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Welt der Dinosaurier

von

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Streit liegt in der Luft

Kapitel 8

Streit liegt in der Luft
 

Raidon ging direkt auf Fudo zu. Er war wütend, weil Fudo meinte, das Lager zu beherrschen, so kam es Raidon zumindest vor, und außerdem mochte er es nicht, wenn er herumkommandiert wurde. Den Streit mit Ryoudo hatte er zwar nicht vergessen, aber er akzeptierte nicht, dass Fudo sie auseinandergebracht hatte. Und er hatte seine Entschuldigung nicht ernst gemeint.

„Fudo! Ich würde gerne etwas mit dir klären“, brüllte er mit hasserfüllter Stimme dem Älteren zu, der gerade eine weitere Stange des Zeltes in den Boden schlagen wollte. Fudo hörte die Wut Raidons, legte Stange und Hammer, die er in den Händen hielt, zur Seite und nahm die Nägel, die er zwischen den Zähnen hielt, aus dem Mund. Er warf sie neben den Hammer.

„Was ist, Raidon?“, entgegnete Fudo mit ruhiger Stimme, in der Hoffnung dass das, was er schon als beinahe unausweichlich sah, doch noch zu verhindern. Er bereitete sich innerlich darauf vor, Raidons Schlag der sicher gleich erfolgen würde, abzuwehren.

„Ich glaube, wir haben uns gestern nicht richtig unterhalten. Ich bin der Meinung, dass du nicht fähig bist, für unser aller Wohl zu sorgen. Ich glaube nicht, dass du geeignet bist, hier die Position des Anführers zu übernehmen!“

„Wie ich schon gestern sagte, wenn du anführen willst, dann führe. Allerdings ist der Anführer derjenige, den die Mehrheit dieser Gruppe als Anführer akzeptiert. Wenn niemand ihn als Anführer akzeptiert, dann ist er nicht geeignet, einer zu sein!“ Fudo wusste zwar, dass diese Worte Raidon nur noch mehr provozieren würden, aber er hatte sich durch Blicke mit Yokato verständigt, und die Geste, die Raidons Bruder gemacht hatte, war unmissverständlich gewesen. Raidon würde sich nicht davon abbringen lassen, denn er wollte einen Streit anfangen. Fudo griff in seine Hosentasche, zog das Messer heraus und ließ es neben dem Hammer zu Boden fallen. Raidon hatte inzwischen die Strecke, die sie noch trennte, überwunden. Er blickte Fudo in die Augen, dann ballte er eine Faust und zielte auf Fudos Magen.

Fudo trat schnell zwei Schritte zurück und wich dem Schlag damit aus. Er wechselte die Position, damit Raidon ihn nicht zu dem noch im Bau befindlichen Zelt drängte, und wartete. Seine Arme hingen noch immer locker an seiner Seite, und in seinem Gesicht war aufrichtiges Bedauern zu sehen.

„Ich will nicht gegen dich kämpfen, Raidon. Wir sitzen im selben Boot, das wäre nur Zeitverschwendung! Und warum glaubst du, dass Gewalt dich zum Anführer macht?“ Raidon ignorierte Fudos Worte, sprintete auf ihn zu, holte wieder zum Schlag aus und zielte dieses Mal auf Fudos Gesicht.

„Sorry“, meinte der Angegriffene. Er griff das Handgelenk von Raidon, während er dem Schlag durch eine seitliche Drehung auswich, mit seiner rechten Hand. Fudo hatte sich bereits halb gedreht, so dass seine linke Seite zu Raidons Körper zeigte. Fudo drehte seinen Körper weiter und packte dabei Raidons Handgelenk fester. Seine linke Hand legte er auf Raidons Schulter. Fudo nutzte Raidons Schwung aus, vollendete die Drehung und drückte Raidon gleichzeitig durch die Hand auf dessen Schulter zu Boden. Der Angreifer lag mit der Brust auf der Erde, sein Arm immer noch in Fudos Griff. Letzterer hatte Raidon ein Knie in den Rücken gedrückt und hebelte ihn, indem er den Arm überstreckte. Raidon schrie gequält auf. Fudo ließ den Jüngeren los und stand auf.

