragnar und zwinkerte ihm zu. "Ja, ich gehöre zu den snobistischen Menschen, die so etwas wie eine Haushälterin beschäftigen. Seitdem gibt es einen Küchenplan, der strikt befolgt werden muss, von dem ich aber selbst nach zwei Jahren keine Ahnung habe, woraus er eigentlich besteht." Er beschäftigte sich wieder mit der Zubereitung ihres kleinen Mahls und gab einen kurzen brummigen Laut von sich. "Und ich weiß nicht so genau, ob ich wirklich so liebenswürdig bin, aber wenn du das denkst, dann kommt mir das sehr gelegen. Vor allem wenn dich mein Kühlschrank zu mir lockt, wird er in Zukunft auch weiterhin gut gefüllt bleiben. Besonders wenn man dich dann dazu bekommt, auf deinen Arzt zu hören." Er hob den Blick und sah Ragnar ein wenig missmutig an.

"Ich habe vor, dich eine noch keineswegs absehbare Zeit um mich herum zu haben, Ragnar, und wenn ich das damit unterstütze, indem ich dich verköstige, dann tu dir keinen Zwang an und komm zu jeder verflixten Mahlzeit vorbei." Er verzog die Lippen kurz bevor sein Blick wieder wärmer wurde. "Und wenn du dich dafür schuldig fühlst oder das Gefühl bekommst mich auszunutzen, lege ich dich übers Knie. Aber keinesfalls auf die eher angenehme Art und Weise." Ein amüsierter Glanz schlich sich in seine Augen, während er die mit Kräuterquark bestrichenen Vollkornbrotscheiben mit kleingeschnittenen Radieschen, Gurkenscheiben und Tomatenscheiben belegte, um noch etwas Salz und Pfeffer drüber zu streuen. "Oder muss ich dir wirklich einen Bankauszug zeigen, um solche Aussagen bezüglich 'Ausnutzung' und 'mit leeren Händen kommen' zu unterbinden?" Er legte die Brote auf einen Teller und kam um die Küchenzeile herum, sich vor Ragnar stellend und eine Hand an dessen Wange legend. Prüfend sah er in die wieder ein bisschen heller gewordenen Augen. "Vielleicht nutze ja vielmehr ich dich aus?", murmelte er, bevor er jenen in einen Kuss zog, der nach kurzer Zeit von sanft zu leidenschaftlicher glitt. Den Kuss dann jedoch lösend neigte er den Kopf ein Stück zur Seite und deutete zum Küchentisch.

"Und jetzt ab in die Ecke, bevor ich mich dazu genötigt sehe, dich sofort in Naturalien bezahlen zu lassen." Doch im Gegensatz zu seinen ein wenig strengen Worten, lächelte er und streichelte Ragnar ein weiteres Mal durch die weichen Haare. Also wirklich, der Mann bräuchte eine ganz gehörige Portion an Selbstvertrauen und Nathan würde sich nicht eher zufrieden zeigen, als bis jener sich nahm oder sagte was er wollte. Selbst wenn es nur etwas zu trinken war. Er schüttelte den Kopf ein wenig und löste sich von dem anderen, um den Teller zu holen und ihn zur Eckbank beim Küchentisch zu tragen.
 


 

Ragnar

Eine Haushälterin? Es bedarf eines schwarzen Lochs, um ihn zu ruinieren? Nun, dass Nathan sicher nicht ganz arm war, das wusste er. Der Mercedes, diese Wohnung, die Wohngegend, ihm gehörte ein Club, und mit seiner Arbeit verdiente er sicher nicht schlecht, wenn er sogar so große Events wie den American Book Award managte. Dennoch wurde Ragnar erst jetzt bewusst, dass Nathan wirklich reich zu sein schien. Dass für diesen Geld keine Rolle spielte. Kurz horchte er in sich hinein, ob das irgendetwas änderte. Ob er ihm genug sein könnte? Gut, er verdiente auch nicht schlecht, aber er brauchte sein Geld für die Medikamente, den Arzt, die Untersuchungen und vielleicht noch eine Reise.

Ragnar beobachtete, wie Nathan ihm das Essen zubereitete. "Ich komme sicher nicht nur wegen des Kühlschranks her", murmelte er in Gedanken, das von Nathan Gesagte nur nebenbei gehört habend. Nun klärte sich wieder sein Blick und er sah Nathan wieder direkt an. Rechtzeitig, um den missmutigen Blick des anderen einzufangen, die Anklage. Ragnar musste lächeln. "Ich verspreche dir, auf mich zu achten. Keine Sorge, da bin ich mittlerweile ganz gut drin. Und nein, musst du nicht. Ich bin es nur noch nicht gewohnt…" Er beobachtete, wie Nathan zu ihm kam und sein Kopf schmiegte sich ganz automatisch an die Hand des anderen und er musste unwillkürlich lächeln, als er die Frage hörte. "Du? Mich? Ich könnte mir nicht vorstellen, was das wäre..." Doch als Nathan näher kam um ihn zu küssen, ahnte er, was jener meinte. Er musste in dem Kuss weiterhin lächeln, zumindest bis jener leidenschaftlicher wurde. Ragnars Hand hob sich, strich Nathan über die Seite. Ob sie nicht gleich im Schlafzimmer verschwinden konnten? Nein, eigentlich war ihm gerade nicht so sehr danach, durch Sex auf andere Gedanken zu kommen, er wollte einfach nur Nähe, behütete Nähe.

Als Nathan den Kuss löste zauberte dessen 'Befehl' sogleich wieder ein Lächeln auf seine Lippen. "Ich gebe dir auch Naturalien, ohne dass du mir dafür etwas zu Essen geben musst."

Doch noch bevor er sich hatte setzen können, klingelte sein Handy. Er zog es heraus und ging kurz ran, sich ein wenig von Nathan wegdrehend. "Cole", begrüßte er seinen besten Freund. "Kieran hat sich um das Problem gekümmert, es ist alles erledigt... ja... hm... ist gut, bis morgen." Kurz blickte er auf das Display, das nach kurzer Zeit wieder sich verdunkelte. Ob er nach Antonin hätte fragen sollen? Ob er nochmal zurückrufen sollte? Andererseits hätte Cole schon etwas gesagt, wenn er Hilfe bräuchte? Er steckte das Handy wieder in die Hosentasche und setzte sich dann zu Nathan. "Entschuldige! Der Tag verfolgt mich noch." Er betrachtete da Essen, das Nathan ihm hingestellt hatte. "Wow, das sieht so gesund aus, dass sich mein Körper sicher gleich beschweren wird. Er wird einfordern, in Zukunft immer so etwas zu bekommen." Er grinste leicht, dann nahm er sich eines der Brote und begann zu essen. Erst wenn man wieder etwas isst, merkt man, wie hungrig man war. Sein Magen knurrte wütend auf, als er merkte, dass er endlich wieder beachtet wurde. Ragnar grinste verlegen. "Ich glaube, ich weiß, was ich gern noch machen würde. Ich würde mir gerne mit dir irgendeinen Film ansehen, irgendwas Nettes, Unproblematisches. Eine Liebesschnulze oder eine seichte Komödie. Vorausgesetzt, du möchtest das auch natürlich." Fragend blickte er Nathan an. Ja, irgendetwas Einfaches bräuchte er heute, etwas, das ihn den Tag heute vergessen ließ und ihm eine heile Welt vorspielte.
 


