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The Mirror Of The Ancients

Miragia-Trilogie 2
von

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Meeting

Fünfter Januar.

Natürlich war der Brief früher eingetroffen. Die Postübertragung ging immer schneller vonstatten. In Gongaga fiel der Sprühregen wie jeden Tag im Winter ohne Unterlass.

Skylar stand direkt vor dem kleinen Friedhof, dem vereinbarten Treffpunkt, den Mantel eng um den fröstelnden Leib gezogen. Von seiner Nasenspitze tropfte das Regenwasser herab, als er den Kopf senkte und im trüben Licht der Abenddämmerung versuchte, die Inschriften auf den beiden Grabsteinen ganz vorn zu lesen ... sie waren innerhalb der acht Jahre gleichermaßen rasch verwittert und hatten Flechten angesetzt. Es handelte sich um die Grabmale von Clouds Freunden Zack und Sephiroth. Vor beiden lagen ein paar zerpflückte weiße Blüten, halb vom sich sammelnden Wasser bedeckt, als würden sie ertrinken.

Das war schon eine seltsame Sache mit den beiden, erinnerte sich Skylar. Vom Freund zum Feind und umgekehrt. Die weiße Taube, die aufgeplustert auf einem Zweig über den Grabsteinen saß und ihn beäugte, sah er nicht.

Skylar wandte sich ab und bemerkte nun die schmale, schemenhafte Gestalt, die sich aus nebliger Ferne rasch auf ihn zu bewegte. Um die Schultern war eine offenbar nicht sehr gut wärmende Jacke gezogen. Der Fremde hatte beide Hände in den Taschen vergraben und warf hin und wieder einen raschen Blick hinter sich.

Skylar wartete und sah ihm geduldig entgegen, während der Regen an ihm herunterrann. Die Dunkelheit legte sich allmählich wie ein Schleier über die kleine Stadt.

Der Mann mit der langen Jacke blieb endlich in einigen Metern Entfernung vor Skylar stehen und hob den Kopf. „Na also, da bist du ja. Diesmal hast du tatsächlich nicht getrödelt.“

„Für wie vertrottelt hältst du deinen alten Herrn eigentlich?“, fragte Skylar beinahe anklagend. Er machte einen Schritt vorwärts, legte beide Hände auf die Schultern seines Sohnes und betrachtete ihn. Das Gesicht war immer noch genau wie seins ... wie hätte es sich auch verändern sollen? Der einzige Unterschied war die einfach nicht vergehen wollende Jugend, die aus den Zügen sprach, die hellen glänzenden Augen und die Umrahmung aus widerspenstigem hellblonden Haar, die dem ganzen Gesicht einen sehr intelligent wirkenden Ausdruck verlieh. „Mein Gott, Cloud ... gehen die Jahre eigentlich links und rechts an dir vorbei?“

„Ich glaube schon“, antwortete Cloud. Dann zeigte sich in seiner ausdruckslosen Miene erstmals ein Lächeln. „Komm jetzt. Wir brauchen ja nicht hier im Regen zu stehen.“

Skylar versuchte, mit ihm Schritt zu halten, während das Wasser vom schlammigen Boden hochspritzte. „He, wie kommen wir überhaupt hin?“

„Was denkst du?“, antwortete sein Sohn, ohne sich umzudrehen. „Wir fliegen. Die AVALANCHE, wo ich arbeite, hat uns freundlicherweise ihren zuverlässigsten Piloten überlassen, um uns nach Nibelheim zu bringen.“

„Ach! Doch nicht etwa der, von dem ich gerade denke, dass er es als Einziger sein könnte?“

„Doch, vermutlich schon.“

Die Tiny Bronco, ein kleineres Aufklärungsflugzeug, verfügte zwar über die begehrte Tarnvorrichtung, aber in einer harmlosen Stadt wie Gongaga war es überflüssig, diese zu aktivieren. Die Maschine tauchte schließlich hinter dem Schleier aus Regen und Nebel auf, geduldig auf die Passagiere wartend, wie es schien. Trotz ihres eindrucksvollen Doppelleitwerks war sie weit weniger respekteinflößend als die monströse Highwind, Cids allerliebstes Stück.