Raidon blieb noch kurz auf dem Boden liegen, drehte sich allerdings auf den Rücken. Er keuchte, da Fudo ihm die Luft aus den Lungen gedrückt hatte.

Ohne ein weiteres Wort drehte sich Fudo um und kehrte an seine Arbeit zurück.

Die anderen hatten den Kampf, der gerade einmal zehn Sekunden gedauert hatte, mit angehaltenem Atem beobachtet. Erst, als er vorüber war und Fudo wieder zum Zelt zurückkehrte, verarbeiteten sie, was sie gerade gesehen hatten. Kichi und Yoko sahen Fudo ungläubig mit offenen Mündern an, ihre Augen waren vor Schreck geweitet, beide sahen aus, als wollten sie gleich losweinen. Atoeru, Riro und Ryoudo standen hinter den beiden, sie beobachteten die Szene noch immer, hatten noch nicht ganz verstanden, was gerade passiert war. Sakura hatte weggesehen, sie konnte Streit zwischen anderen nicht ertragen. Erst, als Raidon keuchte, sah sie wieder zu den Kämpfenden. Sie konnte nicht glauben, dass der Konflikt so schnell entschärft worden war.

Ely hingegen hatte den Kampf beobachtet, und sie hatte erkannt, dass Fudo, trotz aller Beteuerungen, dass er nicht kämpfen wollte, Spaß daran gehabt hatte, sich gegen Raidon durchzusetzen. Es bereitete ihr Sorgen, und sie hoffte, dass sie sich dieses Glänzen in seinen Augen nur eingebildet hatte. Sie nahm sich vor, Fudo sobald sie konnte darauf anzusprechen.

Raidon hatte sich inzwischen, mit ein wenig Hilfe von seinem Bruder, wieder erhoben, stand allerdings noch etwas wackelig da. Yokato blickte seinen hitzköpfigen Bruder mit einem eindeutig negativen Blick an. Er führte ihn weg von Fudo, um den Streit nicht noch einmal eskalieren zu lassen.

Erst jetzt begannen die beiden Mädchen zu weinen. Sakura und Ely waren sofort zur Stelle, um sie zu trösten, nahmen die beiden in die Arme und führten sie weg von dem Ort, an dem der Kampf stattgefunden hatte. Zwar konnte man, sah man von der kleinen Mulde, die Raidons Kinn im weichen Erdboden hinterlassen hatte, ab, keine Spuren sehen, aber alle konnten die Emotionen die den Kampf begleitet hatten deutlich spüren, beinahe sogar sehen. Ely und Sakura redeten beruhigend auf Kichi und Yoko ein, versuchten, ihnen klarzumachen, dass es nur ein einfacher Streit war, wie er manchmal unter Freunden vorkam. Zum größten Teil sagten sie dies jedoch, um sich selbst zu beruhigen, vor allem Ely. Die Jüngeren bemerkten dies nicht und weinten einfach weiter. Sie wollten nicht, dass sich Freunde stritten, vor allem nicht ihre Freunde.

Atoeru und Riro sahen Ryoudo sprachlos an, der nur mit einem tranceartigen Blick die Stelle fixierte, an der Fudo Raidon zu Boden gebracht hatte, ohne sich wirklich anzustrengen, wie es schien. Der Älteste der kleinen Dreiergruppe wusste zwar, dass Fudo ein aktiver Kampfsportler und in verschiedenen Kampfsportarten nicht gerade schlecht gewesen war, aber er hatte noch nie gesehen, wie Fudo seine Fähigkeiten anwandte. Es hatte ausgesehen, als hätte er sein Leben nichts anderes gemacht als diese Technik anzuwenden. Erst, als Riro ihm mit seiner Hand beinahe ins Gesicht schlug, begriff er, was gerade wirklich passiert war. Er war geschockt. Geschockt darüber, dass eine Person, die Fudo gestern noch zugestanden hatte der bessere Anführer zu sein, ihn heute angriff, darüber, dass Fudo die Provokationen von Raidon einfach verpuffen hatte lassen und vor allem darüber, wie schnell er Raidon in seine Schranken verwiesen hatte. Bevor die beiden Jüngeren ihn auch nur fragen konnten, was gerade passiert war, rannte Ryoudo bereits in Richtung Wald, in eine Richtung, in die keiner der anderen gegangen war. Er wollte Ruhe haben, um nachdenken zu können. Riro und Atoeru folgten ihm, da sie nicht wussten, was sie sonst machen sollten.
 