 

Antonin

Antonin ließ den Kopf sinken und hörte Cole aufmerksam zu. Darüber würde er wohl nachdenken müssen, auch wenn es vernünftig klang, war Vernunft doch das eine und Schuldgefühle etwas ganz anderes. Tayra in der Schusslinie? Ja, vielleicht. Oder redete man sich damit seine Taten nur schön und versuchte sie zu kaschieren? Er fühlte sich ein bisschen hin und her gerissen, schüttelte dann jedoch den Kopf. "Nein, ich möchte dir nichts anderes erzählen. In diesem Moment wollte er durch meine Hand sterben, aber du wolltest auch schon mal sterben und ich musste dich zweimal von Gegenteil überzeugen. Ich frage mich nur, ob er auch vom Gegenteil überzeugt werden wollte… nicht nur was sein Überleben in diesem Moment betraf." Bei den letzten Worten war seine Stimme kaum noch hörbar gewesen. Es waren vielmehr erste Gedanken, die er tatsächlich zu Worten fasste und die ihn selbst genauso sehr irritierten wie erstaunten.

Weshalb er auch ganz dankbar war, als Cole sich wieder von ihm löste und etwas zu essen verlangte. Das war gut, damit konnte er sich wieder ein wenig mit Normalität befassen. So nickte Antonin, mit den Gedanken schon beim Kochen nur ein weiteres Mal zustimmend. "Aber erwarte nicht, dass ich dich mit nach unten ziehe, wenn ich falle", murmelte er noch hinter Cole her, als jener schon am Weggehen war und wandte sich den bereits vorbereiteten Zutaten zu. Früher hatte er viel häufiger gekocht, gerade wenn er mal wieder völlig fertig aus dem Labor kam und das Verlangen nach simplen, einfachen Handbewegungen wie von selbst überhandgenommen hatte. Und eigentlich sollte das hier mal etwas Raffinierteres werden, aber inzwischen könnten sie beide wohl eine Mahlzeit vertragen. Dann würde es eben Hackfleischbällchen mit gedünstetem Gemüse geben, das wäre noch halbwegs ausgewogen. Halbwegs.

Als Cole von seinem Telefonat zurückkam und sich zu ihm stellte, lächelte er kurz. Antonin war sich zwar noch nicht so sicher, ob er es mochte, wenn man ihm beim kochen zusah, aber dass Cole wieder in seiner unmittelbaren Nähe war, beruhigte ihn. "Du kannst den Wok rausholen und das Gemüse andünsten.", erklärte er auf dessen Frage und schmunzelte kurz. "Und ja, sowas hast du. Ich habe ihn von mir mitgenommen als ich einkaufen war."

Gemeinsam brauchten sie nicht lange, um sich etwas Genießbares zu zaubern und auch wenn es Antonin inzwischen doch recht interessieren würde, was mit Nicholas passiert war, schwieg er sich darüber aus und unterhielt sich zumindest beim Essen nur über Belanglosigkeiten mit Cole, der darauf überraschenderweise einzugehen schien. Nicht dass Antonin sich darüber beschweren würde. Doch irgendwann schob er seinen Teller zurück und lehnte sich zurück an die Couch, den Blick auf die Decke richtend. Sein Appetit hielt sich irgendwie in Grenzen und er wartete momentan nur darauf, dass sein Freund mit dem Herumstochern beziehungsweise Essen fertig wäre, damit er sich wieder an ihn schmiegen könnte. Einfach ein bisschen Ruhe und Nähe... das wäre jetzt sehr schön.

"Als ich noch ein ganz junger Stöpsel war, bin ich meiner Mum wie ein kleiner Hund überall hin nachgelaufen. Das war ihr manchmal gar nicht so recht, denn mit meinem Vater im Gefängnis war das für uns beide nicht unbedingt die sicherste Gegend. Ich verstand es natürlich nicht, warum sie mich immer wieder schimpfte, wenn sie mich doch wieder hinter einem Auto hervorsehen sah. Was ich aber verstand, war, dass ich sie sowieso beschützen würde, egal was auch passieren möge." Er lächelte ein wenig bitter und wandte den Kopf zur Seite, um Cole zu betrachten. Dessen scharfen Gesichtszüge, das überhaupt markant wirkende Gesicht. "Vielleicht hat sich mein Schicksal ja nicht gegen mich verschworen, sondern mir nur die richtigen Waffen in die Hand gegeben? Es ist mitunter der tröstlichste Gedankengang der ganzen Geschichte."
 


 

Cole

Cole half Antonin beim Kochen, den anderen aufmerksam beobachtend. Die Worte des anderen hatten ihn stutzen lassen, doch er musste abwarten, was sie wirklich bedeuteten. Er wusste, dass auch wenn die Umstände gewisser Art waren, ein 'Mord' immer ein 'Mord' blieb, egal welche Ausreden und Gründe man hatte. Und dass Antonin letztlich immer ein Kainsmal auf der Stirn in Form einer Narbe tragen würde, war mehr als deutlich. Die Narbe würde ihn immer daran erinnern, einen Bruder ermordet zu haben. Und die Frage war nun, ob Antonin damit zurecht käme. Das würde er aber nur, wenn er sich mit allem konfrontierte, und wenn er es akzeptierte. Antonin war kein Verdränger wie Cole.

