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Memories of a Geisha

Das geheime Leben der Hatsumomo
von

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Der Beginn eines Lebens

"Das Herz stirbt einen langsamen Tod, wirft Hoffnung auf Hoffnung ab, wie welkes Laub, bis eines Tages keine mehr übrig ist, keine Hoffnung - nichts bleibt."

(Memories of a Geisha)
 

Memories of a Geisha

Hatsumomos life
 

Niemand kann von sich aus entscheiden in welche Welt und von welchen Eltern er geboren wird. Aber vielleicht kann man es und man erinnert sich nur nach der Geburt nicht mehr daran. Sollte das wirklich so sein, dann hatte ich wirklich eine schlechte Wahl getroffen, als ich oben auf den Wolken saß und auf meinen ersten Atemzug wartete. Ich hatte wirklich eine sehr schlechte Wahl getroffen, unter all den Menschen dort unten, aber das wichtigste war, dass ich überhaupt geboren wurde.

Denn genau das stand auf Messers Schneide und beinahe hätte dieses Messer meinen Lebensfaden durchgeschnitten, noch bevor ich die Sonne nur einmal gesehen hatte.

Meine Mutter - Yukiko - war einer der berühmtesten Geishas des Gionvirtels und lebte zwischen Partys, Banketten, Theaterauftritten und Männern, während sie selber versuchte ihr Leben einiger Maße auf eine Reihe zu bringen. Mit berühmt meine ich nicht damit, dass sie beliebt und erfolgreich war, sondern, dass wirklich jeder Mann sie kannte und sich über sie lustig machte. Yukiko war eine sehr naive, kindische und leichtgläubige Frau, zwar sehr hübsch, aber nicht sonderlich intelligent und bald fanden das auch ihre Kunden heraus.

Bald begannen die Männer und die Geishas sich daraus einen Spaß zu machen, sich über sie lustig zu machen. Sie begannen sogar Wetten abzuschließen, wann sie wieder eine Dummheit begehen würde, oder wer sie schneller dazu brachte bestimmte Dinge zutun. Männer, sowie Geishas begannen sie auszunutzen und zu schikanieren und sie nahm es hin, wie es eine Maus in den Fängen einer Schlange den Tod hinnahm. Sie war eine Fliege gefangen in einem Netz und konnte sich vor der Spinne nicht mehr schützen.

Die Spinne war in diesem Fall ihr Danna, dessen Name ich nie in Erfahrung bringen konnte. Ich weis nur, dass er ein wirklich schrecklicher, aber reicher Mann war und sie mit Geld überschüttete.

Als er erfuhr, dass sie von ihm schwanger war, wollte er sie zur Abtreibung zwingen, doch sie brachte es nicht übers Herz. Ihre Dummheit und ihre Naivität retteten mir das Leben.

Mein Vater war natürlich überhaupt nicht begeistert. Er hatte Familie - eine Frau und sogar drei Kinder - und konnte sich kein weiteres Maul erlauben zu stopfen. Meine Mutter war daraufhin auf sich allein gestellt, abgesehen, dass er ihr noch einmal eine hohe Summe zahlte, damit sie ihn niemals wieder ansprach.

Aber was brachte denn das Geld, was gerade einmal für ein paar Monate reichte, wenn ihr Bauch immer wuchs und dieser kaum noch hinter Obis und Kimonos zu verstecken ging? Ihre Okia war natürlich nicht darüber erfreut. Sie mussten jetzt nicht nur mit sinkenden Einnahmen rechnen, sondern bald auch mit einem schreienden Kind in ihrer Mitte, welches viel Geld benötigen würde. Sie überlegten lange, was sie mit ihr machen sollten, aber zum Glück kam rauswerfen nicht in Frage, denn das würde mehr Verlust bedeuten, als sie zu behalten.

So konnte ich also behaupten, dass ich schon ein Glückskind war, noch bevor ich geboren worden war. Ich bin den Tod entgangen und habe meine Mutter vor dem Ruin bewahrt, wenn auch nicht die Okia, in der sie gerade lebte.

Diese war nämlich schon vor der Schwangerschaft von Yukiko sehr verschuldet und als meine Mutter im sechsen Monat war, schloss die Okia und meine Mutter stand auf der Straße.

Sie versuchte sich damit durchzuschlagen, in den Teehäusern auszuhelfen und als Dienerin ihr Lebensunterhalt zu verdienen. Sie bekam von wenigen Männern Geschenke, welche sie veräußerte, doch es waren schwere Zeiten.

Bald konnte sie überhaupt nicht mehr als Geisha arbeiten, denn sie hatte weder Geld für ihr Make-up, noch für die teuren Kimonos oder den Haarschmuck.

Sie konnte damit nur noch hoffen, irgendwo zuflucht zu finden und ihr Leben irgendwann wieder in gerade Bahnen zu bringen.

Aber diese letzte Hoffnung wurde gänzlich verloren, als sie bald eine Krankheit ereilte und sie sich wie eine verletzte Hündin in eine Gasse zurück zog und nur noch versuchte zu überleben.

In ihrer Hoffnungslosigkeit wendete sie sich an eine sehr bekannte und erfolgreiche Geisha - Takino - und bat sie, sie aufzunehmen, damit sie mindestens ihr Kind zur Welt bringen konnte.

Takino zögerte lange, doch nach dem Versprechen, sie würde später alles zurück zahlen, erlaubte die Geisha meiner Mutter ihre Quartiere zu nutzten und hier bis zur Geburt ihres Kindes zu bleiben.

Sie bekam also Nahrung, Unterkunft und Takino, die ein weiches Herz hatte, bezahlte ihr sogar die Arztrechnung, die jedoch bei dem Gesundheitszustandes meiner Mutter sehr hoch waren. Der Arzt meinte sogar, es sei ein Wunder, dass sie mich noch nicht verloren habe und dass das Kind einen solchen Lebenswillen zeigte, dass es sicherlich ein Junge werden würde.

Meine Mutter war davon wenig begeistert. Natürlich, ein Junge war in der damaligen Zeit sehr angesehen und würde es weiter bringen können, aber ein Mädchen hätte zur Geisha werden und hätte sie dann im Geldverdienen unterstützt können. Nun zerbrach auch diese Hoffnung und ihr Lebenswille sank immer mehr. Sie begann zu trinken und schien kurz vor der Geburt nur noch ein Frack ihrer selbst zu sein.

Ihre einstige Schönheit war verblasst und einer hässlichen Fratze gewichen, die sich auf ihrem Gesicht verbreitet hatte. Jedes mal, wenn sie in den Spiegel schaute, hasste sie sich mehr dafür und mich genauso.

Am sechsten Juni 1910 War es dann soweit. Es stürmte, regnete und gewitterte, als würde das Wetter wissen, dass ich geboren werden würde und dass ich womöglich nur Schmerz bringen könnte. Nach all dem Glück, was ich vor meiner Geburt hatte, schien nun das Unglück über mich herzuziehen. Jeder Mensch schien wahrscheinlich nur eine kleine Handvoll an Glück in seinem Leben zu haben… ich hatte es schon aufgebraucht.

Meine Mutter war zu geschwächt, um mich alleine auf die Welt zu bringen und so rief Takino nach einem Arzt, der ihr helfen könnte. Die Geburt dauerte länger als drei Stunden, dann war ein Leben geboren - und eins genommen. Meine Mutter überlebte die Geburt nicht. Sie hatte an diesem Abend eine ganze Flasche Sake getrunken und hatte nicht einmal mitbekommen, wie ich auf die Welt trat, oder wie sie starb. Sie war einfach eingeschlafen während der Geburt. Und auf einmal war ich da, wie ein Vogel auf dem Baum, beobachtet von einem Geier, der über einen fliegt.

Takino zog mich auf, aber nicht lange. Sie gab mir - nach dem Wunsch meiner Mutter - den Namen Mami - wahre Schönheit und überlegte dann, wie sie mit mir gutes Geld machen könnte. Sie musste die Ausgaben meiner Mutter wieder reinbringen, sonst würde sie die nächsten Monate nicht überstehen und wirklich, sie fand eine gute Methode, das verlorene Geld wieder zu bekommen.

Sie verkaufte mich im Alter von drei Jahren an die Okia Nitta und dort beginnt meine Geschichte. Die Geschichte von Mami, oder besser gesagt, die Geschichte von Hatsumomo.

Die Geisha Nanami

Die Nitta-Okia war in ganz Gion eins der bekanntesten und angesehensten Okias und so wurde zwar nicht viel hinter dem Rücken von Yurida - die unter Großmutter bekannt war - hergezogen, sondern nur die Tatsache belächelt, dass viel Geld für eine dreijährige Dienerin ausgegeben worden war.

Ein so junges Mädchen konnte keine schweren Aufgaben erfüllen und die Tatsache, dass es dies später vielleicht doch tun könnte, tröstete nicht darüber hinweg, dass es durch Arztrechnungen, Unterkunft, Kleidung und Nahrung einen sehr hohen Schuldenberg aufbauen würde und diesen, sollte es wirklich Talent für die Arbeit einer Geisha entwickeln, kaum abbezahlen können.

