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Flatmates

von

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Black Coffee I

Ich blinzele. Schlucke. Die Erkenntnis, dass ich vor Janniks Eltern in diesen lächerlichen, viel zu engen, quietsch-pinken Shorts stehe, schleicht sich langsam in mein Bewusstsein. Das ist das erste Mal, dass ich wortwörtlich im Boden versinken möchte.
 

„Sind Sie Roman Sadritzki?“, fragt Janniks Vater mich mit tiefer, gar schon bassiger Stimme und ich erschaudere, bin immer noch in diesem unangenehmen Schock gefangen. Ich sollte mich selber ohrfeigen, um mich wieder in die Realität zu befördern. Ich merke, wie der Vater meines Freundes seiner Frau einen fragenden Blick zuwirft. Ich antworte ja auch gar nicht, sondern starre ihn mit offenem Mund an. Scheiße!
 

„Äh, ja! Ja, ich bin Roman! Hallo! Sie sind doch Janniks Eltern, nicht wahr?“, bringe ich viel zu schnell heraus, sodass meine Worte sich beinahe überschlagen, und trete auf sie zu. Ich halte Janniks Vater die Hand hin, doch dieser blitzt mich böse mit seinen Augen an. Achja! Verdammt, den Frauen sagt man doch immer als erstes Hallo! Schnell gehe ich mit ausgestreckter Hand auf Janniks Mutter zu, doch auch Frau Winter wirft mir einen winterlichen Blick zu, der das Wort Abschätzung wirklich gut widerspiegelt.
 

„Hallo“, sagt sie kühl und ignoriert meine Hand vehement. „Schön Sie kennenzulernen“, fügt sie emotionslos hinzu. Dem Vater Janniks versuch ich schon gar nicht mehr die Hand zu schütteln.
 

„Ist unser Sohn da?“, fragt Herr Winter mich nun und starrt mich missmutig an.
 

„Ja!“, antworte ich sofort und merke, wie unfassbar dumm ich bin. „Nein!“, füge ich sofort hinzu. „Nein, er ist nicht da. Jannik ist außer Hause. Der ist… weg.“ Gott, die können unsere Wohnung jetzt nicht betreten! Nicht mit all den Bildern von Jannik und mir! Nicht mit all den DVDs und überhaupt!
 

Janniks Vater runzelt die Stirn und seine Frau hebt eine Augenbraue. Sie ähnelt nun dieser fürchterlichen Frau aus „Alles Was Zählt“. Simone Steinkamp. Hm. Bin ich dann Roman? Wow, dieser schwule Kerl aus der Soap trägt sogar tatsächlich meinen Namen! Meine Gedanken überschlagen sich und ich frage mich, wieso ich denn nun über diese C-Klasse Sendung auf RTL nachdenke. Wieso sind Janniks Eltern da?! Hat Klara ihnen… Oh, Gott. Nein! Das darf nicht sein!
 

„Wie denn nun?“, hakt Janniks Vater genervt nach. „Ist mein Sohn nun da, oder nicht?“
 

„Was machen Sie überhaupt hier?“, platzt es aus mir heraus und das ist jetzt das zweite Mal in ca. zwei Minuten, in denen ich mir wünsche, der Abgrund würde sich umgehend unter meinen Füßen auftun. Janniks Mutter schnaubt.
 

„Sie sind ja ein wirklich freundlicher, junger Mann…“, bemerkt sie kalt und leicht erzürnt.
 

„Ahh, es tut mir furchtbar Leid“, falle ich ihr sofort ins Wort, völlig verwirrt und ängstlich. „Ich, äh, bin gerade erst aufgestanden und, äh, die letzten Wochen waren sehr turbulent und, wie geht es Ihnen eigentlich?“
 

Was – rede - ich- da?!
 

Janniks Vater seufzt.
 

„Wann ist mein Sohn wieder da?“, fragt er mich.
 

„Äh, also, ähm… In wenigen Stunden?“, gebe ich zurück.
 

„Können wir so lange hier auf ihn warten?“
 

„Nein!“, schießt es aus mir wie aus einer Pistole und ich beiße mir auf die Zunge. Ich kann die nicht reinlassen! Janniks Mutter schüttelt den Kopf und sein Vater straft mich mit einem vernichtenden Blick an. Mir ist so extrem heiß; diese Situation ist mir so unangenehm und peinlich…
 

„Gut. Dann kommen wir später wieder. Ich nehme an, meine Töchter sind beim Praktikum?“, spricht er kühler als kühl.
 

„Ja, Julia und Klara sind auch weg“, sage ich schnell.
 

„Wir werden uns jetzt die Stadt ansehen und uns später noch mal hier melden. Und dann holen wir sie ab. Bitte sagen Sie unseren Töchtern nichts, falls Sie sie früher sehen sollten. Das ist ein Überraschungsbesuch“, erklärt er mir. „Auf Wiedersehen, Herr Sadritzki.“
 

Und dann steigen sie schon die Treppen hinunter. Sie begutachten den ihnen entgegenkommenden Mann, der heute ebenfalls pink trägt, mit einem abschätzenden Blick.
 

RAPHAEL!
 

„Hey, Roman! Schickes Höschen!“, begrüßt er mich und ich zerre ihn an seinem Hemd in die Wohnung und knalle die Tür zu.
 

„Wir sind so tot!!!“, schreie ich ihn an und alles scheint aus seinem Gesicht zu fallen.
 

„W-Was?!“, hakt er nach und schüttelt den Kopf. Ich antworte ihm nicht, sondern renne umgehend ins Schlafzimmer. Jannik ist bereits wach, sitzt an der Bettkante und starrt mich fragend an. „Roman?“, hakt er nach einer Weile nach, in der ich ihn wortlos ansehe.
 

„Deine Eltern!“, rufe ich aus und er springt sofort auf.
 

„Was?“, ruft er aus. Und ich kann nicht antworten. Er tritt auf mich zu und packt mich an meinen Schultern, so als wolle er mich schütteln. „Was, Roman? Antworte mir!“ Erst jetzt wird mir bewusst, dass mein Freund denkt, dass ihnen etwas zugestoßen ist. Dieser Morgen ist fatal.
 

„Nichts, also, es geht ihnen gut“, erkläre ich sofort und Jannik lässt seinen Atem langgezogen aus, lässt ab von mir, schüttelt den Kopf. Dann blickt er mich an. „Was denn nun? Hattest du einen Albtraum, oder was?“
 

„Einen richtig krassen!“, entgegne ich sofort. „Sie waren eben an der Tür...“
 

Jannik lacht und küsst mich auf die Stirn. „Ist ja gut“, sagt er.
 

