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Memories of a Geisha

Das geheime Leben der Hatsumomo
von

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Eine Wette

Mamoko hatte recht gehabt. Ich hatte es nicht wirklich glauben können, denn welcher Baum würde die süßesten und besten Früchte als erstes abwerfen wollen? Mutter würde ja auch nicht Nanami aus der Okia werfen, weil sie die schönste Frucht war. Dennoch hatte Mamoko recht gehabt. Nur zweit Tage nachdem mich Nanami vor der Prügel bewahrte und der klare Sonnenschein mich am Morgen weckte, wollte ich voller begeisterter Erwartung erneut auf das Dach steigen und die feinen Früchte naschen. Mit mir waren gerade einmal zwei weitere Dienerinnen wach, welche die täglichen Hausarbeiten begannen und die Köchin wach und so war es die beste Zeit auf das Dach zu klettern, um von dort die Früchte von den Ästen zu klauben.

Ich tat es wie vor einiger Zeit mit Mamoko, nahm den gleichen Weg und obwohl ich wusste, dass ich keinen Grund zur Angst hatte, schlug mein Herz wie wild, als ich den beschwerlichen Weg antrat.

Ich kletterte über den Sims weiter nach oben, bis ich endlich nur noch die hand ausstrecken musste und die Kirschen pflücken konnte.

Als ich die rote Frucht endlich zwischen meinen Fingern hielt, spürte ich schon, dass sie im inneren nicht mehr so schön war, wie vor zwei Tagen. Ich beäugte sie misstrauisch, roch an ihr und steckte sie dann anschließend in meinem Mund.

Ich kann nicht beschreiben, wie sie geschmeckt hat. Vielleicht wie alter Sake mit Essig vermischt, der in der Sonne gestanden hatte. Ich kaute nicht weiter, sondern verzog nur noch das Gesicht, bevor ich die Kirsche im hohen Bogen ausspie und einen leisen Aufschrei hörte.

Ich bekam einen riesigen Schreck, krabbelte auf allen Vieren zum Dachvorsprung und spähte hinunter, wo ich einen gut angezogenen Herrn erblickte, der wohl auf jemanden gewartet hatte. Ich hielt die Luft an und krabbelte ein wenig zurück. Ich schien ihn mit der fauligen Kirsche getroffen zu haben. Jedenfalls hatte er ein Taschentuch gehabt und in dem kurzen Augenblick, als ich nach unten schaute, hatte er auch nach oben geblickt. Hoffentlich hatte er mich nicht gesehen. Großmutter würde mir den Stock überziehen, wenn sie erfahren würde, dass ich - wenn auch nur ausversehen - einen Gast und - wie ich später erfuhr - Nanamis danna Lord Takaio angespuckt hatte.

Nun schlug mein Herz noch lauter, als vorhin, als ich den beschwerlichen Weg hinauf zum Dach erklommen hatte.

Ich kauerte auf dem Dach und traute mich nicht noch einmal hinunter zu blicken, aus Angst, er könnte darauf warten und mich dann erkennen. Was würde passieren, wenn er mich jetzt rufen würde? Oder wenn er es Nanami erzählte; das wäre sogar noch schlimmer, als wenn er es Mutter erzählte.

Wahrscheinlich würde sie ihre Worte der letzten Tage zurück nehmen und mich wieder voller Hohn betrachten. Ich sollte mich entschuldigen, bevor er schlecht von mir denken konnte, aber würde er die Entschuldigung auch wirklich annehmen? In meinem kleinen Kopf drehten sich die verrücktesten Ideen, von einfach verstecken, über liegen bleiben bis hin zu dem Augenblick, wo ich mich nun u ihn begeben würde. Ich hatte wahnsinnige Angst und dennoch kroch ich über das Dach zurück zum Vordach, von wo ich wieder hinunter in den Garten kletterte. Lord Takaio hatte sich nicht von seinem Platz wegbewegt.

Ich versteckte mich hinter einem kleinen Fass und ging im Kopf noch einmal meine Entschuldigung durch, doch die passenden Worte schienen durcheinandergeraten zu sein und ich brauchte eine weile, um dieses Puzzle zu ordnen.