Fudo verdrängte seine Gedanken an die kurze handgreifliche Auseinandersetzung, die gerade stattgefunden hatte, hob sein Messer auf, steckte es wieder in seine Hosentasche, nahm den Hammer und arbeitete weiter an dem Zelt. Er schlug den Stock, den er hatte fallen lassen, nun endlich in den Boden, und als er seiner Meinung nach tief genug steckte, nagelte er ihn am Mittelteil des Zeltes fest.
 

Yokato hatte Raidon zum Seeufer gebracht. Raidon kniete sich ans Wasser und trank gierig.

“Das wird er mir büßen”, flüsterte er. “Das wird er büßen. Keiner demütigt mich! Keiner! Er wird schon noch sehen, was er von dieser Aktion hat!” Er blickte ins Wasser und beobachtete sein Spiegelbild. Er konnte keine sichtbaren Verletzungen feststellen, nur sein Kinn war etwas mit Erde und Gras bedeckt, da Fudo ihn damit in die Erde gedrückt hatte. Raidons Schuluniform war nicht mehr als solche zu erkennen, sie hatte an vielen Stellen Grasflecken, und die Krawatte war bei ihrem Streifzug zurück zu dem Ort, den er nur noch als 'Landepunkt' bezeichnete -oder auf dem Weg zurück- in einem Ast hängen geblieben und zerrissen.

Yokato hörte seinem Bruder zu und schwieg. Er wusste, dass niemand Raidon in diesem Gemütszustand beruhigen konnte. Sein Bruder war gekränkt worden, und das ertrug dieser nicht. Deshalb hatten schon in ihrer Schule einige Schüler länger zu Hause bleiben müssen, verletzt im Bett liegend.

“Ich denke, wir sollten erstmal eine Weile weg aus dem Lager, Raidon”, sagte Yokato schließlich. “Gehen wir doch und holen noch eine Munitionskiste. Wir würden den anderen damit helfen.” Als Yokato sah, dass Raidon nicht wirklich erpicht darauf war und sich lieber noch einmal mit Fudo anlegen wollte, fügte er etwas hinzu, das vielleicht nicht ganz fair war, aber das seine Wirkung sofort entfaltete. “Wenn wir keine Munition mehr haben, werden wir früher oder später sterben. Du. Ich. Die anderen. Auch Atoeru.”

Beim letzten Namen, den Yokato aufführte, zog Raidon scharf die Luft ein. Er hatte Atoeru irgendwie liebgewonnen, und wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Daher stand er auf und nickte Yokato einfach zu. Dieser lief schnell zu den Munitionskisten und holte die Pistolen, dann brachen die beiden auf.

“Atoeru zu erwähnen, um mich dazu zu bewegen, mit dir zu kommen, war unfair”, erklärte Raidon, nachdem sie etwa zwei Minuten durch den Wald gegangen waren.

“Aber es hat gewirkt, oder?” Yokato grinste zufrieden. “Ich musste dich einfach von Fudo wegbekommen, du hattest die gleiche Stimmung wie vor einigen Jahren, als du drei unserer Klassenkameraden zu einer langen Bettzeit verurteilt hattest.”

Raidon blickte seinen Bruder nur ausdruckslos an. Den restlichen Weg zum Landepunkt legten sie schweigend zurück.
 