„Nein“, werfe ich ein und rücke ein wenig ab. „Die waren wirklich da!“
 

Mein Freund runzelt die Stirn. „Das ist irgendwie nicht so ein witziger Scherz...“
 

„Janniiiik, die waren wirklich da! Die standen vor der Tür und wollten dich sehen und... Oh Gott, sieh mich doch nur an! Pink!“, jammere ich und werfe die Hände fast schon theatralisch in die Luft. „Scheiße, die hassen mich jetzt schon! Die meinten es sei ein Überraschungsbesuch, die wollen glaub ich Klara und Julia-“
 

Das Klingeln von Janniks Handy hakt mir den Satz ab. Er springt regelrecht zur Kommode und starrt das Display ungläubig an. Mittlerweile steht auch Raphael im Türrahmen und beobachtet die Sitcom-artige Episode in unserem Schlafzimmer. Unsere Blicke ruhen auf Jannik. Dieser drückt nun auf den kleinen grünen Knopf seines mobilen Gerätes und nimmt das Gespräch an.
 

„Hallo Papa...“, sagt er matt ins Telefon mit weiten Augen und sieht mich mit diesem verdammt-du-hattest-ja-recht-Blick an. „Ja... Nein... Ich, äh. Ich bin an der Uni. Nein, das geht nicht. Ich habe gleich eine Vorlesung. Also. So. In vier Stunden. Ja. Gut. Bis- Bis dann. Ja. OK. Tschüß.“
 

Er lässt sich auf dem Bett nieder.
 

„Scheiße, scheiße, scheiße!“, murmle ich und weiß nicht, was ich tun oder sonstigen sagen soll.
 

„Beruhige dich, Häschen“, sagt Raphael sanft und legt seinen Arm um mich. „Wissen sie es?“, fragt er Jannik dann.
 

„Ich... Ich glaube nicht. Eben am Telefon hat mein Vater sich ganz schön normal angehört“ gibt er zurück, lässt sich wieder aufs Bett nieder und guckt mich dann mit diesem noch immer verwirrten Blick an. Ich gehe bestimmt auf ihn zu und setze mich neben ihn. Sofort ergreift er meine Hand und drückt sie ganz fest. „Ich glaube nicht, dass Klara es ihnen gesagt hat, oder sie gerufen hat“, verkündet er dann noch mal, um mich zu beruhigen. Auch wenn ich es eigentlich sein sollte, der ihn beruhigt.
 

„Schnuckels, wir müssen Klara und Julia anrufen und sie warnen!“, mischt Raphael sich wieder ein. „Vor allem müssen wir Klaras Sachen herschaffen. Und zwar schnell!“
 

Jannik und ich greifen beinahe gleichzeitig nach unseren Handys.
 

„Ich Klara, du Julia!“, sage ich und wähle bereits die Nummer. Natürlich erreiche ich lediglich die Mailbox. Als sich diese Tatsache nach drei Malen noch immer nicht geändert hat, spreche letztendlich eine völlig überdrehte und panische Nachricht aufs Band. Jannik hat nicht viel mehr Glück als ich und spricht Julia ebenfalls eine Mitteilung auf die Box. Wir blicken uns etwas ratlos an.
 

„Ruft bei der Firma direkt an! Die haben doch sicherlich den Namen des Chefs genannt, bei dem die da rumkuschen!“, befiehlt Raphael und Jannik nickt eifrig und sucht die Nummern im Netz. „Und du, zieh dir endlich etwas an...“, bemerkt Raphael sichtlich amüsiert und starrt auf meine bereits zu oft erwähnte Boxershorts...
 

Ich trotte ins Bad und dusche so schnell, wie ich es noch nie getan habe. Das ist wahrlich mein persönlicher Rekord.
 

„Habt ihr sie erreicht?“, frage ich, als ich die beiden im Wohnzimmer vorfinde. Jannik schüttelt den Kopf.
 

„Klara ist grad in irgendeiner Besprechung mit und Julia erledigt irgendeinen Botengang, oder sowas, aber die nette Dame am anderen Ende hat uns versprochen, den beiden umgehend Bescheid zu geben, damit sie uns zurückrufen können“, erklärt Raphael mir.
 

„Wir müssen hier aufräumen. Und... Ein wenig umräumen“, sagt Jannik nun und blickt mich entschuldigend an. Irgendwie kommen gerade wieder Erinnerungen an unser Umräumen von vor vier Wochen hoch, dieses mich erdrückende Gefühl, diese Kälte... Ich merke gar nicht, wie mein Freund vom Sofa rückt und auf mich zukommt. Er drückt mir einen sanften Kuss auf die Wange und ich reiße mich zusammen und grinse ihn an.
 

„An die Arbeit!“, bestimme ich also. „Wir räumen jetzt aber nicht wieder alle Möbel um, oder?!“, frage ich dann doch aber.
 

„Nein, dazu ist keine Zeit. Meine Eltern müssen die Räumlichkeiten nicht begutachten“, antwortet Jannik. „Wir sagen einfach, dass das Arbeitszimmer meins ist, das wird schon klargehen. Da du ja nur mein „Mitbewohner“ bist, muss sie dein Zimmer auch nichts angehen.“
 

Ich schlucke bei dieser Aussage.

Auch wenn ich weiß, dass ich mich nun zusammenreißen muss und meinen dämlichen Gefühlen keinen Vortritt lassen sollte, aber ich kann nichts dagegen tun. Sie überschwemmen mich einfach wieder. Ich fühle mich erneut geleugnet, irgendwie versteckt.
 

Ich seufze.
 

„Ja, Roman, ich weiß!“, zischt Jannik etwas genervt und geht an mir vorbei. Ich will etwas entgegnen, doch Raphael legt seine Hand auf meine Schulter.
 

„Jetzt nicht, OK?“, sagt er leise, doch mit ernster Stimme und ich weiß ja auch eigentlich, dass er recht hat. Während Jannik in den Keller geht, um einige Kartons für die ganzen Kleinigkeiten zu holen, spricht Raphael kurz mit mir. „Zwing ihn jetzt nicht, das seinen Eltern zu sagen. Nicht nach diesem schrecklichen Erlebnis mit seiner Schwester. Du weißt, dass ich nicht viel von dem Versteckspiel halte, aber in dieser Situation solltest du, finde ich jedenfalls, dich wirklich zurückhalten. Ihr habt Zeit, es seinen Eltern noch irgendwann zu sagen, OK?“
 

Ich nicke leicht. „Ich weiß. Ich weiß ja, dass du recht hast und ich halte jetzt meine Klappe.“
 

Das Telefon klingelt und ich stolpere beinahe über meine eigenen Füße, als ich auf der Gerät zu renne. „Hallo?“, krächze ich in den Hörer. Es ist Julia, die da zu mir spricht.
 

