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Grandia II: Der Pfad zur Seele

Eine Tragödie in 5 Akten
von

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Die Insel Garland (2)

In dieser Nacht träumte ich vom Kampf. Ganz plötzlich stand ich Melfice gegenüber, ich war allein und klammerte mich an mein Schwert. Um uns herum ließ der Sturm Regentropfen auf uns niederprasseln, doch keiner von uns hatte Zeit, sich ins Trockene zu wünschen. Melfice lachte. Er lachte über mich und er lachte über die Welt. Er lachte, als Blitze ihn umspielten. Vor seinen Füßen lag eine nackte Frau in einer Lache ihres eigenen Blutes. Millenia, nein. Panik, Trauer und Wut, alles auf einmal, erfassten mich und ich schrie gegen Sturm und Monster an: „Melfice, dafür wirst du bezahlen.“

Dieser aber war glücklich, seine ganze Existenz ausgelegt auf diesen Moment. Sein Schwert blitzte. Ich stürmte gegen ihn an. „Was willst du tun?“, fragte er mich, „mit Nerven so zerbrechlich wie dein Stahl?“. Seine Worte trafen. Mein Schwert zersprang in tausend Teile. Ich hatte verloren und das Entsetzen über das, was nun kommen sollte, überfiel mich.

Das Gefühl begleitete mich, als ich aufwachte. Ich lag im Bett und fürchtete den Tag, ich war mir fast gewiss, dass irgendwas schrecklich schief gehen würde. Hatte mich der Traum auf den letzten Punkt gebracht? Mein Schwert war meine Schwachstelle. Ich brauchte noch ein zweites. Das geschah schneller, als ich es dachte.

Es war noch früh, doch der Schmied war gut zu mir, als ich ihm sagte, es ginge gegen Melfice. Er überließ mir ein Katana, Mikages bestes Werk, das Meisterstück des besten Schmiedes von der Insel der Schwertkämpfer. So konnte ich es mir nicht verkneifen, siegesbewusst zu lächeln, als ich zu der Herberge zurückwanderte. Was hatte Melfice doch gesagt? ‚Nerven so schwach wie dein Stahl’. Jetzt war meine Klinge alles andere als das.

Vor der Herberge wartete Mareg und zerstörte mir einem Schlag meine Zuversicht. „Elena ist verschwunden.“ Ich fühlte mich schrecklich, als ich das Nahe liegende aussprach: „Melfice muss sie verschleppt haben.“ Zwar durchsuchten wir noch hastig die Gassen, doch uns beiden war klar, wohin uns unsere Schritte führen mussten. Es ging hinauf. Hoch oben über der Stadt würde Melfice auf uns warten.
 

Stunden vergingen, dann zerrissen Schreie die Stille der Berge: „Melfice? Melfiiiiiiice? Wo bist du?“ – „Arr. Ich rieche ihn. Er ist ganz nah.“ – „Melfice, komm raus. Ich warne dich, wenn du Elena auch nur ein Haar…“ – „Melfice. Zeige dich und bezahle für das, was du meinem Volk angetan hast.“ – „Melfice!“ – „Melfice!“ – „Elenaaaaaaaa?“ Unsere Waffen waren gezogen. Wir waren bereit, wütend und entschlossen. Wir standen auf dem Felsen und blickten uns um. Hier sollte es enden, alles oder nicht.

Melfice spielte mit. „Willkommen, Ryudo. Lange nicht gesehen.“, rief er von einem Felsen in unserem Rücken herunter. Mareg reichte allein der Anblick, er schnaufte und wäre wohl losgestürmt, wenn ich ihn nicht schnell zurückgehalten hätte. „Warte, er hat Elena.“

„Ryudo, bitte.“, Melfice gab sich alle Mühe, freundlich und zivilisiert zu wirken, was ihm trotz seines Horns fast gelang. Lediglich seine Haltung verriet ihn. „Lege deine Waffe weg. Es besteht kein Grund für einen Streit. Elena hier ist mein Gast.“ – „Gut, wenn ihr nichts geschehen wird…“, schrie Mareg, riss seine Lanze hoch und stürmte los. „Mareg, zurück.“, schrie ich, während Elena mit Panik in den Augen hinter Melfice Zuflucht suchte. Alles, aber auch alles drohte, aus den Fugen zu reißen.

