Zum Inhalt der Seite

Desteral Storys - Krieg auf Aira / Erzählungen

Zwischen den Zeilen....
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Dunkle Nacht

Es war eine Nacht wie jede andere, die in der kleinen Stadt Passion hereingebrochen war. Dennoch hatte man das Gefühl, als wäre diese Nacht tiefer als jede zuvor: Kein Geräusch war zu vernehmen, kein Zirpen der Grillen, keine Stimmen aus der Ferne, kein starker Windhauch, der um das Haus pustete. Leise schlich Tracy durch das große Bauernhaus, welches ihr Zuhause war, im wahrsten Sinn des Wortes. Es war so still, so unheimlich still.

Niemand in dem großen Haus war noch wach, was kein Wunder war, wenn sie auf die Uhr sah: Es war drei Uhr früh. Doch konnte die junge Katzenfrau kein Auge zu tun, wenn sie an die Ereignisse des Vortages dachte. Soviel war passiert, soviel in kurzer Zeit.

Sie bewegte sich auf eine weiße Tür zu, die einen leicht verschnörkelten Rahmen hatte, ansonsten war sie schlicht gehalten. Leicht drückte sie die Klinge herunter und ihr kam ein warmer, vertrauter Geruch entgegen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, wenn sie daran dachte, was in diesen Raum einst war und nun nicht mehr sein würde – Ihre Mutter Magret war tot. Sie hatte den Kampf gegen diese seltsame Krankheit, von der sie nach einer Geschäftsreise befallen worden war, verloren. Es fing mit leichten Schmerzen an, doch lähmten sie nach und nach ihren ganzen Körper, bis schließlich…

Tracy ging vorsichtig in das Zimmer: Das Bett war leer, war der leblose Körper doch schon heute Nachmittag Richtung Friedhof gebracht worden. „Die Beerdigung ist am Mittwoch.“, schoss es ihr in den Kopf, ehe sie diesen schüttelte und sich auf den kleinen Stuhl setzte, dem Magret sonst fürs Nähen benutzt hatte. Tracy ließ noch einmal ihren Blick durch das dunkle Zimmer schweifen, während die letzten Worte ihrer Mutter in ihr widerhallten, fast so, als wären sie immer noch in diesen Raum. „Pass auf deine Geschwister auf, dann wird alles gut.“.
 

Es wird alles gut? Tracy wusste zwar, dass sie sich um ihre elf Geschwister kümmern konnte, schließlich hatte sie darin Übung seit sie fünf Jahre alt war, doch fühlte sie sich in diesen Moment einfach nur zerfressen und leer: Magret hatte die jüngeren extra rausgeschickt, nur um Tracy diese Worte in stiller Zweisamkeit sagen zu können. Doch warum? Das kam der jungen Frau einfach nicht in den Sinn. Was hätte es für einen Unterschied gemacht, wenn ihre Geschwister ebenfalls diese Worte gehört hätten? Tracy wischte sich die Tränen mit den Ärmel ihres Hausanzuges ab: Wollte ihre Mutter etwa, dass ihre Adoptiv-Geschwister und Sunny sie nicht sterben sehen? Ein seltsamer letzter Wunsch wäre das gewesen. Doch die Antwort würde Tracy nie erfahren, das wusste sie. Sie seufzte tief, ihr Herz schien immerzu nach der Antwort zu verlangen und schrie ununterbrochen. Konnte sie etwa deshalb nicht schlafen?
 