„Hey, was ist denn?“ fragt sie.
 

„Hast du deine Mailbox noch nicht abgehört, oder was?!“, fahre ich sie etwas heftiger als geplant an. Sie räuspert sich.
 

„Nein, habe ich nicht“, antwortet sie dann bestimmt.
 

„Deine Eltern sind hier! Beziehungsweise waren sie das! Die wollen dich und Klara abholen, als Überraschung!“, kläre ich sie laut auf. Sie ist zunächst still. Ich zähle bis drei in meinem Kopf. Und dann japst sie benommen: „Ach, du scheiße! Aber... Klara?“
 

Jannik stürmt ins Zimmer und greift nach dem Hörer.
 

„Nein, wir glauben nicht, dass Klara ihnen etwas gesagt hat. Wir müssen Klaras Sachen aus der Herberge holen, ist die in der Nähe?“, spricht er zu seiner Schwester. „Sag ihr, sie soll mich sofort anrufen, OK? Ja, bis dann.“ Er legt auf und guckt mich etwas besorgt an.
 

„Das wird schon“, spricht Raphael uns Mut zu. „Wie kann ich helfen?“
 

Wir fangen an, erneut unsere ganzen Bilder abzunehmen und all die kleinen Sachen, die uns verraten könnten, da klingelt das Telefon erneut. Es ist wieder Jannik, der den Anruf entgegen nimmt. „Hi! Endlich!“, ruft er erleichtert aus und erklärt nun scheinbar Klara, was Sache ist. Er nickt, sagt noch schnell „Bis gleich“ und schon wirbelt er wieder herum. „Ich fahr jetzt los und treffe mich mit Klara an der Herberge, damit wir ihre Sachen rausschaffen können“, erklärt er leicht außer Atem gekommen.
 

„Ich komme mit!“, bestimmt Raphael. Und so geschieht es auch. Ich bleibe allein zurück und trage die Kartons in den Keller. Und ja, unser aller erstes, gemeinsames Foto befindet sich erneut unter den „indizierten“ Gegenständen. Aber: Ich rege mich nicht auf. Heute fahren alle wieder nach Hause und Jannik und ich werden unsere Ruhe haben. In unserer Wohnung. Und dann ist es auch egal, ob ich hässliche Unterwäsche trage, oder wir nackt in unserem Flur knutschen. Wir könnten auch Sex auf dem Küchentisch haben und es würde niemanden interessieren.
 

Hm. Ich muss zugeben, diese Vorstellung hat was.
 

Während ich also an Geschlechtsverkehr mit Jannik denke (in all möglichen Variationen und an den verschiedensten Orten), räume ich die Bude auf. Ich staubsauge, wische, lege alles zurecht. Ich putze die Küche, lüfte, ordne sogar die Schuhe. Es vergeht eine weitere Stunde. Raphael und Jannik kehren heim, Klaras Koffer im Schlepptau.
 

„Meine Schwestern kommen auch gleich, die dürfen heute früher gehen. Ist ja ihr letzter Tag und ich glaube die haben Wind bekommen, dass hier ne leichte Aufruhr stattfindet“, erklärt Jannik und fährt mit seiner Hand leicht durch mein Haar, während er an mir vorbeigeht.
 

„Und ich denke, ich sollte so langsam verschwinden“, verkündet Raphael und hebt seine Hand, um uns quasi zuzuwinken. „Ich hab die Sachen auf Julias Bett deponiert. Meldet euch, OK?“
 

Wir nicken und die Tür fällt ins Schloss. Jannik läuft etwas nervös im Wohnzimmer auf und ab. „Haben wir noch Kaffee?“, fragt er mich.
 

„Ja.“
 

„Den Guten?“
 

„Ja.“
 

„Haben wir Kekse oder so etwas?“
 

„Äh, ich glaube nicht.“
 

„Holst du welche?“
 

„OK.“
 

Und so mache ich mich auf den Weg zur Konditorei und hole tatsächlich Kuchen, aus dem Supermarkt noch eine Keksmischung, Schokolade, Weingummis und Tee. Als ich zurückkomme, sind Klara und Julia bereits da. Zu dritt sitzen die Geschwister am Wohnzimmertisch und blicken auf, als ich mit den Tüten nach Hause komme. Julia steht sofort auf und kommt mit mir in die Küche. Zusammen packen wir die Leckereien auf kleine Teller, tragen das Kaffeeservice ins Wohnzimmer. Klara und Jannik helfen beim Tischdecken.
 

„Ich setze mal Kaffee auf“, bietet Julia sich an und verschwindet schon wieder in der Küche.
 

Irgendwie herrscht eine beklemmende Stimmung. Klara ist völlig blass, man kann ihr ansehen, dass sie sich alles andere als wohl fühlt. Eigentlich erscheint es so, als würde sie am liebsten sofort wegrennen. Plötzlich klingelt es an der Tür. Ich schrecke auf.
 

„Ist bestimmt erst Thomas“, erklärt Klara mir leise und erhebt sich. Und tatsächlich, sie kommt mit einem hochgewachsenen jungen Mann mit ziemlich breiten Schultern ins Wohnzimmer, der uns etwas unsicher anlächelt. „Hallo, ich bin Thomas!“, verkündet der Blonde mit tiefer Stimme
 

Die seltsame Begrüßungsrunde nimmt ihren Lauf und ich muss benommen feststellen, dass Thomas so absolut gar nicht zu Klara passt. Sie wirkt so zierlich neben ihm, so zerbrechlich. „Die Schöne und das Biest“, fällt mir ein. Die Prinzessin und der Dorftrottel. Aber natürlich sage ich nichts, sondern lächele ihren Freund freundlich an. Sein Händedruck ist schwer, tut sogar ein wenig weh, es scheint, als müsse da jemand unbedingt seine Männlichkeit beweisen. Dennoch bin ich mir gar nicht sicher, ob Thomas ein wirkliches Problem damit hat, dass der Bruder seiner Freundin schwul ist. Er wirkt sehr natürlich und das unsichere Lächeln ist schon längst verschwunden. Er lässt sich neben Klara im Sofa nieder und Jannik und ich ziehen jetzt noch die beiden Sessel und zwei Klappstühle hinzu.
 