Aber Yurida Nitta war sehr zuversichtlich und in ihrer mürrisch und garstigen Art, hatte sie mich, als ich das erste Mal die Okia betrat, am Oberarm gegriffen, so grob, dass ich später blaue Flecken davon bekam und mit tief in die Augen geblickt hatte.

»Die Kleine hat Feuer. Sie kann man eine gute Geisha werden, wenn sie sich durchsetzten kann. Außerdem bekommen wir so günstig keine Dienerin mehr!«

Takino war in diesem Moment froh, mich endlich loszuwerden und nahm wirklich jeden Preis an, denn Yurida nannte. Auf einmal stand ich in einer Okia, trug gerade mal ein Leinenkleidchen und fühlte mich in diesem Moment verlorener, als ein toter Vogel im Wind.

Zu jener zeit lebten gerade einmal vier Geishas in der Okia. Zu einem war das Kayoko, die viele nur Mutter nannten, weil sie vor knapp zehn Jahren von Großmutter adoptiert worden war und deren Nachfolgerin sein würde, sobald die alte Yurida das zeitliche Segnen würde. Tantchen, dessen wirklichen Name ich niemals erfahren durfte, war ebenfalls adoptiert wurden, doch der Tanzunfall, der sich nach ihrer Adoption ereignet hatte, machte sie zum Krüppel. Ihre Hüfte ragte ein wenig hervor und als ich sie das erste mal gesehen hatte, glaubte ich, sie würde gleich umknicken und im rechten Winkel davon laufen, während ihr Körper immer mehr und mehr Richtung Erdboden sich bog.

Die letzte der hier wohnenden Geishas war Nanami - siebe Meere - die ich damals für Wunderschön hielt. Sie stand hinter Großmutter, als diese mich in Augenschein genommen hatte und blickte mich mit kalten, abschätzenden Augen an, wie eine Löwin, die ihre Beute musterte. Ich war so fasziniert von mir, dass ich mir schon damals, im alter von drei Jahren, sie zum Vorbild auserkoren hatte, noch bevor sie nur ein Wort gesagt hatte. Nichts würde meine Bewunderung zu ihr noch erschüttern können, nicht einmal ihre Worte, die sie in Großmutters Ohr flüsterte.

»Wenn du mich fragst, würde ich sie gleich ins Jorou-ya schicken!«

»Aber dich fragt keiner, Nanami«

Großmutter, die damals noch nicht so kränklich und einsam war, gab mir einen kräftigen Klaps auf den Rücken und nickte dann Tantchen zu, um ihr klar zu machen, mich in die Zimmer der Dienerinnen zu bringen. Mutter dagegen stand neben Nanami und schien mich noch abschätzender anzustarren, als die jüngere Geisha, denn sie sah in mir weder Konkurrenz, noch eine Freundin, sondern nur eine gute Geldanlage.

Aber wie von den meisten Befürchtet, war eine Dreijährige kaum in der Lage wirkliche Dienste zu vollbringen und so wurde ich meistens nur dazu eingesetzt um Türen zu öffnen, Gäste anzukündigen und andere Besorgungen innerhalb der Okia zu tätigen. Diese durfte ich auf gar keinen Fall verlassen und nur mit Begleitung durfte ich zum Haupttor.

Aber eigentlich war dies eine unnötige Regel, denn ich dachte überhaupt nicht daran zu fliehen, denn all das, was meine Mutter falsch gemacht hatte, wollte ich richtig machen. Eine Geisha werden, das war mein größter Traum und ich würde nicht so dumm sein und einfach fliehen, um meinem Glück zu entkommen.

Selbst in der Nitta-Okia, drei Jahre nach ihrem Tod, wurde noch über sie hergezogen, als wäre sie selbst Schuld an ihrem Tod gewesen und wahrscheinlich war es auch die Wahrheit, was sie sagten. Ich wollte nicht so enden, im Alkoholsuff und als verarmte Geisha, herausgeworfen, aus der eigenen Okia. Als dreijähriges Mädchen hatte ich noch Träume und Wünsche, aber ich sollte bald merken, dass diese Träume und Wünsche wie feine, bunte Seifenblasen zerplatzen können.

Dennoch wurde ich in der Okia gut behandelt, solange ich nicht in der Nähe von Großmutter, Mutter oder Nanami war. Tantchen kümmerte sich um mich und versuchte mir so viel Arbeit abzunehmen, wie sie es mit ihrer kaputten Hüfte konnte. Wahrscheinlich würde sie das für jedes Mädchen machen, welches in der Okia aufgenommen wurde. Sie war damals, trotz ihrer Verletzung, noch eine sehr hübsche Frau, wenn auch mit einfältigen Gesicht, dennoch war sie von den anderen Geishas abgeschrieben und fristete ein Dasein als Dienerin, die niemals mehr erreichen würde, als sie jetzt erreicht hatte. Ein erbärmliches Leben, wie ich fand, aber dennoch war ich in manchen Situationen sehr dankbar.

So war ich nur wenige Wochen nach meinem eintreten in die Okia vor Mutter gerufen worden, damit ich Nanami einen neuen Haarschmuck bringen konnte, der ihr von ihrem danna geschenkt worden war.

Ich hatte das in altes Papier gewickelte Schmuckstück in meinen kleinen Händen und wagte nicht, mich zu berühren.

»Wenn du es kaputt machst, kannst du dich auch gleich begraben lassen« zischte Mutter, während sie in ihren Kontobüchern schrieb und dabei ihre Pfeife paffte. Auch Großmutter war im Raum, aber ich wollte sie nicht anschauen. Ihre verfärbte, vergilbte Haut machte mir Angst und ich ekelte mich vor den kleinen Blasen, die sie im Gesicht und am Hals hatte, welche vom falschen Make-up stammten.

»Das dumme Gör wird es kaputt machen, glaub mir« höhnte die Alte vom Fenster aus, von wo sie die Menschen auf der Straße beobachtete.

»Dann wird sie es halt bezahlen.«

»Nanami wird im Dreieck springen, sobald sie die Kleine sieht.«

Ich blickte von einer zur anderen, immer den Blick gesenkt und demütig lauschend, was sie redeten, obwohl ich mich sehr schlecht fühlte, als ich bemerkte, dass Großmutters Abfälligkeit auf tatsächliches Misstrauen rührte. Bis vor wenigen Minuten hatte ich mich gefühlt, als wäre ich die einzige Person auf der ganzen Welt, der man solch einen großen Schatz anvertrauen konnte, doch nun begriff ich, dass ich die letzte war, der man glaubte eine solche Aufgabe erfüllen zu können und dass man es nur tat, weil kein anderer gerade Zeit hatte. Es begann sich in mir ein mulmiges Gefühl auszubreiten, fast so, als würde man eine ganz heiße Suppe auf einmal hinunter schütten und gleich danach ein Eis essen. Ich fühlte mich erschlagen und gleichzeitig sehr bedrückt, fast wütend, wenn man das schon als kleines Mädchen fühlen konnte.

Ich blickte hinab auf das eine Packet in meiner Hand, während sich die beiden alten Frauen noch darüber stritten, ob sie mir das wirklich anvertrauen sollten.

»Was machst du noch hier? Los geh schon und bring das Päckchen zu Nanami«

Ich erzitterte wie ein aufgeschreckter Hase, als ich auf einmal von Mutter angeblafft wurde. Ich sprang sofort auf, verbeugte mich kurz und eilte dann hinaus aus der Tür. Ich rannte den Flur entlang und die schmale Treppe nach oben, um schnell von den beiden alten Hexen wegzukommen und das teure, wertvolle Schmuckstück Nanami zu überbringen.

Sie bewohnte das obere Zimmer. Ein sehr geräumiges, schattiges Gemach, dass größer war, als all die Dienstbotenräume zusammen. Ich selbst traute mich kaum hinein, denn noch immer bewunderte ich die schöne Geisha. Wie konnte ich, ein kleines Mädchen, eine Dienerin, es auch nur wagen, diese Heiligtümer betreten? Ich stand einige Minuten vor der Tür und konnte vor Anspannung mich kaum rühren. Mein kleines Herz klopfte schneller, als der Schwanz eines freudigen Welpen wedeln konnte und meine Glieder waren schwer wie Bleib. So stand ich einige Minuten mit dem kleinen Päckchen in den kleinen Händen und wartete darauf, dass ich mich wieder bewegen konnte.

Ich atmete einmal tief ein, dann einmal aus und schloss die Augen, bevor ich die eine Hand hob, um anzuklopfen.

»Was machst du hier?« hörte ich auf einmal die sehr hohe Stimme von Nanami hinter mir. Ich erschrak fürchterlich und drehte mich zitternd um, während sie mit verschränkten Armen und eiskalten Blick auf mich hinunter schaute.

