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20000 Meilen unter den Meeren

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20000 Meilen unter den Meeren
 


 

Selten war hier an Bord für André und Theodore Gelegenheit sich leidenschaftlich zu erhitzen, das musste ich mir eingestehen. Und die Gemütsverfassung meiner beiden Freunde wäre mir auch bedenklich geworden, wenn nicht der 14. März ein ungeahntes Erlebnis gebracht hätte.

Wir gerieten gegen 11 Uhr unter eine Familie Walfische.

Der Wal hatte in der Geschichte der Erdaufklärung eine große Rolle gespielt. Die Fischer, die ihn verfolgten, achteten die Gefahren nicht und drangen immer weiter ins Unbekannte vor. Ein großer Teil der Entdeckungen in den nördlichen und auch südlichen Meeren geht auf die Wale als Leitfiguren zurück.

Wir saßen an diesem sonnigen Tag auf der Plattform und genossen die Fahrt. Der März, der Oktober dieser Breiten hatte sehr schöne herbstliche Tage, die Sonne schien warm und nur wenige Wolken trübten das Blau des Himmels.

Plötzlich machte Theodore den schwarzen Rücken eines Wales in wenigen Seemeilen Entfernung am östlichen Horizont aus, „Ach, wäre das eine Lust! Wenn ich an Bord eines Walfängers wäre! So ein stattliches Tier! Tausend Teufel!“ Der Harpunier ließ entmutigt den Kopf hängen und ballte die Fäuste, „Warum nur? Warum bin ich an dieses Stück Eisen geschmiedet?!?“ „Immer noch Harpunier?“, lächelte ich und betrachtete die wunderschönen Tiere, die vor den Harpunen sicher waren, „Sie haben hier unten noch nie harpuniert?“ Er schüttelte den Kopf, „Nein, nur in der Beringstraße und den umliegenden Gewässern.“ „Dann wäre die Beute hier also neu für Sie?“, Theodore funkelte mich überheblich an, „Wieso neu? Ich kenne doch Wale!“ „Ja, aber die Tiere aus dem Nordmeer kommen nicht bis hier hinunter.“, aber Theodore schüttelte den Kopf, „Das können Sie mir nicht erzählen, Professor. Ich habe bei Grönland einen Wal erlegt, in dem steckte eine Harpune eines Walfängers aus der Beringstraße. Wie soll der Wal aus einem Meer im Westen Amerikas in ein Meer östlich von Amerika gekommen sein?“

Ich wollte protestieren, aber plötzlich richtete sich die ganze Aufmerksamkeit Theodores wieder auf die Wale, „Wie er bläst! Sehen Sie sich das an! Er verhöhnt mich! Er weiß, dass ich machtlos bin!“ Er schien sich in seine Wut hineinzusteigern, so dass ich schnell nach etwas überlegte, um ihn damit irgendwie auf andere Gedanken zu bringen, „Die Tiere hier sind übrigens kleiner als die in den nördlichen Breiten.“ „Glaub ich gern, ich habe dort Tiere von 50 Metern Länge gesehen…“, er nickte und ich musste lachen, „Nun, das ist vielleicht doch etwas übertrieben, Theodore.“

„An einem Wal ist nichts Übertriebenes! Lauschen Sie einmal den Geschichten der Walfänger, anstatt sich in Ihre Bücher zu vertiefen, Professor! Wale sind nicht nur groß, sondern auch gescheit. Manchmal bedecken sie sich mit Algen und Seegras, so dass man sie für eine Insel hält…man lässt sich arglos darauf nieder…“

„Zündet sein Feuerchen an.“, warf ich ein.

„Baut sein Häuschen darauf.“ , ergänzte André.

„Und dann taucht das Tier unter und zieht alle mit in ein eisiges Grab.“, fuhr Theodore ungerührt fort und auch mein sonst so ernster André ließ sich scheinbar anstecken, sang er doch nun, „Auf flücht’gem Grund…ha-ha-habt ihr gebaut!“

„Wie alt können Wale werden?“, André sah fragend zwischen uns hin und her und ich antwortete schließlich, war Theodore doch schon wieder in die Betrachtung der Wale versunken, „Man nimmt an, weit über 1000 Jahre.“ „Warum?“, André klang überrascht, „Vor 400 Jahre waren die Wale größer und die geringe Größe der heutigen wird darauf zurückgeführt, dass es sich nun nur um Jungtiere handeln würde.“

Theodore hob die Hand, beinahe als ob er eine Harpune werfen wollte und ich war wirklich mehr als dankbar, dass er unbewaffnet war. „Warum fragst du nicht beim Captain, ob du Jagd machen darfst?“, mir blieb bei dem Vorschlag Andrés beinahe das Herz stehen, und ich war froh, als Jack wenige Minuten später den Kopf schüttelte, „Nein.“