„Da bin ich ja beruhigt, das ist ja nur ein kleines Teilchen“, kommentierte Goodsworth. „Wie kommt man da rein?“

„Hier lang.“ Cloud wartete, bis er den Weg gefunden hatte.

Der Pilot, namentlich Cid Highwind, hatte es wesentlich eiliger. „Je dunkler es wird, desto länger dauert’s“, erklärte er und ließ die Motoren an.

„Ich freue mich ebenso, dich zu sehen“, antwortete Skylar und nahm letztlich irgendwo Platz.

„Du bist ja ganz schön alt geworden.“

„Wie charmant von dir, das zu sagen.“

„Irgendetwas muss man schließlich feststellen, wenn man jemanden wiedertrifft, den man lange nicht gesehen hat“, erwiderte Cid und hielt die Zigarette zwischen zwei Fingern, die andere Hand wie ein Dach darüber, damit sie im Regen nicht ausging. „Es wäre wohl kaum passend gewesen, wenn ich etwas gesagt hätte wie: Junge, du bist aber groß geworden! Zeiten ändern sich.“ Die Tiny Bronco rollte vorwärts und hob sich im fast rechten Winkel vom Erdboden. „Was treibst du eigentlich die ganze Zeit?“

„Was schon? Ich bin Buchhalter. Ich bin in einer Firma tätig, die Bone Village, Midgar und andere Städte mit Baumaterialien und Maschinen versorgt.“

„Weiß ich, das hat Cloud mir alles längst erzählt.“

„Hm. Wie gut zu wissen.“

Cloud, der neben Skylar saß, schwieg und sah hinaus.

„Wie geht es Shera?“, fragte Skylar weiter.

„Tja ... sie arbeitet auch. Hm, seit ich bei AVALANCHE bin, sehen wir uns nur noch abends. Trotzdem verstehen wir uns zurzeit wirklich gut.“ Cid schob sich die Zigarette wieder zwischen die Lippen und flog eine Kurve. „Dauert nicht mehr lange, wir sind gleich da. Die anderen warten bestimmt schon alle.“

„Wo treffen wir uns eigentlich genau?“, wollte Skylar wissen.

„In Tifas Haus“, übernahm Cloud die Antwort. „Weil uns Vincents Villa so spät abends und bei so unschöner Witterung einfach zu .... ungemütlich ist.“

„Verständlich, wenn man euren anschaulichen Beschreibungen von der Inneneinrichtung Glauben schenken darf.“

Ruhig glitt das kleine Flugzeug auf den Luftströmungen dahin, mal durch gutes und mal durch schlechtes Wetter. An kaum einem Ort konnte man jedoch die Sterne sehen – die Wolken waren dafür zu massiv.

Schließlich waren weit unten der Nibelberg und die zahlreichen kleinen, gezackten Felsen zu sehen. Der Kurs senkte sich Richtung Boden.

Cloud warf einen Blick auf seine Uhr. „Wir sind noch pünktlich.“

Natürlich sind wir pünktlich, wenn ich euch fliege.“

„Danke sehr, dass du uns hergebracht hast.“

„Kein Problem.“

Sie kletterten der Reihe nach aus dem Flugzeug.

In Nibelheim regnete es zwar nicht, aber die geheimnisvolle Atmosphäre schien nie von dem kleinen Dorf weichen zu wollen. Es war so dunkel, dass man kaum die Erleuchtung hinter den Fenstern sehen und als Orientierungspunkte benutzen konnte.

Cid ging voraus, seine Schritte klangen dumpf auf dem Stein. „Dieses verdammte Dorf ist einfach unheimlich. Wird es hier immer so dunkel, dass man seine Hand nicht mehr vor Augen sieht?“

„Ja, wie überall“, antwortete Cloud, an zweiter Stelle, gleichmütig. „Nur sind andernorts Laternen angebracht.“ Vor einer Tür hielt er an. „Bleibt stehen, hier wohnt Tifa, wisst ihr das nicht?“

„Tagsüber weiß ich das schon“, ließ sich Cid vernehmen, von dem nicht mehr zu sehen war als das glühende Ende seiner Zigarette.

