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Blutsauger an Bord

Babylon 5
von

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Blutsauger an Bord

Es hatte Hunger. Zu lange schon kauerte es im Dunkeln in der Ecke des Drazi-Transportschiffes. Viel zu lange.

Drazi-Blut war keine gute Nahrung. Es wartete. Es lauerte darauf, dass sein Transportmittel sein Ziel erreichen würde. Und dort würde es Nahrung finden...

Bessere Nahrung. Viel bessere Nahrung...

Und es war sehr hungrig.
 

„Babylon Kontrolle an Drazi-Transporter. Fliegen Sie Andockrampe 8 an.“ Lieutenant-Commander Susan Invanova tippte mit der Fingerspitze gegen die Kommunikationskontrolle und schloss den Kanal wieder, während das Drazi-Schiff seinen Zielpunkt anflog.

Es war schön, wenn die Dinge glatt liefen. Es gefiel ihr. Aber gleichzeitig machte es Ivanova auch unruhig. Dass etwas auf Babylon 5 funktionierte und es keine Schwierigkeiten und keinen Ärger gab, war erfahrungsgemäß äußerst selten und zeugte meist von der sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm. Dennoch schenkte sie dem Drazi-Transporter keine größere Aufmerksamkeit.

Nur zwei Minuten später wies sie dem nächsten ankommenden Handelsschiff bereits seine Andockrampe zu.
 

Es dauerte nicht lange und es fand Nahrung. Wärme und der Geruch nach frischem Blut lockten es hervor. Es war gierig. Es kannte kein Halten mehr, als es sein Opfer von hinten ansprang und sich über es hermachte.
 

„Andrew? Andrew, wo zum Teufel steckst du? Eduardo bringt uns um, wenn wir nicht schnell fertig werden!“

Jeremiah Deriack bewegte sich suchend durch den gelöschten Frachtraum. Ihr Vorarbeiter Eduardo Delvientos führte seine Mannschaft mit strenger Hand, denn nur so war es möglich, den engen Zeitplan einigermaßen einzuhalten, dem die Dockarbeiter unterlagen. Ohne sie brach der Handelsbetrieb auf der Station regelrecht zusammen. Das hatte die Stationsführung unter Commander Sinclair vor einigen Monaten bei dem Streik der Dockarbeiter schmerzhaft lernen müssen. Und das Entgegenkommen des Commanders war es gewesen, das jetzt dafür sorgte, dass ihre Zeitpläne noch enger waren und sie sich zugleich doch mehr Mühe gaben, sie zu erfüllen.

„Andrew? Oh mein Gott, Andrew!“ Jeremiah stürzte zu der reglos am Boden liegenden Gestalt. „Andrew!“
 

„Franklin an Commander Sinclair.“

Commander Jeffrey Sinclair, der gehofft hatte, für den heutigen Tag seinen Dienst zu beenden und sich eine heiße Dusche zu gönnen, seufzte nahezu unhörbar, ehe er den Kommunikator betätigte, der auf seinem rechten Handrücken klebte. Als Commander der Station war es manchmal durchaus schwer, so etwas wie Feierabend zu haben.

„Sinclair hier.“

„Kommen Sie sofort zu Medlab 2. Hier ist etwas, das Sie sich ansehen sollten.“

Damit unterbrach Chefarzt Franklin schon wieder die Verbindung. Sinclair runzelte die Stirn. Franklin hätte ihn niemals gerufen, wenn es nicht wirklich dringend gewesen wäre. Und wenn etwas im Medlab war, das er sich ansehen sollte...

Ohne noch groß darüber nachzudenken, war er bereits aus seinem Büro heraus und hielt auf die Transportröhre zu, die ihn nach Sektor Rot bringen würde, wo sich das Medlab befand.

Doch nicht nur das Medlab war hier. Auch das Casino, verschiedene Restaurants, Hotels und viele andere Etablissements befanden sich hier. Wenn man so wollte, war Sektor Rot das Herz des sozialen Lebens auf der Raumstation.
 

„Was gibt es Doktor?“, fragte Sinclair ohne Umschweife, sobald er das Medlab betreten hatte.

„Sehen Sie sich das an.“ Franklin deutete auf einen Patienten, der vor ihm auf der Liege lag. Der Dockarbeiter war blass. Leichenblass und das nicht nur sprichwörtlich.