Er aß ein wenig von dem Essen, spürte, dass er tatsächlich etwas Hunger hatte und aß sogar recht viel für seine Verhältnisse. Als Antonin begann von seiner Kindheit zu sprechen blickte er auf und musste dann lächeln. "Dir steckt es offenbar wirklich im Blut auf jemanden aufzupassen. Und du machst den Job ja auch wirklich gut. Und wenn du nicht nach Russland gegangen worden wärst, wärst du vielleicht einmal Türsteher in einer Disko geworden, oder würdest ein Sicherheitsunternehmen leiten und zu Hause eine Familie und zwei Kinder haben. Oder du hättest eine Ausbildung zum Versicherungsvertreter gemacht. Dir liegt es wirklich im Blut, und ja, du hast nun wirklich eine Ausbildung hinter dir, die dich zu dem wohl besten Bodyguard macht. Aber niemand sagt leider, ob es die einzige Möglichkeit gewesen war, deiner Begabung gerecht zu werden. Das 'Was wäre wenn...' lässt sich hinterher immer nur schwer abschätzen. Wichtig ist, dass man akzeptiert, was hinter einem liegt und das Beste daraus macht, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Und deshalb ist es wirklich ein tröstender Gedanken, dass du nun Fähigkeiten hast, mit denen du nie Probleme haben wirst, einen Job zu finden. Aber du hast noch andere Begabungen, nämlich die Chemie und dein Traum, ein Schmerzmittel zu entwickeln, um den Drogenentzug zu erleichtern." Cole fiel auf, dass wirklich alles in Antonins Leben letztlich durch Russland geprägt worden war. Ob bei ihm selbst auch alles durch den Verlust seiner Familie geprägt worden ist? Letztlich schon, denn Costello hat dafür gesorgt, dass er alles, was er tat, damit in Verbindung brachte. Cole stellte den Teller weg und rutschte näher an Antonin heran, um ihn in seine Arme zu ziehen und ihn zu küssen. "Ich glaube wir beide werden uns nie von unserer Vergangenheit lösen können. Daher müssen wir wohl lernen mit ihr zu leben, was meinst du? Ob wir das jemals schaffen? Einfach zu akzeptieren, wie viel Scheiße wir erlebt haben, wie viel Leid wir erdulden mussten und wir jemandem zugefügt haben? Ob wir jemals wirklich ruhig schlafen können? Ich weiß nicht, ob wir das schaffen, aber ich würde es gerne. Ich würde gerne einfach einmal leben können, ohne die ganze Zeit an den ganzen Mist denken zu müssen." Cole seufzte und entließ Antonin aus seinen Armen, drehte sich so, dass er sich hinlegen und seinen Kopf auf Antonins Bauch legen konnte. "In dir rumort es", grinste er und blickte nach oben in Antonins Gesicht, am Bauch des anderen lauschend. "Ob du ein Kind bekommst, das sich gerade zu Wort meldet?" Kurz schloss er die Augen und seufzte tief. "Aber bis wir einmal wirklich in Ruhe leben können, müssen wir noch einiges hinter uns bringen. Und im Moment steht ein Punkt ganz oben auf der Liste. Tayra und Tamara." Er öffnete wieder sie Augen. "Du hast eine enorme Verantwortung jetzt, das weißt du. Und es wird nicht einfach sein." Kurz überlegte er, dann zückte er sein Handy, um Kieran anzurufen und richtete sich dafür ein wenig auf. "Ich bin‘s", meldete er sich nur und lauschte den Erklärungen des Gesprächspartners. "Ist gut. Du hast was gut bei mir."

"Ich habe einen Freund von mir gebeten, sich um Nicholas und die anderen Russen zu kümmern. Er ist ein Profi-'Aufräumer' sozusagen. Er hat die Russen so beseitigt, dass man sie nie wieder finden wird. Und Nicholas so gereinigt, dass es der Polizei schwerfallen wird, herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Es sollte ihnen nicht möglich sein, auf dich zu kommen. Für sie wird es so aussehen, als seien Russen dagewesen, die Rache geübt haben und wieder abgezogen sind. Und das ist auch das, was Tayra wohl denken wird. Sie wird dich natürlich fragen, wer es gewesen sein könnte und wieso. Ich habe keine Ahnung, wie viel sie von Nicholas und deiner Vergangenheit wirklich weiß. Aber eines ist sicher: Sie wird dich brauchen. Und er hat sich auch nicht durch dich töten lassen, wenn er nicht genau gewusst hätte, dass du auf sie aufpasst. Es wird nicht einfach, aber es wird machbar." Seine Augen glitten über das angespannte Gesicht des anderen. Er merkte deutlich, dass Antonin sich nicht wohl fühlte, dass er verkrampfte.
 


 

Nathan

Ruhig, vielleicht ein wenig neugierig sah er Ragnar dabei zu wie jener telefonierte. Cole also, ja? Dieser Name schien ihn neuerdings wirklich zu verfolgen, denn natürlich hatte Blair sich heute im Laufe des Tages gemeldet und sich über die Ungerechtigkeit dieser Welt im Allgemeinen und über den Bastard Cole im Speziellen beschwert. Als Ragnar sich wieder zu ihm setzte wank er ab. "Das haben grottige Tage so an sich. Greif lieber zu", forderte er auf und lächelte als er das Magenknurren vernahm. "Dann wüsste immerhin dein Körper was gut für ihn ist." Er lächelte und schnappte sich selbst eines der Brote. Eigentlich war sein Hungergefühl gerade eher gering, aber gegen eine Scheibe konnte man wirklich nichts einwenden.

"Hm, wie wäre es mit ‚50 erste Dates‘?", fragte er, nachdem er ein wenig darüber nachgedacht hatte. "Oder du schaust einfach selbst mal, was dir gefällt von den Filmen, die ich hier habe. Lass dich aber nicht von den ganzen Walt Disney Filmen abschrecken. Das ist so ein bisschen eine Art Hobby von mir." Diesmal war es an ihm ein wenig verlegen zu werden. "Die meisten davon kann ich inzwischen wohl auswendig mitsprechen", gestand er und betrachtete jenen schönen Mann neben sich. Ob Ragnar das wohl als kindisch empfinden würde? Aber selbst wenn, es ließe sich nicht ändern. Diese Filme gehörten seit kleinster Kindheit zu ihm und er war weder bereit sich davon zu trennen, noch würde er wohl jemals aufhören, seine Sammlung zu erweitern und zu vervollständigen. Wobei es natürlich Filme gab, die ihm besser als andere gefielen. Aber egal ob gezeichnet oder mit echten Personen, es zog ihn jedes Mal in eine kleine, heile Welt, in der man für ein paar Stunden aufgehen konnte und nichts Besseres zu tun hatte, als ein wenig mitzufiebern.