Julia gesellt sich wieder zu uns und dann warten wir.
 

„Und, äh“, räuspert sich Thomas nach einer Weile der beklemmenden Stille und blickt Jannik und mich an. „Ihr seid... So richtig ein Paar?“, fragt er und ich schnaube beinah.
 

„Ja, das sind wir“, antworte ich dann bestimmt und lächele ihn etwas kälter an.
 

„Ah. Cool“, sagt Thomas und nickt etwas in Gedanken verloren. Vielleicht aber auch nur, weil er nicht weiß, was zu sagen ist. „Ihr seht gar nicht schwul aus.“
 

Innerlich verdrehe ich die Augen, Jannik seufzt und lächelt matt. Und Julia grinst dämlich. „Wie sollen Schwule denn deiner Meinung nach aussehen?“, neckt sie den Freund ihrer Schwester.
 

„Naja, äh“, setzt er an und kratzt sich verlegen im Kopf, vermutlich nach Worten suchend. „So... schwul halt“.
 

„Aha“, sage ich und stopfe mir den Mund mit Weingummi voll, damit ich bloß keinen dämlichen Kommentar von mir geben kann. Jannik rutscht nämlich schon ein kleines bisschen unwohl auf seinem Stuhl herum und weiß nicht so genau, wohin er blicken soll. Irgendwie niedlich. Irgendwie ist das aber auch alles ein bisschen scheiße.
 

Klara starrt benommen zu Boden und ich würde jetzt am liebsten etwas zu ihr sagen. Allerdings weiß ich, dass dies auch keine so gute Idee wäre. Sie fühlt sich in unserer Gegenwart noch immer nicht wohl. Aber was sollte ich auch schon nur nach nur so wenig Zeit verlangen? Wir schweigen einige Minuten und gerade als Julia irgendetwas sagen will, wahrscheinlich einfach nur, um die Stille zu brechen, klingelt es an der Tür.
 

Mir wird regelrecht schlecht, als wir uns alle beinahe gleichzeitig erheben, wie in der Kirche, und uns zunächst etwas unsicher mustern. Es ist Jannik, der letztendlich Luft holt und das Wohnzimmer verlässt. Man kann die Begrüßungen deutlich hören, seine Mutter scheint wahrlich erfreut zu sein, ihren Sohnemann zu sehen und ich freue mich, dass dieser Besuch vielleicht doch etwas Positives haben könnte.
 

Und dann steckt Frau Winter bereits ihren Kopf ins Wohnzimmer hinein. „Überraschung!“, ruft sie aus und Julia und Klara brauchen erst einige Sekunden, um sich daran zu erinnern, dass sie ja eigentlich nichts von diesem Besuch wissen – was bei diesem gedeckten Tisch aber auch irgendwie dämlich ist. „MAMA!“, ruft Julia dann völlig überheblich aus und bevor dieser seltsame Gesichtsausdruck ins Gesicht ihrer Mutter wandern kann, fällt Julia ihr bereits um den Hals. „Mama, wie geht’s dir denn? Was macht ihr denn hier? Wir wollten doch den Zug nehmen!“
 

Frau Winter lacht. „Ihr wart so schön fleißig, da habt ihr euch doch einen Chauffeur-Dienst verdient!“, verkündet sie und tritt bereits auf Klara zu. „Komm her, meine Hübsche! Hast du abgenommen?“, fragt sie und Klara lächelt matt, als sie sich umarmen. Währenddessen betritt auch Herr Winter den Raum und führt eine ziemlich ähnliche Prozedur durch. Thomas wird nur die Hand geschüttelt und er wird mit einem knappen „Hallo“, gegrüßt. Bei mir ist es ein „Herr Sadritzki.“
 

„Sie können mich auch Roman nennen“, biete ich direkt freundlich an, doch Janniks Vater starrt mich einfach nur mit seinen dunklen Augen ausdruckslos an. Janniks Mutter hingegen sagt: „Wir bevorzugen Herr Sadritzki, Herr Sadritzki.“ Ich schlucke und Julia verdreht genervt ihre Augen. Wir nehmen alle Platz, Jannik und ich auf den Klappstühlen, Julia auf einem der Sessel, neben ihr die unglückliche Klara auf dem Sofa, ihr Freund an ihrer Seite und dann das Ehepaar Winter, auf Sofa und Sessel verteilt.
 

„Das ist ja schon eine sehr kleine Wohnung“, bemerkt Janniks Mutter nach dem ersten Schluck Kaffee. „Mhm, der schmeckt sehr gut.“
 

„Die Wohnung ist groß genug für uns beide“, erklärt mein Freund matt. „Wir fühlen uns hier wohl.“
 

„Hm“, macht Janniks Mutter und isst etwas von Kuchen.
 

„Nun!“, hallt die laute Stimme des Vaters durchs Wohnzimmer und er lächelt endlich mal, als er seinen Blick zwischen seinen hübschen Töchtern wandern lässt. „Erzählt doch mal. Wie war es?“ Und es ist Klara, die nun, leider immer noch ziemlich emotionslos, Report abgibt. Nach einer Weile mischt sich Julia freudigerweise ein und bringt endlich etwas Gefühl in die Sache, Gelächter und Gegrinse.
 

„Steht BWL jetzt fest?“, fragt Janniks Vater dann Klara und sie nickt einfach nur. „Sehr gut! Sehr, sehr gut!“, pflichtet er dieser non-verbalen Aussage bei und scheint tatsächlich erfreut zu sein. „Und du?“, wendet er sich dann an Julia.
 

„Äh“, setzt diese grinsend ein. „Ich weiß es noch nicht, Papa.“
 

„Naja, du hast ja noch ein wenig Zeit. Vielleicht gehen wir je beide mal zur Studienberatung, hm?“, entgegnet er.
 

„Ja, das könnten wir machen.“
 

„Hast du denn schon über eine Universität nachgedacht?“, fragt Janniks Mutter Klara plötzlich, doch das Mädchen schüttelt den Kopf. „Mensch, Fräulein, was ist denn mit dir los?“, hakt ihre Mutter etwas besorgt nach. „Du sagst ja gar nichts!“
 

„Die Arbeit war halt hart“, erklärt sich Klara viel zu schnell.
 

„Aha“, macht ihr Mutter und wirft ihrem Mann einen Blick zu, den ich nicht zu deuten vermag.
 