„Was ist mit ihm?“

„Er ist tot.“

„So wie er aussieht, liegt das nahe, Doktor.“

„Jemand – oder eher: etwas – hat ihm alles Blut aus dem Körper gesaugt.“ Franklin sah den Commander ernst an.

„Was? Sie meinen... wie ein Vampir?“ Sinclair blickte den Arzt ungläubig an.

„Exakt. Wie ein Vampir.“ Franklin runzelte die Stirn. „Ich habe meine Datenbanken durchsucht und...“

„Sagen Sie nicht, dass Sie einen Vampir gefunden haben.“ Sinclair fuhr sich durch das kurze graue Haar. An sich war er ja mittlerweile gewohnt, dass es im Weltraum offenbar so ziemlich alles gab und Babylon 5 gewisse Lebewesen nahezu magisch anzog, aber es gab doch gewisse Grenzen...

„Es gibt Seelensammler, Commander“, sagte Franklin sanft. „Vampire dürften dagegen das kleinere Übel sein.“

„Nicht, wenn Sie sich auf meiner Station befinden und die Leute bedrohen, die unter meinem Schutz stehen.“ Die dunklen Augen des Commanders blitzten auf.

„Wahre Worte.“ Sicherheitschef Michael Garibaldi betrat das Medlab und gesellte sich zu den beiden. Franklin hatte ihn ebenfalls gerufen, doch da sich der Chief in Sektor Grau am anderen Ende der Station aufgehalten hatte, hatte er weitaus länger als der Commander gebraucht, um herzukommen. Die Station war immerhin fast achteinhalb Kilometer lang. „Und ich erinnere an dieser Stelle an diesen Hirnfresser, den wir an Bord hatten. Ein Vampir erscheint mir da nicht gerade unmöglich.“ Ein schelmisches Funkeln leuchtete kurz in seinen Augen auf, ehe er sich dann vollkommen sachlich und ernst auf die Fakten konzentrierte, die Doktor Franklin ihm und dem Commander präsentierte.

„Sehen Sie, die Drazi haben Aufzeichnungen über ein Wesen, das Blut saugt. Ebenso die Narn, die Centauri und die Minbari...“ Daten zogen auf dem Bildschirm vorbei, auf den der Chefarzt der Station zeigte.

„Dafür ist das aber sehr wenig Material“, stellte Garibaldi trocken fest. „Ein paar Fotos wären nett gewesen.“

„Wie es scheint, scheinen diese Wesen recht fotoscheu zu sein“, gab Franklin zurück.

„Keine Spiegelbilder...“, murmelte Sinclair, während er die Namen dieses Geschöpfes in den unterschiedlichen Sprachen las. Da’hazuk, Takosh, Markaaan, Ilak. Oder irdisch: Vampir.

„Das halte ich für einen Mythos. Warum sollte etwas kein Spiegelbild besitzen, wenn es physisch existiert?“ Franklin zog eine Augenbraue hoch.

„Fragen Sie die Vorlonen. Die kriegen so etwas garantiert hin.“ Garibaldi grinste kurz, als er auf das äußerst geheimnisvolle Volk der Vorlonen anspielte, von dem sich ein Botschafter an Bord der Station befand, aber von dem niemand wusste, wie er unter seinem Schutzanzug aussah. Den Vorlonen traute man nahezu alles zu.

„Keine umfangreichen Daten, keine Bilder, nur Geschichten...“ Sinclair seufzte leise. „Es wird für dich eine interessante Herausforderung, das Ding zu finden, Michael.“

„Ich wäre nicht Sicherheitschef, wenn ich solch eine Herausforderung ablehnen würde“, lachte Garibaldi trotz dieser nicht gerade angenehmen Situation. „Außerdem müssen wir uns erst einmal sicher sein, ob wir so etwas wirklich an Bord haben...“

„Doktor!“ Botschafterin Delenn von den Minbari stürzte ins Medlab. Ihr folgte ihr Attaché Lennier, der eine junge Minbari stützte. Die ohnehin schon blasse Haut der jungen Frau war noch blasser geworden und schimmerte auf dem kahlen Schädel noch bläulicher als sonst.