Als sie fertig gegessen hatten, ging er im Wohnzimmer zu seinem Schrank und öffnete die beiden Schranktüren. Sein Blick fiel auf die Filme, in welchen seine Mutter mitgespielt hatte, sogar noch der ein oder andere schwarz-weiß Film war dabei. Nathan beschloss dazu nichts zu sagen, wenn Ragnar nicht fragen würde. Als jener näher kam, machte er eine einladende Handbewegung. "Such dir einen aus. Oder auch zwei. Ich habe morgen gezwungenermaßen frei, insofern sind uns zeitlich keine Schranken gesetzt", erklärte er und lief zurück zu seiner Couch, einen Blick auf das alleinstehende Weinglas werfend, bevor er noch einmal in die Küche ging, um ein zweites zu holen. Er wusste nicht, ob Ragnar eventuell ein Glas mittrinken wollte, aber wenn, dann müsste später niemand mehr von ihnen aufstehen.

Als jener sich einen Film ausgesucht und in den Player gelegt hatte machten sie es sich bequem und Nathan genoss es zugegebenermaßen doch sehr, den anderen Mann im Arm zu halten. Ihn fast ein wenig abwesend zu streicheln und einfach bei sich zu haben. Was dessen Tag wohl an einem Sonntag so mies werden ließ? Aber Nathan wollte das nicht hinterfragen. Ragnar war zu ihm gekommen, als er ein wenig Ruhe brauchen konnte und das war im Moment alles was er wissen wollte und auch musste. Es zeigte, dass der Mann anfing, ihm zu vertrauen, sich an ihn zu wenden und für Nathan war das ein Schritt in die richtige Richtung. Es erzeugte ein warmes Gefühl in seinem Magen, eines, das er seit Robin nicht mehr wirklich gespürt hatte und es darum nur umso willkommener hieß.

Irgendwann schloss er die Augen, den Film schon zu oft gesehen habend, sich lieber auf Ragnars Nähe konzentrierend. "Ich bin froh, dass ich mich nicht so schnell von dir habe abweisen lassen", murmelte er und begann Ragnar zu kraulen. "Und ich möchte, dass du wirklich weißt, dass du jederzeit herkommen kannst. Es stört mich kein Stück. Eher im Gegenteil."
 


 

Ragnar

"Walt Disney Filme? Das ist cool... Ich liebe sie. Jetzt weiß ich auch, warum du in unsere Märchenmetaphern so wunderbar mit eingestiegen bist…" Ragnars Augen begannen zu leuchten. "Ich bin früher immer allein ins Kino, damit ich die Filme auf der Leinwand sehen konnte. Und als der Vater von Simba im König der Löwen gestorben ist, habe ich mit den ganzen kleinen Kindern um mich herum mitgeweint. Du musst also nicht im Mindesten verlegen sein. Das macht dich nur noch liebenswerter." Ragnar lächelte freudig und aß sein Brot zu ende. "Ich denke ich weiß auch schon, welchen Walt Disney ich mir aussuche. Mal sehen, ob du ihn hast." Er schmunzelte bei der Aussicht, heute einen Kinderfilm anzusehen. Doch als ihm die Absurdität dieser Handlung bewusst wurde, senkte er den bitter gewordenen Blick. Wann Tayra und Tamara wohl erfuhren, dass ihr Vater Tod war? Ob die Kleine jemals wieder auch Freude dabei empfinden konnte, wenn sie sich einen Kinderfilm ansah?

Ragnar schüttelte den Gedanken weg. 'Das gehört hier nicht hin', schalt er sich. Und so folgte er schließlich Nathan ins Wohnzimmer, wo ihm das DVD-Regal gezeigt wurde. Seine Augen glitten über die Titel, einfach neugierig, welche Filme er so da hatte, als er merkte, dass der Namen einer Schauspielerin häufig auftauchte. 'Ava Lavinia Gardner'. Ragnar runzelte die Stirn und zog einen der Filme heraus. Die Augen waren eindeutig diejenigen, die er so faszinierend fand. Hm, deswegen hatte er nicht viel von seiner Familie erzählt, als sie einmal das Thema irgendwie kurz angeschnitten hatten. Ragnar schob die DVD zurück in das Regal und zog 'Ein Königreich für ein Lama' heraus, die DVD, die er gleich gefunden hatte, ging zum Player und legte die DVD ein. Der Sohn einer bekannten Schauspielerin also. Nun, das erklärte seine Schönheit, und seinen Wohlstand wohl auch irgendwie. Aber offensichtlich hängte er es nicht an die große Glocke. Ragnar spürte immer deutlicher, dass er Nathan in einer wirklich komplett anderen Liga spielte, als er. Und dennoch war jener bescheiden. Ob er den Unterschied dennoch spüren würde, irgendwann?

Ragnar kuschelte sich in die Umarmung des anderen und genoss die Streicheleinheiten, die er bekam. Nein, Nathan war nicht abgehoben, er war vielmehr unglaublich zärtlich und feinfühlig. Ob er ihn deswegen mochte, dass er eben niemand aus der gleichen 'Schicht' war? Hatte das überhaupt eine Rolle gespielt, als sie sich kennengelernt hatten. Ragnar verfolgte den Film halbherzig, musste dennoch an seinen Lieblingsstellen leise lachen. Als Nathan ihn mit einem Mal ansprach, drehte er den Kopf und spürte dieses verräterische Herzklopfen schon wieder. Seine Augen suchten die des anderen. "Ich bin auch froh, dass du dich nicht so einfach hast abschütteln lassen. Und ich bin froh, dass ich mich nicht in dir getäuscht habe. Ich bin eigentlich ein Genie darin, den falschen Menschen zu vertrauen, und die Strafe, die ich dafür in mir trage, hat mich sehr vorsichtig werden lassen." Sanft küsste er den anderen und begann sich so zu drehen, dass er ihm schließlich auf dem Schoß saß. Seine Hand glitt durch das federweiche Haar des anderen. "Ich danke dir für deine Beharrlichkeit." Er lächelte und küsste Nathan auf die Stirn. "Und ich danke dir für deine offenen Arme." Kurz wurde er durch den Film abgelenkt, griff kurzentschlossen zur Fernbedienung und schaltete auf Pause. "Und jetzt - seine Hände zupften am Shirt des anderen - jetzt denke ich hätte ich große Lust, dir ein wenig zurückzugeben, was du mir dadurch gibst." Seine Lippen versiegelten die des anderen mit einem erst zärtlichen, dann leidenschaftlicheren Kuss. Bis er sich schließlich löste, um dem anderen das Hemd über den Kopf zu ziehen. Seine Finger glitten sanft über den schönen Oberkörper des anderen.