„Deine Mutter und ich haben uns die Stadt angeguckt“, fährt der Vater fort. „Kein Wunder, dass du auch hierher wolltest“, wendet er sich an Jannik und lächelt leicht. „Klein aber fein, sage ich nur. Und so viele junge Leute überall in all den studentischen Cafés. Erinnert mich wirklich ein wenig an meine Studienzeit.... Ja... Ich wundere mich ja aber noch immer, warum du kein Mädchen mit nach Hause bringst. Nun denn“, wieder wendet er sich an Klara und mir ist bei seinen vorigen Worten speiübel geworden, doch ich versuche meine Gefühle zu unterdrücken. Mein Freund wirft mir einen kurzen entschuldigenden Blick zu und ich spreche mir selber zu, einfach durchzuhalten.
 

„Vielleicht möchtest du ja auch hierhin?“, fragt Janniks Vater seine älteste Tochter und ich erkenne, wie Klaras Augen sich in einem leichten Anfall von Panik anfangen zu weiten und sie nervös anfängt, mit ihren Finger zu spielen. „Das wäre doch witzig, Jannik kennt sich hier gut aus, er könnte dir bei der Wohnungssuche helfen und ansonsten hättest du ja auch erstmal einen Schlafplatz. Das scheint ja die vier Wochen gut geklappt zu haben.“
 

„Sie waren doch keine Plage, oder Jannik?“, hakt die Mutter scheinbar im Scherz nach und lächelt. Jannik schüttelt den Kopf und gluckst unsicher. „Nein, nein. Das hat alles... ganz wunderbar geklappt.“
 

„Auch dank Roman, schließlich hat der ja auch sein Zimmer mit Jannik extra geteilt“, wirft Julia sofort ein.
 

„Das war wirklich sehr nett, Herr Sadritzki“, sagt Frau Winter nun zu mir und lächelt mich etwas wärmer an als vorhin. „Natürlich haben wir Ihnen auch etwas mitgebracht“, erklärt sie und kramt wie auf Kommando in ihrer überdimensionalen Handtasche. Aus ihr zaubert sie nach einer guten Weile tatsächlich eine schön verpackte Flasche Wein hervor und reicht mir diese.
 

„Danke, das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen...“, gebe ich als Antwort und stelle die Flasche zunächst beiseite. Janniks Vater redet immer noch auf Klara ein.
 

„Du solltest dir das überlegen. Vielleicht will Jannik dann ja auch mit dir zusammenziehen. So eine Geschwister-WG kann eine sehr lustige Sache sein, ich habe auch jahrelang mit meinem Bruder zusammengewohnt“, fährt er fort. Seine weitere Argumentation kling für mich wie: Bla bla bla bla bla. Und scheinbar auch für Klara, denn nach einer Weile fährt sie ihren Vater laut an: „Das reicht! Können wir jetzt bitte über etwas anderes sprechen?!“
 

Sie ist scheinbar selbst über ihre etwas aggressivere Aussage erschrocken und entschuldigt sich umgehend bei ihrem Herrn Papa. Dieser kräuselt leicht die Lippen und schnalzt ganz leise mit seiner Zunge. „Du hast recht“, sagt er dann. „Darüber reden wir noch mal.“
 

Die kommende Viertelstunde wird mit belanglosem Smalltalk gefüllt, mit Erzählungen über Nachbarn oder Ex-Kollegen, die ich nicht kenne und wahrscheinlich auch niemals kennenlernen werde; mit Konversation über das Wetter und die Kleiderwahl von irgendwelchem Mittvierziger Hausfrauen aus dem fernen Ort.
 

„Wo ist denn hier das Bad?“, fragt Janniks Mutter und mein Freund erklärt es ihr. Gott sei Dank habe ich auch dieses geputzt, denke ich mir und versuche mich nun wieder auf die belanglose Konversation zu konzentrieren. Julia erzählt jetzt irgendwelchen Büroquatsch und unterhält ihren Vater ganz gut damit. Thomas hält währenddessen die gesamte Zeit Klaras Hand fest. Sie tut mir fast schon ein wenig leid, denn ihr scheint es wirklich nicht gut zu gehen. Vermutlich ist es die Präsenz ihrer Eltern, die sie nervös macht. Ich hoffe, dass sie schon sehr bald wieder fahren werden...
 

Als Janniks Mutter sich wieder zu uns gesellt, fällt mir ihr bleiches Gesicht zunächst gar nicht auf, doch dann erkenne ich, wie unsicher mein Freund sie ansieht und ich folge seinem Blick. Ich muss schlucken. Sie sieht aus, als wäre sie gerade einem Geist begegnet. Völlig durcheinander blickt sie den Tisch an. Und dann ihren Mann. Und danach ihre Töchter, letztendlich mustert sie Jannik. Und mich.
 

„Was ist denn das für ein grässliches Bild im Bad?“, fragt sie schließlich laut und ihre Augen bohren sich in die ihres Sohnes.
 

F

U

C

K

!
 

Ich wusste, dass ich etwas vergessen habe! Jetzt, gerade jetzt, viel zu spät, fällt es mir wieder ein. Mir fällt ein, dass ich noch unbedingt das wunderhübsche, schwarz-weiß Poster von der Badtür abnehmen wollte. Nach dem Wischen. Ich wollte alles wegbringen, meine Hände trocknen und dann noch einmal zurück ins Bad kehren, um das Poster von den sich küssenden Männern abnehmen. Hab ich aber nicht.

HABE ICH ABER NICHT!
 

Ich bin so schockiert, dass ich mich am Kaffee verschlucke und anfange zu husten, was eine wirklich unauffällige Tätigkeit in diesem Kontext darstellt. Janniks Mutter mustert mich mit einem bösen Blick und Jannik sagt gar nichts, sondern blickt seine Mama verständnislos und vielleicht etwas ängstlich an.
 

„Was für ein Bild, Hanne?“, hakt nun der Ehemann nach und sie dreht ihm sofort den Kopf zu.
 

„Ein perverses Poster von zwei Homosexuellen, die sich küssen!“, sagt sie patzig.
 

„Das ist meins!“, ruft Julia plötzlich aus und alle Blicke richten sich auf sie. „Scheiße, ich hab voll... Ach Mann, das ist meins. Das hab ich von ner Freundin bekommen und so aus Spaß halt hier mitgenommen und aufgehängt. Um... Äh. Um Jannik und Roman zu ärgern. Hat auch... geklappt“, plappert sie und lacht nervös und viel zu laut.
 