„Was soll das heißen?“, Theodores Wut flammte wieder auf und ich trat an Jacks Seite, während dieser mit ruhiger Stimme seine Entscheidung wiederholte, „Nein. Auf diese Tiere wird keine Jagd gemacht.“ „Ich hör ja wohl nicht richtig!“, Jack wich nicht vor der heißen Wut zurück, sondern betrachtete zufrieden die friedliche Walfamilie, „Jagen, nur um der Vernichtung willen? Das kommt nicht in Frage. Wir brauchen nichts, was ein Wal uns liefern könnte.“ „Aber warum durfte ich im Roten Meer die Seekuh jagen?“, nun klang die Verzweifelung durch, aber noch immer ließ sich Jack nicht aus der Ruhe bringen, „Ich habe Frischfleisch für meine Mannschaft gebraucht. Hier hieße die Jagd, töten um des Tötens Willen. Ich weiß, dass der Mensch sich dieses Vorrecht als naturgegeben hervornimmt, aber bei mir gibt es das nicht. Diese Tiere haben mit ihren natürlichen Feinden schon genug zu tun, ich werde nicht zulassen, dass diese Gewässer ebenso veröden wie die Baffinsbai.“

Es war mehr als offensichtlich, dass Jack und Theodore sich in diesem Falle nicht miteinander verständigen konnten und schließlich wandt er sich an mich, „Ich sorge mich nicht umsonst um diese Tiere, James. Sie werden gleich in große Bedrängnis kommen. Siehst du die schwarzen Punkte am Horizont erkennen?“ Ich nickte und Jacks Lächeln wurde trauriger, „Es sind Pottwale und sie haben dieser Familie hier voraus, dass sie Zähne besitzen. Ein schädliches Gezücht, mit 200 oder 300 Tieren in der Herde. Die gehören ausgerottet und das werden wir auch gleich in Angriff nehmen!“

Ich wollte protestieren, aber dieses Mal war Theodore eindeutig schneller als ich, „Hat die Black Pearl dann genug…?“ „Keine Notwendigkeit, dass wir und dem Kampf hier oben aussetzen. Ich brauche keine Harpunen, der Schiffsschnabel der Black Pearl tut uns die gleichen Dienste.“ Er deutete auf den Niedergang ins Innere des Schiffes, aber ich war vor Entsetzen wie gelähmt und konnte ihm nicht folgen. Meine Gefährten folgten ihm schnell, Theodore scheinbar wenig beeindruckt von dieser Jagd, und bemerkten gar nicht, wie unsicher meine Schritte waren.

Die Black Pearl tauchte schnell, das Nahen der Wale ließ Jack keine Zeit mehr. Während meine Freunde vor den Fenstern des Salons Platz nahmen und sich die Jagd…Nein, das Massaker ansahen, zog ich mich still und ohne Jack noch eines Blickes zu würdigen, in meine Kabine zurück. Zum ersten Mal seit Wochen schloss ich meine Tür ab.

Eine Stunde dauerte das Blutbad und obwohl ich nichts sah, war es schrecklich.

Ich meinte die Schreie der sterbenden Tiere und das Kreischen der Black Pearl zu hören und ich fühlte auch die starken Vibrationen, wann immer unser Fahrzeug zwischen die Wale geriet. Später erfuhr ich, dass sich manchmal zehn oder Zwölf der bezahnten Tiere gleichzeitig auf uns stürzten und versuchten uns wie ein Spielzeug zu zerquetschen.

Nun, wir hatten überlebt und als sich das aufgewühlte Wasser um uns beruhigt hatte und wir aufgetaucht waren, stürzten wir alle hinaus auf die kleine Plattform.

Theodore und André trieb die Neugier.

Ich brauchte frische Luft.

Der erste Blick war ein Schock, über all um uns herum trieben die zerfetzten Leiber der Wale auf den blutroten Wellen. Unsere Füße standen knöcheltief in einer blutigen Masse und ich würgte. Eine Explosion hätte nicht mehr Schaden anrichten können, als die Black Pearl und ihr Captain.

„Na, Meister Groves.“, ich hatte Jack nicht kommen hören und auch Theodore schien wenig begeistert über die Gegenwart des Captains und die ‚Jagd’ zu sein, „Das war keine Jagd, Captain. Das war ein Massaker!“

Der Streit wäre wahrscheinlich aufgeflammt, aber gerade als Jack antworten wollte, trieb eine Walleiche, an der ein Pottwal gewütet hatte, in unser Blickfeld.

Der Wal schwamm auf dem Rücken und der Bauch war von Bissen zerfetzt. Am Zipfel einer Flosse hing aber ein Junges, das weder die Walmutter, noch Jack hatte retten können.

Jack gab den Befehl beizudrehen und zu meiner Überraschung sprangen, sobald das passiert war, zwei Matrosen auf den toten Leib der Walmutter. Sie begannen, zu meinem Erstaunen und Entsetzen die tote Walmutter zu melken und am Ende war die Black Pearl um drei Tonnen Milch reicher.

Jack bot mir eine Tasse dieser noch warmen Milch an und ich lehnte höflich, mich aber auch vor Ekel schüttelnd ab. „Trink ruhig, James. Sie ist von Kuhmilch nicht zu unterscheiden.”, er drückte mir die Tasse in die Hand und ich zögerte kurz. Aber, ich konnte mich nicht überwinden, so dass ich die Tasse einfach vor seine Füße ausgoss, bevor ich mich wütend und verletzt in meine Kabine zurückzog. Die Tür wurde verschlossen, aber Jack versuchte nicht einmal zu mir zu gelangen.

Und ich wusste nicht, was schlimmer war.



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