Cloud klopfte dreimal an und wartete.

Von innen näherten sich rasche Schritte. Dann wurde die Tür schwungvoll aufgerissen. Die drei sahen ins erleuchtete Innere der Wohnung – und auf Tifa, welche direkt vor ihnen stand. Sie trug eine feine rosafarbene Seidenbluse und hatte sich das lange dunkle Haar hochgesteckt. Folglich sah sie nicht mehr aus wie Tifa, .... sondern wie irgendjemand anderes. „Ihr seht alle drei ziemlich nass aus“, kommentierte sie. „Kommt rein.“ Sie ließ die Tür offen, ging aber schon wieder zurück zum Wohnzimmer. Sie rannte nicht ... nein, sie ging.

Cloud starrte etwas perplex hinterher.

Das soll Tifa sein?!“, stieß Cid endlich hervor. „Unser Wildfang? Habt ihr sie schon mal so gesehen?“

„Sie ist Geschäftsfrau“, sagte Cloud, um sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen, „Botschafterin. Sie muss sich, hm, stilvoll kleiden und benehmen. Na los, gehen wir rein.“

Sie schlossen die Tür hinter sich. Die freundliche helle Wärme und der eigentümlich harzige Geruch des Hauses empfingen sie, das Regenwasser sammelte sich inzwischen auf den Fliesen.

Cloud befreite sich von seiner durchnässten Jacke, hängte sie an einen Haken und ging ins Wohnzimmer, ohne auf die anderen beiden zu warten. Tifa stand in der Küche und summte ein Lied. So etwas wie Stress oder Hektik war ihr entweder fremd, oder sie versteckte es mit einer meisterhaft guten Technik.

„Was machst du denn da schon wieder?“, wollte Cloud wissen.

„Was ich mache? Jetzt sieh doch mal genau hin. Das sind Käsehäppchen. Hast du noch nie Käsehäppchen gesehen, Cloud?“

„Hast du denn jetzt Zeit für so etwas?“, fragte er. „Ich denke, jemand hat hier etwas höchst Spektakuläres zu erzählen, deshalb das Treffen! Du tust eher so, als würdest du eine Party vorbereiten!“

„Hm, ja, warum denn auch nicht? Ich habe nichts Spannendes zu sagen. Du aber schon, wie mir zu Ohren gekommen ist. Familiäre Angelegenheit, soso.“

Er schaute misstrauisch drein. „Wie kann sich so etwas denn wie ein Lauffeuer über die Distanz von Kontinenten verbreiten? Ist mir wirklich ein Rätsel. Schön, dann brauche ich ja sowieso kein Geheimnis daraus zu machen.“

„Nein, das brauchst du auch nicht“, flötete sie und steckte geschickt kleine Käsewürfel auf Zahnstocher. „Aber sag mal, warum hast du Aeris dann nicht gleich mitgebracht?“

„Naja, eigentlich wegen der .... Nebenwirkungen, wenn man das so nennen kann. Sie hat gesagt, dass sie nicht fliegen mag. Du weißt ja, wir wohnen jetzt in Kalm ... Ich glaube, sie weiß am besten, was gut für sie ist. Ich werde ihr den ganzen Abend dann bis ins kleinste Detail erzählen, dann wird sie zufrieden sein.“

„Ja ja, sicher, das wird sie.“ Noch ein Würfel – noch ein Zahnstocher. Weintraube drauf ...

„Wenn man mal fragen darf, wer hat eigentlich diese höchst suspekte Ankündigung vor?“

„Vincent“, antwortete Tifa. Zahnstocher, Käse, Traube.