Dann gab Mareg nach. Er hatte mir geschworen, meinen Befehlen zu gehorchen, und dieses Wort band ihn… noch. Ich wusste, ich konnte nicht mehr allzu lange darauf bauen. Es war Elena, die die Situation auflöste. Als sie spürte, dass sie nicht mehr in Gefahr war, fasste sie neuen Mut und trat vor Melfice. „Ryudo! Mareg!“, schrie sie, „Nehmt endlich die Waffen runter und hört ihm zu. Herrgottnochmal.“

Melfice gab sich alle Mühe, zivilisiert zu wirken. Er legte Elena die Hand auf die Schulter, worauf ich vor Wut kochte und sie einen Schritt zurücktrat, „Bitte, die Herren. Ich bin nicht hier, weil ich Blut vergießen möchte. Ihr seht doch, ich bin unbewaffnet.“

Er breitete die Arme aus und erkannte nicht, wie Mareg anfing, zu lachen. „Umso einfacher.“, knurrte er und wollte wieder zur Klinge greifen, doch inzwischen war ich vorbereitet. Meine Klinge ging dem Bestienmann an die Kehle. „Noch einen Schritt“, fauchte ich und stand kurz davor, ihn ganz abzustechen. Verbündeter? Gemeinsamer Gegner? Lachhaft. Ich hasste diese Bestie, weil sie nur Ärger machte, und das konnte ich gerade jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Mit einer eisigen Ruhe sprach ich aus. „Lassen wir ihn reden, Mareg. Danach können wir ihn immer noch schlachten.“

Mit einem besorgten Blick verfolgte Melfice die Szene. „Danke“, sagte er mit einem Ton, der ihn mit seinem Leben spielen ließ, „Ich wusste, ich kann mich auf deine Vernunft verlassen.“ – „Vertrau ihm, er ist wirklich nett.“, fiel Elena mit ein. „Ich habe ihn in Garland getroffen und er…“ – „So ist das also“, schrie ich dazwischen, „Du bist nicht entführt worden. Du hast mich verkauft.“ – „Bitte“, ihre Stimme klang so beschwörend, dass auch sie mit dem Leben spielte, „dein Bruder hat eine Idee, wie er uns helfen könnte. Er kann mich von Millenia befreien.“

Ich starrte die beiden an. Dieser miese, dreckige Schuft war zu weit gegangen. Er hatte Elena mit Zaubertricks verführt und sie hatte mich ohne zu zögern im Stich gelassen. Nein, das hier sollte heute nicht mit Worten enden. Ich wollte Blut. Ich wollte Blut wie nie zuvor in meinem Leben.

Melfice missverstand meinen Blick als Bitte, weiterzureden: „Es ist eigentlich ganz simpel. Hier auf der Insel, hinter dem Schrein, gibt es ein Siegel aus alten Zeiten. Als ich es damals verließ, ließ ich es intakt. Nun wäre es keine schwere Sache, Millenia wieder dort hineinzubannen und dann zu vernichten. Deiner Freundin Elena würde dabei nichts geschehen.“ – „Und du? Bist du unter die Priester gegangen oder warum so selbstlos?“

Ich explodierte. Diesen Quatsch konnte ich mir einfach nicht mehr anhören und wenn Melfice meinte, ich würde ihm dafür zu Füßen liegen, dann hatte er nicht begriffen, wer hier den Retter brauchte. Wenigstens schrie er endlich. „Natürlich gewinne ich, du Vollidiot. Wann immer ein Stück Valmars fällt, werden alle anderen mächtiger. Hör zu, ich könnte…“ Jetzt war es an Elena, ihm die Hand auf die Schulter zu legen und ihn zur Ruhe zu mahnen. Sie erreichte ihn: „Höre zu, Ryudo. Ich hätte sie auch einfach töten können, aber ich möchte es nicht. Bitte, glaube mir.“ – „Kein Wort, Valmar, kein Wort.“

Ich war fast dankbar, dass Mareg mir das Heft des Handelns aus der Hand riss. Noch bevor ich mich versah, zog er mir mein Schwert vom Gürtel. „Unbewaffnet?“, rief er, während Mikages Bestes durch die Luft segelte, „Dann nimm das und kämpfe.“

Es war eine Erleichterung, ihn losstürmen zu sehen. Melfice ignorierte das Schwert und griff zu seinem eigenen – ich lachte über seine Verlogenheit –, während sich Elena zu ihm umwandte und darauf hoffte, dass er ihr die Welt erklärte. Da traf mich der Schlag, als ich sah, wie es enden würde. Im Wald damals hatte ich mir vorgewagt, um das Mädchen zu retten, und nun konnte Mareg hoffen, dass Melfice den gleichen Fehler beging.

Das tat er nicht. Er würde sie sterben lassen.

Ich stand da wie angewurzelt. Elena schrie, als sie von Maregs Lanze erfasst und durch die reine Wucht von den Beinen gerissen wurde. Ihr Körper rutschte einen Abhang herab und blieb im Sand liegen.
 

„Mareg!“, schrie ich. Jetzt war es endgültig zuviel. Ich wusste noch nicht, was ich tun würde, als der Bestienmann ganz unerwartet innehielt. Er blickte zu mir rüber und die Angst in seinen Augen zeigte mir, dass er wusste, zu weit gegangen zu sein, auch wenn er nicht verstand, warum. Ich wiederum kannte keine Gnade und zeigte auf die Schlucht; wie eine Puppe ohne eigenen Willen gehorchte er und trabte davon. Ich sah, wie er sprang.

Melfice war währenddessen zu Elena gestürzt. Nun saß er vor ihr in dem Matsch aus Dreck und Blut, fühlte ihren Puls und streichelte ihr Haar. Ich hörte, dass er ihr tröstliche Worte zuflüsterte.