Nanami war eine adlige Geisha, wie man sie auch ab und an nannte. Ihr Vater war ein Lord gewesen, ihre Mutter eine bekannte Geisha, welche - nicht so wie meine - vom Lord auch nach der Geburt ihres Kindes gut unterhalten wurde. Nanami wurde verwöhnt von ihrem Vater und brachte dadurch der Okia eine Menge Geld ein, genauso wie ihr danna, der sehr viel für sie bezahlte.

Eigentlich war sie eine sehr herzliche Person und unter Männern, sowie Geishas sehr beliebt. Sie war auch gar nicht bösartig zu mir, wie sich nach ihren ersten Worte vor Monaten erwarten lies, ignorierte mich aber vollends und beschwor Mutter, mich nicht in ihre Nähe zu lassen. Aus einem mir unverständlichen Grund verspürte sie eine gewisse Abneigung gegen mich, stärker, als gegen all die anderen Dienerinnen und Dienstboten.

»Ich… ich… so …soll..«

»Stottere gefällst nicht so vor mir herum, wenn du mit mir sprichst!«

»Ich soll ihnen das hier bringen.«

»Entschuldige dich!«

Ich blickte sie verwirrt an, während sie kälter als je auf mich nieder starrte. Sie hatte eine merkwürdige, aristokratische Wirkung auf mich, die wohl auch ein Adler auf einen Spatz hätte. Ich schluckte ein wenig, wahrscheinlich meinen ersten Anflug an Stolz, und neigte dann entschuldigend den Kopf. Ich würde wieder stottern, sobald ich meinen Mund öffnen würde, doch ich atmete einmal tief ein, dann flüsterte ich leise Entschuldigung und hielt ihr dann, den Blick gesenkt, ihr Päckchen hin.

Sie nahm es ab, höchst darauf bedacht, mich auf keinen Fall zu berühren, dann beäugte sie es genauer.

»Lord Takaio hat es mir gebracht?«

»Ich glaube schon, Herrin« antwortete ich auf ihre Worte, während ich noch demütiger vor ihr stand, das kleine Mädchen vor der großen Löwin.

Diese jedoch hatte gerade ihre Beute und packte es schnell aus, um den wunderschönen Haarschmuck zu begutachten. Sie blickte es erst überrascht, dann abschätzend und dann höchsterfreut an. Kurz danach packte sie es wieder in das vergilbte Papier und drückte es fast zärtlich an ihre Brust, bevor sie sich hinunter zu mir beugte.

Während sie den Schmuck begutachtet hatte, schien sie mich vergessen zu haben, doch nun sah sie mir genau in die Augen, verzog die Lippen zu einem schmalen Gesicht und legte den Kopf schief.

»Du bist ein sehr süßes Mädchen, Mami!«

Hauchte sie mir zu. Ihre Worte klangen lieblich und süß, als würde sie mir gleich einen Keks geben wollen, bevor sie sich wieder aufrichtete und verächtlich zu mir schaute.

»Aber ich kannte deine Mutter und ich kenne dich sehr gut. Keiner weis es. Du weist es nicht und alle anderen wissen es auch nicht, aber du wirst einmal eine arrogante, ignorante und intrigante Wildkatze sein. Es steht in den Sternen, es ist dein Schicksal. Was glaubst du, wie ich dir da vertrauen kann?«

Ich schaute sie verwirrt an. Wie sollte ein kleines Mädchen das verstehen? Wie konnte ein dummes, naives Kind all das in die zarte Seele aufnehmen?

Es war wie ein Schlag ins Gesicht für mich, als sie mir das sagte, denn eigentlich wollte ich doch nur eine bekannte Geisha werden, eine wunderschöne Frau, der geheime Traum der Männer.

Ich starrte ihr nach, unfähig diese Reaktion zurück zu halten, während sie zu ihrer Tür ging und diese aufschob. Sie schien mich wieder zu ignorieren, ganz so, als hätte das kurze Gespräch gar nicht stattgefunden und noch in dem Moment, als sie die Tür wieder hinter sich zuschieben wollte, ballte ich die kleinen Hände zu Fäusten und schrie, wie ich es hätte eigentlich nicht tun dürfen.

»Das bin ich nicht!«

Sie blieb abrupt stehen, begann zu lachen, wie eine Schlange, die jetzt die Maus verspeisen wollte. Sie lachte, ohne sich umzudrehen, lacht laut und schallend, bevor sie zu sprechen begann, ohne daran zu denken, mich anzuschauen.

»Nein? Das bist du nicht? Wer bist du dann?«

»Ich bin Mami!«

»Das wirst du aber nicht bleiben. Keine Geisha bleibt das, was sie einmal war. Das wirst auch du lernen müssen und das wirst du auch lernen, glaube mir!«

Und dann schob sie die Tür gänzlich zu und lies mich alleine im Flur stehen, zornig, verloren und dem Weg beraubt, denn ich eigentlich hatte gehen wollen.

Zurück konnte ich nicht, ich war doch erst drei, doch vorwärts schien es auf einmal auch nicht mehr zu gehen.

Die Wut lies zwar nach und nach in meiner kleinen Brust nach, doch ich konnte mich kaum einen vernünftigen Gedanken besinnen. Sie verhöhnte mich. Nanami, die große, gütige Geisha, verhöhnte mich aufs groteske.

Natürlich vergötterte ich sie noch immer, ich war von ihr fasziniert, von ihrer Art, sicher Schönheit, ihrer Stimme und ihrem Charakters.

Ich war so fasziniert von ihr, dass mein kleines Kinderherz vor Kummer zerbrach, als ich langsam begriff, dass sie mich immer verachten würde. Sie würde mich ignorieren und missachten.

Aber es gab noch eine einzige Hoffnung. Ich musste ihr beweisen, dass ich nicht so war, wie sie glaubte. Ich musste ihr beweisen, dass ich eine gute Geisha werden könnte und dass ich würdig für ihre Gesellschaft sein konnte und dafür musste ich eins schaffen.

Ich musste schaffen, dass sie meine große Schwester wurde. Sicherlich, als dieses kleine Mädchen, dass da gerade vor der Tür stand und starr vor entsetzten, waren mir diese weiten Gedanken nicht gekommen, sondern erst viel später, als ich mir fünf Jahren an einem Brunnen saß und kleine Steinchen hinfallen lies, um zu sehen, wie sie langsam in der Tiefe versanken.

Dabei bemerkte ich, wie dieser kleiner Stein große Ringe nach sich zog und ich verstand, dass Nanami dieser Stein sein könnte, der in meinem Leben große Kreise nach sich ziehen würde, mein Leben richten könnte und mir helfen könnte, im großen Wasser meinen Platz zu finden.

Doch im Alter von drei Jahren verstand ich noch rein gar nichts von ihren Worten. Sie waren keine Schranke, die mir ein Weg versperrten, sondern eine Abzweigung, um mich auf die richtige Richtung zu bringen. Ich musste diesen neuen Weg nur noch bestreiten.

Und das wollte ich machen. Ich wollten diesen Weg bestreiten. Ich wollte ihn entlang rennen und den Wind in meinen langen, schwarzen Haaren spüren. Ich wollte die Steine unter meinen Füßen fühlen und ich wollte über jede Hürde mit Leichtigkeit springen.
 

Als kleines Mädchen liebte ich die Zeit, in der die Früchte an Bäumen und Sträuchern ihre volle Reife erreichten, denn dann hieß es: Ernten!

Einige Mädchen, die Töchter von Dienerinnen waren, begannen sich daraus einen Spaß zu machen, zu wetten, wer die meisten Früchte ernten konnte. Natürlich spielte ich jedes Mal mit und ab und an gewann ich auch. Besonders, wenn es um Kirschen ging, deren Blühten so wunderschön waren, dass ich sie jedes Jahr in einem der alten Bücher heimlich presste.

Einmal war der Spaß jedoch kein Spaß mehr, als eins der Mädchen - ihr Name war, so glaube ich, Mamoko - auf eins der Dächer kletterte, um besser an die höher liegenden Früchte zu kommen. Ich hatte ihr davon abgeraten, kletterte jedoch nach, als sie meinen Worten keine Aufmerksamkeit schenkte.

»Ach komm schon, Mami. Macht dir keine Sorgen. Ich bin schon tausendmal hinauf geklettert.«

Ich hatte fürchterliche Angst, denn der Weg - über zwei Kisten, auf den Fensterrahmen, hochgezogen an eine Pflanzenranke - schien mir mehr als nur unsicher und ich glaubte nicht, dass Mamoko mir nur ein paar Schrammen davon käme, wenn sie stürzten würde.

»Mamo« rief ich sie zur Vernunft, doch sie kletterte immer höher, bis sie auf dem Dachvorsprung kniete und ihren Arm ausstreckte, um an die saftigen Früchte zu kommen.

Ich konnte nicht hinschauen. Ich kletterte ihr nach und tastete mich immer weiter und weiter vor, bis ich dicht hinter ihr war und meine Hand nach ihr ausstreckte. Vorsichtig hielt ich sie am Gürtel ihres Kleides fest, damit sie nicht den Halt verlor.