„So, wirklich? Und ... wie geht es ihm derzeit?“

„Hm, davon kannst du dich ja nachher selber überzeugen. Ich gehe nur hin und wieder mal nach ihm sehen. Er kapselt sich immer so ab, weißt du ... trauert immer noch seiner Lukretia hinterher. Ich gehe ab und zu mal hin ... abends, wenn er schon auf ist. Er schläft ja tagsüber, total witzig. Setzt aus eigenem Antrieb aber keinen Fuß vor die Tür. Weißt du, Cloud, man muss ihm wirklich alles sagen. Habe ich dir schon die Geschichte erzählt, als ich einmal zu ihm rüberkam und es war so kalt, dass ich dachte, mir wächst ein Eiszapfen von der Nase? Die Heizung hat nicht funktioniert. Er hat es zwar bemerkt, wollte sie aber nicht wieder in Ordnung bringen und hat sich im zweiten Stock versteckt, weil Wärme ja bekanntlich nach oben steigt, und ich bin fast aus den Latschen gekippt vor Lachen, als er dann diese Erkältung bekommen hat ... ach ja, diese alte Kamelle hab’ ich dir schon mal per E-Mail zukommen lassen, glaube ich ... ist wirklich komisch. Naja. Hast du eigentlich Red schon gesehen?“

Cloud sah schnell hoch, da er merkte, dass sie ihren Redefluss im Ansatz einer Frage an ihn unterbrochen hatte. „Hm? Nein, habe ich nicht ... wo sind denn alle?“

„Oben.“ Tifa deutete mit der Nase zur Zimmerdecke, immer noch Käse auf Zahnstocher steckend. „Greif dir Skylar und Cid und geh hoch. Wenn ich hier fertig bin, komme ich auch.“

„Ah ja.“ Er warf den Käsehäppchen noch einen letzten skeptischen Blick zu, dann verließ er die Küche und fand Cid und Skylar ratlos herumstehend vor. „Kommt mit nach oben“, sagte Cloud. „Wir bekommen gleich zu hören, was hier eigentlich so Tolles los ist.“
 

Barret hielt Marlenes Handgelenk fest und zog sie hinter sich her durch die trübe Finsternis Nibelheims, auf Tifas Haus zusteuernd. „Jetzt hab dich doch nich’ so! Glaubste, die erkennen dich nich’?“

„Papa, das ist wirklich voll peinlich. Ich bin nicht mal richtig geschminkt, weil du mir keine Zeit gelassen hast!“

„Is’ wirklich nich’ meine Schuld, liebes Kind, wir haben nun mal keine Zeit.“

„Aber was sollen die anderen denn von mir denken? Mein Gott – ich kann sie bestimmt alle nicht mehr auseinander halten!“

„Wieso denn nich’? Cid is’ der mit der Zigarette, Cloud is’ der, an dem alles stachelig is’. Red is’ der, der aussieht wie ’ne Mischung aus Löwe, Tiger und Hund ....“

Sie verdrehte die Augen, was in der Dunkelheit nicht zu sehen war. „Trotzdem ist das Ganze doch total abgefuckt!“

„Das Ganze is’ was?“, hakte er nach.

„Ach, nichts. Papa, ich will wieder nach Hause. Ich kann doch ein Taxi nehmen.“

„Sei nich’ albern! Du kennst doch die anderen, zumindest Tifa!“

„Ich habe sie acht Jahre lang nicht zu Gesicht bekommen!“, zischte Marlene und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden. Dieser Versuch war nicht eben von Erfolg gekrönt.

Barret hielt sie fest und klopfte kräftig an die Tür. „Nich’ mal ’ne Klingel hat sie. Wird sich wohl nie ändern.“
 

Neben Tifas Klavier standen genau zwei Menschen, als Cloud die oberste Stufe erreichte. Beide glaubte er, nicht zu kennen. Das eine war eine junge Frau von ... tja, schätzungsweise vierundzwanzig Jahren, die ebenfalls in einer Bluse steckte, in welcher noch dazu ein Kugelschreiber an der Brusttasche hing. Das andere war ein Mann in einem grünen Pullover, der mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt dastand.

„Äh“, sagte Cloud und sah sich ratlos um ...