»… entschuldigen sie, Herr«

»Ich wünsche euch einen guten Morgen, Lord Takaio«

»Es tut mir schrecklich leid, Herr«

Ich zitterte ein wenig, während ich immer und immer wieder über meine Schulter zu dem Mann blickte, der im Garten zu warten schien. Ich durfte ihn nicht ansprechen, denn das war gegen die Höfflichkeit. Ich war zu jung und viel zu unbedeutend, um ihn überhaupt anblickten zu dürfen.

So musste ich mir etwas anderes überlegen, wie ich mich entschuldigen könnte.

Ich atmete noch einmal sehr tief ein, schloss kurz die Augen, dann trat ich aus meinem Versteck und lief auf Lord Takaio zu, vor dem ich mich augenblicklich verbeugte, so tief ich nur konnte. Ich hatte ihn dabei nicht ein einziges mal angeschaut und wusste somit nicht, welche Gefühle sein Gesicht spiegeln könnte.

Ich hatte meine Nase schon auf die Erde gepresst, meine Hände berührten nur knapp seine Fußspitzen und mein Rücken war gerade nach unten gestreckt.

Ich spürte seine Überraschung, traute mich jedoch noch immer nicht, nach oben zu blicken.

»Was machst du da, Mädchen?« hörte ich auf einmal seine Stimme, doch ich rührte mich nicht von der Stelle, sondern antwortete ihm nur.

»Ich bitte um Vergebung, Herr.«

»Das sehe ich, aber warum? Hast du mir was gestohlen?«

»Nein, Herr« antwortete ich mit einem trockenen Mund »Ich bespuckte euch.«

»Das hast du getan? Wann denn? Doch nicht etwa die Kirsche, die vom Baum fiel«

»Sie fiel nicht vom Baum, Heer, ich spuckte sie vom Dach hinunter«

Es folgte eine kurze Pause, in dem Lord Takaio anscheinend hinauf zum Dach blickte, um zu schauen, ob er meine Worte glauben schenken durfte.

»Ach, das warst du? Nun dann… du hast die Zeit, dich zu entschuldigen«

Seine Stimme klang belustigt und auf gar keinen Fall böse oder wütend und so fühlte ich mich noch besser, als ich mich noch tiefer verbeugte und meine Entschuldigung laut und deutlich wiederholte. Ich wartete wieder einen Augenblick, der nicht zu vergehen schien, bis sich auf einmal Lord Takaio zu mir hockte und mich anlächelte. Ich konnte nicht anders, als meinen Kopf ein wenig zu heben und ihm direkt ins Gesicht zu blicken. Eigentlich hätte ich, als einfache Dienerin, gleich wieder wegschauen müssen, doch ich konnte es nicht. Lord Takaio war nicht sonderlich hübsch. Er hatte ein rundes, aber nicht dickes Gesicht, eine breite, flache Nase und eine große Narbe von der unteren Lippe hinauf über die rechte Wange zum Ohr. Aber seine Augen, sie waren wunderschön, gütig und als einziges im leicht faltigen Gesicht, junge geblieben.

Ich schluckte ein wenig, dann senkte ich mein Gesicht wieder zum Boden, während er wieder über meine Unerfahrenheit lachte.

»Entschuldigen kannst du dich ja schon ganz gut. Du solltest nur noch lernen, wann du es wirklich machen musst. Wenn du zu Demütig bist, wirst du schnell ausgenutzt.«

Wieder blickte ich auf und schaute in das gütige Gesicht von Lord Takaio. Ich war verwirrt, und es schien mir, als würde mich auf einmal nicht mehr der Lord anblicken, sondern Nanami, die mir vor weniger Zeit fast die gleichen Worte nannte. Irgendwas musste also daran wahr sein, aber in meinem kleinen Kopf passte dies alles nicht zusammen, als würden in diesem Puzzle noch viele kleine Teile fehlen.

Und dann trat Nanami aus dem Haus. Ich sah sie nicht, aber ihre sanften, leise Schritte verrieten sie. Tantchen oder Großmutter wären geschlürft und Mutter hatte einen Schritt wie eine satte Löwin. Die Dienerinnen trampelten mehr und so konnte es nur Nanami sein, die leichtfüßig, fast schwebend über das feine Holz in den Garten trat. Sie trug einen langen Kimono, der leicht gebunden und nur für den Besuch des Lords angezogen war. Es war zwar selten, dass der Lord so früh in der Okia erschien, sollte er jedoch uns mit einem Besuch beehren, dann musste es schnell gehen und man konnte nicht erst nach einem Obibinder schicken.