Ryoudo hatte sich auf einen Baum zurückgezogen, nachdem er merkte, dass er Atoeru und Riro nicht loswerden konnte. Er war so hoch geklettert, wie er den Ästen sein Gewicht gerade noch zutraute, und hatte sich dort auf einen Ast gesetzt, gegen den Stamm gelehnt. Er genoss die Ruhe um ihn herum und ignorierte Riros und Atoerus Stimmen, die unten am Baum standen und nach ihm riefen.

“Riro”, konnte man nur Sekunden später Elys Stimme hören, “komm bitte mal her!” Riro blickte noch einmal in den Baum, in dem Ryoudo saß, dann rannte er zum Lager zurück. Atoeru hatte keine Lust, allein unter dem Baum zu warten, und folgte Riro. Nur eine Minute später wünschte er sich, er hätte es nicht getan, aber da war es bereits zu spät. Ely saß an der Feuerstelle und hatte jeweils einen Arm um Kichi und einen um Yoko gelegt. Sakura war gerade am See und trank einen Schluck. Die beiden kleinen Mädchen weinten noch immer ein wenig, und in ihren Gesichtern konnte man sehen, dass sie Angst hatten, Angst vor Fudo und Raidon, und dass sie nicht wussten, was da eigentlich genau passiert war.

“Was ist, Ely?”, fragte Riro. An seinem Tonfall hörte man, dass er sich die Antwort schon denken konnte, aber dagegen war.

“Ich wollte dich bitten, bei deiner Schwester und Yoko zu bleiben. Ich muss mit Fudo reden, und die beiden wollen nicht in seine Nähe”, sagte Ely. Ihre Stimme war eine Mischung aus Frustration, blankem Zorn und Sorge. “Keine Widerrede”, fügte sie hinzu. Riro seufzte nur schwer und ließ sich neben seiner Schwester nieder. Ely löste ihren Arm von Kichi, und diese klammerte sich beinahe augenblicklich an Riro. Yoko, die sich ängstlich umsah, blickte Riro an, dann wich sie ein kleines Stück zurück. Dabei stieß sie gegen Sakura, die sich wieder auf dem Teppich niedergelassen hatte, und klammerte sich sofort an sie.

Riro blickte Atoeru an, um ihm zu zeigen, dass er keine Lust darauf hatte, Babysitter zu spielen. Atoeru setzte sich zu Riro und leistete ihm Gesellschaft, da er nicht wusste, was er sonst machen sollte.
 

Ely ging unterdessen zu Fudo. Da sie Kichi bei Riro lassen konnte - sie vertraute ihrem kleinen Bruder, gut auf seine jüngere Schwester aufzupassen -, wollte sie sich so schnell wie möglich mit ihrem Freund aussprechen. Sie wollte ihn mit der Reaktion, die sie an ihm während des Kampfes beobachtet hatte, konfrontieren und sehen, ob sie sich geirrt hatte oder nicht.

'Sollte ich mich so in ihm getäuscht haben', dachte sie sich, als sie sich an das Funkeln in Fudos Augen erinnerte, das sie während des extrem kurzen Kampfes gesehen hatte. 'Ich hoffe, dass ich mir das nur eingebildet habe!' Sie blickte zu der nahen Feuerstelle zurück, um sich selbst die Bestätigung zu geben, dass es Kichi gut ging. Auch deshalb wollte sie mit Fudo reden. Sie erreichte das Zelt und sah, wie Fudo gerade einen weiteren Ast festnagelte. Er sah auf, als sie sich zwischen ihn und die anderen Äste stellte, die er noch verbauen wollte.

“Kann ich kurz mit dir reden, Fudo?”, fragte Ely direkt. Durch ihren besorgten und wütenden Blick war Fudo bereits etwas vorgewarnt, er ahnte, dass es nicht nur ein freundliches Gespräch zwischen ihm und ihr werden würde.