»Lass uns wieder runter gehen… komm schon, Mamo«

Doch sie hörte nicht auf mich. Sie zupfte bloß weiter die Kirschen von den Ästen und lachte dabei freudig, als hätte sie eine Menge Spaß. Meine Angst um sie - und nun auch um mich - ignorierte sie vollends.

»MAMO!« schrie ich sie an, doch ich konnte noch nicht einmal ausschreien, denn auf einmal hatte ich drei Kirschen im Mund, die mir von Mamoko einfach hinein gesteckt worden waren.

Ich kaute darauf herum, doch der besorgt-zornige Blick blieb auf meiner jungen Freundin haften. Aber bald wandelte sich dieser Blick in ein seliges, traumverzerrtes Gesicht, denn diese Kirschen waren einfach fabelhaft.

»Das sind die besten überhaupt« lachte Mamoko freudig, während sie sich selber ein paar Kirschen in den Mund stopfte. Ich kaute selig weiter darauf herum und kicherte erfreut.

»Weißt du, die Sonne kommt hier gut an die Früchte. Sie werden zwar schnell schlecht, aber wenn man sich beeilt, dann haben sie genau die richtige Reife. Sie sind wie Menschen. Wir sind die Knospen. Mit fünfzehn kommen wir in die Blühte und die Frucht sind wir mit zwanzig… die verbotene Frucht für die Männer«

Wir lachten über diese Anspielung, denn immerhin lebten wir zwischen Geishas und schon als kleine Kinder waren wir in diesen Dingen aufgeklärter, als andere Mädchen mit zwanzig.

Was jedoch an diesem Tag mir am meisten im Gedächtnis blieb, war nur die Tatsache, dass Menschen diesen Früchten wirklich zu ähneln schienen. Besonders mein eigenes Leben konnte man wirklich gut damit zusammen fassen. Glich ich doch im Moment einer kaum sichtbaren Knospe, würde ich bald eine wunderschöne Blume sein, dann eine saftige, verführerische Frucht, doch diese Frucht - so würden viele sagen - hatte einen fauligen Kern und würde von innen her langsam verschimmeln. Ich sage dagegen, dass ich einfach eine ziemlich scharfe Frucht war, die man nur mit Vorsicht genießen durfte.

Aber in diesem Moment, als ich mit Mamoko auf dem Dach saß und Kirschen aß, war ich noch unschuldig und rein, bedacht, mein junges Leben zu genießen.

Ich saugte jedes Fruchtfleisch von den Kernen und spuckte sie dann vom Dach. Sie landeten dann mit einem leisen ‘plopp’ im kleinen Teich des Okiagartens.

Das war der Beginn eines Kirschkernweitspuckwettbewerbes zwischen uns beiden. Auf dem Dach der Okia wurde es zwar immer wärmer, aber dachten gar nicht daran, wieder hinunter zu gehen und sogar ich hatte meine Angst und mein Bedenken über die Höhe gänzlich verloren. Wir saßen so sicher und geborgen, dass uns nur ein Erdbeben von dort herunter geholt hätte, oder der laute Ruf der Herrinnen.

Mamoko war es, die gerufen wurde und wir kletterten langsam wieder hinunter.

Den Korb, denn Mamoko vorhin noch leer nach oben tragen konnte, war nun ein wirkliches Hindernis und wir brauchen fast doppelt so lange hinunter, als hinauf. Auf den letzten paar Metern jedoch, verlor ich den Halt auf dem Fenstersims und wäre beinahe in die Tiefe gestürzt, wenn mich Mamoko nicht aufgefangen hätte. Stattdessen landete der Korb krachend auf dem Boden und zerschellte.

Die saftigen, leckeren Kirschen, verstreuten sich auf dem ganzen Boden und rollten bis unter die Terrasse. Wenn dass Tantchen sah, dachte ich erschrocken.

Wir kletterten so schnell es ging hinunter und begutachteten den Schaden.

»Was machen wir jetzt. Wenn ich keine Kirschen mitbringe, werde ich bestraft«

Seufzte Mamoko, während ich schon damit beschäftigt war, die noch guten Früchte aufzulesen und in einen kleinen Teller zu legen.

Mamoko seufzte und schluchzte weiter, denn sie fürchtete Schläge und als ich sie so weinen hörte, musste ich kurz die Augen verleiern. Sie würde nun zu ihrer Mutter gehen, ihr eine Lüge erzählen, ein paar kurze Schläge bekommen und dann morgen alles vergessen haben, doch sobald Tantchen, oder - noch schlimmer - gar Mutter diese Schweinerei sehen würde, wäre ich wohl viel schlimmeren ausgesetzt.

Dennoch weinte ich nicht. Nein, ganz anders. Ich lief schnell in das kleine Nebenhaus und holte einen neuen Korb, um ihn Mamoko zu übergeben.

»Hier!« sagte ich mit einer erwachsenen Ruhe in mir, drückte ihr den Korb in den Arm und schob sie aus der Tür der Okia.

»Aber Mami«

»Kein Aber« ermahnte ich sie, und blickte noch einmal besorgt zur Okia. »Geh jetzt, schnell!«

»Das werde ich dir nie vergessen, Mami«

Ich lachte erfreut und schloss dann die Tür, denn eigentlich durfte ich ohne Begleitung gar nicht mehr hier sein.

Dann lief ich schnell zurück zum Garten und sammelte im Eiltempo die Kirschen auf, um sie auf den Teller zu legen und sie dann im kleinen Bach abzuspülen, der durch den Garten floss.

Ich beeilte mich und dennoch brauchte ich fast eine Stunde, um alle Kirschen aufzuklauben, oder wegzukehren, damit kein weiterer Schaden angerichtet werden konnte.

Als ich damit fertig war, und Erleichterung sich in mir breit machte, setzte ich mich im Licht der untergehenden Sonne auf die Terrasse und aß ein paar von den im Bach gewaschenen Kirschen.

Nanami war schon längst unterwegs zu den Teehäusern, von denen sie heute gebucht worden war, doch so in Sicherheit, wie ich geglaubt hatte, war ich nicht.

Tantchen rief nach mir, noch bevor ich alle Kirschen aufgegessen hatte. Sie rief mich zu Mutter und Großmutter, die beide im Gästeempfangszimmer saßen und auf mich warteten.

Sie blickten auf, als sie mich sahen und in ihren Augen war Wut zu sehen.

»Schau dir das an, du dummes Ding!« schrie gleich Großmutter mich an, noch bevor ich ganz verstand, was sie meinte. Vor ihr war ein Kimono ausgebreitet, dessen Saum mit roten Flecken gesäumt waren. Kirschflecken!

»Weißt du, wie viel die Reinigung kostet?«

Ich stand wie erstarrt da und blickte erschrocken auf den Kimono. Es war ein solch schönes Kleidungsstück, in Weiß mit roten und schwarzen Kranichen darauf, die an einem Weiher standen, oder gerade wegflogen.

Ich fand, dass die Flecken gar nicht schadeten, aber so was durfte ich natürlich nicht sagen. Ich konnte nur eins. Ich begann eine Verbeugung, so tief ich nur mit meinem jungen Körper konnte und versuchte mich zu entschuldigen.

»Ach bitte, du dummes Ding!« rief Großmutter aus. »Von deinen Entschuldigungen kann ich mir auch nichts kaufen. Du wirst Jahre brauchen, um diese Schulden wieder abzuarbeiten«

»Es tut mir leid« schluchzte ich, während Tränen auf die Tatamimatten fielen.

»Es tut dir leid« höhnte Mutter zornig, während sie Tantchen dazu veranlasste, den Kimono wieder davon zu tragen.

»Was soll ich mir dir machen, du dummes Ding? Was? Ich sollte dich windelweich Prügeln, dich an deinen Füßen aufhängen, dich ewig einsperren dich…«

Sie konnte nicht aussprechen, zu meinem Glück, denn in diesem Moment wurde die Tür erneuert aufgeschoben und Nanami in einem roten Kimono trat ein. Ihr weißes Gesicht schien fast wie der erlösende Mond in einem Monat voller heißer Tage.

Sie lächelte verzückt, als sie hinein kam, dann kniete sie sich neben mich und blickte Mutter ernst an.

»Mütterchen« sagte sie in ihrer gütigsten Stimme. »Ich sollte euch was sagen, bevor ihr hier weiter macht«

»Was willst du, Nanami. Was hast du schon wieder angestellt?«

Nanami lächelte weiter geheimnisvoll, bevor sie ihre Hand, als wäre es ihr peinlich, vor ihr Gesicht hielt und dann zögerlich weiter sprach.

»Ich trug heute den weißen Kranichkimono und wurde von einem Heern zum Spaziergang eingeladen. Ich glaube, dabei sind wir durch Kirschen gelaufen. Ich befürchte, es könnten Flecken nun auf dem Stoff sein.«

Mutter blickte sehr ungläubig zu Nanami, dann zu mir, bevor sie wütend paffend an ihrer Pfeife zog.