„Und das befindest du als lustig?“, fragt ihr Vater ungläubig und streng. „Julia... Geh ins Bad und nimm das grässliche Ding ab!“, befiehlt er und sie wirft mir noch einen schnellen Blick zu, bevor sie sich in die Richtung des Badezimmers bewegt. Als ich meinen Blick über die kleine Gesellschaft schweifen lasse, bleiben meine Augen kurz an Klara hängen; in ihren Augen kann ich pure Angst lesen, vermengt mit Verwirrung und Wut.
 

„Und das hast du ihr erlaubt?!“, richtet Herr Winter sich nun an seinen Sohn. Jannik schluckt.
 

„Es ist ja nur ein Poster“, sagt er dann ruhig und bedächtig. „Sie hatte ihren Spaß. Ist doch OK...“
 

„Also ich verstehe etwas anderes unter Spaß!“, sagt Janniks Mutter patzig. „Eklig ist das!“ Sie straft ihre wiederkehrende Tochter mit einem vernichtenden Blick. Ich kann förmlich erkennen, wie Julia ihre Wut zurückhält und sich auf die Zunge beißt, während sie sich wieder setzt. Auch ich muss meine Portion Rage wohl oder übel herunterschlucken und in eine unbeschreibbare Tiefe verbannen, meine Emotionen mit mentaler Kraft zurückdrängen.
 

Janniks Vater schüttelt den Kopf. „Sag jetzt bloß nicht, du findest so etwas wirklich toll“, sagt er und ich wünschte, jemand würde einfach das Thema ändern.
 

„Äh... Nein... Es war... Mann, es war nur Spaß, OK?“, gibt Julia patzig zurück und runzelt leicht verärgert die Stirn.
 

„Dann solltest du wirklich an deinem Humor arbeiten“, erklärt der Vater seelenruhig und nimmt sich noch ein Stückchen Torte. Mir ist immer noch schlecht, während ich ihn so beobachte. „Du hättest nicht die Männlichkeit deines Bruders und seines Mitbewohners untergraben sollen!“
 

„Wie bitte?!“, japst Julia und lacht sarkastisch. „Männlichkeit untergraben? Wie gehst du denn ab?!“
 

„Julia, wie redest du eigentlich mit deinem Vater?!“, mischt sich Frau Winter nun wieder ein.
 

„Hanne, lass das“, richtet sich ihr Ehemann umgehend an sie und nimmt dann erneut Julia ins Visier. „Es würde dir wirklich nicht schaden, mich mit mehr Respekt zu behandeln. Ich bin dein Vater.“
 

Julia holt Luft, schließt kurz die Augen, scheint ihre Wut davon zu atmen. „OK. Sorry“, sagt sie ruhig und blickt ihren Vater wieder an. „Könntest du es mir dennoch erklären, was du damit meintest?“
 

„Müssen wir denn jetzt eine Grundsatzdiskussion führen?“, mischt Jannik sich plötzlich mit brüchiger Stimme ein und rührt mit zittriger Hand in seinem zweiten Kaffee herum.
 

„Scheinbar möchte das deine Schwester“, gibt Herr Winter im ironischen Ton zurück. „Ich finde schon, dass schwule Männer alles andere als männlich sind, und wenn du deinem Gastgeber auch noch so ein Poster von zwei Memmen vor die Nase hältst, in so perverser Pose, dann ja, dann untergräbst du automatisch seine Männlichkeit symbolisch damit.“
 

Julia lacht bitter und ich muss mich arg zurückhalten, um nicht dasselbe zu tun. Es klappt nicht. Ich schnaube.
 

„Was, Herr Sadritzki?“, fährt Janniks Vater mich gefährlich an. Seine Augen sind beinahe schwarz. Er legt seine Gabel beiseite. „Sehen Sie das etwas auch anders?“
 

„In der Tat“, rutscht es mir raus, noch bevor ich nachdenken kann.
 

„Ach, wir interessant!“, gibt Janniks Vater lauter von sich. „Sind Sie vielleicht auch vom anderen Ufer?!“, fährt er mich sarkastisch an.
 

„Vater, es reicht!“, keift Jannik plötzlich. „Du blamierst mich vor meinem Mitbewohner! Sei doch wenigstens ein bisschen dankbar, dass Roman bei der gesamten Geschichte mitgespielt hat!“
 

„Das bin ich doch auch“, antwortet Herr Winter gelassen. „Ich denke, das habe ich auch mit der Flasche Wein beweisen können. Oder nicht, Herr Sadritzki?“, wendet er sich wieder an mich. Ich hole Luft.
 

„Ja, das haben Sie, Herr Winter“, antworte ich kühl.
 

„Siehst du“, richtet er sich erneut kurz an Jannik. „Ich darf doch wohl mit deinem Mitbewohner normal diskutieren, oder ist das hier verboten?“
 

„Das ist keine normale Diskussion!“, stößt Julia aus und verdreht die Augen, als ihre Mutter sie ermahnend anblickt. „Was? Stimmt doch!“
 

„Ist doch auch egal. Jeder hat halt ne Meinung, fertig“, sage ich nun bestimmend und nehme mir noch einen Keks, einfach um auf etwas herum zu kauen.
 

„Nur dass einige Meinungen begründet, die anderen unbegründet sind“, fügt Janniks Vater hinzu und lächelt mich überlegen an. Aus dem Augenwinkel bekomme ich Janniks ermahnenden Blick mit und halt mich mit all meiner Kraft zurück, trinke weiter Kaffee und gehe nicht auf diesen Kommentar ein. „Warum so ruhig, Herr Sadritzki?“, neckt er mich weiter.
 

„Papa, es reicht!“, ruft Julia erbost uns funkelt ihren Papa an.
 

„Wenn ich in deinem Zimmer jemals so ein Poster finden sollte, dann fliegst du im hohen Bogen raus!“, schnauzt er sie indessen an. „Bist du wieder mit irgendwelchen Bisexuellen befreundet, oder was?!“
 

„Mein Gott, ey!“, zischt Julia und schüttelt provokativ den Kopf. „Das geht dich gar nichts an!“
 

„Julia, hör auf dich mit Papa zu streiten!“, gibt Frau Winter nun ihren Senf erneut dazu. „Du blamierst uns vor Herr Sadritzki“, fügt sie zuckersüß hinzu und ich muss mich beinahe übergeben. Jannik fährt sich genervt durchs eigene Gesicht und atmet langgezogen aus.
 

„Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Sadritzki“, sagt der Vater meines Freundes plötzlich. „Für das unmögliche Benehmen meiner Tochter.“
 

„Julia hat sich nicht daneben benommen!“, rutscht es mir raus und ich würde mich am liebsten umgehend ohrfeigen.
 