“Natürlich Ely. Was ist denn? Du siehst besorgt aus”, entgegnete er. Es war zwar stark untertrieben, aber Fudo hoffte, dadurch Elys Laune, die scheinbar ziemlich schlecht war, ein klein wenig zu verbessern. Ely deutete auf den Wald. Fudo verstand die Geste. Ely wollte das Gespräch etwas entfernt von den anderen führen. Spätestens jetzt war Fudo sicher, dass es etwas wichtiges, aber auch etwas schlechtes war, das sie mit ihm besprechen wollte. Er legte den Hammer zu Boden, nahm das Gewehr, das in seiner Nähe lag, und bedeutete Ely, voranzugehen. Fudo blickte sich noch einmal kurz auf der Lichtung um, konnte aber keine Gefahren erkennen. Dann folgte er seiner Freundin zum Waldrand.

Ely blieb am Waldrand stehen. Fudo war nur zwei Schritte hinter ihr, und als er bei ihr war, war seine ruhige, freundliche Fassade verschwunden, war einem besorgten Gesicht gewichen. Er sah sie an. Sie wahrte einen gewissen Abstand zu ihm, etwa eine halbe Armlänge, und wann immer er versuchte, sich ihr zu nähern, wich sie ihm aus.

“Was ist denn los, Ely?” Er wartete auf Elys Antwort, aber diese blieb zu seiner Überraschung vorerst aus. Sie sah ihn einfach nur an, und er fühlte sich, als würde sie gerade in ihm wie in einem Buch lesen. Ihre Blicke durchbohrten ihn förmlich, kehrten sein Innerstes nach außen und machten es aller Welt offen zugänglich.

“Ich mache mir Sorgen, Fudo”, gab sie schließlich, zwei Minuten, nachdem Fudo die Frage gestellt hatte, als Antwort. Fudo hob seine linke Hand und wollte damit nach Elys rechter greifen, aber sie ging einen Schritt zurück. “Ich mache mir Sorgen um uns alle, aber vor allem sorge ich mich gerade um Kichi. Du und Raidon habt sie verschreckt, als ihr euch geprügelt habt.” Fudo wollte etwas erwidern, aber Ely hob ihre rechte Hand, um ihm zu zeigen, dass sie noch nicht fertig war. Er schwieg. “Und ich mache mir Sorgen um dich, Fudo. Ich habe dich beobachtet, während du Raidon zu Boden geschickt hast. Es hat dir Spaß gemacht, habe ich nicht recht? Es hat dir Spaß gemacht, ihn in seine Schranken zu verweisen, ihm zu zeigen, dass du besser...”

“Du irrst dich, Ely”, unterbrach Fudo sie. “Es war alles andere als spaßig für mich. Ich wollte es eigentlich vermeiden, den Konflikt eskalieren zu lassen!”

“Aber nachdem er eskaliert war, hat es dir Spaß gemacht, ihn zu Boden zu bringen.”

“Nein, hat es nicht, Ely. Wirklich nicht.” Fudo blickte traurig zu Boden. Er drehte sich zum Lager um und begann, wieder dorthin zurückzugehen. “Wenn du glaubst, es hätte mir Spaß gemacht, mich mit Raidon zu prügeln, wie du es genannt hast, dann kennen wir uns doch nicht so gut, wie wir dachten!”

Ely stand mehrere Sekunden einfach nur angewurzelt da, dann lief sie Fudo hinterher. Zwanzig Meter vom Waldrand entfernt hatte sie ihn eingeholt. Sie griff nach seiner Hand und blieb stehen, zwang ihn dazu, auch anzuhalten. Er hatte ihr allerdings noch immer den Rücken zugewandt.

“Nun, deine Augen haben so geglänzt, als du ihn zu Boden gebracht hast”, flüsterte Ely. “Es wirkte wie das Glitzern in deinen Augen, als wir uns das erste Mal geküsst haben.”

Fudo drehte sich zu seiner Freundin um, sein Gesicht war genauso traurig, wie sie sich fühlte. Sie löste ihre Hand und blickte zu Boden.

