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Süßes Internatsleben, was bist du doch bitter

oder: Von der Ungerechtigkeit des Lebens
von

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Leg dich nie mit deinem Mathelehrer an

„Boah, ich bin so fertig!“, beklagte Cathy sich, als sie am Freitagnachmittag auf ihr Bett fiel, dabei ihren Rucksack achtlos auf den Boden knallend.

Sie und Jule hatten in der siebten und achten Stunde Religion bei Herrn Klinsmann gehabt. Das war eindeutig mehr Qual als Vergnügen, wie beide zugeben mussten. Der gestrenge Konrektor zog auch im Nachmittagsunterricht das volle Programm durch.

„So siehst du auch aus.“, bemerkte Lesly spitz, die jetzt Cathys Rolle vom Vortag eingenommen hatte und schmollte. Mit Lynn und Jule hatte die Engländerin kein Wort mehr gewechselt.

„Danke für die Blumen.“, erwiderte Cathy gelassen.

Sie wollte nicht auch noch mit Lesly Streit anfangen, da diese schon auf die anderen beiden schlecht zu sprechen war. Jule, die mit Cathy ins Zimmer gekommen war, schnaubte nur leise. Den ganzen Vormittag hatte sie damit zugebracht, einen Plan auszutüfteln, wie sie Cathy aus dem Internat schaffen konnten, ohne dass Metzelder es mitbekam. In den Pausen hatte sie sich mit Lynn darüber beraten, doch jede Idee, die ihnen gekommen war, hatten sie wieder verworfen, weil sie zu offensichtlich war oder schlichtweg nicht durchführbar. Lesly hatte es vorgezogen, sich im Kunstraum aufzuhalten um tiefschürfende Gespräche mit Herrn Hildebrand zu führen, während Cathy ja noch ihre Strafe abzuleisten hatte, indem sie Tafelbimbo für den arroganten Sack spielte. Kaum, dass sie damit fertig war, drehte sie eine Runde im Park, um wieder zu sich zu finden. Von den Plänen ihrer Freundinnen ahnte sie nicht das Geringste und auch auf Marcells komisches Verhalten konnte sie sich keinen Reim machen. Im Englisch- LK in der dritten und vierten Stunde merkte Cathy, wie er sie häufiger beobachtete. Er schien eindeutig besorgt, was wohl auch erklärte, warum er seine beste Freundin kurz dabehielt, nachdem es zur Pause geschellt hatte.

„Hey, ist alles okay?“, erkundigte Marcell sich bei ihr.

Er lehnte an seinem Pult, sie besorgt ansehend. Sie seufzte leise, nickt dann aber, Anstalten machend ohne ein weiteres Wort verschwinden zu wollen.

„Lauf doch nicht gleich weg.“, hielt Marcell sie auf, nicht umhin kommend, sich über ihr Verhalten zu wundern. So war sie doch sonst auch nicht drauf. Ob Metzelder so schlecht mit ihr umsprang?

„Sorry, ich muss noch Tafel wischen.“, erwiderte Cathy, sah Marcell aber bei diesen Worten nicht an. Allein das ließ ihn stutzen. Normalerweise vermied die junge Frau Blickkontakt nur dann, wenn sie etwas zu verbergen hatte bzw. eine Lüge erzählte. Man konnte ihr an den Augen ansehen, wenn sie nicht die ganze Wahrheit sagte. Der Umstand, dass sie ihn jetzt mit dem Tafel wischen abspeisen wollte, legte Marcell den Verdacht nah, dass da noch mehr war. Aber er bekam keine Chance mehr, sich danach zu erkundigen, denn Cathy hatte den Raum schon verlassen. Auf dem Weg zum Klassenzimmer von Herrn Metzelder kämpfte sie mühsam mit den Tränen. Zum Glück dauerte es ein paar Minuten, ehe sie von A nach B gelangt war, was ihr die nötige Zeit verschaffte, sich zusammenzureißen. Sie hasste sich für ihr Verhalten gegenüber Marcell. Er hatte es schließlich nur gut gemeint. Doch wenn sie ihm reinen Wein eingeschenkt hätte, wäre er nur sauer auf Metzelder geworden. Am Ende hätte Marcell sich noch eingemischt und so wie Cathy ihren neuen Coach kannte, wäre diesem die Einmischung sauer aufgestoßen, was dazu geführt hätte, dass der Schulleiter auch noch in diese unselige Sache eingeweiht würde. Nichts aber lag Cathy ferner, als dass Marcell ihretwegen in Schwierigkeiten geriet. Lieber ertrug sie das harte Regime des arroganten Sacks. Sie war doch nicht aus Zucker!