Sein schlechtes Gewissen erdrückte ihn in diesem Moment unglaublich. Sicher, er war dankbar, aber wenn er bedachte, was er dem anderen dafür zurückgab? Nichts, außer Oberflächlichkeiten, eine Fassade, hinter der nur Schmutz lag. Und wenn dieser unglaubliche Mensch dahinter sehen würde, wusste er, dass er ihn nie wieder sehen würde. Und sonst? Sonst gab er ihm nur seinen Körper, Sex. Und vielleicht sollte er endlich einmal zur Vernunft kommen, und endlich anfangen, zu begreifen, dass es besser wäre, wenn sie es nicht dazu kommen lassen würden, dass Nathan erkannte, wer er wirklich war. Und eigentlich musste er verhindern, dass sie sich ineinander verliebten. Aber hatte er das nicht schon längst? Zeigte ihm sein Körper nicht sehr deutlich, dass er schon hoffnungslos verloren war? Umso wichtiger, dass er es verhinderte, dass Nathan sah, wer er wirklich war, welcher abscheuliche Mensch. Und was war mit Nathan. Hatte er ihm nicht schon mehr als einmal angedeutet, dass da Gefühle bereits mitschwangen?

Ragnar schluckte, blickte Nathan irritiert an. Wieso war er hier? Wieso nach so einem Tag? Um sich von der Hässlichkeit seines Lebens abzulenken, durch die Schönheit dieses Mannes? War er so ein großes Arschloch?

Ragnar glitt von Nathans Schoß. "Ich sollte jetzt glaube ich gehen...", murmelte er. "Ich... ich habe vergessen meine Medikamente zu nehmen." Er schaffte es nicht Nathan anzusehen. Da war er wieder, dieses allesverschlingende schwarze Loch, das gerade hämisch lachte und ihm die Luft zum Atmen nahm. Er schluckte hart und drehte sich, um das Wohnzimmer zu verlassen. Seit wann war er eigentlich zu so einem selbstsüchtigen Arschloch geworden? Und seit wann war er so ein Lügner?
 


 

Nathan

Ruhig erwiderte er den Blick des anderen und war froh zu hören, dass jener ähnlich dachte wie er selbst. Gerade wenn das mit dem Vertrauen stimmte. Ob er selbst jemals wieder vertrauen könnte, an dessen Stelle? Noch dazu einem Mann, der an ihn interessiert war? Nathan konnte es nicht sagen. Beim besten Willen nicht. Liebevoll erwiderte er den Kuss und beobachtete Ragnar dabei wie jener sich auf seinen Schoß setzte, brummte zufrieden als er dessen Hand an seinem Kopf, in seinen Haaren spürte. Mit so kleinen Streicheleinheiten brachte man ihn wirklich dazu, einem aus der Hand zu fressen. Mh, für seine Beharrlichkeit war ihm noch nie gedankt worden. Viel häufiger wurde sie verdammt. Ein Lächeln schlich sich ein als Ragnar den Film auf Pause schaltete und so vielsagende Versprechen machte. Oh ja, er würde sicherlich nicht davor zurückweichen, wenn der andere denn wirklich unbedingt meinte, ihm etwas zurückgeben zu wollen. Der Kuss, der schnell leidenschaftlicher wurde endete für seinen Geschmack viel zu schnell, doch als Ragnar sich anschickte ihm das Shirt auszuziehen half er diesem dabei. Mit halboffenen Augen warf er das Shirt neben sich und hielt ruhig. Ließ zu und sah zu wie der andere sacht über seinen Oberkörper strich, die sanften Berührungen genießend und es ihnen beiden zugestehend.

Und gerade als Nathan wieder dabei war diese wunderschönen dunklen Augen zu bewundern, glitt ein bereits einmal gesehener Ausdruck durch eben jene. Zusammen mit anderen Emotionen, die er in diesem Augenblick nicht wirklich zuordnen konnte. Was..? Unerwartet traf ihn der irritierte Blick aus dem dunklen Augenpaar und fast glaubte er Fragen in jenen zu erkennen. Nur welche? Warum jetzt? Und warum zum Henker rutschte der andere jetzt von ihm runter und murmelte etwas von gehen? Die Medikamente vergessen? Diesmal war es das hellblaue Augenpaar, das dunkler wurde, und doch dauerte es einige Sekunden bis offenbar eine Entscheidung hinter der arbeitenden Stirn gefällt worden war. Denn als Nathan aufsprang war Ragnar schon fast an seiner Wohnungstür angekommen. Und als er sich an jenem vorbeilehnte, um die sich bereits öffnende Türe mit der Hand aufzuhalten und wieder zuzudrücken, waren sie nicht recht viel heller geworden. Die freie Hand, die nicht an Ragnars Kopf vorbei gegen die Tür drückte schlängelte sich zu dessen Gesäßtasche und hatte das kleine Platiktütchen in Sekunden hervorgeholt.

"Ich halte mich für den Großteil der Zeit für einen nachsichtigen Menschen, Ragnar", begann er mit tonloser Stimme und hob das Tütchen in das Sichtfeld des anderen Mannes und zugleich aus seinem. Schade... er hatte sich nicht getäuscht. Es wäre ihm gerade lieber gewesen. "Und ich bin der letzte, der dich zwingen würde hier zu bleiben. Selbst dann nicht, wenn es gerade nicht nur ein paar Küsse und Streicheleinheiten gewesen wären, die wir ausgetauscht hätten", fuhr er fort, zog seine Hand zurück und schob das Tütchen wieder zurück in Ragnars Tasche. "Aber ich hätte die Wahrheit von dir erwartet, keine billige Lüge, die mich vermutlich sogar mit Sorge über dich zurück gelassen hätte." Er trat einen Schritt zurück, gab die Tür sogar wieder frei.

"Den Gesichtsausdruck von dir, den du hattest, als dir einfiel, dass du gehen musst, den habe ich bereits einmal gesehen, Ragnar." Diesmal kehrte ein Stück Emotion in seine Stimme zurück. Sie wurde wieder weicher und ein wenig wärmer. "Du hast mich Sekunden darauf auf der Tanzfläche stehen lassen, als du vor deiner Krankheit - oder vielmehr ihren Auswirkungen geflohen bist. Wovor fliehst du diesmal, Aschenputtel?" Er streckte die Hand aus, um mit seinen Fingern über das wunderbar weiche Haar des anderen Mannes zu streichen. "Und lässt du mir einen gläsernen Schuh zurück oder verschwindest du für immer, sobald du durch diese Tür trittst?", murmelte er leise. Langsam zog er die Hand zurück und seufzte, einen weiteren Schritt zurücktretend. "Zu emotional getroffene Entscheidungen sind nicht immer die besten. Manchmal tendiert man dazu, Dinge übertrieben deutlich zu sehen. Zu rosa, zu schwarz, zu grau. Such es dir aus." Er lehnte sich gegen die Wand im Gang, Ragnar nicht aus den Augen lassend. "Ich kann es nicht wissen, aber wenn ich tippen müsste, hattest du einen schweren Tag und bist emotional gerade ziemlich ausgebrannt. Aber das ist in Ordnung, wenn meine Meinung dazu irgendetwas wert ist. Hierher zu kommen hat nicht zu bedeuten, dass du gute Laune brauchst, oder dass es in Sex resultieren muss. Zu mir zu kommen, muss für dich auch nicht bedeuten, mir etwas mitzubringen als Gegenleistung. Von mir aus kommst du sogar hierher, weil du in meinem Bett besser schläfst und diesen Schlaf nötig hast. Ich habe keine bestimmten Pattern in meinen Erwartungen an dich, außer vielleicht, dass ich dich noch viel häufiger hier haben möchte. Egal in welcher Verfassung, solange du mich nicht wieder so durchschaubar anlügst, weil dir auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen ist." Er stieß sich von der Wand ab und ging ein paar Schritte in Richtung Wohnzimmer. "Überleg es dir, Ragnar. Meine Tür steht dir auch in Zukunft noch offen und im Grunde musst du jetzt nicht einmal gehen. Aber vielleicht solltest du darüber nachdenken, warum du heute zu mir gekommen bist, bevor dich dein Fluchtinstinkt überrollt hat."
 