Leise schlich sie durch das Haus und kam an das Zimmer ihrer Brüder von Oto und Ricci vorbei: Wie sie nun ins dunkle Zimmer blickte, fand sie die beiden zusammen in Otos Bett liegen. Sie konnte in Otos Gesicht noch immer die Tränen schimmern sehen, die er den ganzen Nachmittag über vergossen hatte: Ihr Tod hatte ihm sehr mitgenommen, doch schlief er nun friedlich in den Armen seines Bruders. Tracy lächelte leicht, denn ihr fiel ein, dass Ricci an sich der jüngere der beiden war. Darüber hinaus war ihr klar, dass der Fledermausjunge sich nicht mehr an seine Eltern erinnern konnte, anders als Oto, der sie im Alter von sechs Jahren verlor und zum Waisen wurde. Dieses traurige Gefühl musste er nun erneut durchleben. Zwar war er herangewachsen, doch hatte Tracy manchmal noch das Gefühl, einen kleinen weinerlichen Jungen vor sich stehen zu haben, anstatt einen Teenager, der eine Ausbildung zum Arzt begonnen hatte. Ricci hatte großes Glück, war er doch der erste Adoptivsohn der Familie Lily gewesen – Seine Flugunfähigkeit war in den hohen Gebirgen des Königreichs der Nacht mehr als unpraktisch, konnte er so doch kaum leben. „Magret hat ihm aufgenommen, da war Sunny gerade mal zwei Jahre alt.“ Die große Schwester musste schmunzeln – Die beiden waren seit jeher unzertrennlich gewesen, waren sie doch im gleichen Alter. Sehr zum Leid ihrer jungen Nerven, denn Ricci benahm sich manchmal etwas weiblicher als kleine Jungs es tun sollten. Und Sunny? Sie kam viel zu oft in einen mit Öl beschmierten Rüschenkleidchen nach Hause und übte vor ihrer Schwester den Knicks, wie es für eine Frau aus dem Hause Lily nun mal gehörte. Tracy gab sich die größte Mühe bei der Erziehung ihrer kleinen Geschwister, schließlich hatte Magret den ganzen Tag arbeiten müssen, um die Familie versorgen zu können.

Sie kletterte über all die kleinen Bauteile und Bücher hinweg – Ricci war fürchterlich zerstreut und auch ein bisschen unordentlich, das merkte man. Auch Otos Sachen flogen regelrecht durch das kleine Zimmer. Behutsam hob Tracy seinen Notizblock voller medizinischen Zeichnungen und Notizen, von dem sie kein Wort verstand, auf und legte ihm auf dem Tisch, der die beiden Betten trennte. Dann zog sie Riccis Bettdecke an sich und deckte die beiden vorsichtig zu. Leise schnaufte sie: Ricci war mit seiner Fliegerbrille auf dem Kopf eingeschlafen, doch sie ihm abzunehmen würde ihm wecken. Das würde ein wundervoller Abdruck auf seiner Stirn morgen geben.
 

Tracy stieg die Stufen hinauf, die in den 1. Stock führten: Das Haus war riesig, hatte es doch eine Küche, einen Essbereich, eine Stube und sieben Schlafzimmer, wenn man von den Bädern und den Dachboden einmal absah. Dennoch war es für zwölf Personen zu klein. Sie öffnete vorsichtig die bunt verzierte Tür, die sich nur wenige Schritte von der Treppe befand: Von innen erklang ruhige Musik. Sie steckte den Kopf durch die Tür, waren ihre Schwestern tatsächlich noch wach? Nein, dies war nicht der Fall, Chiga und Rain schliefen ruhig in ihren Betten. Vor Chigas Bett stand eine Näherpuppe, wie man sie von Schneidern kannte, die mit schwarzen Stofffetzen überzogen war. Leicht lächelnd schüttelte Tracy den Kopf: Ihre Schwester Chiga war schon immer etwas seltsam gewesen, nicht nur durch die Tatsache, dass sie von Kopf bis Fuß weiß wie Schnee war, fehlte ihr doch jegliche Pigmentierung. Es war auch ihr Traum, Kleidung zu designen und zu verkaufen – Und schon heute arbeitete sie an einen Trauerkleid, wenige Stunden nach Magrets Tod. Tracy wusste nicht, ob sie in diesem Moment wütend oder stolz auf ihre kleine Schwester sein sollte. Sie lehnte sich an den Türrahmen und schluckte tief: War ihr denn nichts heilig, um ihren Traum zu erfüllen? Sie ließ ihren Blick erneut zu Chiga schweifen und schüttelte anschließend den Kopf: Vielleicht war es ja ihre Art, so mit der Trauer umzugehen? „Sollte ich vielleicht auch ein bisschen singen…?“, kam ihr der Gedanke, doch fühlte sich ihr Hals trocken und die Stimme unglaublich leise an.

