Freunde - Nichts als Lügen
Saix schien schon auf Axel zu warten, als er verschlafen die Treppen hinaufstieg.
„Du hast schon wieder hineingepfuscht“, bemerkte er, mit einem leicht wütenden Unterton in der Stimme
Um Saix wütend zu machen, braucht es einiges…
Aber sich so eine schmutzige Falle für Roxas und Xion auszudenken – Bitte, aber da spiele ich nicht mit.
„Sorry, hast du was gesagt?“
„Wir brauchen sie nicht beide. Nur einen. Und sich zu verstellen wird nichts daran ändern.“
Axel wich seinem Blick aus, als er auf ihn zu, und wie üblich, an ihm vorbei lief.
„Denk darüber nach.“
„Das ist aber mal ein ganz neues Trio“, stellte Axel fest und sah zweifelnd auf seine Teammitglieder. Xigbar grinste nur frech, Xions Gesicht sah man unter ihrer Kapuze nicht. „Ich, Xigbar und Xion?“ Kritisch schaute er wieder zu Saix.
Er hat sich etwas dabei gedacht, mich mit ihnen in ein Team zu stecken. Sehr sicher.
Er ist immer noch wütend, weil ich hineingepfuscht habe. Also will er es mir jetzt heimzahlen.
….Bloß wie? Was plant er?
„Besorgt, dass ich dich ausbremse?“, brummte Xigbar.
„Natürlich nicht. Du bist heute aber zickig…“ Er seufzte. „Es ist nur so, dass man nicht jeden Tag mit Nummer 2 persönlich losgeschickt wird. Ist es nicht so, Xion?“
„Ja“, bestätigte sie, ohne wirkliches Interesse in der Stimme.
Sie sahen sich um, als sie Schritte hörten. Roxas kam zu ihnen.
„Hey, geht ihr drei heute auf eine Mission?“
„Du hast deine eigene Mission, Roxas“, blaffte Saix sofort, bevor er auf die Idee kommen konnte, sich auch noch dazu zu gesellen.
„Kann ich nicht mit Xigbar tauschen?“
„Was für eine ungewöhnlich kindische Bemerkung“, belächelte Saix ihn. „Musst du jetzt immer an Axels Mantel hängen, wenn du irgendwo hin gehst?“
„Nein…“, beleidigt senkte er den Kopf. „Schon okay.“
Xigbar zuckte mit den Schultern und eröffnete ein Portal. Xion und Axel nickten sich zu und folgten ihm.
Sie hatten kaum das Portal in dem Teepartygarten des Wunderlandes verlassen, als sich etwas in Xions Aura veränderte.
Es scheint, als wäre sie plötzlich sicherer geworden… oder so etwas.
Sie zog das Schlüsselschwert.
„Xion, was-“, fragte Axel verwirrt, da stürzte sie sich aber auch schon auf Xigbar.
„Hahaha, das nennt man Begegnung aus der Vergangenheit!“, lachte Xigbar, als er mühelos Xions Angriff auswich.
„Hör auf damit, Xion!“, warnte Axel.
Was ist los mit ihr?
Sie will doch nicht….
….Sie will doch nicht etwa…
„Von allen Gesichtern der Welten…“ Xigbar rief seine Doppelscharfschützen und hielt sie angriffsbereit vor sich. „Warum schaue ich zu ihr und sehe deins?“ Xion rührte sich nicht, obgleich sie immer noch bereit zur nächsten Attacke schien. „Musst du mich dauernd anschauen, als hätte ich gerade deinen Goldfisch ertränkt?“
„Halt die Klappe!“, knurrte Xion. Dann war sie weg. Einfach verschwunden.
Hinter Xigbar tauchte sie wieder in einem irrsinnigen Tempo auf und schlug ihn mit einem gezielten Hieb zu Boden.
Axel starrte sie verwirrt an.
Doch sie schien nicht gegen ihn kämpfen zu wollen, denn das Schlüsselschwert verschwand aus ihren Händen und sie rief ein Portal.