„Man sieht noch, dass Sie sehr jung sind“, sagt er nur dazu.
 

„Was hat denn das damit zu tun?!“, fahre ich ihn an und werde von Janniks „Das reicht jetzt, Roman“, gestoppt. Ich beiße mir auf die Lippe und schaue ihn entschuldigend an.
 

„Hm, ich finde, du solltest dir das mit dem Hierherziehen wirklich noch einmal durch den Kopf gehen lassen, Klara“, wendet sich Herr Winter wieder an seine Tochter. „Vielleicht wäre es wirklich besser für Jannik mal was Neues auszuprobieren.“
 

„Ich fasse es nicht!“, keift Julia und stürzt sich in ein erneutes Wortgefecht mit ihrem Vater. Ich frage mich, ob es noch schlimmer kommen kann und Klara, die bis dato die schweigsamste war, beantwortet mir diese Frage.
 

„HALTET ENDLICH EURE KLAPPE!“, schreit sie, mit einer Stimme, die ich ihr nie zugetraut hätte. Sie ist bei diesem Ausruf aufgestanden, starrt uns alle von oben herab an. Ihr Gesicht ist geziert von Tränen, ihre Augen sind rot unterlaufen, sie atmet schwer.
 

„Klara, was ist denn los?“, fragt Frau Winter und starrt ihre Tochter verwirrt an. „Setzt dich wieder hin!“
 

„NEIN!“, schreit Klara. „Wir fahren. Jetzt! Ich halte das nicht mehr aus!“
 

„Klara!“, ermahnt ihr Vater sie zornig. „Was soll das?!“
 

„Setz dich wieder hin, du Idiotin!“, faucht Julia böse, doch ihr Gesichtsausdruck ist nervös.
 

Klara indessen weint immer heftiger. Sie dreht sich zu Jannik. Und ihre Miene wird bosartig, zugleich scheint sie zutiefst verletzt und völlig durcheinander zu sein. „Es tut mir leid…“, wimmert sie. „Ich schaffe das nicht…“
 

„Was schaffst du nicht?!“, mischt sich der Vater wieder ein. Doch bevor Klara ihm unter Tränen antworten kann, ist es Jannik der spricht.
 

„Ich bin schwul“, sagt er. Simpel, laut und bestimmend.
 

Klara bricht zusammen, lässt sich zurück aufs Sofa gleiten und heult. Janniks Vater ist sprachlos, starrt seinen eignen Sohn ausdruckslos an. Julia hält den Atem an, ich schlucke, und merke, wie Janniks Mutter sich gar nicht mehr bewegt, ihre Augen ruhen ebenfalls auf ihrem Sohn.
 

Und ich frage mich erneut: Kann es jetzt eigentlich noch schlimmer kommen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  G-Saite
2021-02-27T20:36:50+00:00 27.02.2021 21:36
Kann es noch schlimmer werden? Keine Ahnung, ich fand die Szene großartig. Dadurch ist für mich Klaras Figur glaubwürdiger geworden. Toll!
Von:  jyorie
2015-02-20T05:24:59+00:00 20.02.2015 06:24
Hallo (˘⌣˘)

*Arg* ich finde du hast es so hammer, hammer echt beschrieben, wie ein Vater sein kann, das es mir schon beim lesen „angst“ macht. Bei der Mutti stell ich mir irgendwie so ein „Snobb-gesicht“ vor, ich hätte sie eher so eingeschätzt wie die Töchter, das sie kuscht und sich halt gezwungernermaßen unterordnet, aber sie schlägt ja in genau die selbe Kerbe. Zumindest würde ich das vermuten, wie sie sich über das Poster im Bad ausgelassen hat. Wäre sie wie ihre Töchter, hätte sie sich sicher nicht so sehr abfällig darüber geäußert.

Du hast es gut hinbekommen, das streitgespräch und wie man einfach irgendwann keine Kraft mehr hat dem Vater zu wiedersprechen und einfach die Klappe hält, so wie Julia das gemacht hat. Was eine blöde Situation.

(Ich fand den Vorschlag von seinem Vater auch unmöglich, wie er Jannik dazu bringen wollte eine WG mit seiner Schwester aufzumachen, er plant, er hat ne Idee und alle müssen springen :( ...)

Liebe Grüße, Jyorie

Von: abgemeldet
2009-10-25T12:30:26+00:00 25.10.2009 13:30
so...Nun bin ich auch bei diesem Kapitel endlich wieder als Kommischreiberin tätig^^

Also, dein Kapi fängt ja schon gut an^^ Wieder so eine herrliche Peinlichkeit...Nein nein nein. Der arme Roman. Janniks Eltern sind aber auch zwei sehr ungesellige zeitgenossen. Wie Roman versucht sich noch irgendwie nett darstehen zu lassen und ihnenn die Hand reicht, die aber nicht ergriffen wird...Nicht schön, gar nicht schön. Ich finde aber auch, dass sich Janniks Eltern ganz schön anstellen. Ok, Roman steht da mit einer pinken Boxershorts vor ihnen, aber man kann ja dennoch ein Auge zudrücken. es steht ja nicht auf dem Ding drauf: "Hallo. ich bin schwul, bitte verachten sie mich!"
Aber dann kommt auch noch Raphael^^ Echt zu geil! Eine wirklich gelungene peinliche Situation^^

Naja, die Panik, die die ganze truppe dann bekommt ist auch herzallerliebst. Wenn ach verständlich. Wie sie alles in Bewegung setzten, das alles wieder so aussieht, als wenn sie hetero wären^^
Und dann vergessen sie doch etwas. Nur ein kleines Detail^^ Oh man. Aber ich find es gut, wie Julia die Situation zu retten versucht. Das Kaffeetrinken mit den Eltern ist eh schon heftig genug. Also, ich hätte mich dabei auch unwohl gefühlt. Und Janniks Eltern sind ja auch wirklich sehr streng und konservativ! Das ist echt heftig!