 

Antonin

"Hm.. eine Sicherheitsfirma, ja? Nein, ich glaube eher nicht.", überlegte er laut und musste sogar kurz lächeln als er sich als Türsteher vorstellte. Wie er Jugendlichen sagte, dass sie wieder nach Hause gehen und an Mamas Rockzipfel hängen sollten. Auch das war kein Bild, das er sich wirklich für sich vorstellen konnte. "Das mit der Chemie wird immer die vermutlichere Entscheidung sein", bestätigte er und dachte kurz an CI-1. Ja, er könnte sich mit seinem eigenen Labor wieder darauf konzentrieren. Mehr oder weniger, denn nun gab es auch andere Dinge, die er nicht einfach beiseiteschieben konnte, wenn sie ihm an Last zu schwer wurden. Nur zu gerne ließ er sich in Coles Arme ziehen und küssen, die Augen schließend schmiegte er sich näher an seinen sicheren Hafen und fühlte sich für eine kurze aber wunderbare Weile beschützt und geborgen.

"Nein, sich ganz zu lösen ist nicht möglich. Weder mit Verdrängen, noch mit Verarbeiten. Aber ich hoffe, dass wir es wirklich eines Tages schaffen. Mein Wunschutopia ist das langweiligste Leben, das sich ein normaler Mensch vorstellen kann", murmelte er und setzte sich ein wenig bequemer hin, als Cole sich drehte und mit seinem Kopf an seinem Bauch zu ruhen kam. Er hob eine Hand, um diesen durch die Haare zu streicheln und mit den Fingerspitzen über das schöne Gesicht zu fahren. "Wobei es natürlich trotzdem erfüllend wäre, schließlich bist du in diesem Utopia bei mir. Und das gefährlichste in unserem Leben wären die beiden Hunde, die wir hätten. Und das Fellknäul natürlich, das die beiden erzieht." Er lächelte und seine Augen blickten ein wenig in die Ferne, sich dieses Szenario vorstellend. Natürlich war es einfach nur lächerlich, sich auch nur kurzzeitig solchen Ideen aka Hirngespinsten hinzugeben, aber es beruhigte den immer noch tobenden Sturm in ihm ein wenig. Und es waren schöne Gedanken. Ein ruhiges Leben mit Cole.. Ob sie sich irgendwann auf die Nerven gehen würden? Oder ob die vergangenen Erlebnisse sie bis ins hohe Alter wissen lassen würden, durch was für Fegefeuer sie gehen mussten, um das zu erreichen? Würde sie das noch näher zusammenschweißen?

Er musste lachen als er Coles Worte hörte. "Ein Kind? Oh wunderbar, nun bin ich also auch noch ein biologisches Wunder?" Doch das Lachen blieb ihm sehr schnell im Hals stecken als er zwei Namen hörte die ihn hart schlucken ließen. Ja, die zurückgebliebene zerstörte Familie. Durch ihn unreparierbar zerstört. Es wird nicht einfach sein? Wem wollte sein Freund da etwas schönreden? Nicht wirklich nötig... Antonin hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, welche Höllenqualen da noch auf ihn zukommen würden. Er lauschte dem Telefongespräch, sah dabei zu wie Cole sich aufrichtete und seufzte innerlich. Damit zerplatzte sein Wunschtraum wieder einmal sehr effektiv und die Realität hatte ihn wieder. Von wegen ein Haus mit zwei Hunden. So etwas könnte er sich selbst dann nicht gönnen, wenn es irgendwie möglich wäre. Seine Schuldgefühle, selbst glücklich zu sein, während andere durch ihn so sehr litten, würden ihn ersticken.

Er nickte, um Cole zu zeigen, dass er zuhörte, auch wenn sich alles in ihm verspannte. Mit jedem weiteren Wort schien sich der Strick um seinen Hals enger zu ziehen und einzelne Bilder poppten aus seiner Vorstellungskraft heraus hoch, um ihn den 'präparierten' Nicholas zu zeigen. Ohne es zu wollen, hob er die Hand, um sich an die Stirn zu greifen. Eine weitere Narbe... vielleicht die erste verdiente. "Ja, sie wird mich brauchen. Mich, den Zerstörer ihrer heilen Welt." Warum war seine Stimme auf einmal so krächzig? "Er hat gesagt, sie wären abgesichert. Vermutlich gibt es ein Testament und eine Lebensversicherung. Das wird vieles erleichtern", versuchte er rational zu denken. "Ich werde wohl auf ihren Anruf warten müssen. Bis sich die Polizei bei ihr gemeldet hat, um den 'Fund' zu melden. Vielleicht will sie sogar, dass ich mit ihr zur Identifizierung fahre." Seine Pupillen weiteten sich leicht und sein Atem ging ein wenig schneller, abermals sah er nicht Cole, sondern durch ihn durch. Ließ die Bilder vor seinem geistigen Auge abspielen. "Sie weiß einiges und wird noch mehr hinterfragen. Meine Lüge muss so gut werden, dass ich sie selbst glaube. Oh Gott... Tamara...", würgte er noch hervor und sprang auf, um ins Bad zu rennen und sich ein weiteres Mal zu übergeben. Himmel! Er war wirklich das Arschloch das eine dreijährige zur Halbwaisen gemacht hatte. Er trug die Verantwortung, darauf zu achten, dass sich das Mädchen nicht in falsche Kreise begab. Er würde die Rolle einer Vaterfigur nicht unähnlich einnehmen müssen und das, obwohl er kaum auf seine eigene geistige Verfassung aufpassen konnte. Und dann war da noch Cole und dieser Costello, von dem er sich schon länger vorgenommen hatte, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Sein Labor… seine Wohnung, in die er nicht mehr zurück konnte. Abermals verkrampfte sich sein Magen und er würgte. Aber im Grunde konnte er nur alles auf sich zukommen lassen, oder? Er könnte sich mental vorbereiten und Tayra genauso anlügen, wie er alle über Jahre hinweg angelogen hatte. Er könnte äußerlich wieder stark werden. Seine Mauern wieder aufbauen und ein Lächeln für sie alle haben. Er würde einen Schritt nach dem nächsten tun, sich aufladen soviel er müsste und danach systematisch damit beginnen, diese Last wieder loszuwerden. Aber war das die richtige Lösung? Gab es denn überhaupt eine richtige Lösung? Könnte er wirklich wieder in sein altes Verhaltensmuster zurückfallen, ohne seine Beziehung mit Cole zu verändern?