»Was soll das. Glaubst du, ich nehme dir diese Geschichte ab?«

»Oh, Mutter. Glaubst du mir etwa nicht? Schau dir meine Okobos an. Sie sind voller Kirschspuren. Sie sind ruiniert, aber der Herr versprach mir neue zu besorgen«

Mutter grunzte etwas und ihre Augen wurden zu schlitzen, bevor sie die Asche aus ihrer Pfeife klopfte und zu Großmutter schaute, die kurz nickte.

»Also gut. Mami… du hattest Glück, doch achte darauf, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Nanami, du bleibst noch. Mami geh!«

Ich war ganz geschockt von der Situation, die sich gerade abspielte. Ich wollte mich verbeugen und mich bedanken, doch Mutter und auch Nanami blickten mich an, als würde sie kein Wort von mir dulden und so verbeugte ich mich nur und verlies den Raum sofort.

Natürlich versuchte ich zu lauschen, doch Tantchen verhinderte dies, indem sie mich davon schickte, damit ich den Dienerinnen half, die Futons auszurollen.

Ich tat natürlich sofort, was mir gesagt wurde, doch dabei dachte ich sehr lange über Nanami nach. Sie hatte gelogen. Sie hatte gelogen, um mir zu helfen und eine Bestrafung zu verhindern, die ich sehr wohl verdient hätte.

Ich glaubte das nicht, ich konnte und wollte das nicht glauben und dennoch war ich unglaublich dankbar über die unerwartete Hilfe.

Als ich dann Nanami draußen im Garten sah, wie sie dort zur Strafe Kniete, lief ich zu ihr und verbeugte mich tief.

»Das kannst du ja schon mal gut. Dich verbeugen und entschuldigen. Männer lieben es, wenn sie Demut sehen, aber zu oft macht dich zu nahbar und sie werden deiner überdrüssig.«

Ich schaute auf und sah eine kalte Miene, doch ihre Augen strahlten nicht mehr die gewohnte Abneigung.

»Danke« sagte ich leise, während ich schüchtern vor ihr stand.

»Für was?«

»Eure… ihr habt für mich gelogen, Herrin«

»Ach? Habe ich das? Ich kann mich nicht erinnern? Nur noch an diesen Spaziergang!«

»Warum?« fragte ich nur noch schüchterner.

»Weil es der Herr so wollte!« Sie lachte, doch ich verstand, dass ich keine richtige Antwort mehr bekommen würde. Ich seufzte ein wenig, wie frischer Wind und wollte gehen, doch Nanami sprach auf einmal, als würde sie eine liebende Mutter sein, die ihrem Kind eine Geschichte erzählte.

»Mami. Ich habe dich wohl falsch eingeschätzt. Ich habe Mamoko getroffen. Du solltest morgen zu ihr und den Korb abholen, bevor Mutter merkt, dass ihr einer fehlt.«

Verdutzt blickte ich sie an, bevor ich breit zu lächeln begann, mich verbeugte und dankend davon machte.

Eine Wette

Mamoko hatte recht gehabt. Ich hatte es nicht wirklich glauben können, denn welcher Baum würde die süßesten und besten Früchte als erstes abwerfen wollen? Mutter würde ja auch nicht Nanami aus der Okia werfen, weil sie die schönste Frucht war. Dennoch hatte Mamoko recht gehabt. Nur zweit Tage nachdem mich Nanami vor der Prügel bewahrte und der klare Sonnenschein mich am Morgen weckte, wollte ich voller begeisterter Erwartung erneut auf das Dach steigen und die feinen Früchte naschen. Mit mir waren gerade einmal zwei weitere Dienerinnen wach, welche die täglichen Hausarbeiten begannen und die Köchin wach und so war es die beste Zeit auf das Dach zu klettern, um von dort die Früchte von den Ästen zu klauben.

Ich tat es wie vor einiger Zeit mit Mamoko, nahm den gleichen Weg und obwohl ich wusste, dass ich keinen Grund zur Angst hatte, schlug mein Herz wie wild, als ich den beschwerlichen Weg antrat.

Ich kletterte über den Sims weiter nach oben, bis ich endlich nur noch die hand ausstrecken musste und die Kirschen pflücken konnte.

Als ich die rote Frucht endlich zwischen meinen Fingern hielt, spürte ich schon, dass sie im inneren nicht mehr so schön war, wie vor zwei Tagen. Ich beäugte sie misstrauisch, roch an ihr und steckte sie dann anschließend in meinem Mund.

Ich kann nicht beschreiben, wie sie geschmeckt hat. Vielleicht wie alter Sake mit Essig vermischt, der in der Sonne gestanden hatte. Ich kaute nicht weiter, sondern verzog nur noch das Gesicht, bevor ich die Kirsche im hohen Bogen ausspie und einen leisen Aufschrei hörte.

Ich bekam einen riesigen Schreck, krabbelte auf allen Vieren zum Dachvorsprung und spähte hinunter, wo ich einen gut angezogenen Herrn erblickte, der wohl auf jemanden gewartet hatte. Ich hielt die Luft an und krabbelte ein wenig zurück. Ich schien ihn mit der fauligen Kirsche getroffen zu haben. Jedenfalls hatte er ein Taschentuch gehabt und in dem kurzen Augenblick, als ich nach unten schaute, hatte er auch nach oben geblickt. Hoffentlich hatte er mich nicht gesehen. Großmutter würde mir den Stock überziehen, wenn sie erfahren würde, dass ich - wenn auch nur ausversehen - einen Gast und - wie ich später erfuhr - Nanamis danna Lord Takaio angespuckt hatte.

Nun schlug mein Herz noch lauter, als vorhin, als ich den beschwerlichen Weg hinauf zum Dach erklommen hatte.

Ich kauerte auf dem Dach und traute mich nicht noch einmal hinunter zu blicken, aus Angst, er könnte darauf warten und mich dann erkennen. Was würde passieren, wenn er mich jetzt rufen würde? Oder wenn er es Nanami erzählte; das wäre sogar noch schlimmer, als wenn er es Mutter erzählte.

Wahrscheinlich würde sie ihre Worte der letzten Tage zurück nehmen und mich wieder voller Hohn betrachten. Ich sollte mich entschuldigen, bevor er schlecht von mir denken konnte, aber würde er die Entschuldigung auch wirklich annehmen? In meinem kleinen Kopf drehten sich die verrücktesten Ideen, von einfach verstecken, über liegen bleiben bis hin zu dem Augenblick, wo ich mich nun u ihn begeben würde. Ich hatte wahnsinnige Angst und dennoch kroch ich über das Dach zurück zum Vordach, von wo ich wieder hinunter in den Garten kletterte. Lord Takaio hatte sich nicht von seinem Platz wegbewegt.

Ich versteckte mich hinter einem kleinen Fass und ging im Kopf noch einmal meine Entschuldigung durch, doch die passenden Worte schienen durcheinandergeraten zu sein und ich brauchte eine weile, um dieses Puzzle zu ordnen.

»… entschuldigen sie, Herr«

»Ich wünsche euch einen guten Morgen, Lord Takaio«

»Es tut mir schrecklich leid, Herr«

Ich zitterte ein wenig, während ich immer und immer wieder über meine Schulter zu dem Mann blickte, der im Garten zu warten schien. Ich durfte ihn nicht ansprechen, denn das war gegen die Höfflichkeit. Ich war zu jung und viel zu unbedeutend, um ihn überhaupt anblickten zu dürfen.

So musste ich mir etwas anderes überlegen, wie ich mich entschuldigen könnte.

Ich atmete noch einmal sehr tief ein, schloss kurz die Augen, dann trat ich aus meinem Versteck und lief auf Lord Takaio zu, vor dem ich mich augenblicklich verbeugte, so tief ich nur konnte. Ich hatte ihn dabei nicht ein einziges mal angeschaut und wusste somit nicht, welche Gefühle sein Gesicht spiegeln könnte.

Ich hatte meine Nase schon auf die Erde gepresst, meine Hände berührten nur knapp seine Fußspitzen und mein Rücken war gerade nach unten gestreckt.

Ich spürte seine Überraschung, traute mich jedoch noch immer nicht, nach oben zu blicken.

»Was machst du da, Mädchen?« hörte ich auf einmal seine Stimme, doch ich rührte mich nicht von der Stelle, sondern antwortete ihm nur.

»Ich bitte um Vergebung, Herr.«

»Das sehe ich, aber warum? Hast du mir was gestohlen?«

»Nein, Herr« antwortete ich mit einem trockenen Mund »Ich bespuckte euch.«

»Das hast du getan? Wann denn? Doch nicht etwa die Kirsche, die vom Baum fiel«

»Sie fiel nicht vom Baum, Heer, ich spuckte sie vom Dach hinunter«

Es folgte eine kurze Pause, in dem Lord Takaio anscheinend hinauf zum Dach blickte, um zu schauen, ob er meine Worte glauben schenken durfte.