„Wir haben sie im Garten gefunden“, stieß Delenn aufgeregt hervor. „Sie lag dort auf dem Boden und irgendetwas... ist davongehuscht... Es war klein und schwarz...“

Sinclair und Garibaldi warfen sich vielsagende Blicke zu, während sich Doktor Franklin bereits um seine neue Patientin kümmerte.

„Akuter Blutmangel“, stellte er fest. „Doktor Hernandez, ich brauche sofort zehn Einheiten Minbari-Blut!“

„Der Vampir“, presste Garibaldi zwischen den Zähnen hervor.

„Vampir?“ Delenn blickte ihn neugierig an, während es ihr zugleich gelang, das Geschehen rund um die junge Minbari im Augen zu behalten, die nun an die Transfusion angeschlossen wurde.

„In Ihrer Sprache würde man es Markaaan nennen.“ Sinclair beobachtete die Minbaribotschafterin bei seinen Worten genau.

„Ein Markaaan?“ Ihre Miene machte augenblicklich deutlich, dass sie dieses Wesen keinesfalls für ein Fabelwesen hielt. „Dann sind wir in Schwierigkeiten, Commander. In großen Schwierigkeiten.“

Lennier nickte zustimmend. „Die Markaaan durchlaufen mehrere Entwicklungszyklen. Zu Beginn sind sie recht klein, doch mit jeder Nahrungssession wachsen sie. Und sobald sie eine bestimmte Größe erreicht haben, gebären sie lebenden Nachwuchs, der sofort auf die Jagd geht. Sie brauchen eine gewisse Zeit für den Wachstumsschub, der auf ihre Nahrungssessionen folgt. Wir haben also vielleicht eine Chance...“

„Warum haben wir das denn nicht in unseren Datenbanken?“ Franklin wirkte ungehalten. „Das wäre sehr nützlich!“

„Wir werden gerne unseres Datenmaterial mit Ihnen teilen“, lenkte Delenn sofort ein. „Momentan sollte es jedoch unser Ziel sein, den Markaaan zu finden und zu töten.“

„Es ist von Andockrampe 8 zum Garten gelangt. Und das in äußerst kurzer Zeit...“ Garibaldi hatte einen Stationsplan aufgerufen. „Das ist schnell.“

„Es könnte das Lüftungssystem nutzen. Oder die Transportröhren“, vermutete Sinclair. „Das läge nahe. Aber wo will es hin?“

„Dorthin, wo es viel Beute gibt.“ Delenn deutet mit dem Finger auf den Rot-Sektor, in dem sich die Ladenzeile befand. „Lennier, stelle dem Commander sofort unsere Daten zur Verfügung. Vielleicht können wir dieses Geschöpf noch rechtzeitig finden, ehe es großen Schaden anrichtet.“

Lennier senkte leicht den Kopf, um seinen Gehorsam zu signalisieren und sich gleichzeitig von den Anwesenden zu verabschieden. Unwillkürlich zog dabei der Knochenkranz, der im Halbkreis seinen Hinterkopf umgab, die Blicke auf sich. Dann wandte sich der Minbari ab und eilte mit ausgreifenden Schritten davon.

„Delenn, kann ein Telepath dieses Wesen aufspüren?“ Denn das Kalibrieren der Scanner auf die Daten dieser Lebensform würde wenigstens zwei Stunden in Anspruch nehmen – und das war Zeit, die sie nicht unbedingt haben würden.
 

Im Casino saß der Centari-Botschafter Londo Mollari vor seinem Mittagessen und trank ein Glas Heißen Jala. Hinter ihm war an den Spieltischen die sprichwörtliche Hölle los und sein Assistent Vir Cotto hatte in der Zwischenzeit seine Rolle beim Roulette übernommen. Selbstverständlich würde Vir seinen Einsatz von seinem eigenen Geld bezahlen. Auch wenn er das noch nicht wusste.

Und so, wie der Kopf mit dem hochstehenden dunkelbraunen Haarkranz immer wieder deprimiert sank, würde Vir kein geringes Lehrgeld zahlen.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen wandte Mollari die Aufmerksamkeit wieder seinem Essen zu. Wenigstens wollte er es. Doch eine Gelegenheit, den ihm verhassen Botschafter der Narn, G’kar, zu ärgern, konnte er sich natürlich nicht entgehen lassen. Und eben dieser schritt gerade an seinem Tisch vorbei.

