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Tales of the Firefly

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Das Ende des Mars

Das Ende des Mars
 

Space flights are merely an escape, a fleeing away from oneself, because it is easier to go to Mars or to the moon than it is to penetrate one's own being.

(Carl Gustav Jung)
 

Er war sich nicht ganz sicher, wie er es geschafft hatte, wie er es geschafft hatte, wie er es geschafft hatte…

Aber er war am Leben. Sein Herz schlug kräftiger und wilder denn je in seiner Brust. Das Blut rauschte durch seine Venen und die Lungen sogen sich mit Sauerstoff voll.

Und ganz langsam konnte er wieder klar sehen und denken. Die Umrisse wurden deutlicher als er sich den Staub aus dem Gesicht gewischt hatte und sich vorsichtig aufrichtete. Das Licht der Straßenlaterne flackerte schwach, während sie quietschend und knarrend über seinem Kopf wankte und ihm empfahl, sich schleunigst ein anderes Plätzchen zu suchen. Die Laterne würde nicht mehr lange ein schützendes Zelt bleiben und bald vor den Tonnen aus Beton und Stahl kapitulieren, das lag einfach in ihrer Natur.

Er war ihr schon dankbar, dass sie sich in den Weg gestellt hatte, als urplötzlich dieses riesige Hochhaus in sich zusammenbrach und ihn an den 11. September vor einem Jahr erinnerte. Mit dem einzigen Unterschied, dass er sich nun selbst im Auge des Sturms befunden hatte!
 

Während er nur auf die Betonmassen gestarrt hatte, die in sich zusammensackten und die Umgebung in eine dunstige Wand tauchten, hatte sein Partner gehandelt und ihn mit sich geschleift, bis sie irgendwann von den rasenden Steinen eingeholt wurden und nur diese eine Straßenlaterne zwischen ihnen und dem sicheren Tod gestanden hatte. Sie verschaffte ihnen ein winziges Schlupfloch, so dass sie nicht von den Massen zerquetscht wurden, sondern stattdessen mit einem gehörigen Brummschädel aus der Ohnmacht erwachten.

„Dingo? Bist du in Ordnung“, drang die besorgte Stimme seines Digimons an seinen Verstand. Er setzte zu einer beruhigenden Antwort an, doch alles was seinen Lippen entwich, war ein staubiges, trockenes Husten, das ein Brennen in seiner Kehle zurück ließ…

Er horchte, doch außer dem Ächzen und Knarren des Stahls und der Steine war Stille eingekehrt, wo zuvor noch Menschenmassen panisch auseinander stoben, um sich vor den jagenden, rotäugigen Digimon zu verstecken, blieb nun nur noch ein Ungetüm aus Trümmern; unter welchem er mit aller ihm zur Verfügung stehenden Vorsicht hervor kletterte.

Er klopfte sich den Schutt von den Schultern und schüttelte den Kopf, auf dass Staubwölkchen aus seiner Haarmähne aufstiegen und sich mit der Luft vermischten, die von Rauchfäden durchzogen war. Hinter ihm krabbelte Ganimon aus ihrem Schlupfloch und schaute ihn nun mit großen schwarzen Knopfaugen fragend an.

„Wir leben“, stellte er fest, ohne seinem Partner damit wahrscheinlich eine befriedigende Antwort gegeben zu haben. Ja sie lebten, sie hatten den blutigen Sturm der über die Stadt herein gebrochen war, überlebt. Und doch erzählten all die rauchenden, jammernden Überreste mit klarer Stimme von der Tragödie und jenen, die es nicht geschafft hatten.
 

Als er sich den Angstschweiß von der Stirn wischte, traten die Erinnerungen wieder an ihn heran. Seine Hände waren übersäht mit blutigen Einschnitten, die sich bis zu seinen Ellenbogen zogen und dünne, klaffende Wunden aufdeckten, angetrieben von einem pochenden Schmerz.

Er hatte versucht ihr zu helfen, sie war in einen Kampf verwickelt worden und ihr Digimon konnte sich gegen die Blossomon kaum noch wehren, die mit ihren scharfen Dornen auf die beiden eindroschen. Er hatte sie gesehen und wusste, dass er ihnen helfen musste. Er war sofort losgerannt und hatte Ganimon zu Coelamon digitieren lassen. Für einen Augenblick hatte er gedacht, sie könnten etwas gegen die feindlichen Digimon ausrichten, doch es waren einfach zu viele gewesen. Die Erinnerung an die Dornen, die sich in sein Fleisch rammten, vermehrte den Schmerz um ein Vielfaches, der sich über seine Arme ausbreitete.