„Axel, es tut mir Leid…“
„Bist du jetzt vollkommen ausgeflippt?“ Besorgt sah er auf den bewusstlosen Xigbar.
„Bitte… lass mich gehen. Ich muss das tun, oder… Schau!“ Sie zog sich die Kapuze ab.
„Was zum…“
Soras Gesicht sieht mich an. Soras Gesicht auf Xions Körper…
„Bitte, Axel. Du musst dich um Roxas kümmern.“
„Aber wie… wie willst du…“
„Bitte!“, rief sie noch einmal flehender.
Sie will also gehen…
Verständlich… sie weiß jetzt, dass die Organisation sie oder Roxas loswerden will. Sie weiß jetzt…alles…
Axel biss sich auf die Lippen, nickte aber dann zum geöffneten Portal.
„Danke“, sagte Xion erleichtert und lief hindurch.
Er sah nieder zu Xigbar.
Ob das… die richtige Entscheidung gewesen war?
…Saix wird mich köpfen, schätze ich…
Xigbar fasste sich benommen an den Kopf und setzte sich auf.
„Oww… was… wo ist Xion, Axel?“
„…Weg.“
„Weg?“ Er schien wieder wach zu werden. „Du hast sie nicht aufgehalten? Oh, verdammt! Was denkst du dir dabei, Axel?“
Nichts… ich denke mir nichts dabei…schätze ich…
„Erkläre dich, Axel!“, meinte Saix und seine Augenbrauen rutschten so nah zusammen, wie Axel es noch nie bei ihm gesehen hatte.
„Ich hab sie nicht gehen lassen!“, verteidigte sich Axel. „Der alte Mann sollte mal seine Augen nachprüfen lassen. Außerdem nahm sie ‚Nein’ nicht als Antwort an!“
„Da muss ich ihm Recht geben“, seufzte Xigbar sogar. „Ich kann die Schuld nicht anderen zuweisen, wenn ich selbst sie auch nicht stoppen konnte.“
Ich wusste es, dass auch Xigbar nett zu mir bleiben würde, wenn ich stets zu ihm nett bin… es zahlt sich halt doch manchmal aus…
Ein Portal erschien bei ihnen und Roxas kam heraus. Sein Gesicht wurde fragend, als er die Gruppe am Fenster sah.
Saix schaute ihn unverändert an und seufzte schließlich tief. „Jetzt bleibt uns nur noch derjenige, den wir nicht benutzen können….“ Er drehte sich mit nachdenklichem Gesicht ab und ging, wahrscheinlich, um Xemnas zu berichten.
Das stimmt… Roxas wird weiter schwächer werden, wenn Xion weiterhin seine Kraft absorbiert…immer schwächer, vielleicht wird es ihn irgendwann sogar…
„Worum geht es?“, fragte Roxas und blickte um sich. „Wo ist Xion?“
„Sie hat sich aus dem Staub gemacht“, grinste Xigbar. „Feuerhaar hier konnte es nicht über sich bringen, ihr die Flügel zu stutzen.“
Mit schlechtem Gewissen wich Axel Roxas’ Blick aus.
„Axel, er scherzt, oder?“
Xigbar antwortete an seiner Stelle, als Axel weiter schwieg. „Als ob. Dein Freund saß Däumchen drehend herum, während Xion vor seiner Nase davon gelaufen ist.“ Er streckte sich. „Wie auch immer, ich bin in meinem Zimmer.“
Roxas wartete geduldig, bis Xigbar außer Hörweite war, und kam dann näher zu Axel. „Was ist da passiert?“, wollte er wissen.
„Nichts“, wich Axel aus.
„Xion ist weg! Wo soll das bitte ‚nichts’ sein??“
„Es ist, wie Xigbar sagte. Ich konnte sie nicht aufhalten.“
Ich konnte nicht… ich wollte nicht… was auch immer.