»Ach, das warst du? Nun dann… du hast die Zeit, dich zu entschuldigen«

Seine Stimme klang belustigt und auf gar keinen Fall böse oder wütend und so fühlte ich mich noch besser, als ich mich noch tiefer verbeugte und meine Entschuldigung laut und deutlich wiederholte. Ich wartete wieder einen Augenblick, der nicht zu vergehen schien, bis sich auf einmal Lord Takaio zu mir hockte und mich anlächelte. Ich konnte nicht anders, als meinen Kopf ein wenig zu heben und ihm direkt ins Gesicht zu blicken. Eigentlich hätte ich, als einfache Dienerin, gleich wieder wegschauen müssen, doch ich konnte es nicht. Lord Takaio war nicht sonderlich hübsch. Er hatte ein rundes, aber nicht dickes Gesicht, eine breite, flache Nase und eine große Narbe von der unteren Lippe hinauf über die rechte Wange zum Ohr. Aber seine Augen, sie waren wunderschön, gütig und als einziges im leicht faltigen Gesicht, junge geblieben.

Ich schluckte ein wenig, dann senkte ich mein Gesicht wieder zum Boden, während er wieder über meine Unerfahrenheit lachte.

»Entschuldigen kannst du dich ja schon ganz gut. Du solltest nur noch lernen, wann du es wirklich machen musst. Wenn du zu Demütig bist, wirst du schnell ausgenutzt.«

Wieder blickte ich auf und schaute in das gütige Gesicht von Lord Takaio. Ich war verwirrt, und es schien mir, als würde mich auf einmal nicht mehr der Lord anblicken, sondern Nanami, die mir vor weniger Zeit fast die gleichen Worte nannte. Irgendwas musste also daran wahr sein, aber in meinem kleinen Kopf passte dies alles nicht zusammen, als würden in diesem Puzzle noch viele kleine Teile fehlen.

Und dann trat Nanami aus dem Haus. Ich sah sie nicht, aber ihre sanften, leise Schritte verrieten sie. Tantchen oder Großmutter wären geschlürft und Mutter hatte einen Schritt wie eine satte Löwin. Die Dienerinnen trampelten mehr und so konnte es nur Nanami sein, die leichtfüßig, fast schwebend über das feine Holz in den Garten trat. Sie trug einen langen Kimono, der leicht gebunden und nur für den Besuch des Lords angezogen war. Es war zwar selten, dass der Lord so früh in der Okia erschien, sollte er jedoch uns mit einem Besuch beehren, dann musste es schnell gehen und man konnte nicht erst nach einem Obibinder schicken.

Ihre Grazie zog mich in ihren Bann und ich konnte erst meinen Blick nicht von ihr abwenden, auch wenn ihr Haar noch ohne Schmuck, ihr Gesicht noch nicht geschminkt und ihr Kimono unspektakulär war.

»Takaio-san« rief sie mit süßlicher, schmeichelnder Stimme, während sie zu ihm hin tanzte und sich dann kurz verbeugte. »Du beehrst mich mit einem Besuch?«

Sie beachtete mich nur mit einem leichten Seitenblick, als ich mich mit meinem Gesicht wieder der Erde zuwendete.

Sie ignorierte mich weiter, führte den Lord hinüber zu der Veranda und kniete sich dann auf das morgendliche, feuchte Holz, um ihm die Schuhe auszuziehen. Doch der Lord lies dies nicht zu. Nicht, dass er nicht eintreten wollte, er wollte nicht, dass sie sich auf das kalte Holz kniete. Er zog sie am Arm wieder nach oben, tadelte sie leise, sodass ich es nicht hören konnte und streifte sich dann die Schuhe selbst ab, bevor sie im Haus verschwanden und ich alleine zurück blieb.

Ich stand auf, blickte ihnen nach und zögerte nur einen kleinen Moment, bevor ich hinterrannte und mich lauschend hinter einer der Türen verkroch.

»Wer ist die Kleine?« fragte Lord Takaio, während sie die Stufen zum Zimmer von Nanami hinauf wanderten.

»Das ist unsere jüngste Dienerin Mami. Sie wird bald eine schöne Geisha abgeben.«

»Wenn du dich um sie kümmerst, geliebte Nanami, dann wird sie die zweitbeste Geisha in ganz Gion.«

Der Lord lachte kurz auf, dann verschwanden sie aus meinem Hörfeld. Ich atmete einmal tief durch und unterdrückte einen kleinen Aufschrei vor Freude. Wenn auch indirekt, so hatte mich Nanami doch gelobt. Ich würde eine Geisha werden, eine gute Geisha und es schien so, als hätte Nanami vor, mich alles zu lehren, was sie wusste. Wahrscheinlich war es nur Wunschdenken, wahrscheinlich nur ein Kindlicher Traum, aber in diesem Moment, wo ich hinter der Tür unter der Treppe stand und nur noch die Schritte der beiden vernahm, pochte mein Herz vor lauter Entzückung.

Ich setzte mich auf den staubigen Boden und zog die Beine ran, um meine Arme darum zu schlingen, bevor ich träumend ins Nichts starrte. Ein wundervolles Leben würde mich erwarten, ein Leben voller schöner Träume und Erlebnissen. In mitten von reichen Männern und wunderschönen Frauen, ein Leben mit wundervollen Tänzen und Musik. Ein Leben, dass weit aus besser war, als dieses hier oder das von meiner verstorbenen Mutter.
 

Der Tag, so wie er begonnen hatte, brachte für mich noch einiges gutes mit sich. Ich konnte mich noch einige Momente unter der Treppe vor der Arbeit drücken und so den schon lauwarmen Vormittag fast dösend verbringen.

Bald jedoch fand mich Tantchen und zog mich an den Ohren hinaus, um mir gewaltig viele Aufgaben aufzugeben und mich damit zu bestrafen.

So saß ich, als die Sonne unentwegt und erbarmungslos auf uns brannte, am kleinen Bach, der durch den Garten floss, saß und Wäsche wusch.

Meine Hände waren schon ganz durchgeweicht und schmerzten, während noch ein riesiger Wäschehaufen neben mir lag.

Natürlich war kein einziger Kimono dabei, nur alte Leinen, Tischdecken oder die Bezüge der Futons. Alles durchlief gerade meine Hände, bevor sie in einen Korb gelegt wurden und dann von einer älteren Dienerin abgeholt wurde.

Von allen Arbeiten, die ich hier tätigen musste, abgesehen vom Putzen des Toilettenhauses, hasste ich das Wäschewaschen am meisten. Die Hände einer Geisha können sehr erotisch auf die Männer wirken, doch wenn sie schrumpelig waren, wirkte dies eher abschreckend. Als kleines Mädchen dachte ich immer, dass diese Haut so bleiben würde und Anfangs weinte ich jedes Mal, wenn ich die Wäsche machen musste, wodurch Tantchen dies nun als Strafe für mich ersinnte. Natürlich fand ich - sehr später leider - heraus, dass dies nicht der Fall war. Doch an diesem Tag schien es die undankbarste und schlimmste Arbeit zu sein, die man mir hatte geben können.

Ich wusch mit einem merkwürdigen Seifenpulver und jedes Mal, wenn ich schluchzend die Tränen aus meinen Augen wischen wollte, brannten diese auf einmal wie Feuer und blieben meist den langen Tag über so rot.

Das kühle Wasser plätscherte über meine Hände, über die Steine und dann aus der Okia hinaus. Ich beobachtete immer das kleine Loch, wo das Wasser hinausströmte. Ab und an - nur ganz selten - verirrten sich Fische durch den kleinen Bach, doch sie schienen krank und schwach. Eine der Dienerinnen meinte, sie würden nicht lange in diesen Gewässern überleben, da sie zu dreckig seien und Mamoko hatte mir sogar mal erzählt, dass im großen Fluss überall tote Fische schwammen.

Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Fische… im großen Fluss? Da gibt es sicherlich überhaupt keine und die wird es auch nie gegeben haben. Fische schwammen doch nur im Meer.

Aber wahrscheinlich gab es Fische auch am Land, denn auf einmal blickte mich einer direkt ins Gesicht. Ich war so verblüfft, dass ich in allem, was ich tat, auf einmal inne hielt und ihn so starrend anschaute, dass ich fürchtete, meine Augen würden aus meinen Augenhöhlen fallen. Es dauerte eine Weile, bevor ich beschämt wieder hinunter blickte.

»Bist du eine Dienerin dieser Okia?« fragte er mich mit einer weich-rauen Stimme.

»Ja, Herr« flüsterte ich vorsichtig.

Er war ein merkwürdiger, kleiner Mann, mit großer Nase und einer riesigen, dicken Brille, die seine Augen wie Fischaugen erscheinen ließen. Sein Gesicht schien sehr schlau, aber auch sehr alt und vergilbt, auch wenn er es wohl kaum war.

»Dann geh hinein und lass nach Nanami rufen«

»Sie hat gerade Besuch, Herr. Lord Takaio ist hier«

»Ich weiß. Er lies nach mir rufen. Ich bin Dr. Krebs. Geh und sag ihr das.«

Natürlich sprang ich sofort auf, rannte zur Veranda und schlüpfte aus meinen Schuhen, um dann die Treppe nach oben zu laufen.