“Es tut mir leid, Ely. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten... oder Kichi Angst einjagen. Aber was sollte ich tun?” Seine aufrichtige Stimme und seine Frage ließen Ely erkennen, dass er es wirklich so meinte, wie er es sagte. Sie hatte gelernt, zu erkennen, wann er log und wann nicht, daher war sie sich sicher, dass er die Wahrheit sagte. Dann spürte sie, wie er nach ihrer Hand griff. Seine Finger schoben sich zwischen ihre und umschlossen ihre Handfläche so sanft, dass sie nur durch die Wärme seiner Hand spürte, dass er ihre Hand wirklich hielt. Auch wenn sie es nicht wollte, so huschte doch ein Lächeln auf ihr Gesicht. Fudo wusste genau, wie er sie aufheitern konnte. Das war eine der Eigenschaften, die sie an ihm mochte. Mit seinen negativen Eigenschaften hatte sie zu leben gelernt. Dazu zählte sie auch seine Zurückhaltung. Nicht gegenüber anderen Menschen, er war sehr extrovertiert und schloss schnell Freundschaften, sondern ihr gegenüber. Er mochte noch so viel Selbstvertrauen haben, ihr gegenüber war er immer noch beinahe genauso zurückhaltend wie damals, als Ely gerade bei den Yamamotos eingezogen war. Diese Zeit schien ihr jetzt so fern, obwohl es erst vier Jahre her war. Nun ja, in letzter Zeit hatte sie ihn dazu gebracht, diese Zurückhaltung ein wenig zu lockern, aber er war ihrer Meinung nach immer noch viel zu zurückhaltend.

“Du hättest ihm einfach nur ausweichen können. Du hättest ihn nicht zu Boden bringen müssen”, flüstert Ely, aber sie meinte es nicht so. Sie wusste, dass Raidon nicht aufgehört hätte, wenn Fudo nichts getan hätte. Sie drückte seine Hand und lehnte sich an ihn. Fudo schwieg, er hatte gemerkt, wie seine Freundin es gemeint hatte. Aber in seinem Kopf ließ er gleichzeitig den ganzen Kampf, mochte er noch so kurz sein, nochmals ablaufen. Er versuchte herauszufinden, ob Ely nicht doch recht gehabt hatte. Er hatte gesagt, dass es ihm keinen Spaß gemacht hatte, und er glaubte es auch selbst, aber er war sich nicht sicher.

Fudo löste seine Hand von Elys, legte seinen freien Arm um ihre Schulter und ging mit ihr zum Lagerplatz zurück. Er hatte vor, später noch einmal auf das Thema zurückzukommen. Jetzt wollte er erst einmal seine Baustelle beenden. Er blickte zum Himmel und merkte zu seinem Erstaunen, dass die Sonne bereits im Zenit stand, es also schon Mittag war.

“Wir sollten die anderen zusammenrufen, es ist Mittag. Mein Magen knurrt, und deren Magen sicher auch”, meinte Fudo scherzhaft, was ihm einen leichten Hieb in seine Seite einbrachte. Ely glaubt ihm zwar, dass der Kampf ihm keinen wirklichen Spaß gemacht hatte, aber sie hatte ihm noch nicht verziehen, dass er sie, Kichi und allen anderen so einen Schreck eingejagt hatten. Fudo seufzte und ging mit Ely langsam zur Feuerstelle.
 

Raidon sah sich am Landepunkt kurz um. “Wir sind nicht allein”, sagte er dann und zog seine Pistole. Er blickte sich aufmerksam um, und konnte schließlich in einiger Entfernung einen Raptor sehen, der die beiden Jungen, die sich bei den drei Munitionskisten befanden, beobachtete. Raidon blickte sich nach weiteren Tieren um, konnte aber keine erkennen. Er sah, dass sein Bruder ebenfalls die Pistole gezogen hatte und sie auf den Raptor richtete.