„G’kar!“

Mit einem stummen Aufseufzen auf den Lippen blieb der Narn-Botschafter stehen. Seine roten Augen fixierten den Centauri-Botschafter, als er sich zu diesem umwandte.

So wie die Centauri den Menschen äußerlich auf den ersten Blick recht ähnlich sahen, sah man einmal davon, dass die Frauen kahlköpfig waren und die Männer nur einen nahezu senkrecht hochtuppierten Haarkranz trugen, erinnerten die Narn eher an Reptilien mit ihrer gelben, grüngefleckten Haut und den roten Augen.

„Mollari.“

„Ich habe Sie so lange nicht mehr gesehen, G’kar, dass ich schon gehofft hatte, Sie hätten mir den Gefallen getan und wären in Ihrem Quartier still und leise gestorben!“, polterte Mollari los.

„Mollari, Sie glauben doch nicht im Traum, dass ich Ihnen jemals einen Gefallen tun würde“, gab G’kar süffisant zurück.

Ein kleines schwarzes Geschöpf sauste über den Boden auf den Stuhl des Centauri zu. Ohne weiter darüber nachzudenken, trat der Narn mit seinem schweren Stiefel zu. Mit einem zuerst knackenden und quatschenden Geräusch zerquetschte er es.

„Sie sollten besser aufpassen, Mollari. Sie ziehen Ungeziefer an.“ G’kar verzog den Mund amüsiert.

„Hier ist es! Da vorne!“ Die offizielle Telepathin der Station, Talia Winter, eilte dicht gefolgt von

Sinclair, Garibaldi und drei Sicherheitsbeamten das Casino. Sie hatte ihren Geist so weit öffnen können, dass sie unter dem beständigen Rauschen der menschlichen und außerirdischen Gedanken in der Lage gewesen war, einen kleinen roten Punkt auszumachen, der der Bluthunger des Vampirwesen war. Zuvor waren sie in eine Orgie einiger Drogensüchtiger hineingeraten, die sie die Hälfte der Sicherheitsleute gekostet hatte – aufgrund von Festnahmen – und dafür sorgte, dass Garibaldi demnächst an gewissen Orten in Sektor Braun Razzien durchführen würde.

„G’kar, Londo, vorsicht, da...“, rief Garibaldi. Dann fiel sein Blick auf G’kars Fuß.

„Botschafter, hätten Sie die Güte...“ Er bedeutete dem Narn, zurückzutreten. Das tat dieser auch und hinterließ eine zerquetschte Masse auf dem Boden.

„Oh.“ Garibaldi warf Sinclair einen langen Blick zu und deutete dann mit den Augen auf diesen Fleck. „Wie war das: Diese Viecher lieben Centauri-Blut?“

„So weit ist es wohl nicht gekommen.“ Sinclair fuhr sich erleichtert durch die Haare.

„Könnten Sie uns vielleicht verraten, was Ihr Auftritt zu bedeuten hat, Commander?“ Mollari sah ungehalten in die Runde.

„Oh, mir scheint, G’kar hat Ihnen gerade einen Gefallen getan und einen Takosh zerquetscht“, erklärte Garibaldi mit einem fröhlichen Lächeln.

„Ich habe was?“ G’kar starrte den Centauri mit offenem Mund an, während dieser erst blass wurde und dann zu lachen begann.

„Sie haben einen Ilak getötet, der gerade Botschafter Mollari als sein nächstes Opfer ausgemacht hat“, ergänzte Sinlcair erklärend, indem er den Narn-Begriff für den ungebetenen Eindringling verwendete.

„Oh! Oh!“ Wütend aufstampfend und vor sich hinfluchend stürmte der Narn-Botschafter zornerfüllt aus dem Casino. Er hatte den ihm verhassten Centauri gerettet!

Mollaris Lachen folgte ihm immer noch, als er es längst nicht mehr hören konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2013-04-02T19:20:26+00:00 02.04.2013 21:20
*lach*
Sehr schön geschrieben. ^^ Die Story hat die YUAL-Nominierung eindeutig verdient.
Gott, Babylon 5, ist das lange her ...
Aber ich hätte nicht gedacht, daß sich das Vampir-Dings dann doch so einfach beseitigen lässt, nachdem es schon die halbe Station in Terror versetzt und Leute auf dem Gewissen hat.


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