Und dann kommt Klara zu Worte! Oh man! Ich hätte sie erschlagen können!
Aber wie ruhig Jannik dann reagiert. wie sachlich er einfach nur sagt: "Ich bin schwul."
Das ist echt klasse^^
Und Romans Gedanken dann^^ Eigentlich sind Romans Gedanken durch weg die Brüller schlecht hin^^ Erst einmal das "F U C K"...Da hätt ich mich vor achen ja fast nassgemacht udn dann der letzte Gedanke: "Kann es jetzt eigentlich noch schlimmer kommen?"
Das sind echt die geilsten Gedanken^^ Aber auch ich frage mich gerade, was da jetzt bei rumkommt, nachdem Jannik seinen Eltern dies offen gelegt hat. Also, ich befürchte ja das Schlimmste^^

Nichts desto trotz war es wieder ein super Kapitel! Gespickt mit vielen kleinen Peinlichkeiten und Humor. aber auch mit so vielen Stellen, an denen ich gerne Ohrfeigen vertreil hätte. ich glaube, die wären da immer reihum gegangen^^

Ich bin ja echt mal gespannt, was du uns im nächsten Kapitel präsentierst! ich ferue mich schon sehr darauf!

LG Loona
Von:  Leucan
2009-10-22T19:48:05+00:00 22.10.2009 21:48
Das frage ich micht jetzt auch, ob es noch schlimmer werden kann.
Hm...schwierig, schwierig, was jetzt passieren wird. *denk*
Nehme jetzt keine Vorstellungen davon sonder warte einfach mal auf das nächste Kapitel. *wartend dasitz* XD

LG KC
Von:  ReinaDoreen
2009-10-21T20:22:59+00:00 21.10.2009 22:22
ich glaub ja das Väter wahrscheinlich das größere Problem haben, wenn Söhne schwul sind, aber die Eltern übertreffen sich selbst, so viel Verbortheit und Intolleranz auf einen Haufen, kein Wunder das Klara so ist wie sie ist und das Julia dies Familie so lange ausgehalten hat ist bewundernswert. Das Jannick überhaupt damit klarkommt schwul zu sein, bei der Erziehung und den Vorurteilen, das ist ... ( ich kanns nicht in Worte fassen) So wie da in dem Elternhaus zugegangen ist, hätte auch Jannik auch ein psychisches Wrack werden können.
Und ja ich glaub es geht noch schlimmer.
Reni
Von:  evejean
2009-10-21T19:23:16+00:00 21.10.2009 21:23
ich bekomm erst mal nur ein WOW raus, du verbortheit der eltern und die panik von klara kann ich nicht. jetzt kann man echt gut verstehen warum jannik bisher seiner familie nix erzählt hat.
nen großen teller kekse reich, bitte bald weiterschreiben

lg eve
Von:  Tali
2009-10-21T17:25:15+00:00 21.10.2009 19:25
Ich habe extrem mit Roman mitgelitten! Ich hätte mir fast die Fingernägel abgekaut! xD~
Als es rauskam, dass er das Bild vergessen hat.. Oh~ Gott!!!! Ich fand es so lieb von Julia die Schuld auf sich zu nehmen. Respekt! Ich hätte es mich nicht getraut.
Und dann das Ende! Jetzt ist es raus und ich bin mächtig gespannt, wie es weiter geht!
Von: abgemeldet
2009-10-21T13:30:21+00:00 21.10.2009 15:30
Und weiter gehts =)

Ich schwafel mal erst garnicht groß drumherum sondern picke mir erstmal die Stellen raus die ich entweder sehr lustig fand oder aber einfach nur peinlich^^

>„Was machen Sie überhaupt hier?“, platzt es aus mir heraus und das ist jetzt das zweite Mal in ca. zwei Minuten, in denen ich mir wünsche, der Abgrund würde sich umgehend unter meinen Füßen auftun. Janniks Mutter schnaubt.
„Sie sind ja ein wirklich freundlicher, junger Mann…“, bemerkt sie kalt und leicht erzürnt.<
Das ist wieder so typisch Roman, impulsiv, ohne groß nachzudenken und dann zu der Erkenntnis zu gelangen das das gerade vielleicht nicht so klug war^^
Die Beschreibung der Mutter und wem sie ähnelt fand ich übrigens klasse. Jetzt kann man sie sich noch besser vorstellen (mich mal eben oute, AWZ schon mal geguckt hab, man kommt ja fast nicht um diese Sendungen herum^^)

>„Nichts, also, es geht ihnen gut“, erkläre ich sofort und Jannik lässt seinen Atem langgezogen aus, lässt ab von mir, schüttelt den Kopf. Dann blickt er mich an. „Was denn nun? Hattest du einen Albtraum, oder was?“
„Einen richtig krassen!“, entgegne ich sofort. „Sie waren eben an der Tür...“ <
Manchmal ist es ja schon eine Schande das Roman einfach nicht auf den Punkt kommt sondern immer erst ewig drumrum quatscht.^^ Aber man merkt ihm die Panik förmlich an und ich leide mit^^

>„Aha“, sage ich und stopfe mir den Mund mit Weingummi voll, damit ich bloß keinen dämlichen Kommentar von mir geben kann.<
Ohne Worte xDDD

Es sei mir verziehen, ich mags nicht andere zu korrigieren, aber da du letztes Mal so lieb danke gesagt hast, muss ich dich hierauf hinweisen
>Aber was sollte ich auch schon nur nach nur so wenig Zeit verlangen?<
Entweder ist da ein nur zuviel oder ich verste den Satz einfach nicht^^

Schlag mich ruhig wenns nervt... aber... naja...
>Vielleicht gehen wir je beide mal zur Studienberatung, hm?“<
Ohhhh, ich sollte das wirklich lassen =( Aber... je sollte wohl ja heissen, oder?
Oh Gott bitte verzeih mir diese Korrektur =(

>„Wo ist denn hier das Bad?“<
Diese simple Frage hat bei mir schon eine rote Lampe leuchten lassen, auch ohne weiter zu lesen. OMG!!!!

und da:
>
F

U

C

K

!
< konnte ich dann garnicht mehr anders als lauthals loslachen. Das war ja irgendwie klar das was vergessen wird^^ Peinlich peinlich *hust*

>„Wie bitte?!“, japst Julia und lacht sarkastisch. „Männlichkeit untergraben? Wie gehst du denn ab?!“<
Ich liebe sie.♥

Du hast das Kapitel also doch gesplittet he?
Schade schade, ich wüsste jetzt gern, also jetzt in diesem Moment, wie es weiter geht =)
Man, also die Eltern gehen garnicht. Wie kann man denn bloß so intolerant sein? Das sind so die typischen Leute die andere mit ihrer Denkweise und ihrem Verhalten in Schubalden stecken und ihnen das Gefühl vermitteln midertwertig zu sein.
Lächerlich.

Aber du hast das echt super geschrieben, ich hatte viel Spaß beim Lesen. Und selbst bei dieser ernsthaften Diskussion (dem Streit/der Unterhaltung) gab es noch Momente in denen ich lachen musste^^

Supi...

LG Rhiska




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