Als die junge Frau ihn bemerkte, erhellte sich ihr eher gelangweilter Gesichtsausdruck. „Cloud! Du bist ja da! Oh, ich freue mich, dich wieder zu sehen!“ Sie machte einen kindlichen Hüpfer und rannte zu ihm hin.

Da glaubte er, etwas Bekanntes an ihr zu entdecken. „Du bist doch nicht ... Yuffie ...?“

Sie grinste breit. „Wer soll ich denn sonst sein? Hast du mich etwa nicht erkannt?“

„Ich muss gestehen, dass das zuerst nicht der Fall war, nein ... du hast dich ziemlich verändert ...“

„Tja, tja, so ist das. Ich kann mich noch lebhaft erinnern, als ich euch noch als Substanzjägerin Yuffie um die Beine gerannt bin. Mann, was war ich früher kindisch! Ich hoffe, ihr nehmt mir das alles nicht mehr übel!“

„Ich denke, nach acht Jahren nicht mehr“, antwortete Cloud großzügig. Dann wanderte sein Blick zu ihrem Begleiter. „Wenn das hier Yuffie ist, dann musst du Reeve sein.“

„Das stimmt“, sagte der ehemalige Cait Sith und ließ die Wand los, um Cloud einmal wieder selbst die Hand zu schütteln. „Aber du siehst immer noch aus wie früher.“

„Das behaupten alle. Was macht ihr beiden eigentlich beruflich?“

„Ich betreibe Substanzimport und –export in Wutai“, sagte Yuffie, „und er ist mein Aufsichtsführender. Wirklich, einen besseren Job hätte ich nirgendwo bekommen können. Ich habe tagtäglich mit Substanz zu tun!“

„Auf die bist du wohl immer noch genauso wild wie früher.“

„Ja, das denke ich schon.“

Inzwischen erreichten auch Cid und Skylar das obere Stockwerk. „Hier seid ihr also alle.“

Cloud sah sich nach Nanaki um, den Tifa doch eigentlich auch erwähnt hatte, aber ihr vierbeiniger Freund schien gar nicht anwesend zu sein.

Im nächsten Moment verkündeten rasche Schritte auf der Holztreppe Tifas persönliches Erscheinen, und sie hielt ihr Tablett in der Hand. „Gott sei Dank, ihr Lieben, die Käsehäppchen sind noch fertig geworden! Das hier auf der anderen Seite ist übrigens etwas anderes, meine Eigenkreation ... ich nenne es Kleine Dinger Mit Schokolade. Probiert sie doch mal. Wenn ihr etwas zu trinken möchtet, husche ich rasch mal in den Keller und .... hm, Momentchen mal .... du, Cloud?“

„Was ist?“ Er konnte den Blick nicht von den Kleinen Dingern Mit Schokolade abwenden. Mit ihnen stimmte etwas nicht.

„Könntest du mal schnell rübergehen und Vincent holen? Ich bin fast sicher, dass er unseren Termin vergessen hat, wie auch alles andere. Zeit hat für ihn keine Bedeutung. Sag ihm, er soll sich gefälligst beeilen, ja?“

„Ist gut.“ Endlich konnte er den Blick losreißen. Hoffentlich kostete die Kreation niemand.

Auf dem Weg nach unten stieß er fast mit Barret zusammen, der eine sich windende Jugendliche mit zerzaustem dunklen Haar an der Hand festhielt. „Ist das etwa Marlene?“, fragte Cloud fassungslos, ohne ein Wort der Begrüßung zu verlieren.

„Ja, das isse, alter stacheliger Freund! Wo sind’n alle?“

„Oben.“

„Lass meine Hand los, Papa!“, zeterte Marlene und stolperte auf den Stufen hinterher. „Das ist wirklich voll peinlich, was du hier abziehst!“

„Nein, was du abziehst, is’ peinlich“, hörte Cloud noch Barrets Stimme im Treppenhaus widerhallen.

Vielleicht würde er selbst auch in ein paar Jahren mit so einem Problem zu kämpfen haben ... aber mit welchem speziell, das würde er erst in einigen Monaten erfahren. Er und Aeris waren sich darüber einig, dass sie sich überraschen lassen wollten, was es wurde.