Er hatte das Mädchen nicht gekannt, welches schließlich zu Boden ging, sein schmerzverzerrtes Gesicht von klaffenden Wunden überzogen, die ihm die Pflanzendigimon zugefügt hatten. Er hatte versucht, es von den Blossomon wegzuzerren, doch es war sinnlos gewesen. Wie wilde Tiere stürzten sie sich auf alles was sich ihnen näherte, als hätten sie jeglichen Verstand verloren. Und dann unterbrach ein Grollen und Donnern das grässliche Treiben und das Hochhaus unterband den Kampf, in dem es sich in rasender Geschwindigkeit auf sie zu bewegte.

Er wusste nicht was mit dem Mädchen geschehen war, oder seinem Digimonpartner, oder den Blossomon. Denn seine Erinnerungen setzten erst an der Stelle wieder ein, als er sich unter Stein begraben wieder fand, gerettet von einer einzelnen Straßenlaterne.

„Sie sind nicht mehr hier“, flüsterte Ganimon leise, als hätte es seine Gedanken gelesen, oder einfach nur seinen Blick, mit dem er die Gegend absuchte.

Ganimon hatte Recht, es schien, als wären sie beide allein. Er hoffte, dass das Mädchen nicht zu den Opfern zählte, die nun unter Steinmassen ihre letzte Ruhe fanden. Vielleicht hatte es entkommen können und war nun an einem sicheren Ort.

Das wollte er glauben, auch wenn er sich nicht einmal mehr an das Gesicht des Mädchens erinnern konnte, welche Haarfarbe es hatte. Als wäre sie in seinem Kopf schon längst für tot erklärt worden…

„Dingo, wir müssen hier weg. Ich traue der Stille nicht“, mahnte Ganimon und zog drängend mit seinen krustigen Scherenarmen an seinem Hosenbein. Er nickte und verabschiedete sich von dem unbekannten Mädchen. Denn wo immer es auch war, er lebte noch und das sollte sich so schnell nicht ändern…
 

Er presste die schmerzenden Hände an seine Brust, um sie vor Keimen zu schützen, in der Hoffnung, dass er bald an etwas Verbandszeug und Desinfektionsmittel kam. Langsam kämpften sie sich durch das Trümmerfeld, welches das komplette Straßensystem lahm gelegt hatte. Überall bedeckten Glasscherben und Gesteinsbrocken das Leben der Stadt, welches unter dem Schutt und der Asche, die durch die stinkende Luft wirbelte, wie eingefroren wirkte. Immer wieder blitzten neue Feuer auf, Autotanks explodierten und sie mussten sich vor niederprasselnden Dachziegeln ducken. Und doch konnte er nirgends eine Menschenseele sehen. Als hätte man die Stadt leergefegt und sie dem Wind überlassen, der ihm immer wieder Schmutz und Dreck ins Gesicht wirbelte, so dass ihm die Tränen schon über die Wangen liefen. Er konnte nur schemenhaft Ganimons krabbenartige Umrisse erkennen, während sich das Digimon durch den Stein kämpfte, den er mit bloßen Händen nichts entgegenzubringen hatte.

Die Schmerzen in seinen Armen nahmen mit jedem weiteren Schritt zu und das Atmen viel ihm von Mal zu Mal schwerer.
 

„Dingo! Wir dürfen nicht stehen bleiben. Wir müssen zusehen, dass wir hier so schnell wie möglich wegkommen.“ Ganimon tauchte vor ihm auf und schob ihn an einer brennenden Autotür vorbei, aus der bereits die schwarze Innenverkleidung aus Plastik floss und sich über einer Statue ergoss. Sie war von ihrem Sockel gefallen und die Nase bröckelte bereits, während sich die Flüssigkeit über den Legionärshelm ausschüttete und dem Mann, der abgebildet war, ins Gesicht und auf die Locken tropfte, die unter dem Helm hervorlugten. Der rechte Arm war bereits abgebrochen und hatte sich wahrscheinlich mit den anderen Tonnen von Mamor, Stein und Stahl zusammengetan. Der linke Arm hing schlaff an der Seite und umfasste einen Speer, der in der Mitte durchgebrochen war, so dass die Spitze ihm ins Gesicht fiel.