Es war nicht nur die Aufforderung des merkwürdigen Doktors oder die Tatsache, dass ich dadurch eine Pause vom Wäsche waschen bekam, was mich so schnell davon stürmen lies, sondern auch die Tatsache, dass ich wieder zu Nanami und Lord Takaio kam. Durch meine Mutter und deren Geishafreundin wusste ich schon in jungen Jahren, was Männer gerne mit Geishas machten, aber in Okias war das verboten und so fragte ich mich, was sie all die Zeit in dem Zimmer getan hatten, da sie nicht einmal hinausgegangen waren.

Schwer atmend, kam ich die Treppe nach oben und wartete gleich ein paar Sekunden, um mich wieder zu beruhigen.

Ich atmete dreimal stark durch, dann klopfte ich an die Tür. Einen Augenblick geschah rein gar nichts, dann hörte ich schritte, leise Stimmen und dann wurde die Tür zur Seite geschoben und Lord Takaio stand vor mir mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

»Mami« sagte er laut, damit auch Nanami wusste, wer an der Tür war. »Was möchtest du den?«

»Herr, Ein Doktor wartet im Garten auf Nanami. Er schickte mich, sie zu holen.«

»Ach, ist das so? Geh hinunter und sag ihm, er soll gefälligst hoch kommen, wenn er schon so viel Geld von mir verlangt.«

Ich spürte die Kälte, mit der Lord Takaio den Namen des Arztes aussprach und mich wunderte dies sehr, doch bald sollte ich herausfinden, dass die beiden -zwar auf einander angewiesen - starke Konkurrenten war. Dr. Krebs war ein Sammler von Mizuage und gerade um Nanamis Mizuage hatte sich ein richtiger Kampf zwischen den beiden entwickelt, denn dann später Lord Takaio für sich entscheiden konnte. Ihre Mizuage war eins der teuersten gewesen, doch bald würde dieser Rekord gebrochen sein.

Noch einen kleinen Moment wartete ich auf weitere Anweisungen, dann lief ich die Treppe wieder hinunter und blieb direkt vor Dr. Krebs stehen.

Dieser schaute mich erwartungsvoll an, als dächte er, ich würde Nanami gleich aus meiner Tasche zaubern. Bald verfinsterte sich sein Gesicht, bis er seufzend verstand, dass er mir wohl folgen sollte und die beiden nicht herunter kommen würden.

»Undankbar… keine Zeit… andere Patienten« murmelte er die ganze Zeit, während er mir in die Okia folgte und dann die Treppe hinauf ging. Ich folgte ihm leise, bis er endlich vor der Tür stand und klopfte.

Die Tür öffnete sich und wieder stand Lord Takaio vor mir. Doch dieses mal warf er mir kein freundliches Lächeln zu, sondern musterte nur Dr. Krebs mit einem kalten, abwertenden Blick.

Dann lies er den Arzt in Nanamis Zimmer und wollte dann die Tür schließen, doch aus dem Raum drang die Stimme von seiner schönen Geliebten.

»Lass sie mit rein. Irgendwann wird sie auch Dr. Krebs Dienste in Anspruch nehmen müssen.«

Jetzt erst lächelte der Lord, bevor er mir zunickte und wie ein englischer Gentleman die Tür aufhielt, um mich, ein kleines, unbedeutendes Mädchen, hineinließ.

Der Raum war wunderschön. Er war um einiges größer als der, den die Dienerinnen bewohnten und um einiges luxuriöser eingeräumt. Ein großer Schrank stand an der einen Wand, an der anderen war ein Fenster, daneben der Schminktisch.

Nanami kniete an einem Tisch, an dem sich nun auch Lord Takaio und Dr. Krebs sich nieder ließen. Ich selbst jedoch blieb bescheid an der Tür und kniete mich neben dieser hin, wo ich leise und aufmerksam versuchte, nicht weiter zu stören.

»Also» begann nach einer längeren pause Dr. Krebs zu sprechen. »Wie geht es dir, Nanami?«

»Ganz gut, Dr. Krebs« antwortete sie bescheiden, während Lord Takaio eine Hand auf ihre legte.

»Dann bin ich zufrieden. Keine Schmerzen? Keine Schwächeanfälle oder sonstiges?«

»Nein« antwortete sie und Dr. Krebs begann in seinem mitgebrachten Koffer zu kramen, während er Nanami die ganze Zeit anstarrte, als würde er sie gleich in Blei gießen wollen und sie dann anschließend bei sich aufstellen.

»Gut. Dann bleibt es bei dem üblichen, abgesehen, dass du dies hier und dies…«

Er nahm eine kleine Dose aus seinem Koffer und reichte diese Lord Takaio, der diese aufmerksam musterte.

»…nur noch zweimal am Tag einnehmen musst. Beim Tee ändert sich dann nichts.«

»Diesmal wollen wir kein Tee« sagte Lord Takaio sofort mit einer fast höhnischen, siegessicheren Stimme, die einem verriet, dass er damit Dr. Krebs treffen wollte und es schien zu funktionieren. Dr. Krebs hatte in seinem Tun inne gehalten und schaute sehr nachdenklich und fast böse hinüber zu Nanami, die fröhlich und gütig lächelte, bevor er ein Päckchen mit Kräutern wieder einpackte.

»Bist du dir sicher, Nanami? Du wirst einige Zeit nicht als Geisha arbeiten können!«

Ich runzelte ein wenig die Stirn. Natürlich kannte ich die Kräuter nicht, welche der Doktor Nanami geben wollte, aber sie halfen ihr eine Geisha zu sein? Aber das schlimmste war, dass Nanami es nicht mehr nehmen wollte. Was würde es bewirken? Ich blickte sie fragend und gleichzeitig ungläubig an, während ich nur schwer einen Laut unterdrücken konnte.

Nanami blickte mich kurz überrascht an, die beiden Männer schienen es nicht bemerkt zu haben, denn Lord Takaio lächelte den Doktor nur matt an und nickte dann.

»Das sind wir uns durchaus bewusst, aber der Wunsch ist stärker. Bisher kaufte ich ihr immer die Kräuter, doch nun wird sie es nicht mehr brachen. Haben sie verstanden?«

Der Doktor nickte nur abwertend und fast wie ein hungriger Wolf, der mit einem anderen hungrigen Wolf um eine fette Beute kämpfen wollte.

»Schon gut, mein Lord. Ich habe verstanden. Ich wünsche euch dabei viel Erfolgt, doch ich finde nicht, dass Nanami in ihrem Zustand daran denken sollte!«

Dr. Krebs schaute dabei wissend, als würde er nun den Spieß umdrehen. Dabei blickte er keinen der beiden an, sondern nahm seine riesige, klobige Brille ab und begann sie zu putzten, als wäre dies ein Vorwand in diesem Raum noch länger bleiben zu können.

Ich schluckte ein wenig, als ich das hörte. Natürlich ergab alles, was die drei Erwachsenen mit einander sprachen, für mich überhaupt gar keinen Sinn, aber ich spürte, dass irgend etwas nicht stimmen konnte. Die Blicke, die sich Nanami und ihr Danna zuwarfen, sagen mir mehr, als es ein klares Wort hätte tun können.

»Wir wissen um die Gefahr bescheid, Doktor« antwortete Nanami, als sich Dr. Krebs die Brille wieder auf die flache Nase setzte und sie anschaute.

»Aber der Wunsch ist größer, als die Angst.«

»Es wäre eine Schande, etwas so zauberhaftes wie ich zu verlieren, Nanami«

Nanami lachte ein wenig, dann blickte sie ihn mit einer leichten flirtenden Blick an, was Lord Takaio nicht all zu gefallen schien, dann erhob sie sich.

»Ich danke für ihren Besuch, Dr. Krebs. Es freut mich immer, sie zu sehen. Aber nun muss ich sie bitten, uns wieder zu verlassen. Ich muss mich noch für den Abend vorbereiten und auch noch etwas anderes mit Mutter zu besprechen. Ich würde sie nun gerne verabschieden.«

Auch Dr. Krebs stand nun auf, genauso, wie es auch Lord Takaio tat. Sie gaben sich die Hand und Nanami verbeugte sich kurz zum Abschied, bis sie mir einen Wink gab, dass ich Dr. Krebs hinaus begleiten sollte. Ich stand sofort auf und hielt dem Doktor die Tür auf, bis dieser hinaus ging, in der Tür stehen blieb und ein letztes Mal umdrehte.

»Du bist dir sicher, Nanami?«

»Ich bin mir sicher!«

Erst dann drehte sich Dr. Krebs um und ging langsam die Treppe hinunter. Ich wollte gerade hinterher, als Nanami mich einen kurzen Augenblick zurück hielt.

»Mami. Ich bitte dich, gleich nachdem Dr. Krebs gegangen ist, wieder hier hoch zu kommen. Beeil dich also.«

Ich schaute sie einen Moment erstarrt an, dann nickte ich und rannte Dr. Krebs hinterher. Ich brauchte ihn aus der Okia hinaus, wobei er kein einziges Wort mit mir sprach, sondern ruhig und nachdenklich bis zum Tor lief und dort, ohne mich überhaupt wahrzunehmen, die Okia in Richtung Stadtzentrum verließ.