Geistesabwesend hielt er im Flur an, nahm seine immer noch tropfende Jacke und machte sich noch einmal auf den Weg hinaus in die Dunkelheit, gerade hinüber zu Vincents Villa, welche düster und fast bedrohlich aus dem Nebel aufragte.
 

Eine einzige Aufforderung ist also nicht genug ... von mir aus, dann statten wir dem Guten eben mal einen kleinen Besuch ab.

Die Dielen, allesamt um einiges älter als Cloud, knarrten sofort unheilvoll, als er seinen Fuß darauf setzte. Seine Jacke war beinahe getrocknet ... aber das Haus ... es sah immer noch so furchterregend aus.

Wie vorteilhaft, dass Cloud inzwischen keine Furcht mehr kannte.

„Vincent? Vincent, bist du auf oder schläfst du? Ich bin’s, Cloud!“ Er ließ die Hände sinken und lauschte.

Keine Antwort. Irgendetwas im Dachgebälk ächzte und ein leises Kratzen war in einiger Entfernung zu hören – vielleicht weitere kleine Hausbewohner.

Was soll’s.

Er machte sich eben auf den Weg ins Nebenzimmer, um den Keller und damit auch Vincents Schlafzimmer aufzusuchen (Tifa hatte doch gesagt, er sei nachtaktiv – dann musste er doch längst wieder wach sein!), als er eben von dort wieder das kratzende Geräusch hörte. Cloud blieb vor der offenen Tür zur Kellertreppe stehen und griff aus einer alten Gewohnheit heraus zu seinem Rücken – aber nun befand sich dort kein Schwertheft. Wozu auch?

„Cloud?“

Er zuckte zusammen. War das Vincents Stimme? Sie klang vollkommen heiser.

„Was ... was ist denn?“

„Bleib da stehen, Cloud“, antwortete die Stimme von tief unten, wo sie hohl widerhallte. „Komm auf keinen Fall runter.“

„Bist du’s, Vincent?“, hakte Cloud vorsichtig nach.

„Ja. Warte.“ Seine Schritte auf den Holzstufen näherten sich von tief unten.

Cloud wich ein Stück vom Eingang zurück. Er sah zuerst den Schatten, dann die Silhouette von Vincents hagerer Gestalt, die vor ihm auf der Stufe stehen blieb.

„Gut, dass du hier bist, Cloud. Habe ich viel vom Treffen verpasst?“ Seine grellrotfunkelnden Augen richteten sich auf die von Cloud, wieder einmal so, dass man nichts in ihnen lesen konnte.

„Nein, eigentlich nicht“, antwortete Cloud und musterte ihn argwöhnisch.

Vincent hatte sich im Großen und Ganzen nicht verändert, war allerhöchstens ein wenig abgemagert. Sein abgewetzter roter Umhang lag immer noch um seine knochigen Schultern, als würde er ihn nicht einmal zum Schlafen abnehmen. Das strähnige schwarze Haar hatte stark an Glanz und Glätte verloren. Insgesamt fiel Cloud nur ein einziger Ausdruck ein, um Vincents Erscheinungsbild für diesen Moment zu beschreiben: mitgenommen.

„Ich muss euch unbedingt etwas zeigen, Cloud“, fuhr er jetzt fort. „Etwas, das ich im Keller gefunden habe. Es ist beunruhigend. Es ist sogar sehr beunruhigend, aber ihr solltet es euch selber ansehen. Es tut mir Leid, dass ich mich verspäte.“ Er hustete fast asthmatisch. „Komm, beeilen wir uns.“

Seine Klauen schlossen sich um Clouds Handgelenk und zogen diesen nachdrücklich von der Kellertür fort. Cloud folgte widerspruchslos. Was auch immer Vincent im Keller entdeckt hatte, er wollte, dass die anderen so rasch wie möglich davon erfuhren ...

Das schwere Tür schloss sich hinter ihnen, und beide eilten wieder hinaus in die Dunkelheit.



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