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The Mirror Of The Ancients

Miragia-Trilogie 2
von

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Epilog

Der Klassenraum war erfüllt von konzentriertem Gemurmel. Cloud wusste, dass er eine schwierige Aufgabe gestellt hatte, eine harte Nuss, die nur seine besten Schüler würden lösen können: Wie dehnt sich a aus, wenn d1 und d2 außer Acht gelassen werden, dafür aber m eine Unproportionalität zu 5a zugewiesen wird und P sich auf alle drei Realitätsebenen bezieht? Es war eine hundsgemeine Aufgabenstellung ...

Gemächlich schlenderte Cloud durch die Klasse, lauschte dem Kritzeln von Füllfederhaltern auf Karopapier und dem aufgeregten Getuschel zwischen den Sitzreihen. Hin und wieder warf er einen forschenden Blick über die Schulter eines Schülers, der daraufhin meistens inmitten eifrigen Schreibens Inne hielt, da er sich beobachtete fühlte, und erst fortfuhr, als Cloud weitergegangen war. Sein weinroter Umhang, am Saum zerfleddert wie eh und je, flatterte lautlos hinter ihm her.

Es war der sechzehnte Januar, sein erster Arbeitstag seit den jüngsten Ereignissen, für die AVALANCHE-Jugend der erste Schultag. Er war überrascht, wie gut seine Schüler all das verarbeitet hatten. Naja, schließlich hab’ ich sie ausgebildet. Kein Wunder, dass sie alle recht hart im Nehmen sind, was?

Er zog weiter seine Kreise, bis er neben Boris’ Platz zum Stehen kam. Was dieser sowieso sehr dreiste Junge da schon wieder trieb, sah verdächtig wenig nach Rechnen aus ... dazu wären nicht solche Mengen an Tinte nötig gewesen.

„Boris, was machst du da?“

Der Angesprochene fuhr auf wie eine losgelassene Sprungfeder, sich gar nicht gewahr darüber, dass Cloud hinter ihm angehalten hatte. Aber Boris hatte schneller seine Fassung wieder, als es einem Lehrer manchmal lieb war. „Ich male“, sagte er trotzig.

„Ah ja. Und was wird das?“

„Ein ... Kasper.“ Er zeigte Cloud das Papier, auf welchem mit Tinte der Kopf eines pausbäckigen Männleins gemalt war, das eine Narrenkappe trug.

„Na, das ist ein guter Start. Schließlich fangen ja die meisten großen Künstler zunächst mit Selbstportraits an.“

Die Klasse kicherte verhalten, einige glucksten.

Boris warf Cloud einen kurzen Blick zu, dann zog er seinen Kragen hoch und verdeckte sein Gesicht darunter.

„Und das wird jetzt wohl eine Tarnkappe?“, erkundigte sich Cloud, während die Umsitzenden sich über Boris’ albernes Aussehen amüsierten.

„Ja, für den nächsten Sturmangriff“, nuschelte Boris. „Außerdem will ich erreichen, dass Sie mein Gesicht nicht erkennen, damit Sie, wenn Sie vorne bei Ihrem Pult angekommen sind, nicht wissen, wen Sie ins Klassenbuch eintragen wollten.“

„Denkst du, dass ich das auf halbem Wege vergesse?“, fragte Cloud gespielt vorwurfsvoll und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf Boris’ Tisch. „Also, Mister Callaghan, Sie rechnen jetzt lieber weiter, nicht wahr, sonst droht Ihnen eine Disziplinarstrafe.“

„Verstanden, Sir!“ Boris salutierte und steckte tatsächlich das Kasper-Kunstwerk in die Tasche, um ein sauberes Blatt hervorzuholen.

Cloud nickte, erhob sich dann und sah die ausgestreckte Hand von Vicky Rave, die ihn mit einem Blick fixierte, der um Aufmerksamkeit geradezu bettelte. „Augenblick, meine Lieben. Vicky, was möchtest du sagen?“

„Ich finde“, begann sie in ihrem wenig intelligenten Tonfall, „dass wir über das sprechen sollten, das passiert ist. Also, was überhaupt passiert ist, wieso es passiert ist und was die Folgen davon sind.“