Was auch immer zwischen uns war, für den Moment hatte es zu pausieren. Ich steckte mein Schwert in der Scheide und ließ mich neben ihnen in den Dreck sinken. „Wie geht es ihr?“, fragte ich. Melfice klang ernsthaft niedergeschlagen, als er mir antwortete: „Beschissen. Sie ist bewusstlos und hat schon eine Menge Blut verloren. Wenn nicht ein Wunder passiert…“ Er brach ab und verzog sein Gesicht zu seiner grimmigen Grimasse. „Nein, ich bin mir ganz sicher, dass sie überlebt.“ Ich verstand nicht, was er meinte. „Hast du etwa Heilmagie gelernt?“, fragte ich deswegen. „Nein, aber sie trägt einen Dämon im Blut. Er weiß, sie wird nicht sterben wollen.“ – „Du meinst Millenia?“ – „Ja, genau diese.“

Ich schwieg, bis ich plötzlich schwer Melfices Hand auf meiner Schulter spürte. „Wir haben ganz schön Glück, dass ihr Plan nicht aufging, nicht wahr?“ Was meinte er nur? „Weißt du, eigentlich wollte ich nur mit dir Frieden schließen. Schon komisch, was ich mir dabei gedacht habe. War wohl ziemlich dumm.“ – „Im Ernst?“ Ich starrte ihn nur ungläubig an. „Ja. Du musst wissen, ich wollte nie dein Feind sein. Bei all den Leichen und Trümmern, über die ich ging – und die ich vielleicht nicht so bereue, wie ich es sollte – , dir schaden wollte ich eigentlich nicht. Du bist für mich einfach…“ Ich musste lachen, als ich sah, dass der gefürchtete Melfice mit den Tränen kämpfte. „Dein Bruder?“, schlug ich ihm vor.

„Nein!“ Wie vom Blitz getroffen sprang Melfice auf, was der bewusstlosen Elena eine harte Landung bescherte. „Ich hatte gehofft, endlich auch in diesem Punkt Klarheit zu schaffen. Ich will nicht mehr dein Bruder sein.“

Jetzt sprang auch ich auf und schrie ihn an: „Aber du bist es. Schämst du dich etwa für mich?“ Er keifte genauso laut zurück: „Ich bin nicht das Problem.“

Ich zog mein Schwert. Was immer er wollte, er würde dafür bluten müssen. „Du verstehst mich nicht, Ryudo. Du hattest niemals einen Bruder. Das Horn Valmars bist du.“ – „Lachhaft. Meine Stirn ist frei.“ – „Ja, weil du mich verdrängt hast.“ Flehend ging er auf mich zu. „Du hast mich benutzt und wolltest mich dann nicht glauben, doch jetzt lass uns alles ändern. Werde wieder eins mit mir.“

„Werde eins mit meinem Schwert“, schrie ich und stieß zu. Er schrie auf und – ja – es fühlte sich gut an. „Das hast du von deinen Lügen.“ Dann folgte der nächste Stich. „Hättest nie gedacht, dass dein kleiner Bruder dich überwindet, was?“ Ich lachte, als ich wieder und wieder zuschlug. Als wäre er zu schön, um in ein blutendes Bündel verwandelt zu werden, wollte er nicht einfach sterben und ich geriet immer weiter in Rage. Ich bemerkte gar nicht, wie mich jeder Schlag verletzte und weiter auseinander riss, bis die Welt um mich zerbrach.

Aus dem Nichts erschien Skye, doch ich wollte nicht, dass er mich erreichte. Ich wollte mich in die sanfte Dunkelheit zurückziehen, die sich um mich ausbreitete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Miyu-Moon
2010-03-01T16:52:06+00:00 01.03.2010 17:52
Interessant, interessant. Naja, so wie du Mareg bis jetzt charakterisiert hastm kann ich Ryudos Gefühle gut nachvollziehen. Aber bei welcher Gelegenheit hat er Ryudo einen Schwur geleistet? Die Stelle ist mir wohl entgangen. Ihn verraten? Geht er da nicht ein bißchen zu weit? Mir kommt er sehr paranoid vor.
Elena ist zu dumm um jemanden zu verraten. Das würde sich ja gegen die Lehrsätze ihres Glaubens richten, nicht?
Autsch, damit hat Mareg es sich endgültig mit Ryudo verscherzt. Hier wirkt er mehr oder weniger verstandslos. Wobei Ryudo hat ihn ja auch nie als Verbündeten gesehen. Logisch betrachtet ist es nicht Mal Verrat.
Aber um Elena tut es mir leid.

Hm, was ist eigentlich mir Reena?
Gut, sie ist schon tot, aber du hast sie nicht Mal in deine Aufzählung der gestrichenen Charaktere genommen.

Wow, was für eine Wende. Aber wenn Ryudo nicht real ist, müsste Reena dann nicht trotzdem existiert haben? Ich meine, Melfice existiert ja.


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