“Es ist nur einer. Das ist komisch”, meinte Yokato. Er blickte zu dem Raptor, dann drehte er sich im Kreis, um zu sehen, ob sich Raptoren hinter sie geschlichen hatten. Er konnte aber keine sehen. “Also, nehmen wir die Kiste, und dann nichts wie zurück zu den anderen!” Yokatos Stimme hatte einen Ton angenommen, der Raidon dazu brachte, die Kiste sofort aufzuheben, ohne auch nur ein einziges Widerwort zu geben. Sie hatten die Munition aus der zerstörten Kiste in eine noch unbeschädigte Kiste umgeladen. Die Pistolenmunition, die in der Kiste gewesen war, hatten sie zu der anderen Pistolenmunition gepackt. Die leere Kiste hatten sie dann mit der Gewehrmunition aus der zerstörten Kiste gefüllt. Die Jungen hoben die Kiste, in der sich die gesamte restliche Pistolenmunition befand, hoch, dann liefen sie, nachdem sie sich nochmals nach Raptoren umgesehen hatten, mit gezogenen Pistolen langsam den Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie wussten, dass sie durch ihre Last eine leichte Beute für Dinosaurier waren, deshalb waren sie noch aufmerksamer als sonst. Ihre Augen standen nicht still, sie blickten sich andauernd um und suchten nach Bewegungen, die auf die Anwesenheit von Dinosauriern schließen ließ. So gingen sie vorsichtig zum Lager zurück. Kein Wort kam über ihre Lippen. Auf ihren Stirnen war deutlich der Schweiß zu erkennen, aber es war kalter Schweiß, der ihnen deutlich zeigte, dass sie Angst hatten. Aber sie ignorierten ihre Angst und beeilten sich, um so schnell sie konnten wieder zur Lichtung zu kommen.
 

Ely und Fudo setzten sich neben Riro und Kichi an der Feuerstelle nieder. Atoeru und Sakura, die ihnen gegenübersaßen, betrachteten sie schweigend. Kichi und Yoko hatten sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt, und versuchten, Riro dazu zu bringen, mit ihnen zu spielen. Dieser schaffte es aber bisher gekonnt, ihre Bitten abzuschlagen.

“Wer hat Hunger?”, fragte Fudo schließlich, nachdem er die Szene etwa eine Minute beobachtet hatte. Alle sahen ihn an, denn sie hörten deutlich, wie ihre Mägen knurrten.

“Ich”, sagten sie mehr oder weniger gleichzeitig. Fudo begann zu lächeln. “Dann gehe ich mal und hole das Mittagessen. Und es gibt Äpfel, welch Überraschung”, meinte er. Er war schnell genug aufgestanden, um dem liebevollen Schlag, den Ely bereits begonnen hatte, auszuweichen. “Dieses Mal nicht, Schatz”, meinte er frech grinsend und lief in Richtung der Apfelbäume am Rand der Lichtung. Dort hielt sich auch Ryoudo auf, aber das wusste Fudo nicht. Das Älteste Mitglied der Gruppe ging zu dem Baum, der sich der Feuerstelle am nächsten befand, lehnte das Gewehr dagegen und kletterte auf ihn hinauf. Auf etwa drei Metern Höhe angekommen, begann er, das Mittagessen der Gruppe zu pflücken. Er hatte mehrere Äste gefunden, die mit Äpfeln beinahe überladen waren, und pflückte Apfel um Apfel. Er ließ sie einfach zu Boden fallen, denn das hatte den Äpfeln gestern nichts gemacht, also würde es ihnen auch heute nichts ausmachen. Nachdem er etwa zwei Dutzend Äpfel gepflückt hatte, kletterte er wieder vom Baum, zog die Jacke, die er seit gestern trug, aus, legte sie auf den Boden und legte die Äpfel darauf. Dann nahm er das Gewehr und hängte es sich über die Schulter, hob die Jacke auf und trug so das Essen zur Feuerstelle zurück.

Ryoudo hatte seinen Bruder dabei beobachtet, wie er das Essen geholt hatte. Dabei fiel ihm auf, dass sein Magen laut knurrte. Er kletterte vom Baum, pflückte sich unterwegs einen Apfel, kletterte zum Boden und aß den Apfel auf dem Weg zu den anderen.
 