Ich schloss die Tür und wartete ein paar Sekunden, bevor ich zurück lief und dann wieder vor der Tür, die noch offen war, stand.

»Komm her, Mami.«

Ich war aufgeregt, denn ich hatte keine Ahnung, was Nanami von mir wollte und so trat ich vor sie und blickte sie erwartungsvoll an.

»Weißt du, was für ein Tee vorhin Dr. Krebs meinte?«

Ich schüttelte den Kopf, denn ich fürchtete, dass aus meinem Hals nur ein aufgeregtes Fiepen kommen würde, sobald ich versuchen würde, zu sprechen.

»Das war dafür, dass ich keine Kinder bekomme. Es ist sehr teuer, aber ungefährlicher und günstiger, als eine Abtreibung. Merk dir Dr. Krebs, denn er ist ein guter Mensch. Sehr eigenartig, aber er hat eine gute Seele. Stell dich mit ihm gut, dann bekommst du die Kräuter irgendwann günstiger. Aber bis du sie brauchen wirst, wird noch eine sehr lange Zeit vergehen müssen und bis dahin müssen wir etwas tun, damit er dich überhaupt beachtet, denn er beachtet für gewöhnlich nur Geishas. Hast du mich verstanden?«

Ich wurde immer nervöser und aufgeregter, denn ich hatte im Gefühl, was nun passieren könnte. Ich zog ein wenig die Luft ein und nickte dann heftig, bevor Nanami sehr ernst weiter sprach.

»Mutter würde jedoch noch kein Geld für dich ausgeben. Sie meint, du bist noch viel zu jung dafür und nur eine Dienerin. Ich finde jedoch, dass du mit fünf Jahren genau im richtigen Alter bist. Du musst jedoch nicht mehr überzeugen, denn ich habe kein Geld.«

»Muss ich mit Mutter darüber sprechen, oder mit Großmutter?« fragte ich aufgeregt.

»Nein. Wie ich dir schon sagte, sie würden dich nicht zur Schule schicken. Du musst jemand anderen Überzeugen.«

Mit diesen Worten blickte sie hinüber zu Lord Takaio, der lächelnd neben ihr saß und auf mich nieder schaute. Ich blickte ihn fast erstarrt an, dann nickte ich sofort.

»Wie? Wie kann ich euch überzeugen?«

»Ganz einfach, kleine Mami. Deine Verbeugung ist schon sehr schön gewesen, doch die schönste Kunst einer Geisha ist die Musik. Lass dir von Nanami zeigen, wie man tanzt und in einer Woche will ich das dann sehen. Dann gebe ich dir das Geld auf Wunsch von Nanami.«

Ich wäre dem Lord am liebsten um den Hals gesprungen, doch der Anstand verbot es mir und so nickte ich nur, bedankte mich vielmals und verbeugte mich immer und immer wieder.

»Nicht so schnell« unterbrach mich dann Nanami.

»Wenn du es nicht schaffst, werde ich dafür sorgen, dass du NIE eine Geisha werden wirst, denn dann habe ich mich in dir getäuscht. Doch solltest du es schaffen, und das hoffe ich auch, dann verspreche ich dir, dass ich mich bald dazu bereit erklären werden, deine große Schwester zu werden. Bist du damit einverstanden?«

Ich war wie erstarrt. Niemals. Wenn ich es nicht schaffen würde, würde ich niemals eine Geisha werden. Ich würde dann alle enttäuschen, doch konnte ich das überhaupt schaffen? War das überhaupt möglich? Wollte das Nanami überhaupt?

Ich blickte sie ängstlich und unsicher an und sie schaute abwartend, bis ich dann ganz schnell nickte, mich verbeugte und schnell aus dem Raum verschwand, bevor ich etwas falsches tat, oder sie es sich überlegen würden.



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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Von:  _Natsumi_Ann_
2015-03-05T10:53:06+00:00 05.03.2015 11:53
hey!
Schade dass du die FF nicht weiter schreibst?!
Ich fand Hastumomo am coolsten in dem Film, trotz ihrer Gemeinheiten war sie immer sehr interessant!
Und es ruht sicher irgendwoher, man wird ja nicht umsonst so.
Ich habe auch über die was geschrieben, ist grad beim beta, vllt guckst du ja mal rein;)

Vielleicht kommt ja iwann nochmal was :)
würde mich freuen :)
natsu

Von:  venezia
2010-09-13T15:45:20+00:00 13.09.2010 17:45
mmh klingt gar ne mal schlecht deine ff gefällt mir!
Von: abgemeldet
2010-09-05T13:51:19+00:00 05.09.2010 15:51
und wieder ein sehr schönes kapitel
ich mag deinen schreibstil wirklich. ich finde es klasse, wie du die einzelnen scenen beschreibst. ein ganz großes lob an dich!!
sie stelle, als mami lord takaio trifft, sich entschuldigt und er sich dann zu ihr hinhockt, erinnert mich an chiyo und den direktor auf der brücke im film. ^^
fand ich sehr schön die stelle
und der vergleich zwischen dr. kerbs und dem fisch war auch nicht schlecht.
gut fand ich auch, wie du die spannung zwischen den beiden männern, lord takaio und dr. kerbs, beschrieben hast. man konnt richtig fühlen, das die beiden sich nicht im grünen waren. wirklich sehr gut geschrieben.
und das nanami sich mami jetzt doch annimmt, find ich klasse. auch das mit der kleinen bedingung, die sie gestellt hat. das bring mehr spannung in den ganzen ff rein.

ich hoffe du schreibst bald weiter, denn ich würde gerne wissen wie es weiter geht und wie sich mami der herausforderung stellt.
Von: abgemeldet
2010-09-05T12:41:25+00:00 05.09.2010 14:41
das ist so schön^^
du hast ein echtes talent situation und umgebungen zu beschreiben. Ich fand es klasse, das nanami doch nicht so kalt zu sein scheint, wie sie am anfang des kapitels rüber gekommen war.
aber die beschreibung, die nanami von mami, so wie sie später einmal sein wird/soll, verhergesagt hat, ist echt zutreffend.
eine echt tolles kapitel^^

PS: sorry, das mein kommi so spät kommt^^'
Von: abgemeldet
2009-08-31T20:29:47+00:00 31.08.2009 22:29
Wow, echt toll!
Wie gesagt, ich beneide dich um deinen wunderschönen Schreibstil, man kann sich echt gut in das Szenario hineinversetzen!
Mal sehen wie Mami sich schlagen wird :)

Von:  Anzu-san
2009-08-31T18:47:17+00:00 31.08.2009 20:47
Wieder ein tolles Kapitel :D
Dass Mami jetzt die Chance bekommt, eine Geisha zu werden und Nanami ihr dabei helfen wird, gefällt mir sehr gut :)
Auch das Auftreten von Dr. Krebs hat mir gut gefallen.
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel :)
Von:  Blacky_kun
2009-08-22T22:49:53+00:00 23.08.2009 00:49
Ich mag deine FanFic, musste mich leider erstmal etwas reinschauen, da es bei mir schon etwas länger her ist,
das ich "Die Geisha" geguckt habe.
Von der Story und vom Erzählstil würd sie s
ich sicher auch gut als Buch machen^^
Ab und zu sind mir ein paar kleine Rechtschreibfehler aufgefallen.....nya, whatever XD
Von: abgemeldet
2009-08-21T14:19:43+00:00 21.08.2009 16:19
ich fidn es einfach mal klasse^^
dein schreibstil erinnert mich sehr an arthur golden.
du kannst echt gut beschreiben und umschreiben^^
Von:  Ryuuko
2009-08-20T18:52:50+00:00 20.08.2009 20:52
Ich möchte mich auch für die ENS bedanken, aber genau wie bei Naosuke erledigt sich das aufgrund der Favorisierung selber. ^_^
Auf jeden Fall hat mir das Kapitel sehr gefallen, vor allem, weil alles so schön ausführlich beschrieben war. (Von den Rechtschreib- und Tippfehlern mal abgesehen, die werde ich ab jetzt auch nicht mehr ansprechen. :D)
Ansonsten finde ich es auch gut, wie du von Hatsumomo's bzw. Mami's Alltag berichtest. Und auch die Metapher mit dem Stein und dem Kreiseziehen beweist deine Kreativität.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung. :3
Von: abgemeldet
2009-08-20T08:33:38+00:00 20.08.2009 10:33
Danke für die ENS, aber die Mühe kannst du bei mir sparen. Ich habe diese FF auf der Favoritenliste und somit bekomme ich automatisch gesagt, wann ein neues Kapitel draußen ist. :)
Die Kirschensituation war wirklich niedlich, die Freiheit eines Kindes möchte man wirklich haben und ich glaube, dass Nanami Mami hier gut eingeschätzt hat!


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