Konnte er?
 


 

Ragnar

Er war so ein Idiot, so ein verdammter, elendiger Idiot. Wieso hatte er es so weit kommen lassen? Wieso hatte er es so weit kommen lassen, dass es schmerzte, obwohl er wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Ragnar spürte, wie der Klos in seinem Hals ihm das Schlucken schwer machte, wie er kaum noch Luft bekam, wie er damit kämpfen musste, dem Ansturm der Tränen zu widerstehen. Doch dann hörte er hinter sich die Schritte des anderen und noch bevor er die Tür weit genug aufmachen konnte, wurde sie wieder zugedrückt. Gleichzeitig spürte er die Hand an seiner Gesäßtasche, die natürlich fündig wurde. Sein Blick senkte sich von der Hand des anderen, die die Tür zuhielt, auf seine Hand, die noch auf der Türklinke ruhte. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Die Nähe des anderen ließ ihn zittern. Als das Tütchen ihm vor die Nase gehalten wurde war er gezwungen, dieser beschissenen Lüge ins Gesicht zu sehen. Aber es war ja nicht einmal die schlimmste Lüge, die sich hier befand. Wenn er diese Wohnung betrat, lebte er eine Lüge. Ragnars Hand verkrampfte sich, aber er traute sich nicht, sich umzudrehen. Er musste noch viel zu sehr damit kämpfen, die Beherrschung nicht zu verlieren und diesen angestauten Emotionen, negativen Emotionen freien Lauf zu lassen.

Die Wahrheit möchte Nathan wissen? Könnte er ihm die Wahrheit sagen? Jemals? Und wenn er sie ihm sagen würde, was würde dann geschehen? Würde er auf Verachtung stoßen? Würde Nathan ihn von sich stoßen? Sicher würde er nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Und vielleicht hätte er Glück, dass jener nicht die Polizei rufen würde. Er würde es ihm nicht sagen können. Als Nathan ihm die Tür wieder freigab, war Ragnar überrascht. Gespannt lauschte er den Worten. Ja, damals war eine Wahrheit offen gewesen, die seine Krankheit betraf. Nun stand eine Lebenslüge im Raum. Und genau vor der floh er. Er wollte nicht erleben müssen, dass er wegen seines Lebensstils zurückgestoßen wurde, obwohl er sich verliebt hatte. Und er wollte genau aus diesem Grund, aus dem Gefühl heraus, den anderen bereits in sein Herz geschlossen zu haben, verhindern, dass dieser noch enttäuschter von ihm wäre, als er es gerade in diesem Moment bereits war. Ob er ihm einfach sagen sollte, dass er ihn nicht leiden konnte? Sollte er vielleicht einfach zum wirklichen Arschloch mutieren? Vielleicht würde das alles einfacher machen. Dann hätte nur er zu kämpfen und Nathan hätte seine Ruhe in dem Wissen, dass er ohnehin nur ein riesiges Arschloch gewesen war.

Ragnar zuckte zusammen, als er die weiche Hand des anderen, diese zärtliche Berührung spürte und er schloss einen Moment die Augen. In ihm bäumte sich etwas auf, schreiend. Das Wasser, das sich in seinen Augen gesammelt hatte lief ihm in einem Tropfen den Nasenrücken hinunter, kitzelte ihn an der Nasenspitze. Eine schnelle Bewegung wischte die Träne weg. Für immer, würde er gehen, wenn er jetzt ginge. Aber war er Nathan nicht noch eine Wahrheit schuldig? Sollte er nicht erklären, weshalb er jetzt gehen würde?

Die nächsten Worte trafen ganz gut. Ja, er war emotional ausgebrannt. Er hatte wieder einmal dabei geholfen, Menschenleben auszulöschen und hatte wieder einmal gewusst, dass es ihn nicht stören würde, von dieser Welt Abschied zu nehmen. Er war erneut dem Tod begegnet und hatte zugesehen, wie Leichen beseitigt worden sind. Er hatte sogar eine Leiche in seinem Auto kutschiert, um den Tathergang vertuschen zu können. Und während er das getan hatte, war er innerlich tot gewesen. Und jetzt? Jetzt schaute er hier mit Nathan, einem unvergleichlichen Mann aus einer unglaublich heilen Welt, Kinderfilme an, um dieses Schwarz in seinem Leben zu verdrängen. Und natürlich hatte er genau aus diesem Grund das Bedürfnis dem anderen etwas zurückgeben zu können. Schließlich benutzte er ihn doch nur, um der Scheiße zu entkommen, die ihn Tag für Tag überrollte. Er hatte keine Pattern? Das klang zu schön um wahr zu sein. Aber es war anders, denn er hatte vorhin gesagt, dass er einfach nur Wahrheit haben wollte. Und selbst wenn er nichts erwartete, Ragnar würde sich nicht wohlfühlen. Denn für diese unglaubliche Unverbindlichkeit, die Nathan ihm schenkte, könnte er ihn noch mehr lieben, als er es jetzt schon tat. Diese offenen Arme, die ihn umschlossen, ohne Fragen zu stellen, ohne wissen zu wollen, waren das, was ihm so gut tat. Aber umso mehr hatte Ragnar das Gefühl, ein falsches Spiel zu spielen. Und das hatte Nathan nicht verdient.

Warum er heute zu ihm gekommen war? Ragnar schluckte, sein Hals schmerzte noch immer. Noch immer hatte er sich keinen Millimeter gerührt. Doch jetzt hörte er wie Nathan zurück in Richtung Wohnzimmer ging. Und mit einem Mal kam in ihm Panik hoch. Sollte er jetzt einfach so gehen? Ihm war klar, dass er heute gehen würde, aber sollte er sich nicht wenigstens noch erklären?