Der arrogante Sack war an diesem Freitag erstaunlich freundlich zu Cathy gewesen, obwohl sie kaum ein Wort mit ihm wechselte, sondern sich allein darauf konzentrierte, die Tafel ordnungsgemäß zu wischen, um danach verschwinden zu können. Länger als nötig wollte sie nicht in Metzelders Nähe sein. Es reichte ihr schon, dass er sie um Vier zum Training wiedersehen würde, auf das sie heute so gar keine Lust hatte, was selten genug vorkam. Normalerweise war ein hartes Training mehr als geeignet, um Cathys angeschlagene Stimmung deutlich zu heben. Aber mit Metzelder war nicht gut Kirschen essen, wie sie in den beiden vorangegangene Trainingseinheiten wohl bemerkt hatte. Ganz anders als mit Marcell, der die Atmosphäre durch ein paar kleine Witze angenehm aufgelockert hatte. Zudem verstand er es wie niemand anders Cathy zu motivieren, wenn sie ihre Null- Bock Einstellung an den Tag legte.
 

Bis zum Training lümmelte Cathy auf ihrem Bett herum, die Nase in einem Schmöker versenkt ('Evermore' von Alyson Noel) und komplett unaware, was ihre Umwelt anging. Das gab vor allem Jule und Lynn die Möglichkeit, ihren Plan weiter gedeihen zu lassen. So schnappte sich Erstere das Handy von Cathy, durchforstete das Telefonbuch und rief schließlich Philipp an, um ihm von dem Desaster zu berichten, aus dem er seine jüngere Schwester am folgenden Tag würde befreien müssen. Es war kein Geheimnis, dass Jule eine Schwäche für Philipp hatte, was auch erklärte, warum sie zunächst ein bisschen rumdruckste, ehe sie sich vernünftig artikulieren konnte. Lynn derweil, die sich ein Grinsen stark verkneifen musste, überlegte, wie sie Marcell in den Plan einweihen konnten. Sie war sich ganz sicher, dass der Englischlehrer sich Cathys erbarmen würde.

'Am Besten ich geh bei Marcells Büro vorbei und bespreche es da mit ihm.', nahm Lynn sich vor, wartete dann aber doch noch, bis Jule mit ihrem Telefonat fertig war.

Außerdem wollten sie nicht, dass Cathy etwas mitbekam, da sie sie zu einem Gutteil auch überraschen und damit Wiedergutmachung leisten wollten. Die Mädchen wussten, dass sie ihre Freundin mit ihrem Verhalten vor den Kopf gestoßen hatten und dass die Sache noch an Cathy nagte, auch wenn sie sich betont gleichgültig gab. Also wollten sie Abbitte leisten, damit die Blonde ihnen wieder gut war. Streit und Funkstille war allen Bewohnerinnen des Viererzimmers zuwider. Wenn man auf engstem Raum miteinander auskommen musste, waren Meinungsverschiedenheiten eher hinderlich.

Um kurz vor Vier erhob Cathy sich unwillig von ihrem Bett, packte ihre Trainingssachen ein und stoppte nochmal an der Tür, um sich zu verabschieden.