Ihre Grazie zog mich in ihren Bann und ich konnte erst meinen Blick nicht von ihr abwenden, auch wenn ihr Haar noch ohne Schmuck, ihr Gesicht noch nicht geschminkt und ihr Kimono unspektakulär war.

»Takaio-san« rief sie mit süßlicher, schmeichelnder Stimme, während sie zu ihm hin tanzte und sich dann kurz verbeugte. »Du beehrst mich mit einem Besuch?«

Sie beachtete mich nur mit einem leichten Seitenblick, als ich mich mit meinem Gesicht wieder der Erde zuwendete.

Sie ignorierte mich weiter, führte den Lord hinüber zu der Veranda und kniete sich dann auf das morgendliche, feuchte Holz, um ihm die Schuhe auszuziehen. Doch der Lord lies dies nicht zu. Nicht, dass er nicht eintreten wollte, er wollte nicht, dass sie sich auf das kalte Holz kniete. Er zog sie am Arm wieder nach oben, tadelte sie leise, sodass ich es nicht hören konnte und streifte sich dann die Schuhe selbst ab, bevor sie im Haus verschwanden und ich alleine zurück blieb.

Ich stand auf, blickte ihnen nach und zögerte nur einen kleinen Moment, bevor ich hinterrannte und mich lauschend hinter einer der Türen verkroch.

»Wer ist die Kleine?« fragte Lord Takaio, während sie die Stufen zum Zimmer von Nanami hinauf wanderten.

»Das ist unsere jüngste Dienerin Mami. Sie wird bald eine schöne Geisha abgeben.«

»Wenn du dich um sie kümmerst, geliebte Nanami, dann wird sie die zweitbeste Geisha in ganz Gion.«

Der Lord lachte kurz auf, dann verschwanden sie aus meinem Hörfeld. Ich atmete einmal tief durch und unterdrückte einen kleinen Aufschrei vor Freude. Wenn auch indirekt, so hatte mich Nanami doch gelobt. Ich würde eine Geisha werden, eine gute Geisha und es schien so, als hätte Nanami vor, mich alles zu lehren, was sie wusste. Wahrscheinlich war es nur Wunschdenken, wahrscheinlich nur ein Kindlicher Traum, aber in diesem Moment, wo ich hinter der Tür unter der Treppe stand und nur noch die Schritte der beiden vernahm, pochte mein Herz vor lauter Entzückung.

Ich setzte mich auf den staubigen Boden und zog die Beine ran, um meine Arme darum zu schlingen, bevor ich träumend ins Nichts starrte. Ein wundervolles Leben würde mich erwarten, ein Leben voller schöner Träume und Erlebnissen. In mitten von reichen Männern und wunderschönen Frauen, ein Leben mit wundervollen Tänzen und Musik. Ein Leben, dass weit aus besser war, als dieses hier oder das von meiner verstorbenen Mutter.
 

Der Tag, so wie er begonnen hatte, brachte für mich noch einiges gutes mit sich. Ich konnte mich noch einige Momente unter der Treppe vor der Arbeit drücken und so den schon lauwarmen Vormittag fast dösend verbringen.

Bald jedoch fand mich Tantchen und zog mich an den Ohren hinaus, um mir gewaltig viele Aufgaben aufzugeben und mich damit zu bestrafen.

So saß ich, als die Sonne unentwegt und erbarmungslos auf uns brannte, am kleinen Bach, der durch den Garten floss, saß und Wäsche wusch.

Meine Hände waren schon ganz durchgeweicht und schmerzten, während noch ein riesiger Wäschehaufen neben mir lag.

Natürlich war kein einziger Kimono dabei, nur alte Leinen, Tischdecken oder die Bezüge der Futons. Alles durchlief gerade meine Hände, bevor sie in einen Korb gelegt wurden und dann von einer älteren Dienerin abgeholt wurde.

Von allen Arbeiten, die ich hier tätigen musste, abgesehen vom Putzen des Toilettenhauses, hasste ich das Wäschewaschen am meisten. Die Hände einer Geisha können sehr erotisch auf die Männer wirken, doch wenn sie schrumpelig waren, wirkte dies eher abschreckend. Als kleines Mädchen dachte ich immer, dass diese Haut so bleiben würde und Anfangs weinte ich jedes Mal, wenn ich die Wäsche machen musste, wodurch Tantchen dies nun als Strafe für mich ersinnte. Natürlich fand ich - sehr später leider - heraus, dass dies nicht der Fall war. Doch an diesem Tag schien es die undankbarste und schlimmste Arbeit zu sein, die man mir hatte geben können.