„Das ist Mars – der Kriegsgott eurer Vorfahren, die ihr die alten Römer nennt.“ Auch Ganimon hatte sich zu ihm gesellt und blickte mit ihm auf das niederschmetternde Bild des Gottes. „Ihr habt den roten Planeten nach ihm benannt, weil Rot die Farbe des Mars und des Blutes ist. Blut, welches in euren Kriegen vergossen wurde."

„Es scheint, als habe selbst der Kriegsgott kapituliert“, murmelte er und starrte betroffen in das steinerne und entschlossene Gesicht der Statue, die zu seinen Füßen lag und langsam unter dem flüssigen Plastik zu verschwinden drohte.

„Nun vieles deutet daraufhin, dass er auch der Gott der Vegetation war, des Wachstums, also ist es vielleicht nicht richtig ihn nur auf Krieg und Kampf zu reduzieren“, erzählte Ganimon weiter, doch er konnte nur müde lächeln.

„In jedem Fall haben selbst die Götter, wofür auch immer sie stehen mögen, aufgegeben, Ganimon…“ Ein Zischen ließ ihn aus seinen düsteren Gedanken fahren, als das Auto zu der dazugehörigen Tür, die Mars verunstaltete, unter der Feuersbrunst aufschrie und mannshohen Flammen aus der Motorhaube stoben.

„Dingo!“, drängte Ganimon, als habe es sich gerade erst wieder an ihre prekäre Situation erinnert. Widerstandslos ließ er sich von seinem Partner mitziehen, aus seinen Augenwinkeln sah er, wie nun auch die Flammen am Mars leckten und seinem steinernen, bedeutungsschweren Gesichtsausdruck zusetzten. Unbeeindruckt schleuste Ganimon ihn an all den Schrecklichkeiten vorbei, die er nur mit Mühe ausblenden konnte. Sobald er sich vom Schmerz der Stadt abwandte, drang sein eigener Schmerz wieder in ihn ein, als wäre er ihm gerade erst zugefügt worden.
 

Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, doch seine Glieder mahnten ihn, die Müdigkeit nicht mehr allzu lange zu ignorieren. Sein Verstand verlangte nach einer Pause und seine Füße blieben einfach stehen. Er hob entschuldigend den Kopf und ließ sich dann auf den staubigen Boden sinken und schloss die Augen.

„Vielleicht sollten wir einfach hier warten“, flüsterte er erschöpft. „Möglicherweise findet uns ja jemand und kann uns hel…“

„Sei mal still, Dingo“, unterbrach ihn Ganimon leise aber bestimmt. Verwundert hob er den Kopf, lauschte aber dann ebenfalls angestrengt in die Stille.

Erst konnte er nicht ausmachen, was seinen Partner aufgeschreckt hatte, doch dann drang das Wimmern auch an seine Ohren. Es war als trüge sich das Wehklagen durch die Trümmer hin zu ihnen, um ihnen sein Leid auszuschütten. Bekümmert über die Traurigkeit sah er Ganimon an. Die Müdigkeit wurde zur Nebensache und langsam steuerten sie auf das Weinen zu.

„Wir sollten dennoch acht geben, es könnten Feinde sein, die uns nur in eine Falle locken wollen“, hielt Ganimon ihn zur Vorsicht an, doch er glaubte nicht daran, dass das Schluchzen, das von den Trümmern widerhallte nur ein fieser Trick war. Dazu war es einfach zu wahrhaftig.
 

Er befand sich nun im Mittelpunkt des Trümmerfeldes, welches unter seinen Füßen bei jedem Schritt zusammenzuckte und weiter in sich zusammensackte, als er ein zusammengekauerte Gestalt sah, die sich unter einem halb zusammengebrochenen Torbogen kauerte und das Gesicht zwischen den Händen verbarg. Es war ein Junge, seine schwarzen Haare lugten unter der rotten Kappe hervor, der erschrocken auffuhr, als er seine Schritte vernahm.

Beschwichtigend hob er die Hände in die Luft und trat nun näher an den Jungen heran, so dass er sein tränenverschmiertes, schokobraunes Gesicht erkennen konnte. Mit misstrauischen Augen, die ihn an schwarze Kohlen erinnerten, musterte er ihn, bevor er sich langsam erhob und sich die Tränen aus dem Gesicht wischte.

„Wer seid ihr, was wollt ihr“, brachte er mit krächzender Stimme hervor.