Tracy zuckte im nächsten Moment zusammen: „Mutter…“ – Rain sprach im Schlaf und drehte sich dabei um. Die große Schwester spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Das einzige nicht-tiermenschliche Kind der Familie Lily träumte wohl von den Ereignissen des Vortages. Am liebsten wäre Tracy zu ihr ans Bett gegangen und hätte sie geweckt, sie aus dem Traum herausgeholt, doch schien sie wie gelähmt, wusste sie doch nicht, ob sie damit die Situation nicht sogar verschlimmern würde. Stattdessen ging sie nur zwei Schritte und schaltete die Entspannungsmusik, die in einer Endlosschleife lief, aus. Sie sah Rain ins Gesicht, anscheinend hatte sie einen schönen Traum, denn ihr Ausdruck war ruhig und entspannt, nur ab und an zuckten ihre spitzen Elfenohren. Die große Schwester musste lächeln – Rain war gerade mal ein Jahr jünger als sie, doch sah sie schlafend stets so aus, als wäre sie immer noch das kleine Elfenkind, was eines Tages auf einer Blumenwiese auftauchte. „Ihre Eltern hatten sie einfach ‚vergessen’.“, seufzte Tracy leise, doch war sie froh, dass Rain zu ihrer bunten Familie gehörte. Sie war ihr eine große Hilfe und passte auf die anderen auf, wenn sie gerade außer Haus war. „Wer soll eigentlich für uns sorgen?“, kam es der Katzenfrau in den Sinn, doch schüttelte sie diesen schlimmen Gedanken ab: Sie sollte erstmal Schlaf finden und solche Gedanken hinderten sie nur daran. Sie verließ das Zimmer und schloss behutsam die Tür.
 

Langsam schlenderte Tracy durch den dunklen Gang: Tagsüber war dieser Flur das reinste Chaos und tausende von Geräuschen schienen ihm zu überfluten, doch nun war nichts von alledem zu spüren. Hätte sie nicht so gute Augen, so war sich Tracy sicher, hätte man keinen Schritt vor den anderen tun können, so dunkel war es. Sie fand sich in den Gedanken wieder, den sie in Chigas und Rains Zimmer versucht hatte, abzuschütteln: Wer sollte eigentlich nun für sie sorgen? Sie waren nun eine Bande von jungen Erwachsenen ohne Erwachsenen und das einzigste Erbe, das Haus mit den Nutztieren, war Tracy übertragen worden. Unbewusst schlug sie mit den Schweif: Sie wusste, dass sie es tun musste, sie musste für alle sorgen. Schließlich waren die anderen noch zu jung, um einen wirklichen Job auszuüben, der genug Geld nach Hause brachte. Doch warum hatte sie solche Angst davor? Hatte sie Angst, zu versagen und ihre Familie in Gefahr zu bringen? Ihr Gedankengang in immer steigender Panik wurde je durchbrochen, als jemand rief: „Mama!“ Sie sah hinab und legte die Hände an die Hüften. Dann sprach sie mit leiser Stimme: „S-Soa! Ich habe dir schon sooft gesagt, du sollst mich nicht so nennen!“ Der kleine Hundejunge fing an zu kichern, leise, als wüsste er, einen höheren Ton würden seine Brüder und Schwestern aufwecken. Er lief zu ihr und umarmte ihre Beine, denn höher kam der Acht-Jährige noch nicht: „Du regst dich aber so schön auf, wenn ich dich so nenne.“ Er sah zu ihr auf und lächelte sie an, doch bei ihren ernsten Ausdruck im Dunkeln verging ihm dieses schnell: „Ich…Es tut mir Leid, Tracy. Ich bin nur wieder aufgewacht…“ Tracy sah in seine großen Hundeaugen, die in der Dunkelheit leicht schimmerten: Seufzend beugte sie sich hinab und hob den kleinen Jungen hoch, sie konnte ihm einfach nicht böse sein. „Warum bist du denn wieder aufgewacht, mmm?“ „Ich habe etwas Komisches geträumt und bin aufgewacht und dann warst du nicht da.“ „…Oh.“ Der kleine Hundejunge drückte sich fest an ihre Schulter: „Ich habe Angst, was ist, wenn ich nicht mehr aufwache, so wie Mama?“ Tracy strich ihm durch das weiche, blonde Lockenhaar: „Das wird schon nicht passieren, mach dir keine Sorgen.“ Sie spürte, dass er anfing zu weinen und auch sie verkrampfte sich leicht – War das vielleicht der Grund, warum sie nicht schlafen konnte? Oder war es sogar die Angst, eines ihrer Geschwister könnte am nächsten Tag ebenfalls nicht mehr aufwachen? Es war ein vollkommen unbegründetes Gefühl, dennoch schien es sich durch jede Faser ihres Körpers zu ziehen. Sie drückte Soa sanft an sich: „Du brauchst absolut keine Angst haben, ich bin da, Soa.“ „O-Okay…“ Der kleine Junge schluchzte leicht: „Dann hab’ du aber auch keine Angst, ja?“ Stumm nickte Tracy: Sie bekam keinen Ton mehr heraus, mit einen Mal liefen ihr nur noch die Tränen über das Gesicht. Sie gab sich die größte Mühe, stark zu sein, doch manchmal schien das unmöglich. „Ma- Tracy, nicht weinen!“ Der kleine Junge gab ihr einen Kuss auf die Stirn: „Mama ist jetzt ein Engel, genau wie in meinen Buch!“
 