Ich wusch mit einem merkwürdigen Seifenpulver und jedes Mal, wenn ich schluchzend die Tränen aus meinen Augen wischen wollte, brannten diese auf einmal wie Feuer und blieben meist den langen Tag über so rot.

Das kühle Wasser plätscherte über meine Hände, über die Steine und dann aus der Okia hinaus. Ich beobachtete immer das kleine Loch, wo das Wasser hinausströmte. Ab und an - nur ganz selten - verirrten sich Fische durch den kleinen Bach, doch sie schienen krank und schwach. Eine der Dienerinnen meinte, sie würden nicht lange in diesen Gewässern überleben, da sie zu dreckig seien und Mamoko hatte mir sogar mal erzählt, dass im großen Fluss überall tote Fische schwammen.

Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Fische… im großen Fluss? Da gibt es sicherlich überhaupt keine und die wird es auch nie gegeben haben. Fische schwammen doch nur im Meer.

Aber wahrscheinlich gab es Fische auch am Land, denn auf einmal blickte mich einer direkt ins Gesicht. Ich war so verblüfft, dass ich in allem, was ich tat, auf einmal inne hielt und ihn so starrend anschaute, dass ich fürchtete, meine Augen würden aus meinen Augenhöhlen fallen. Es dauerte eine Weile, bevor ich beschämt wieder hinunter blickte.

»Bist du eine Dienerin dieser Okia?« fragte er mich mit einer weich-rauen Stimme.

»Ja, Herr« flüsterte ich vorsichtig.

Er war ein merkwürdiger, kleiner Mann, mit großer Nase und einer riesigen, dicken Brille, die seine Augen wie Fischaugen erscheinen ließen. Sein Gesicht schien sehr schlau, aber auch sehr alt und vergilbt, auch wenn er es wohl kaum war.

»Dann geh hinein und lass nach Nanami rufen«

»Sie hat gerade Besuch, Herr. Lord Takaio ist hier«

»Ich weiß. Er lies nach mir rufen. Ich bin Dr. Krebs. Geh und sag ihr das.«

Natürlich sprang ich sofort auf, rannte zur Veranda und schlüpfte aus meinen Schuhen, um dann die Treppe nach oben zu laufen.

Es war nicht nur die Aufforderung des merkwürdigen Doktors oder die Tatsache, dass ich dadurch eine Pause vom Wäsche waschen bekam, was mich so schnell davon stürmen lies, sondern auch die Tatsache, dass ich wieder zu Nanami und Lord Takaio kam. Durch meine Mutter und deren Geishafreundin wusste ich schon in jungen Jahren, was Männer gerne mit Geishas machten, aber in Okias war das verboten und so fragte ich mich, was sie all die Zeit in dem Zimmer getan hatten, da sie nicht einmal hinausgegangen waren.

Schwer atmend, kam ich die Treppe nach oben und wartete gleich ein paar Sekunden, um mich wieder zu beruhigen.

Ich atmete dreimal stark durch, dann klopfte ich an die Tür. Einen Augenblick geschah rein gar nichts, dann hörte ich schritte, leise Stimmen und dann wurde die Tür zur Seite geschoben und Lord Takaio stand vor mir mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

»Mami« sagte er laut, damit auch Nanami wusste, wer an der Tür war. »Was möchtest du den?«

»Herr, Ein Doktor wartet im Garten auf Nanami. Er schickte mich, sie zu holen.«

»Ach, ist das so? Geh hinunter und sag ihm, er soll gefälligst hoch kommen, wenn er schon so viel Geld von mir verlangt.«

Ich spürte die Kälte, mit der Lord Takaio den Namen des Arztes aussprach und mich wunderte dies sehr, doch bald sollte ich herausfinden, dass die beiden -zwar auf einander angewiesen - starke Konkurrenten war. Dr. Krebs war ein Sammler von Mizuage und gerade um Nanamis Mizuage hatte sich ein richtiger Kampf zwischen den beiden entwickelt, denn dann später Lord Takaio für sich entscheiden konnte. Ihre Mizuage war eins der teuersten gewesen, doch bald würde dieser Rekord gebrochen sein.