„Bis später dann, Leute. Ich bin beim Training.“

„Ja, viel Spaß.“, erwiderten Lynn und Jule im Chor.

Lesly war nicht anwesend, sondern, wie sollte es anders sein, im Kunstraum, wo sie an ihrer Bewerbungsmappe für die Uni bastelte, tatkräftig unterstützt von Herrn Hildebrand. Sie hatte schließlich keine Zeit zu verlieren. Ein solches Material zu erstellen, war zeitaufwendig und sie hatte lieber ein paar Exemplare zu viel als zu wenig von manchen Werken.

„Okay, die Luft ist rein. Gehen wir zu Marcell.“, kommandierte Lynn, nachdem sie auf Nummer Sicher gegangen war, dass Cathy nicht mehr zurückkommen würde, weil sie etwas vergessen hatte oder dergleichen.

„Worauf wartest du noch? Eine schriftliche Einladung?“, gab Jule grinsend zurück, völlig ungeniert in Richtung Lehrerbüros laufend.

Das hier war schließlich keine Sperrzone. Wer sollte sie schon schief angucken oder sich wundern? Dass Schüler in diesen Korridoren rumturnten war keine Seltenheit. Deswegen sah Jule es auch nicht ein, warum sie sich wie eine Verschwörerin verhalten sollte, obwohl sie genau das war. Lynn jedenfalls beeilte sich, ihrer Freundin nachzukommen und möglichst unauffällig zu sein. Sie war nicht scharf drauf, Herrn Metzelder morgen erklären zu müssen, wo Cathy steckte.

„Wir sind da, Lynn.“, informierte Jule ihre Begleiterin, die glatt an der Bürotür Marcells vorbeigelaufen wäre, wenn man sie nicht angehalten hätte, so versunken war sie in Gedanken.

„Oh.“, gab die Träumerin zur Antwort, riss sich dann aber am Riemen und übernahm großzügigerweise das Anklopfen.

Nachdem der Englischlehrer ein 'Herein' hatte erklingen lassen, betraten die Mädchen den Raum. Marcell staunte nicht schlecht, als er Cathys Freundinnen erkannte. Er fragte sich, was sie wohl zu ihm trieb, konnte sich jedoch selbst keine Erklärung liefern. Keine der beiden hatte bei ihm Unterricht, da er nur für die Englischleistungskurse zuständig war, Jule und Lynn aber jeweils im Grundkurs saßen. Die eine in der 13, die andere in der Zwölf.

„Was führt euch zu mir?“, wollte Marcell denn auch neugierig wissen, während er den Schülerinnen die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch anbot. Dankend nahmen sie Platz, ernst wirkend.

„Wo fangen wir denn am Besten an?“, überlegte Lynn laut.

„Geht es um Cathy?“, schlug Marcell vor.

Jule nickte.

„In der Tat, um genau die geht es.“

„Wie kann ich euch denn helfen?“

Sofort war Marcell Feuer und Flamme. Wenn es etwas gab, was er tun konnte damit Cathy wieder besser drauf war, nun, dann würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um zu erreichen, dass ihre Laune sich steigerte.

„Also, Sie wissen es vermutlich nicht, aber Cathy und ihre Schwester Marie bekommen dieses Wochenende Besuch von ihrem älteren Bruder.“, begann Jule, wurde aber von Lynn unterbrochen, die auch unbedingt etwas beitragen wollte.

„Genau und sie hatten einen Wochenendtrip geplant, der dank Metzelders Straftraining aber nun leider für Cathy ins Wasser zu fallen droht.“

Langsam nickte Marcell.

„Verstehe.“, erwiderte er, fügte aber dann hinzu: „Und wie soll ich eurer Meinung nach eingreifen? Ich meine, ich kann wohl kaum meinem Kollegen sagen, er soll ihr die Strafe erlassen...“

„Oh, so weit haben wir auch gar nicht gedacht.“, meinte Jule locker, dabei aber ziemlich verschlagen grinsend.