„J-Ja, das ist sie…“, gab sie lächelnd zu, ehe sie langsam zu ihrem Zimmer ging. Sie wusste nicht warum, aber Soa schaffte es immer wieder, sie zu beruhigen, mit seiner naiven Art.

Vorsichtig legte sie ihm in ihr Bett und deckte ihn zu. Dann gab sie ihm einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: „Ich singe jetzt noch mal etwas und dann wird geschlafen, ja? Du brauchst keine Angst haben, ich bin da und beschütze dich.“ Soa nickte kurz und kuschelte sich in das weiche Kissen seiner Schwester. Dann fing sie an zu singen, ganz leise, sodass nur er es hören konnte:
 

Oh, you can kiss me on a Monday

is very very good

Or you can kiss me on a Tuesday

in fact I wish you would

Or you can kiss me on a Wednesday a Thursday a

Friday and Saturday is best

But never ever on a Sunday

cause that's my day of rest
 

[…]
 

Als sie das Lied beendet hatte, war Soa wirklich kurz davor, ins Reich der Träume einzutreten. Leise murmelte er: „Warum singst du immer über Küsse…?“ Tracy lächelte und strich ihm sanft über die Stirn, dass seine Locken ihm nicht ins Gesicht fallen und beim Schlafen stören würden: „Weil mich vielleicht irgendwann ein Mann küssen wird, der mich sehr liebt.“ „Darf ich das sein…?“ Augenblicklich wurde die große Schwester etwas rot: Was für eine niedliche und zugleich unglaublich dumme Frage das war, war das doch sonst nicht Soas Art. Vielleicht lag es ja an den besonderen Umständen? Sie lächelte und flüsterte schnurrend: „Sicherlich, Brüderchen.“ Doch ob er es noch hörte, wusste sie nicht, denn der kleine Kerl war schon tief und fest eingeschlafen, mit einen feinen Lächeln auf den Lippen.

Sie war mehr als erleichtert, konnte sie ihren kleinsten Bruder doch so schnell beruhigen. Sie strich die Decke glatt und erhob sich leise; Ehe sie sich zu Soa legen würde, wollte sie noch bei ihren üblichen Geschwistern nach dem rechten sehen. Vielleicht war ja noch wer aufgewacht und konnte nicht schlafen?
 

Sie verließ ihr Zimmer und öffnete vorsichtig die Tür genau gegenüber: Es war das Zimmer ihrer Brüder Kiba und Anton. Sie wagte einen Blick hinein und seufzte. Das Chaos, was sie bei Ricci und Oto vorfand, war nichts im Vergleich zu dem, was im Zimmer des Wolfes und des Schafes ununterbrochen vorherrschte: Überall lagen Spielzeugwaffen, selbstgebaute Flieger, schmutzige Wäsche und Essenreste herum. Zettel, auf denen mit einer Sauklaue etwas geschrieben war, waren zerrissen oder verschmiert und waren überall im Raum verteilt. Alles schimmerte in diesen Augenblick, lag es doch unter einer dicken Schicht aus Staub. Dass die beiden da noch etwas wiederfanden, war vor allen für die weibliche Lily-Seite immer wieder ein ungelöstes Rätsel.

Einziger Lichtblick war Antons Schreibbank: Diese war stets ordentlich aufgeräumt und sauber, kein Mensch wusste genau warum, doch schaffte es der ruhigere von den beiden dort stets eine kleine Oase der Ordnung zu schaffen. Die beiden konnten sich gut benehmen – wenn sie es denn wollten – und in jenen Augenblick schliefen sie brav in ihren Betten.