Noch einen kleinen Moment wartete ich auf weitere Anweisungen, dann lief ich die Treppe wieder hinunter und blieb direkt vor Dr. Krebs stehen.

Dieser schaute mich erwartungsvoll an, als dächte er, ich würde Nanami gleich aus meiner Tasche zaubern. Bald verfinsterte sich sein Gesicht, bis er seufzend verstand, dass er mir wohl folgen sollte und die beiden nicht herunter kommen würden.

»Undankbar… keine Zeit… andere Patienten« murmelte er die ganze Zeit, während er mir in die Okia folgte und dann die Treppe hinauf ging. Ich folgte ihm leise, bis er endlich vor der Tür stand und klopfte.

Die Tür öffnete sich und wieder stand Lord Takaio vor mir. Doch dieses mal warf er mir kein freundliches Lächeln zu, sondern musterte nur Dr. Krebs mit einem kalten, abwertenden Blick.

Dann lies er den Arzt in Nanamis Zimmer und wollte dann die Tür schließen, doch aus dem Raum drang die Stimme von seiner schönen Geliebten.

»Lass sie mit rein. Irgendwann wird sie auch Dr. Krebs Dienste in Anspruch nehmen müssen.«

Jetzt erst lächelte der Lord, bevor er mir zunickte und wie ein englischer Gentleman die Tür aufhielt, um mich, ein kleines, unbedeutendes Mädchen, hineinließ.

Der Raum war wunderschön. Er war um einiges größer als der, den die Dienerinnen bewohnten und um einiges luxuriöser eingeräumt. Ein großer Schrank stand an der einen Wand, an der anderen war ein Fenster, daneben der Schminktisch.

Nanami kniete an einem Tisch, an dem sich nun auch Lord Takaio und Dr. Krebs sich nieder ließen. Ich selbst jedoch blieb bescheid an der Tür und kniete mich neben dieser hin, wo ich leise und aufmerksam versuchte, nicht weiter zu stören.

»Also» begann nach einer längeren pause Dr. Krebs zu sprechen. »Wie geht es dir, Nanami?«

»Ganz gut, Dr. Krebs« antwortete sie bescheiden, während Lord Takaio eine Hand auf ihre legte.

»Dann bin ich zufrieden. Keine Schmerzen? Keine Schwächeanfälle oder sonstiges?«

»Nein« antwortete sie und Dr. Krebs begann in seinem mitgebrachten Koffer zu kramen, während er Nanami die ganze Zeit anstarrte, als würde er sie gleich in Blei gießen wollen und sie dann anschließend bei sich aufstellen.

»Gut. Dann bleibt es bei dem üblichen, abgesehen, dass du dies hier und dies…«

Er nahm eine kleine Dose aus seinem Koffer und reichte diese Lord Takaio, der diese aufmerksam musterte.

»…nur noch zweimal am Tag einnehmen musst. Beim Tee ändert sich dann nichts.«

»Diesmal wollen wir kein Tee« sagte Lord Takaio sofort mit einer fast höhnischen, siegessicheren Stimme, die einem verriet, dass er damit Dr. Krebs treffen wollte und es schien zu funktionieren. Dr. Krebs hatte in seinem Tun inne gehalten und schaute sehr nachdenklich und fast böse hinüber zu Nanami, die fröhlich und gütig lächelte, bevor er ein Päckchen mit Kräutern wieder einpackte.

»Bist du dir sicher, Nanami? Du wirst einige Zeit nicht als Geisha arbeiten können!«

Ich runzelte ein wenig die Stirn. Natürlich kannte ich die Kräuter nicht, welche der Doktor Nanami geben wollte, aber sie halfen ihr eine Geisha zu sein? Aber das schlimmste war, dass Nanami es nicht mehr nehmen wollte. Was würde es bewirken? Ich blickte sie fragend und gleichzeitig ungläubig an, während ich nur schwer einen Laut unterdrücken konnte.

Nanami blickte mich kurz überrascht an, die beiden Männer schienen es nicht bemerkt zu haben, denn Lord Takaio lächelte den Doktor nur matt an und nickte dann.

»Das sind wir uns durchaus bewusst, aber der Wunsch ist stärker. Bisher kaufte ich ihr immer die Kräuter, doch nun wird sie es nicht mehr brachen. Haben sie verstanden?«

Der Doktor nickte nur abwertend und fast wie ein hungriger Wolf, der mit einem anderen hungrigen Wolf um eine fette Beute kämpfen wollte.