„Sag so was nicht!“, rief Roxas wütend. „Warum nicht??“
….Macht es jetzt eigentlich noch einen Unterschied? Früher oder später wird Roxas alles erfahren. Wahrscheinlich eher früher als später, jetzt, wo Xion endgültig weg ist…
Da kann genauso gut ich ihm alles erklären.
„Roxas…“ Axel verschränkte die Arme. „Xion ist wie ein Spiegel, der dich reflektiert.“
„Was?“
„Die Organisation erschuf sie, um deine Kraft zu verdoppeln. Sie ist eine Puppe.“
„Bist du verrückt geworden? Xion ist eine Person, keine Puppe!“
„Sie ist Schall und Rauch, Roxas, ein einfacher Spiegel. Und als ich in den Spiegel sah… Es war nicht du, was ich gesehen habe.“
Roxas ballte die Fäuste. „Ich weiß zwar nicht, was du da redest, aber Xion ist Xion. Du kannst nicht von ihr erwarten, ich zu sein.“
Axel schüttelte seufzend den Kopf. „Das ist nicht, was ich meine, Roxas. Es war stets nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Spiegel zerbrechen würde.“
„Du meinst, sie zu vernichten.“ Axel nagte an seiner Unterlippe. „Antworte mir!!“
…Xion…Roxas… Sora. Sie sind alle verbunden…
„…Roxas, wenn niemand das tut, wirst du…“ Axel sah wieder direkt zu ihm und wurde ebenfalls lauter. „Du wirst nicht mehr du sein!“
„Ich werde immer ich sein!“, rief Roxas ebenso zurück. „Dein bester Freund – genauso wie Xion!“
Axel wurde wieder ruhig. „Roxas, du… du siehst nicht, was ich meine. Nichts davon.“
„Ugh, vergiss es“, knurrte er und drehte sich weg.
„Roxas!“ Aber er rannte schon davon.
…Warum….Warum kannst du nicht verstehen…
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„Xion ist wieder verschwunden“, meinte Xemnas, ohne das kleinste Bisschen Traurigkeit in der Stimme.
Es war so klar, dass es wieder eine Versammlung wegen ihr geben würde…
Roxas ist wieder anwesend, also wird er vermutlich auch jetzt die Wahrheit erfahren…
„Wissen wir, wo sie ist?“, fragte Xaldin.
„’Es’, nicht ‚sie’“, verbesserte Xemnas. „Xion ist nur ein Replikat… Eine Puppe.“
„Puppe?“, horchte Luxord auf. „Jemand hat sie erschaffen?“
„Puppen machen sich normalerweise nicht selbst“, lächelte Saix.
„Das Replikat-Programm“, beantwortete Xigbar also ehrlich Luxords Frage, „war eines unserer Lieblingsprojekte.“
„Replikat-was?“, meinte Demyx erstaunt.
„Vielleicht hast du die Güte, uns in dieses ‚Lieblingsprojekt’ einzuweihen?“, brummte auch Xaldin.
Stimmt, neben Xemnas wussten nur Vexen, Zexion, Lexaeus, Xigbar, Saix und ich davon.
Und von den allen sind nur Xiggy, Saix und ich übrig. Und rein offiziell weiß ich selbst von nichts…
Xemnas nickte kurz. „Das Ziel war, die Erinnerungen des Schlüsselträgers zu duplizieren und sie so in unseren Besitz zu bringen. Vexen hat das Projekt in der Castle Oblivion überwacht. Wie auch immer, unsere Anstrengungen wurden nach seinem unerwarteten Ableben gravierend aus den Gleisen gehoben. Und dieses bestimmte Replikat – das, was wir Xion nennen – hat angefangen, selbst eine Identität zu formen.“
„Das hat uns unvorbereitet getroffen. Selbst, wenn etwas wie das vorher schon passiert wäre, hat niemand aus der Castle Oblivion uns je davon berichtet“, schloss Saix. „Es ist doch so, oder Axel?“
Axel schwieg.
Repliku und Xion waren die einzigen Replikate, die je gelungen sind.
