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Seelenspiegel

...die Seele heilt nur langsam.
von

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Memories

Kimiko kam immer zwei Mal die Woche vorbei um ihren Bruder zu besuchen. Immer wenn sie das Zimmer betrat begrüßte sie mich höflich, mit freundlichem Lächeln und fragte mich wie es mir ging.

Danach setzte sie sich ans Bett ihres Verwandten und plauderte mit ihm.

Das war zum Teil ganz lustig mit anzusehen, da es aussah, als würde sie Selbstgespräche führen, doch andererseits war es sehr traurig, dass sie nie eine Antwort von dem Jungen bekam.
 

Komischer Weise hatte ich immer das Gefühl mit ihr irgendwie verbunden zu sein.

Sie hatte einen sehr ähnlichen Ausdruck in den Augen, wie ich.
 

Eines stand eindeutig fest. Dieses Mädchen leidete. Sehr stark. Anscheinend lag das in der Familie. Traurig…

Sie hätte sicher etwas Besseres verdient.
 

Ich hatte mitbekommen, dass sie sich fast zu Tode schuftete, um die Behandlung für ihren Bruder bezahlen zu können, und natürlich um selber leben zu können.

Anscheinend saß ihr Vater im Gefängnis und ihre Mutter rührte zu Hause keinen Finger.

Sie hatte es wohl nicht besser als ich…
 

„…Kimiko?“

Es war das erste Mal, dass einer von uns mit dem anderen sprach, abgesehen von den üblichen Begrüßungsfloskeln. Dem entsprechend sah mich das Mädchen überrascht an.
 

„Ja?“

„Ist es nicht… deprimierend immer mit deinem Bruder zu sprechen, obwohl du weißt, dass er dir keine Antwort geben wird?“

Die Braunhaarige blickte zu Boden, ihr Blick undefinierbar…

„Ich ähm… eigentlich nicht… Immerhin weiß ich ja, dass er mich hören kann, er reagiert nur eben nicht. Und er soll ja wissen was zu Hause los ist. Er hast ein Recht darauf…“

„Du weißt doch gar nicht ob er wissen will, was bei euch los ist.“
 

Sie wirkte leicht bestürzt und… etwas beschämt. Offensichtlich hatte sie nie nachgedacht, ob ihr Bruder überhaupt etwas von seiner Familie wissen wollte…
 

„Wie- wieso sollte er es nicht wissen wollen? Immerhin sind wir seine Familie…“

Ich musste schmunzeln. Nicht weil ich es lustig fand, es war eher so etwas wie ein Reflex.

„Sieh dir deinen Bruder doch einmal an. Er ist ein seelisches Wrack, genau wie wir alle hier. Und was ich so von deinen ‚Gesprächen’ mit ihm mitbekommen habe, ist eure Familie wohl daran Schuld, dass er überhaupt hier ist. Ich meine… ich kenne mich zwar nicht aus, aber… es war nur so eine Überlegung von mir.“
 

Kimiko versuchte ihre Fassungslosigkeit zu verbergen. Ihre Zweifel, ihre Angst.

Sie schluckte schwer und wischte sich hastig über die Augen.
 

„Tja… Woher soll ich denn wissen, ob er will, dass ich auf ihn einrede oder nicht? Immerhin bekomme ich ja keine Antwort!“

„Ich weiß es nicht. Ich denke nur… es wir doch wohl einen Grund für sein Schweigen geben. Entweder ist es eine Art Protest, oder er hat eine Blockade… Ich bin kein Psychiater, aber kein Mensch ist grundlos so verschlossen wie er.“

„Ja… das stimmt. Aber keiner weiß, was mit ihm los ist! Niemand konnte ihm bisher helfen…“

„Vielleicht sollte man nicht bei ihm anfangen, sondern bei seiner Familie? Wenn dort das Problem liegt, dann liegt dort vielleicht auch die Lösung…“
 

Kimiko dachte über das gesagte nach, dann lächelte sie leicht.

„Weißt du, Sai… Irgendwie verstehe ich überhaupt nicht wieso du hier bist. Manchmal scheinst du sogar der normalste Mensch hier zu sein.“
 

„Ich wollte mich selbst umbringen.“
 

Sie starrte mich fassungslos an. Und irgendwie war ich auch selbst sehr überrascht. Wieso hatte ich ihr das so offen heraus gesagt? Ich hatte immer versucht es zu verdrängen, ich hatte nicht einmal mit meinem Psychologen darüber gesprochen, oder besser gesagt erst recht nicht mit ihm…

Reflexartig biss ich mir auf die Unterlippe.
 