»Schon gut, mein Lord. Ich habe verstanden. Ich wünsche euch dabei viel Erfolgt, doch ich finde nicht, dass Nanami in ihrem Zustand daran denken sollte!«

Dr. Krebs schaute dabei wissend, als würde er nun den Spieß umdrehen. Dabei blickte er keinen der beiden an, sondern nahm seine riesige, klobige Brille ab und begann sie zu putzten, als wäre dies ein Vorwand in diesem Raum noch länger bleiben zu können.

Ich schluckte ein wenig, als ich das hörte. Natürlich ergab alles, was die drei Erwachsenen mit einander sprachen, für mich überhaupt gar keinen Sinn, aber ich spürte, dass irgend etwas nicht stimmen konnte. Die Blicke, die sich Nanami und ihr Danna zuwarfen, sagen mir mehr, als es ein klares Wort hätte tun können.

»Wir wissen um die Gefahr bescheid, Doktor« antwortete Nanami, als sich Dr. Krebs die Brille wieder auf die flache Nase setzte und sie anschaute.

»Aber der Wunsch ist größer, als die Angst.«

»Es wäre eine Schande, etwas so zauberhaftes wie ich zu verlieren, Nanami«

Nanami lachte ein wenig, dann blickte sie ihn mit einer leichten flirtenden Blick an, was Lord Takaio nicht all zu gefallen schien, dann erhob sie sich.

»Ich danke für ihren Besuch, Dr. Krebs. Es freut mich immer, sie zu sehen. Aber nun muss ich sie bitten, uns wieder zu verlassen. Ich muss mich noch für den Abend vorbereiten und auch noch etwas anderes mit Mutter zu besprechen. Ich würde sie nun gerne verabschieden.«

Auch Dr. Krebs stand nun auf, genauso, wie es auch Lord Takaio tat. Sie gaben sich die Hand und Nanami verbeugte sich kurz zum Abschied, bis sie mir einen Wink gab, dass ich Dr. Krebs hinaus begleiten sollte. Ich stand sofort auf und hielt dem Doktor die Tür auf, bis dieser hinaus ging, in der Tür stehen blieb und ein letztes Mal umdrehte.

»Du bist dir sicher, Nanami?«

»Ich bin mir sicher!«

Erst dann drehte sich Dr. Krebs um und ging langsam die Treppe hinunter. Ich wollte gerade hinterher, als Nanami mich einen kurzen Augenblick zurück hielt.

»Mami. Ich bitte dich, gleich nachdem Dr. Krebs gegangen ist, wieder hier hoch zu kommen. Beeil dich also.«

Ich schaute sie einen Moment erstarrt an, dann nickte ich und rannte Dr. Krebs hinterher. Ich brauchte ihn aus der Okia hinaus, wobei er kein einziges Wort mit mir sprach, sondern ruhig und nachdenklich bis zum Tor lief und dort, ohne mich überhaupt wahrzunehmen, die Okia in Richtung Stadtzentrum verließ.

Ich schloss die Tür und wartete ein paar Sekunden, bevor ich zurück lief und dann wieder vor der Tür, die noch offen war, stand.

»Komm her, Mami.«

Ich war aufgeregt, denn ich hatte keine Ahnung, was Nanami von mir wollte und so trat ich vor sie und blickte sie erwartungsvoll an.

»Weißt du, was für ein Tee vorhin Dr. Krebs meinte?«

Ich schüttelte den Kopf, denn ich fürchtete, dass aus meinem Hals nur ein aufgeregtes Fiepen kommen würde, sobald ich versuchen würde, zu sprechen.

»Das war dafür, dass ich keine Kinder bekomme. Es ist sehr teuer, aber ungefährlicher und günstiger, als eine Abtreibung. Merk dir Dr. Krebs, denn er ist ein guter Mensch. Sehr eigenartig, aber er hat eine gute Seele. Stell dich mit ihm gut, dann bekommst du die Kräuter irgendwann günstiger. Aber bis du sie brauchen wirst, wird noch eine sehr lange Zeit vergehen müssen und bis dahin müssen wir etwas tun, damit er dich überhaupt beachtet, denn er beachtet für gewöhnlich nur Geishas. Hast du mich verstanden?«

Ich wurde immer nervöser und aufgeregter, denn ich hatte im Gefühl, was nun passieren könnte. Ich zog ein wenig die Luft ein und nickte dann heftig, bevor Nanami sehr ernst weiter sprach.