„Dingo und Ganimon“, sagte er schlicht und streckte ihm die Hand entgegen. „Wir sind vor ein Paar Digimon geflüchtet, die uns angegriffen haben und dann sind wir auf dich gestoßen.“

Der Junge erwiderte eine Weile nichts, kam dann jedoch zu dem Entschluss, ihm trauen zu können und ergriff seine ausgestreckte Hand.

„Ich bin Sam. Wie konntet ihr den Truppen entkommen? Ich selber wäre fast draufgegangen…“

„Die Naturgewalten haben uns da wohl ein bisschen geholfen, und plötzlich fanden wir uns unter einem Hochhaus wieder…“, fasste er ihre Geschichte zusammen.

„Hatte wohl eher was mit Glück als Können zu tun…“ Sam nickte traurig.

„So viel Glück hatte ich nicht, als sie über uns herfielen. Es ging alles sehr schnell, ich habe so etwas noch nie gesehen. Da war dieser Tower und plötzlich rannten alle, als ginge es um ihr Leben… Und sie hatten Recht, als der Tower in sich zusammenfiel verschluckte er alles in seiner Nähe. Flare Lizarmon und ich konnten uns gerade noch in einen Hauseingang retten.“ Sam schien mit jedem Wort bekümmerter zu werden als er ihnen schilderte, wie er und sein Digimonpartner durch die Straßen wanderten, die in dichten Nebel getaucht waren. „Doch dann wurde die Luft wieder klarer und wir dachten, es sei überstanden. Bis wir die Schreie hörten und der Himmel von roten Augen bedeckt war. Menschen wurden getötet, so viele. Flare Lizarmon wollte ihnen zu Hilfe eilen und… und dabei haben wir uns verloren. Ich hab es gesucht, bin durch die Stadt gelaufen, doch alles was ich sah, waren Truppen, die Menschen gefangen nahmen und sie in Käfige sperrten.“

„In Käfige?“ Wiederholte er ungläubig. Sam nickte.

„Man hat sie in riesige Käfige gepfercht und sie dann abtransportiert…“

„Hast du auch gesehen, wohin sie gebracht wurden?“

„Nein, aber sie haben dafür die Tore geöffnet…“, wisperte Sam.

„Die Tore?“ Nun schaltete sich auch Ganimon ein und er konnte blankes Entsetzen im Gesicht seines Partners lesen.
 

Author’s Note:

Ja ich weiß, es hat sehr! lange gedauert, es tut mir Leid, aber ich habe kaum die Zeit dafür gefunden, nun aber zum Kapitel selbst…

Dingo wird in der Übersetzung eigentlich Derek genannt, da ich aber versuche alle Originalnamen zu verwenden (auch bei den Digimon und ihren Attacken) kam es für mich nicht in Frage.

Ich möchte die Beziehung zwischen Dingo und Ganimon noch einmal hervorheben. Ganimon wird auch im weiteren Verlauf einen besonderen Platz einnehmen, weil es eben nicht nur ein Sidekick zum menschlichen Partner ist, sondern vielmehr den handelnden und denkenden Part übernimmt. Ganimons Charakterzüge sind geprägt von Wissbegierigkeit, deshalb hat es sich sehr viel mit den Welten und Kulturen beschäftigt. Mars ist in diesem Kapitel ein Sinnbild für die Niederlage und das Ende des Wachstums.

Mehr wie schon gesagt, später.

LG

PenAmour



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-01-21T17:43:46+00:00 21.01.2011 18:43
Pen, weißt du was?
es ist echt hammer, wie du alles beschreibst! ich hab wirklich selten so eine FF gelesen, wo so toll geschrieben wurde ♥__♥
ist das Mädchen tot o.o
Sam ist auch dabei ;)
ich musste bei Digipedia schauen, was ein Flare Lizarmon ist xD
jetzt weiß ich es ;)
ich habe ja gesagt, ich schaffe heute mehr als ein Kapitel ;D
aber ob ich noch mal eins schaffe.. ich geh ersteinmal essen :D
Von: abgemeldet
2009-12-11T21:41:20+00:00 11.12.2009 22:41
Langsam findet sich die Gruppe zusammen. :)
Ich kann nur staunen wie du es immer wieder schaffst, diesen Zustand der Zerstörung und der Niederlage so zubeschreiben, dass ich fast schon selbst in der Geschichte bin. :D
Von:  DigiDestined
2009-10-26T21:17:05+00:00 26.10.2009 22:17
Huhu,

wieder ein gelungenes Kapitel. Schreib bloss schnell weiter! XD

LG, DigiDestined


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