„Findet ihr, dass sie Recht hat?“, wandte sich Cloud an den Rest der Klasse, und einstimmiges Gemurmel erhob sich. „Na gut, wie ihr möchtet. Dann räumt jetzt euer Rechenzeug weg, wir lassen die Aufgabe noch an der Tafel.“ Er schritt durch den Gang nach vorn, damit alle ihn sehen konnten, und begann zögerlich seinen Bericht der ganzen Angelegenheit, bedacht darauf, sie kindgerecht zu vermitteln, ohne Einzelheiten auszulassen. Er benötigte die ganze Schulstunde und auch die Hälfte der folgenden, ehe er zu einem Ende fand. „... aber euer Auftritt“, schloss er mit an Kaine gerichteten Blick, „war definitiv einer der Höhepunkte des Tages, das muss man euch einfach lassen. Aus euch wird noch etwas, Leute, wenn ihr weiter daran arbeitet.“

„Was passiert denn jetzt mit dem Geheimkeller?“, rief Emma über die Tische. „Wird der freigeschaufelt?“

„Meines Wissens ist das bereits erledigt“, antwortete Cloud, „und die AVALANCHE wird bei Gelegenheit jeden Winkel davon unter die Lupe nehmen.“

Boris meldete sich spontan. „Gibt es Kommissar Taggert und die Mittellandjustiz noch? Was ist mit dem ERCOM-Typen passiert?“

„Die Mittellandjustiz“, antwortete Cloud, „gibt es noch, denn ohne sie wären wir schon irgendwo schlecht dran. Allerdings wurden eine Reihe Personen ihrer Ämter enthoben, darunter auch Kommissar Taggert, wie ihr euch denken könnt. Diese Posten werden neu besetzt werden, von fähigen Anwärtern, wie ich hoffe. Was Fawkes betrifft, ihm droht lediglich eine Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung, nachdem wir als Zeugen auftreten mussten um klarzustellen, dass nicht die ERCOM die Mittellandjustiz bestochen, sondern die Mittellandjustiz die ERCOM bedroht hatte. Allerdings wird die ERCOM sich nunmehr auf die ihr zugewiesenen Gebiete beschränken. Ihr seht also ... alles wendet sich letztlich wieder zum Guten. Halbwegs.“

„Wird man dann Reds Artgenossen aus den Reagenzgläsern klonen?“, wollte Jenny Flint wissen.

„Ich weiß es nicht. Wenn ich etwas Näheres erfahre, seid ihr die ersten, denen ich’s mitteile, okay?“

Damit waren seine Schüler zufrieden. Nach und nach holten sie alle ihre Geschichtsbücher für den Unterricht hervor, nun da ihr Wissensdurst gestillt war.

Cloud blieb stehen. Er erinnerte sich an die Geschehnisse der letzten Tage, von denen er seinen Schülern nichts mitgeteilt hatte – zum einen die Unterschrift des Bürgermeisters von Nibelheim auf jenem Vertrag, der die Überreste der Shin-Ra-Villa unter Denkmalschutz stellte ... zum anderen das Untersuchungsteam der AVALANCHE, das sich – anders als die ERCOM – damit beschäftigen durfte, den ganzen Geheimschacht durchzusehen, zu reinigen und das gesamte angesammelte Material der Forschungsergebnisse zu studieren ... und natürlich Tifas Wiedereinstellung in den Beruf der Botschafterin, den sie seither wieder pflichtbewusst übernahm. Er erinnerte sich aber auch an die Verbrennung von Vincents Leichnam, die grelllodernden Flammen mit den sich auftürmenden Rauchmassen in der kalten Winterluft und die Schar von Tauben, die sich der eher kleinen Gruppe engster Freunde hinzugesellt hatte. Sephiroth hatte auf Clouds Schulter gesessen, Ifalna auf der von Aeris, die anderen Cetra tummelten sich wie eine einzelne wogende Schneemasse auf dem trockenen Gras. Nur die beiden jüngst ins Verheißene Land aufgenommenen Beschützer des Planeten hatten etwas abseits gehockt, dicht beieinander mit sich berührenden Schnäbeln und in die Glut gestarrt. Es war vollbracht, abgeschlossen, alles hatte zu einem Ende gefunden, einem natürlichen Ende.

Die Gedanken zogen sich zurück; Clouds Blick glitt zum Fenster und erhaschte seinen Chocobo auf der Wiese des Schulhofs, wie er angeschlossene Fahrräder anknabberte. Choco würde einfach nie klug werden. Aber wer war schon klug?



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