»Mutter würde jedoch noch kein Geld für dich ausgeben. Sie meint, du bist noch viel zu jung dafür und nur eine Dienerin. Ich finde jedoch, dass du mit fünf Jahren genau im richtigen Alter bist. Du musst jedoch nicht mehr überzeugen, denn ich habe kein Geld.«

»Muss ich mit Mutter darüber sprechen, oder mit Großmutter?« fragte ich aufgeregt.

»Nein. Wie ich dir schon sagte, sie würden dich nicht zur Schule schicken. Du musst jemand anderen Überzeugen.«

Mit diesen Worten blickte sie hinüber zu Lord Takaio, der lächelnd neben ihr saß und auf mich nieder schaute. Ich blickte ihn fast erstarrt an, dann nickte ich sofort.

»Wie? Wie kann ich euch überzeugen?«

»Ganz einfach, kleine Mami. Deine Verbeugung ist schon sehr schön gewesen, doch die schönste Kunst einer Geisha ist die Musik. Lass dir von Nanami zeigen, wie man tanzt und in einer Woche will ich das dann sehen. Dann gebe ich dir das Geld auf Wunsch von Nanami.«

Ich wäre dem Lord am liebsten um den Hals gesprungen, doch der Anstand verbot es mir und so nickte ich nur, bedankte mich vielmals und verbeugte mich immer und immer wieder.

»Nicht so schnell« unterbrach mich dann Nanami.

»Wenn du es nicht schaffst, werde ich dafür sorgen, dass du NIE eine Geisha werden wirst, denn dann habe ich mich in dir getäuscht. Doch solltest du es schaffen, und das hoffe ich auch, dann verspreche ich dir, dass ich mich bald dazu bereit erklären werden, deine große Schwester zu werden. Bist du damit einverstanden?«

Ich war wie erstarrt. Niemals. Wenn ich es nicht schaffen würde, würde ich niemals eine Geisha werden. Ich würde dann alle enttäuschen, doch konnte ich das überhaupt schaffen? War das überhaupt möglich? Wollte das Nanami überhaupt?

Ich blickte sie ängstlich und unsicher an und sie schaute abwartend, bis ich dann ganz schnell nickte, mich verbeugte und schnell aus dem Raum verschwand, bevor ich etwas falsches tat, oder sie es sich überlegen würden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-09-05T13:51:19+00:00 05.09.2010 15:51
und wieder ein sehr schönes kapitel
ich mag deinen schreibstil wirklich. ich finde es klasse, wie du die einzelnen scenen beschreibst. ein ganz großes lob an dich!!
sie stelle, als mami lord takaio trifft, sich entschuldigt und er sich dann zu ihr hinhockt, erinnert mich an chiyo und den direktor auf der brücke im film. ^^
fand ich sehr schön die stelle
und der vergleich zwischen dr. kerbs und dem fisch war auch nicht schlecht.
gut fand ich auch, wie du die spannung zwischen den beiden männern, lord takaio und dr. kerbs, beschrieben hast. man konnt richtig fühlen, das die beiden sich nicht im grünen waren. wirklich sehr gut geschrieben.
und das nanami sich mami jetzt doch annimmt, find ich klasse. auch das mit der kleinen bedingung, die sie gestellt hat. das bring mehr spannung in den ganzen ff rein.

ich hoffe du schreibst bald weiter, denn ich würde gerne wissen wie es weiter geht und wie sich mami der herausforderung stellt.
Von: abgemeldet
2009-08-31T20:29:47+00:00 31.08.2009 22:29
Wow, echt toll!
Wie gesagt, ich beneide dich um deinen wunderschönen Schreibstil, man kann sich echt gut in das Szenario hineinversetzen!
Mal sehen wie Mami sich schlagen wird :)

Von:  Anzu-san
2009-08-31T18:47:17+00:00 31.08.2009 20:47
Wieder ein tolles Kapitel :D
Dass Mami jetzt die Chance bekommt, eine Geisha zu werden und Nanami ihr dabei helfen wird, gefällt mir sehr gut :)
Auch das Auftreten von Dr. Krebs hat mir gut gefallen.
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel :)


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