„Ach ja?“

Marcell zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Und was habt ihr denn sonst ausgeheckt?“

Seine Neugier war dem Lehrer deutlich anzumerken. Er konnte sie kaum noch bezähmen, fürchtete aber, dass die Antwort ihm nicht gefallen könnte. Jedenfalls nicht, wenn er Jules Grinsen richtig gedeutet hatte.

„Wir wollen Cathy aus dem Internat schmuggeln.“, ließ Lynn dann die Bombe platzen.

Gespannt sahen sie Marcell an, der zunächst zu keiner Reaktion fähig war. Stattdessen starrte er die Schülerinnen nur ungläubig an.
 

Während Jule und Lynn mit Marcell weiter Pläne schmiedeten, kämpfte Cathy auf einem der zahlreichen Sportplätze des Internats gegen Erschöpfung und Frustration an. Obwohl sie sich ordentlich bemühte, wollte ihr nichts so recht gelingen. Sie hatte die Zähne zusammengebissen, trotzte ihrem Körper Leistung ab, die er einfach nicht bringen wollte und schaffte es doch nicht, den Vorgaben ihres Coachs gerecht zu werden, was sie ziemlich wurmte. Sie mochte ja in Mathematik eine komplette Null sein, aber das galt nicht für Fußball. Und auch wenn sie Metzelder nicht leiden konnte, genauer gesagt, ihn absolut verabscheute, hatte das doch keine Auswirkungen auf ihren Ehrgeiz. Zumindest keine negativen. Eher wurde sie noch angespornt, wollte sie ihm doch unbedingt etwas beweisen. Nämlich, dass sie gut war, dass sie nicht in allen Dingen versagte. Marcell hatte sie vielleicht gut gefördert und ein ums andere Mal wäre sie vor Müdigkeit bald umgekippt, jedoch hatte er sie nie so sehr an ihre Grenzen getrieben, wie Metzelder es tat. Und obwohl Cathy manchmal ganz schön faul und bequem war, tat ihr das gut. Sie spürte richtig, wie jeder Muskel in ihr arbeitete und sie mit jedem Schritt, den sie tat, jeder Bewegung, die sie vollbrachte näher an 100 Prozent Leistung heranreichte. Aber das war ihr nicht genug. Sie wollte diesen arroganten Sack in Staunen versetzen. Ihm praktisch beweisen, dass die Jahre unter Marcells Führung und Anleitung nicht verschwendet waren, sondern, dass er ihr eine Menge beigebracht hatte. Freilich ahnte sie nicht im Geringsten, dass Herr Metzelder sich dessen durchaus bewusst war, was ihn allerdings nicht davon abhielt, Cathy gehörig zu scheuchen. Immerhin war sie eine ernsthafte Sportlerin. Sie wollte etwas erreichen und das gelang nun mal nicht ohne Mühe. Deswegen nahm er sie direkt hart an die Kandarre. Sie sollte merken, dass er zwar ein strenges Programm durchzog, sie davon aber nur profitieren konnte. Ähnlich wie in seinen 'richtigen' Unterrichtsstunden duldete Christoph auch im Training keinen Müßiggang, keine Wiederworte, keine Lustlosigkeit und kleine Rebellionen wusste er im Keim zu ersticken, wenn man mal von den Beleidigungen absah, die Cathy ihm in der vergangenen Woche an den Kopf geworfen hatte. Den Preis dafür zahlte sie, indem sie auf das gemeinsame Wochenende mit ihren Geschwistern verzichten musste. In Christophs Augen war das Strafe genug. Zudem war sie ja noch seine Tafelputzsklavin und übertreiben wollte er es nicht gerade. Sie konnte ihn ohnehin schon nicht leiden, was er ziemlich bedauerte. Es war ja nicht so, als ob er sie nicht mochte, eher im Gegenteil. Sie war ihm schließlich nicht ohne Grund im Juni aufgefallen. Aber bevor er sich noch einmal an diesen verhängnisvollen Tag erinnern konnte, verscheuchte er den Gedanken unwirsch. Stattdessen reagierte er sich an Cathy ab, indem er ihren Spielcharakter kritisierte, obwohl an diesem nicht gerade viel zu bemängeln war. Wäre Christoph besserer Laune gewesen, wäre sie definitiv nicht so schlecht weggekommen. Er staunte ohnehin, wie viel sie sich heute von ihm gefallen ließ, ohne auch nur einmal zu meckern. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie mit Kritik absolut nicht umgehen konnte, war ihr ehemaliger Trainer schließlich gleichzeitig eng mit ihr befreundet gewesen und daher sicherlich einer konstruktiven Kritik nicht mächtig. Wie sehr der Herr irrte, merkte er, als Cathy, am Rande des Zusammenbruchs nur um eine Verschnaufpause bat. Kaum, dass sie ihr gewährt wurde, schnappte sie sich ihre Wasserflasche, leerte sie in großen Schlucken und kehrte zum Training zurück. Christoph sah, wie sehr sie sich bemühte, aber ihm fiel auch auf, dass sie heute nicht steigerungsfähig war. Selbst wenn sie noch bis um sieben Uhr Abends trainiert hätten, hätte keine Steigerung stattgefunden. Die Luft war einfach raus.