Und was ich über Repliku weiß… ist nur, dass Replikate ein eigenes Bewusstsein haben und dem Untergang geweiht sind, sobald sie erschaffen werden…
Xemnas sah durch die Runde. „Glücklicherweise kann die Puppe uns nicht mehr in die Pläne pfuschen, selbst, wenn sie erlernt hat, ihre eigenen Zügel in die Hand zunehmen. Aber trotzdem: sie kennt unsere Geheimnisse. Wir müssen ihre Leine kürzen, und vielleicht sogar enger ziehen.“
Roxas schrak auf. „Du meinst doch nicht-“
„Axel“, fuhr Xemnas ihn unbeachtend fort. „Da du zugesehen hast, wie sie entkam, ist es deine Pflicht, sie zu fangen und zurück zu bringen. Ich bin gewillt, Beulen und Kratzer zu übersehen. Versichere dich nur, dass sie noch funktioniert, wenn du hier ankommst.“
„Warum sollten wir einem Deserteur erlauben, wieder unter unser Dach zu kommen?“, fragte Xaldin sofort. „Sie sollte gelöscht werden!“
„’Deserteur’ ist wohl kaum das richtige Wort für ein kaputtes Musterstück, das dir unter dem Mikroskop weg gesprungen ist“, meinte Saix.
„Axel, du hast deine Befehle“, unterbrach Xemnas beide und sah Axel auffordernd an. Er nickte halbherzig. „Wegtreten!“ Ein Portal verschluckte ihn.
„Sie zurückbringen…“, brummte Xaldin, weiter wenig begeistert, in die Dunkelheit hinein. „Der helle Wahnsinn…“
„Die ganze Zeit habe ich zu einer Puppe gesprochen“, überlegte Demyx und schüttelte sich. „Das ist heftig.“
…Das habe ich auch gedacht, als ich davon erfahren habe…
Aber Xion ist doch irgendwo eine von uns…
„Und jetzt kehren wir einfach wieder alles auf? Heh… als ob“, meinte Xigbar, in selber Stimmlage wie zuvor Xaldin.
„Wenn nur das Geflüster von oben auf der Leiter nur bis zu untersten Sprosse dringen würde…“, seufzte Luxord und rief ebenfalls die Dunkelheit.
„Axel.“ Saix Stimme ließ Axel aufsehen. „Diese Befehle sind bedingungslos.“
Er antwortete ihm nicht, sondern ließ sich ebenfalls von der Dunkelheit verschlucken.
Axel ließ sich auf dem Pfad der Nichtigkeit ausspucken und lief den restlichen Weg zur Fuß.
Ihm war es so lieber, denn so konnte er noch etwas seinen Gedanken nachhängen.
Erst im Missionsraum öffnete er ein Portal.
„Axel!“
Das ist Roxas…
Er verharrte und sah zu ihm.
„Ich glaube nicht, dass Xion hier noch sicher ist“, murmelte Roxas niedergeschlagen. „Du wirst doch nicht wirklich tun, was Xemnas sagt, oder?“
Es ist ein Befehl, Rox’.
„Ich muss, oder ich bin hier auch nicht mehr sicher.“
„…Aber du kannst doch wenigstens versuchen, sie nicht zu sehr zu verletzen…“
„…Das liegt alleine an ihr.“ Er drehte sich wieder ganz zu Roxas. „Roxas. Xion ist gefährlich.“
„Gefährlich wie?“
„Hast du all deine Stärke zurück erlangt?“
„…noch nicht“, meinte er niedergeschlagen und Axel sah ihn vielsagend an. Schließlich sah er auf. „Wie lange hast du schon über sie Bescheid gewusst?“ Unwohl drehte Axel sich weg. „…Du hast es all die Zeit gewusst und mir nichts gesagt?“
Axel antwortete ihm nicht, sondern lief durch das Portal, um seinem Befehl Folge zu leisten.
Tut mir Leid, Rox’. Du wirst wohl nie wissen und nie verstehen, wie viel ich vor dir verheimlichen muss…