Er drehte sich um, blickte auf den schönen Rücken des anderen. „Ich bin hierhergekommen, weil es mir unglaublich gut tut, bei dir zu sein, weil ich hier abschalten kann, weil es mir hier gut geht, weil ich mich hier wohl fühle, weil ich deine Nähe genieße, weil ich süchtig nach deinen Küssen bin und weil ich wusste, dass ich hier alles andere vergessen kann, weil du mich erfüllst.“ Kurz zögerte er, dann sprach er weiter. „Es tut mir leid, dass ich dich gerade angelogen habe. Du sagst, du willst die Wahrheit hören. Genau da liegt der Hund begraben. Ich kann nicht lügen, das habe ich dir gerade bewiesen. Aber ich bin gerade mächtig dabei, mich selbst und damit auch dich zu belügen. Denn meine Flucht hierher in diesen unglaublich schönen Traum ist letztlich die größte Lüge. Es gibt Dinge, die mein Leben betreffen, die ich dir wohl nicht erzählen kann, und die du wohl auch lieber nicht wissen möchtest – glaube mir. Damals auf der Tanzfläche bin ich geflohen, wegen der Wahrheit hinsichtlich HIV. Heute werde ich fliehen, weil ich es nicht ertrage, dass du so wunderbar bist, aber ich dich letztlich nur anlüge - die ganze Zeit. Und deshalb gehe ich jetzt lieber. Ich denke der Traum ist ausgeträumt. Und ich denke, es sollte lieber ein Ende mit Schrecken sein, als ein Schrecken ohne Ende. Ich möchte dich nicht länger anlügen.“ Ragnar drehte sich um, öffnete die Tür und verließ das Paradies, das er für eine kurze Zeit genießen hatte dürfen. Er spürte, dass er dringend hier weg musste, schnell, so schnell wie möglich. Und daher nahm er die Treppe, eilte sie hinunter, ging zu Coles Wagen und setzte sich hinters Steuer, um den Motor zu starten. Doch weiter kam er nicht, bevor er nicht mehr an sich halten konnte und den Emotionen in ihm freien Lauf ließ.
 


 

Cole

Ein Schmunzel legte sich auf Coles Lippen, als er Antonins Utopia hörte, aber es war ein trauriges Schmunzeln. Ja, diesen Traum träumte er auch jeden Tag. Und jeden Tag stellte er fest, dass es wirklich nur ein Traum war. Der Traum von einem ruhigen Landhaus, einer kleinen Kanzlei, einem ruhigen, ausgefüllten Leben. Aber Träume sind Schäume. Er spürte, wie Antonin sich anspannte, als es wieder um die Realität ging. Aber selbst wenn sie ihren Traum nie aus den Augen lassen würden, so würde bis zur Verwirklichung des Traums noch einiges zu tun sein. Sehr viel zu tun sein. Und nun ging es darum, mit den heutigen Tag irgendwie fertig zu werden.

„Antonin“, Cole blickte seien Freund streng an, als dieser begann zu sprechen. „Sie hat nie in einer heilen Welt gelebt. Und das weiß sie auch. Du solltest sie nicht unterschätzen. Frauen sehen mehr, als man denkt. Sie wusste genau, worauf sie sich einließ, als sie mit Nicholas zusammengekommen war, auch wenn sie die Hintergründe nicht kannte. Es bleibt abzuwarten, was passieren wird, aber wir sollten auf jede Eventualität vorbereitet sein, damit uns nichts überrascht.“

Er nickte, als Antonin ihm bestätigte, dass er sich vorbereiten müsste, weil Tayra Einiges wissen wollen würde. Besorgt merkte er, wie Antonin immer blasser wurde, bis er schließlich aufsprang und zum Klo eilte. Cole seufzte innerlich. Ja, so etwas war nicht leicht zu verkraften. Einen Menschen zu töten, der einem nahe stand, war wohl eines der schwierigsten Dinge, die man sich vorstellen konnte. Ob er es jemals schaffen würde, Costello zu ermorden, selbst wenn er so weit an ihn rankommen würde, dass ihm das möglich wäre? Ja, wahrscheinlich schon. Aber da hing eben keine Familie dran, die darunter leiden würde. Zumindest keine Familie, die ihm nahe stand. Und Costello war auch nicht sein 'bester' Freund gewesen. Cole fiel Ragnars Bitte ein, ihn zu töten, bevor er nur noch dahinsiechen würde. Ob er das schaffen konnte? Ja, er würde es tun. Aber es würde ihn auch mehr als nur belasten. Ob es jenem gut ging? Es schien, als sei er zu Nathan gegangen. Eine gute Entscheidung. Vielleicht würde Ragnar irgendwann einmal sein Utopia leben können.

Ruhig stand er auf und folgte dem anderen ins Bad, wo er sich in den Türrahmen stellte. Antonin trug eine enorme Last auf seinen Schultern, das wusste er. Und er wusste, dass es nicht nur Nicholas Familie war, die ihn belastete, sondern auch seine eigene unsichere Lebenssituation. Er würde in nächster Zeit viel Kraft brauchen, um alles zu schaffen, was vor ihm lag. Und dieser Berg war nicht gerade niedrig. Er würde Antonin wohl in nächster Zeit deutlich zeigen, dass er für ihn da war, dass er ihn an der Hand hielt und dass er sich auf ihn stützen könnte, wenn er ihn brauchte. So wie Antonin schon so oft für ihn dagewesen war. Und so stieß er sich vom Türrahmen ab und legte Antonin die Hand auf den Rücken, gab ihm wortlos einen Zahnputzbecher mit Wasser und die Zahnbürste, damit er den Geschmack aus dem Mund loswerden konnte.
 

„Lass uns ins Bett gehen. Es wird schon spät. Und ich würde dich einfach nur gerne in meinen Armen halten. Morgen sehen wir weiter.“ Cole zog sich sein Hemd über den Kopf und zog die Hose aus, die er beide im Bad zurückließ. Dann ging er noch durch die Wohnung, um die Lichter zu löschen, nahm zudem noch eine Flasche Wasser mit ans Bett und kippte das Fenster im Schlafbereich, um sich schließlich ins Bett zu legen. Morgen würde es weitergehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Saru-Chan
2010-01-05T18:28:16+00:00 05.01.2010 19:28
Okay, Okay... ich möchte jetzt auch mehr von Ragnar und Nathan lesen!
Das ist superinteressant geworden! *schwärm*
Dein Schreibstil würde mich dazubringen Mathebücher genau durchzulesen und es sogar toll zu finden!!
Du bist genial!!! *smile*
WEITER SO! *ANFEUER*


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