Für viele war es so, als wären die jungen Männer wie Zwillinge, doch vergaß man nie, dass sie eigentlich aus rivalisierten Königreichen stammen; Trotz des Parlamentes gab es stets Unstimmigkeiten zwischen den Königreichen, dessen Ursprung weit in der Zeit zurück lagen. Das war auch der Grund, weshalb Magret die beiden Jungen aufnahm, sollten die beiden doch ihre so innige Freundschaft aufgrund dieser Streitereien aufgeben. Tracy senkte den Kopf: Palooza war in vielen Dingen hochintelligent, doch gab es auch viele Dinge, die Außenstehende an das frühe Mittelalter erinnerten. Wenn sie an all die aufregenden Dinge dachte, von denen ihr Hauslehrer erzählt hatte, die es am anderen Ufer des Meeres gab…Doch wusste die junge Frau, dass das größte Land “Desteral“ auch ein gefährliches Land war, mit all seinen Wundern und Geheimnissen. „Ich bleibe lieber hier, bei meiner Familie.“, lächelte sie und schloss die Tür: Selbst bei all der Liebe zu Traditionen, die manchmal unerträglich altmodisch waren, war es für sie noch der schönste Fleck auf Aira.
 

Tracy wandte sich der Tür links von ihr zu: Sie gehörte zu dem Zimmer ihrer Brüder Phil und Jim. Wie sie vor dem Zimmer stand, seufzte sie, denn die Tür war einen Spalt lang offen und dies konnte nur eines bedeuten. Sie zwängte sich durch den Spalt und lehnte sich sogleich an der Wand. Sie erblickte ihren Bruder Phil, der in seinen Anzug auf dem Bett lag und schlief. Auf seiner Brust und um ihm herum lagen einige Zettel und Hefte: Hatte der Älteste Sohn der Familie Lily etwa probiert, zu lernen? Die große Schwester konnte daraufhin nur leicht schnaufen, erinnerte sie es an Chigas Verhalten. Zugegeben, der Fischmensch war sehr besonnen, er wusste, dass all die Tränen keinen Sinn hatten, obwohl er auch welche vergossen hatte. Doch es würde das Oberhaupt der Familie nicht zurückbringen. „Konnte er sich denn überhaupt konzentrieren?!“, war immer wieder die Frage, die in Tracys Kopf widerhallte, doch konnte sie sich keinen Reim darauf bilden. Wie schaffte es Phil nur, für seine Logistik-Prüfungen zu lernen? Sie schlich vorsichtig an seinem Bett vorbei und setzte sich auf Jims Bett – Denn Jim war nicht da, wie so oft hatte er sich des Nachts aus dem Haus geschlichen. Tracy konnte ihm das nicht verbieten, zwar hatte sie es versucht, den jungen Reptiljungen zu erziehen und ihm seine Grenzen aufzuweisen, doch führte dies nur immer wieder zu Konflikten und letzten Endes dazu, dass Jim sich aus dem Haus stahl und erst im Laufe des folgenden Tages zurückkehrte. Sie musste den Kopf schütteln: War es doch der Grund, weshalb Jim zu ihnen kam, weil er sie nie anpasste und von allen als schlechtes Vorbild gesehen wurde. Sie hatte tatsächlich geglaubt, mit ihrer Liebe ihn verändern zu können, doch gelang es ihr nicht und besonders in dieser Nacht resignierte sie es. Sie konnte ihn nicht ändern, auch wenn sie es so sehr wollte. War dies der Grund, weshalb das Verhältnis der beiden so kühl war?

Sie seufzte und fasste sich durch das Haar: Sie hatte das Gefühl, dass alles mit einen Mal aus den Ruder lief. Wie ein Sog, der plötzlich jede Ordnung in sich aufnahm und sogleich als etwas Neues, Fremdes wieder preisgab. Ihre Geschwister benahmen sich so anders und doch waren sie stets die Gleichen wie immer. Sie zeigten Gefühle für ihre verstorbene Mutter und sogleich schien es, als wäre ein Tag wie jeder andere vergangen. Tracy stand auf und ging, spielten ihr die Gedanken von vorhin wieder einem Streich.
 