Aus diesem Grund beendete Christoph das Training daher fünf Minuten früher als es sonst seiner Art entsprach.

„Schluss für heute. Geh duschen und dich ausruhen.“, beschied er Cathy.

Diese nickte dankbar, war sie doch völlig am Ende. Sie griff nach ihrer Tasche, warf sie sich über die Schulter und trollte sich in Richtung der Duschen. Dann aber besann sie sich eines Besseren, kehrte wieder um und stand eine Weile doof vor Christoph rum, der noch damit beschäftigt war, die Notizen, die er sich während der Trainingseinheit gemacht hatte, zu überfliegen und gegebenenfalls noch etwas hinzuzufügen. Erst ein paar Minuten später bemerkte er Cathy.

„Was gibt’s?“, wollte er neugierig wissen.

Aus irgendeinem Grund lief sie rot an, trat unruhig von einem Bein aufs andere und druckste mehrere Augenblicke unzusammenhängend herum, bevor sie sich dazu überwand, vorzutragen, was ihr auf der Seele lag.

„Können Sie mich für Sonntag nicht freistellen, bitte?“, brachte sie leise hervor.

Schon als die Frage stellte, war ihr schlecht und vor seiner Antwort graute ihr geradezu. Christoph aber zog kritisch eine Augenbraue hoch.

„Warum sollte ich?“

„Sie wissen doch, mein Bruder...“, begann Cathy, dann aber verließ sie der Mut, so dass der Satz unvollendet blieb.

„Mag ja sein, aber ich hab dir vorgestern schon 'Nein' gesagt.“, beschied Christoph sie.

Er blieb in der Hinsicht unerbittlich. Und wenn sie sich auf den Kopf stellte, er würde nicht einlenken. Sie musste akzeptieren, dass sie so nicht mit ihm umgehen konnte. Für ihre Frechheit musste sie bestraft werden und sie Sonntag trainieren zu lassen, erschien dem hochgewachsenen Mann durchaus legitim. Er war der Trainer, er war ihr Lehrer, eine Autoritätsperson und sie hatte sich seinem Willen zu beugen. Tat sie es nicht, nun, dann würde er eben weniger nette Saiten aufziehen.

„Bitte...können Sie mich nicht Samstag doppelt trainieren lassen und mich dafür am Sonntag verschonen?“, versuchte Cathy zu handeln.