Etwa zwanzig Minuten später erreichten auch Raidon und Yokato die Lichtung wieder. Sie trugen die Munition zu den restlichen Kisten, stellten sie dort ab und gingen zum Rest der Gruppe. Fudo warf beiden einen Apfel zu, den sie gierig verspeisten. Raidon ignorierte Fudo, in seinem Inneren kochte er noch immer vor Wut. Jetzt jedoch wollte er erst einmal seinen Hunger stillen.

Das Essen verlief ruhig, es wurde nicht gesprochen. Fudo stand schon früh auf und kehrte zu der Baustelle zurück, die einmal ein Zelt werden sollte. Yokato und Raidon, obwohl als letzte angekommen, standen nur kurz nach Fudo wieder auf und machten sich auf den Weg zum Landepunkt, zum letzten mal, wie sie hofften. Es befand sich nur noch eine Munitionskiste dort, ansonsten lag dort nur noch der große Haufen mit Schrott.

Kichi hatte sich an Ely geschmiegt und war eingeschlafen, die ständige Angst, die sie sorgsam verborgen hatte, hatte sie erschöpft. Auch Yoko war eingeschlafen, an Sakura gelehnt. Die beiden älteren Mädchen lächelten sich an, während sie ihre Geschwister betrachteten.

Die Jungen hatten sich in den Wald begeben und erkundeten die nähere Umgebung. Sie hatten genug Holz gesammelt, um das Feuer die ganze Nacht hindurch brennen lassen zu können, wie sie hofften.

Es hatte sich bereits eine gewisse Art von Routine im Lager eingeschlichen, auch wenn sie noch nicht einmal einen Tag in dieser Welt waren. Fudo hatte sich wieder in seine Bauarbeiten gestürzt, die Zwillinge waren auf einer Art Expedition, um nützliche Dinge ins Lager zu holen, Die älteren Mädchen passten auf die Jüngsten der Gruppe auf. Ryoudo wunderte sich ein wenig darüber, wie schnell sich so etwas entwickelte, aber er war nicht unglücklich darüber. Er hoffte, dass diese Routine weitere Streitigkeiten, zumindest in der nächsten Zeit, verhindern würde. Besonders zwischen Fudo und Raidon sollte seiner Meinung nicht noch einmal ein Streit ausbrechen. Die beiden waren sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden bereits zweimal in die Haare geraten, und ein weiteres Mal würde sicher nicht so glimpflich ablaufen.

Die Jungen hörten in weiter Entfernung ein Fauchen, was sie dazu veranlasste, sich schnell zum Lager zurückzubegeben. Sie hofften, dass die Dinosaurier, die dieses Fauchen ausgestoßen hatten, die Raptoren, das Lager nicht finden würden.
 

Fudo trieb die vorletzte Stange in den Boden, als Raidon und Yokato mit der letzten Munitionskiste zurückkehrten. Raidon ging zum Seeufer und setzte sich dort nieder, während Yokato sich Fudo näherte. Zumindest glaubte Fudo, dass es Yokato war, denn die Krawatte, die schon halb zerrissen war, hatte einen ordentlichen Knoten gehabt.

“Brauchst du Hilfe?”, fragte Yokato - es gab keinen Zweifel mehr, dass es sich um Yokato handelte, denn Raidon sprach kein Wort mehr mit Fudo - und betrachtete die Arbeit von Fudo. Der Angesprochene nickte.

“Wenn du noch einige Minuten wartest, kannst du mir helfen, die Folie über das Zelt zu spannen und sie zu befestigen”, meinte Fudo, nahm einen Nagel und befestigte die Stange, die er eben in die Erde getrieben hatte. Er schätzte in Gedanken die Größe des Zeltes ab und kam zu dem Schluss, dass er auf jeden Fall ein weiteres bauen musste, da niemals zehn Leute in dieses eine von ihm erbaute Gebilde passen würden. Fudo griff zu dem letzten Ast und begann ihn in den Boden zu treiben.



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