Das letzte Zimmer ihrer Geschwister war das von Sunny und Alice. Vorsichtig, mit aller Sorgfalt drückte Tracy die Klinge der blau-rosa-roten Tür herunter, hatten ihre Geschwister doch die empfindlichsten Ohren von allen Familienmitgliedern. Wie sie nun im Zimmer war, fand sie ihre kleinste Schwester in den Armen eines jungen Mannes, ihres geliebten Freundes. Tracy musste einen Moment lang scharf nachdenken: Wie hieß er noch? Paul? Nein, Mario war sein Name. Er war der fünfte Freund der kleinen Hasendame, ein netter Kerl, auch wenn er nicht viel sprach, war er in diesen Moment an ihrer Seite. Er hielt sie schlafend in seinen Armen, ihren Kopf fest an seine Brust gedrückt. Unglaublich, was aus dem kleinen Hasenkind geworden war, war sie doch zu Beginn die Verlegenheit in Person: Hasenmenschen waren für ihre Kontaktfreudigkeit bekannt, so war Alice wie eine Wolke im immerblauen Himmel. „Ein weiterer Beweis dafür, wie leichtgläubig manche Tiermenschen sind.“, dachte Tracy, während sie die beiden Liebenden zudeckte; Schüchternheit war in ihren Augen nun wirklich kein Grund, ein kleines Mädchen zu verstoßen. Doch was sollte man machen? Alice war ein Spätzünder, doch gab sie sich nun in der Liebe vollkommen ihren Instinkten hin und verliebte sich immer wieder aufs Neue. Obwohl sie erst dreizehn Jahre alt war. „Hat Magret eigentlich ihr erklärt, wie das läuft…?“, kam es der Ältesten in den Sinn, ehe sie rot wurde: Sie hoffte es inständig, denn sie hatte von der Liebe, und allen was dazugehört, keine Ahnung. Sie musste wohl bald ein ernstes Gespräch mit ihr führen, auch wenn Alice schon mündig war.
 

Tracy drehte sich um und kniete sich vorsichtig nieder, um in das Gesicht ihrer einzigen leiblichen Schwester zu sehen: Sie hatte gerötete Augen vom vielen Weinen und atmete schwer. Sanft strich sie Sunny den Pony aus dem Gesicht und lächelte: Sie würde auf alle aufpassen, so war es Magrets letzter Wille. Doch würde sie besonders Acht auf Sunny geben, hatten sie doch eine Bindung, die nichts auf der Welt trennen konnte. Sie küsste sanft ihre Stirn, ehe sie ihre Augen zusammenkniff: Sie würde jetzt nicht weinen, schließlich ging es allen gut in dieser ewigdunklen Nacht. Allen ging es gut, außer ihr. Sie seufzte und senkte den Kopf: Sie konnte es nicht leugnen, sie hatte Angst – Angst am nächsten Tag jemand weiteres Liebes verloren zu haben. Doch größer war die Angst, selber am nächsten Tag nicht mehr zu sein und ihre Geschwister allein zu lassen – Wer würde dann für sie sorgen? Immer wieder schossen ihr die Gedanken dieser Nacht durch den Kopf und sie konnte weitere Tränen nicht zurückhalten: Das durfte nicht sein, eher würde sie ihr Seele an den Teufel verkaufen.

Schwer erhob Tracy sich und schleppte sich zurück in ihr Zimmer. Dort angekommen, ließ sie sich neben ihren kleinsten Bruder fallen und schluchzte noch einmal tief, ehe die Gedanken sie in die dunkle Nacht rissen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ireilas
2011-05-31T21:04:16+00:00 31.05.2011 23:04
Endlich komm ich zum Schreiben; das Kapitel war so lang, ich hab die erste Hälfte auf zwei mal gelesen |D

Ein wirklich trauriges Kapitel. Magret ist am nächsten Tag einfach nicht mehr aufgewacht? oò
Die vielen Geschwister und Zimmer sind toll; jeder Absatz für sich selbst ist eine Geschichte für sich selbst. :3 Soas Teil war am niedlichsten xD
Arme Tracy, so begann also die Zeit der ältesten Schwester als Aufpasserin all ihrer Geschwister.
Sehr gut geschrieben, ich konnte keine Rechtschreibfehler finden ^-^


Zurück