Die Braunhaarige hatte wohl ihre Fassung wieder erlangt. „Wieso?“

„Dafür gab es mehrere Gründe… kurz gesagt, mein Leben ist beschissen…“

„A-Aber deswegen bringt man sich nicht gleich um… da musste doch noch mehr sein…“

„Tja, das war eben nur die unkomplizierte Kurzfassung.“

„…Verstehe…“
 

Die Stille war mehr als unangenehm… Wieder einmal krampfte sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Ich musste gegen die Erinnerungen ankämpfen! Sie durften nicht wieder die Überhand gewinnen!
 

Ich schluckte schwer.
 

Bilder… von meinem Vater, der uns im Stich gelassen hatte… von meiner Mutter, die wieder einmal betrunken nach Hause kam… von dem Abern an dem ich sie das erste Mal mit einem anderen Kerl erwischte… von dem Abend an dem ER kam und…
 

- change perspective –
 

Kimiko beobachtete, wie sich das Gesicht von Sai verhärtete. Sein Blick wurde ganz glasig…

„Sai?“

Er schien sie nicht zu hören…

Was passierte mit ihm? In seinen Augen blitze der Schmerz auf, sein Gesicht verzog sich zu einer gequälten Grimasse. Er atmete nur noch flach. Tränen flossen über seine Wangen.

„Sai!“

Er rollte sich zu einem Bündel zusammen und blieb schluchzend auf dem Boden liegen.

Kimiko verfolgte die Szenerie entsetzt. Was sollte sie jetzt tun? Was war eigentlich los mit ihm? Hatte er eine Art Anfall?

Nein, jetzt war nicht der Augenblick um solche Fragen zu stellen!
 

Die Braunhaarige stürzte zu dem Jungen am Boden und schloss ihre Arme um ihn. Sie drückte ihn fest an sich.

„Sai! Sai, komm zu dir! Es ist ja alles gut!“

Seine Haut brannte förmlich. Plötzlich blickte er zu ihr auf. Seine Augen weiteten sich.

„Nein! Bitte! Lass mich los!“

„Wa- aber Sai, ich bin’s doch, Kimiko!“

Der konfuse Junge strampelte hin und her und versuchte sich aus ihrer festen Umarmung zu befreien.

„Ganz ruhig! Ich bin ja da! Sai, es wird alles gut!“
 

Plötzlich hörte Sai auf zu strampeln. Seine Atmung beruhigte sich wider und er blinzelte nun ein paar Mal.
 

- end of perspectivechange –
 

Verwirrt starrte ich zu Kimiko herauf, die mich in den Armen hielt.

Ich lag am Boden. Was zum Teufel war passiert?
 

„K-Kimiko?“

„Geht es wieder?“ Sie sah mich erschrocken und besorgt an.

„Was war los?“

Keine Ahnung… Du warst auf einmal total weggetreten und hast angefangen dich zu winden und zu weinen und… du hast gebettelt, dass ich dich loslassen soll… Och glaube du hattest einen Fiebertraum oder so…“

„Fiebertraum?“ Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.

Die Braunhaarige nickte. „Ich habe mich so erschreckt… Geht es dir wirklich gut?“

„Ja… es geht mir gut…“ Langsam erhob ich mich, und sie gab meinen Körper frei.
 

„Das solltest du jemandem sagen. Was wenn so etwas noch einmal passiert?“

„Nein! Ich… das ist nicht nötig. Es wird nicht noch einmal vorkommen.“

„Woher willst du das wissen? Sai, das ist etwas Ernstes!“

„Ja, ich nehme es auch vollkommen ernst. Und trotzdem werde ich es dem Psychodoc nicht sagen.“, beharrte ich auf meiner Entscheidung.
 

Gott, war mir vielleicht schlecht! Alles drehte sich und ich konnte nur zu meinem Bett wanken…

Ächzend ließ ich mich darauf nieder.
 

„Sai, du solltest wirklich-“

„Ich werde es niemandem sagen! Das ist meine Sache! Wieso glauben eigentlich alle, dass sie sich in mein Leben einmischen müssen?!“

Was auch immer in den letzten Minuten passiert war, ich konnte froh sein, dass Kimiko da gewesen war… und trotzdem schnauzte ich sie an.
 

„Ich wollte mich nicht in dein Leben einmischen… Tut mir leid. Ich wollte nur helfen.“

Sie begab sich langsam zur Tür.

„Und übrigens wollen das noch einige andere Personen hier. Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken wer sich wirklich nur einmischt und wer helfen will…“

Sie verlies das Zimmer.



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