Sie hasste sich dafür, dass ihre Verzweiflung in ihrer Bitte so sehr zum Ausdruck kam. Der arrogante Sack musste nicht wissen, wie sehr sie sich danach sehnte, ihren heißgeliebten Bruder wiederzusehen. Es geschah selten genug, dass Philipp Zeit für sie und Marie aufwenden konnte. Und noch einmal so lange auf ein Treffen warten zu müssen, nein, das würde Cathy schlichtweg nicht durchhalten. Er fehlte ihr doch so!

Christoph sah durchaus, wie verzweifelt Cathy war, aber er konnte einfach nicht nachgeben. Was hätte das sonst über seine Autorität ausgesagt? Eben, dass er ein Weichei war. Dass er sich von einem Dackelblick rumkriegen und weichklopfen ließ. Und das konnte er nicht. Natürlich wusste er, dass er sich wie ein Arschloch benahm - gut, okay, er konnte vielleicht manchmal wirklich eins sein – aber er genausowenig konnte er sich dazu überwinden, ihr einen Gefallen zu tun. Es ließ sich mit seinem übergroßen Stolz einfach nicht vereinbaren. Zwar rechnete er es ihr hoch an, dass sie sogar bereit war, doppelt zu trainieren, doch einlenken und nachgeben mochte er trotzdem nicht.

„Ich sagte Nein.“, blieb Christoph hart.

„Und dabei bleibt es!“, fügte er barscher hinzu, als beabsichtigt.

Cathy, die schon ihren Mund zu einer Erwiderung geöffnet hatte, starrte ihn einen Moment nur fassungslos an. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte, trotz ihrer Erschöpfung, sauer und frustriert in Richtung Umkleiden.
 

Ungefähr eine Dreiviertelstunde nach ihrem Abgang war Christoph so weit, dass er ebenfalls duschen und sich umziehen gehen konnte. Ihm ging das Gespräch mit seiner widerspenstigen Schülerin einfach nicht aus dem Sinn.

'Warum konnte ich ihren Vorschlag nicht annehmen?', fragte er sich, während er sich aus den Trainingsklamotten schälte, sich ein Handtuch um die Hüften schlang und mit Duschzeug bewaffnet den Weg zu den Duschen antrat.

Dazu muss erklärt werden, dass es zwar getrennte Umkleiden gab für Jungen und Mädchen, man aber, da das St. Helena zunächst ein reines Jungeninternat gewesen war, schlicht und ergreifend es nicht für nötig befunden hatte, einen weiteren Duschraum hinzuzufügen, nachdem die Schule auch für Mädchen geöffnet worden war. Aus diesem Grund hatte Christoph auch noch 45 Minuten vertrödelt, um Cathy ja nicht zu stören. Er hatte nur einmal, ziemlich am Anfang seiner Karriere, einen weibliche Privatschüler gehabt und wusste daher, dass Frauen, wenn sie Frust hatten, schon mal länger unter der Dusche brauchten. Da er nicht sonderlich scharf darauf war von Cathy als Spanner abgestempelt zu werden, hatte er vorsichtshalber so lange gewartet, bis er sicher war, dass seine kleine Rebellin mit allem fertig war.

Vor sich hin summend, um alle Gedanken zu verscheuchen, die ihn selbst als den Bösen anprangerten, betrat er den Vorraum zu den Duschen. Zwar drang das Geräusch prasselnden Wassers an sein Ohr, doch dachte er sich nichts weiter dabei. Bestimmt hatte Cathy einfach nur vergessen, die Dusche abzustellen.

'Umso besser für mich, dann dürfte das Wasser zumindest warm sein.'

Da die Duschen ein wenig antik, um nicht zu sagen extrem veraltet waren, dauerte es ein paar Augenblicke, ehe das Wasser warm wurde. Wer also klug war, ließ die Dusche erstmal ein bisschen laufen, bevor er sich drunter stellte.

Christoph war drauf und dran, zu den Duschen weiterzugehen, als noch etwas an sein Ohr drang. Und dieses Geräusch konnte er eindeutig als Schluchzen identifizieren. Irritiert und irgendwo auch neugierig konnte er sich nicht bezähmen. Er musste auf Nummer Sicher gehen, dass es sich bei dieser verzweifelten Person nicht um Cathy handelte. Als er um die Ecke spähte wurde seine Wunschvorstellung grausam zerschmettert. Es war in der Tat Cathy, aber in völlig anderem Gemütszustand, als er sie je erlebt hatte.

Sie hockte unter der Dusche, hatte die Arme um ihren Brustkorb geschlungen und ließ, sich ungestört glaubend,ihren Tränen freien Lauf. All ihr Kummer strömte über ihre Wangen, vermischte sich mit dem Wasser aus der Leitung und verschmolz zu einem ewige prasselnden Strahl, der sich schließlich und endlich auf die cremefarbenen Kacheln ergoss und im Abfluss landete. Natürlich hatte Christoph geahnt, dass sie alles andere als begeistert von seiner Abfuhr war, aber dass sie sich so die Seele aus dem Leib heulte, war ihm auch zuwider. Und da nur seinetwegen. Weil er zu stolz gewesen war, um ihr entgegen zu kommen...

In diese Situation fiel ihm nicht mal auf, dass Cathy splitterfasernackt war, nichts am Leibe trug und er ihren trainierten und wohlgeformten, jungen Körper wunderbar betrachten konnte. Seine Aufmerksamkeit war eindeutig auf ihre Verzweiflung gerichtet, von der er nicht gewusst hatte, dass sie so grenzenlos war. Nun sicher, es war bitter, wenn man mit seinen Geschwistern nicht wegfahren konnte, aber dass sie es sich gleich so zu Herzen nahm?

„Philipp...“, schluchzte Cathy da auf.

Sie hob den Kopf, welchen sie bis dato gesenkt gehalten hatte und hielt ihr Gesicht genau in den dampfenden Wasserstrahl, der nun auf ihre geschlossenen Augenlider prasselte. Jetzt konnte Christoph ihre Tränen erst recht erkennen.

'Ich bin so ein sturer, verdammter Idiot!', schalt er sich innerlich, wie gebannt vom Anblick seiner weinenden Schülerin, die nich ahnte, dass er da war und sie beobachtete.

Wie er sie so da sitzen sah, wurde ihm nur noch einmal deutlich bewusst, dass er sein Verhalten ihr gegenüber ändern musste, wenn er wollte, dass sie ihn eines Tages akzeptierte, vielleicht sogar mochte.

'Das wird schwer, aber ich verspreche, dass ich nach diesem Wochenende nicht mehr so hart mit dir ins Gericht gehen werden.', dachte Christoph an Cathy gerichtet, die da natürlich nicht mitbekam, zum einen weil sie zu beschäftigt war mit ihrem Kummer und zum anderen, weil sie nicht damit rechnete, dass irgendjemand auf die Schnapsidee kommen konnte, ihr beim Heulen zuzugucken.

Christophs guter Vorsatz würde sich allerdings schon bald in Rauch auflösen, ohne, dass er es ahnte. Noch wusste er schließlich nicht, was für eine unangenehme Überraschung ihn am Wochenende erwartete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MissMalfoy
2010-09-15T00:49:32+00:00 15.09.2010 02:49
Oh je! Schaufelt sie sich gerade selbst ihr eigenes Grab? ich hoffe das die beiden doch noch einien Weg finden einigermaßen vernünftig miteinander um zu gehen!
Es war mal wieder ein tolles Kapitel!
Von:  Sakura-Jeanne
2010-09-14T12:27:16+00:00 14.09.2010 14:27
Hammer gieles kapitel

Da bin ich mal gespannt wie es weiter geht,
mal kucken ob er es eingesehn hat und sich ganz sschnell aus der dusche geht bevohr sie es merkt


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